Die Drachenballade von Kylie (Band 1 - Drachen-Saga) ================================================================================ Prolog: Dämonen und Schattenwesen ---------------------------------     Die Geschichte und Charaktere sind reine Fiktion. Alle Ähnlichkeiten mit echten Personen (egal, ob im Leben oder bereits verstorben), Geschehnissen und Orten sind reiner Zufall.         „Wege entstehen dadurch,   dass man sie geht.“ » Franz Kafka         Einst kam ich zu meinem Vater in seinen großen, kalten Thronsaal. Wie immer erfasste mich ein unangenehmer Schauer, eine Spur Ekel und ein Hauch von Furcht. Gerade als Kind habe ich nicht verstehen können, wieso mein eigener Vater einen Thron aus Totenköpfen und Gebeinen seiner Feinde hatte. Er saß darauf, als sei es ein gewöhnliches Möbelstück aus Holz und Stoffen. Um ihn herum aber strotzte das junge Leben, denn er besaß ein Harem aus hübschen und zum Teil sehr exotischen Frauen. Alle waren ihm hörig... Sie waren um ihn und erfüllte meinem Vater all seine Wünsche. Dabei spielte es keine Rolle, welcher Natur diese Wünsche entsprachen. Aus diesem Grund gibt es für mich keine Kindheitserinnerung, in denen mein Vater nicht gerade vor meinen Augen sexuell befriedigt wurde. Mit Hand oder Mund... Dem direkten Akt. Schamvoll war er nie. „Vater“, sagte ich mit bibbernder Stimme und alle Augen richteten sich auf mich. Mit meinen neun Jahren galt ich als heiratsfähig, trotzdem hatte mein Vater mich bisher nicht verheiratet. Viele dieser Mädchen, die mein Vater sich genommen hatte, verstanden das nicht. Sie selbst hatten ihr Gelöbnis in diesem Alter an ihn abtreten müssen und es gab einige Gerüchte, dass mein Vater auch gerne seine Töchter ehelichen wollte. Unter all seinen Töchtern war ich seine Liebste. Deshalb stieß er seine Frauen auch von sich und richtete seine grauen, kalten Augen direkt auf mich. Aufmerksam, aber nicht bereit, mir mein Anliegen aus der Nase zu ziehen. „Was sind Dämonen?“ Er lachte. Grell und spöttisch. Vermutlich hätte ich geweint, wenn er mich nicht ständig auf diese Weise gedemütigt und gepeinigt hätte. Sein Lachen dröhnte laut in der großen Halle und niemand sonst wagte es, mit einzustimmen. Dem Letzten hatte er dafür die Kehle herausgerissen und sie seinem Halbbruder zum Fraß vorgeworfen. Nur wenn er deutlich zum Gelächter aufforderte, stimmte sein Umfeld mit ein. „Wie kommst du denn nun darauf, Kind?“, fragte er mich spöttisch. „Hat dein Bruder dir wieder irgendwelche Schauergeschichten erzählt? Ich habe dir schon oft gesagt, dass du ihm nicht alles glauben sollst.“ „Aber Vater...“, warf ich wissentlich ein und schüttelte energisch meinen Kopf. „Viele Bücher berichten doch über Dämonen. Da muss doch etwas Wahres dran sein! Und sie sagen doch, dass wir auch Dämonen sind. All die Wesen aus der Unterwelt seien Dämonen... Bin ich also auch einer?“ Wenn mein Vater eine Sache nicht mochte, dann war es definitiv Widerspruch. Die zweite Sache, die er vielleicht noch mehr hasste, waren kluge Gesprächspartner, die ihr Wissen nicht für ihn einsetzten. Obwohl ich diese beiden Eigenschaften gerne verband, liebte er mich genug, damit er mich nicht köpfen ließ - oder Schlimmeres... Er setzte sich sogar aufrechter hin und spreizte seine stämmigen Beine, um einen besseren Stand zu haben. Außerdem nahm er so mehr Platz in Anspruch und signalisierte seine Dominanz, Stärke und Überlegenheit. Dazu musste er nicht aufstehen, auch wenn ich anhand des Zuckens seiner Muskeln erkannte, dass er dies gerne tun wollte. Er winkte mich herüber. Auch wenn ich für einen Moment zögerte, kam ich seiner Aufforderung langsam nach. Meine Augen sahen dabei ständig zu seinen Weibern. Sie waren vielleicht seine Frauen, aber das bedeutete nicht, dass sie nicht angetrieben von Neid, Eifersucht oder Habgier waren. Sie würden töten, wenn ihr Ansehen dafür stieg. Das war auch ein Grund, weshalb er sich für viele von ihnen einst entschieden hatte. Mit einem Klopfen auf seinen rechten, kräftigen Oberschenkel signalisierte er mir, dass ich mich dorthin zu setzen hatte. Ich konzentrierte mich darauf, in seine kühlen Augen zu blicken und nicht auf seinen Penis, der durch die heruntergezogene Hose hart und beängstigend auf Befriedigung wartete. Manchmal habe ich mir eingeredet, dass es den Drachen in ihm weckte, wenn ich auf seine Schlange blickte. „Es gibt keine Dämonen.“, sagte er gelassen und wandte nicht den Blick von mir ab. „Aber all die Bücher und Schriften!“ „Lern richtig zu lesen, Kind.“, ermahnte mein Vater mich streng und verpasste mir einen kräftigen Hieb auf den Oberarm. Es würde einen blauen Fleck geben, aber ich hatte Glück: Hätte er ernsthaft zugeschlagen, dann wäre ich an die nächste Wand geschmettert worden. Nicht, dass das nicht schon mehrmals vorgekommen wäre... Mein Vater schnaubte genervt und rieb sich die Schläfen: „Es gibt in der Unterwelt viele Schattenwesen, Billie, die für Menschen unheimlich sind. Die größte Angst kommt aber mit dem Unwissen. All jene, die im Licht geboren wurden, fürchten das, was sie nicht kennen und nicht verstehen. Sie gaben also den Wesen, die im Schatten geboren wurden die Bezeichnung >Dämon<.“ Das befriedigte nicht meinen Wissensdrang und das bemerkte auch mein Vater. Er wollte mich bestimmt gerne windelweich prügeln und ich weiß bis heute nicht, warum er es nicht einfach getan hat. „Was genau weißt du denn über die Dämonen?“ „Nicht viel...“, gestand ich offen ein und vergriff meine Hände vollkommen verkrampft ineinander. „Sie sollen abgrundtief böse sein und furchtbare Mächte beherrschen, während sie den Verstand von braven Menschen beeinflussen können. Sie scheuen das Licht...“ „Du kennst also die üblichen Ammenmärchen.“, schlussfolgerte er daraus und seufzte schwer. „Ich sollte Connar sagen, dass er sich für dich neue Geschichten suchen sollte. Offensichtlich ängstigen sie dich ja bloß.“ Meine älteren Brüder versuchten vieles, um mich zu beschützen, aber einige von ihnen waren auch albern und sagten vieles, um mich zu verängstigen. Manche von meinen Verwandten taten auch viel, damit ich die Gunst meines Vaters verlor. Wenn ich ehrlich sein soll, dann wäre ich sehr glücklich gewesen, wenn einer es geschafft hätte... „Klär’ mich auf.“, forderte ich und zog eine Schnute. Ich wurde nicht gerne belehrt, ohne zumindest aufgeklärt zu werden. Wäre es nach meinem Vater gegangen, dann hätte ich ohnehin niemals das Lesen gelernt, aber sein bester Freund hatte es mich schlussendlich gelehrt. Außerdem hatte er mich dazu ermutigt, niemals aufzugeben und alles zu lernen und zu lesen, was mir in den Sinn kam. „Das, was wirklich Dämonen sind, sind die Menschen und Nichtmenschen der Oberwelt, Kind.“, erklärte mein Vater ungern. „Es gibt jene, die so besessen von etwas sind, dass sie in der Lage sind, dafür ihre ganze Familie abzuschlachten oder Kinder zu vergewaltigen. Sie sind so von etwas eingenommen, dass sie bereit sind, die schrecklichsten Dinge zu tun, damit sie es irgendwie bekommen. Da diese Tölpel sich nicht erklären können, wie eine Person zu solch Gräueltaten fähig ist, schieben sie es auf Dämonen und Monster, die den Geist liebender Väter ergreifen und sie zu Monstern werden lässt. Sie wollen nicht erkennen, dass das Böse tief in ihnen verankert ist und nur auf einen Auslöser wartet, um auszubrechen. Lieber sprechen Menschen von Besessenheit und Dämonen, die ihren Geist beschmutzen.“ Mein Vater sah, dass ich kurz davor war, etwas zu sagen und hob direkt die Hand. Er wollte nun keine Widerworte hören: „Ich weiß, dass du nun einwerfen möchtest, dass wir solche Dinge hier ständig tun, aber lass’ dir sagen, Kind, dass das unsere Kultur ist. Wir wachsen in der Dunkelheit auf mit Inzest, Mord und Vergewaltigung. Wir leben mit der Vorstellung, dass wir die Reinheit des Blutes erhalten, wenn wir unsere Töchter ficken und unsere Schwestern ehelichen. Für uns ist es keine Böswilligkeit, wenn ein Mann einen anderen umbringt, um dessen Weib zu erlangen. Unsere Weiber wissen, dass wir sie als zweitklassig erachten und uns von ihnen nehmen, was wir haben wollen. Das funktioniert hier in der Unterwelt wunderbar. Für die Oberwelter kommt solch eine Moral nicht infrage.“ Auch wenn es absurd und eklig klang, konnte ich die Ansicht meines Vaters nachvollziehen. Wäre ich an der Sonne groß geworden, dann hätte mich wohl alles erschrocken, was hier unten zum Alltag geworden war. Wenn ich dort aufgewachsen wäre, dann wäre die sexuelle Befriedigung meines Vaters niemals normal geworden und auch die Methoden, die all jene hier anwandten, wären mir wahrscheinlich zutiefst zuwider vorgekommen. Andere Erfahrungen und Regeln hätten mich geformt und die Geschichten um Dämonen hätten meine Angst so geschürt, dass ich nichts Ungesetzliches wagen würde. Umgekehrt erscheint uns die Lebensweise eines Oberwelters natürlich ebenso suspekt und ihre Mentalität scheint nicht richtig zu sein. Ihre Regeln scheinen übertrieben, ihre Familien unrein und winzig. Letztendlich schien alles nur ein Schwarz und Weiß zu sein, weshalb ich entschied, dass ich nicht in solchen Bahnen denken durfte, wenn ich all das verstehen wollte. Ich musste beide Seiten der Medaille kennen und ich durfte mich nicht auf eine Seite schlagen, sondern mich auf der Kehrseite bewegen. Nicht mit dem Gedanken im Kopf, dass ich ein Dämon für die Oberwelter war und auch niemals daran denken, dass ich für einen Unterwelter nur ein schnell gefundenes Fressen war. Auf ihre Weise waren beide Welten richtig. Für die jeweiligen Bewohner aber war es einfach nur befremdlich, die andere Seite zu verstehen. Trotzdem war ich noch nicht zufrieden, weshalb ich den Blick ernst zu meinem Vater hob: „Aber woher kommen denn all die Geschichten? So weit ich weiß, kommt doch kaum ein Oberwelter zu uns und die Unterwelter leben entweder im Verborgenen oder werden schnell getötet.“ „Weil es mal eine Bedrohung gegeben hat, die die Oberwelt fast aus den Fugen riss, Kind. Eine Kreatur, die in einem schwarzen Nebel zu wandern schien, der giftig und einnehmend war. Alles, was dieser Nebel berührte, starb oder verlor den Verstand. Sowohl Tiere, Pflanzen als auch die Menschen und Nichtmenschen waren von diesem Phänomen betroffen. Durch den Wahnsinn entfachte der Krieg der Völker.“, erklärte mein Vater und fand sich offenbar langsam mit meinem Wissensdrang ab. „Elfen, Menschen, Zwerge, Drachen... Sie gingen aufeinander los mit einer flüsternden Stimme in ihrem Hinterkopf, die ihnen sagte, dass all die Anderen böse seien und dass sie vernichtet werden müssten. Sie fackelten Häuser nieder, vergewaltigten und plünderten. Laut waren die Rufe der Anschuldigungen und noch lauter die Schmerzensschreie all dieser Opfer. All jene schienen besessen von dem Drang zu sein, alles auszulöschen und die Welt zu vernichten, auf der sie lebten.“ Es wurde still im Thronsaal. Für einen Moment wirkte es so, als fiele es meinem Vater schwer, sich an jene Ereignisse zu erinnern. Ich wusste auch nicht, ob er wirklich dabei gewesen war oder er nun selbst aus Schriften berichtete, die er irgendwann studiert hatte. All das schien ewig lang her zu sein. Trotzdem riss er sich zusammen und sah mich wieder an, als er endlich fortfuhr: „Damals gab es sehr viele Opfer, Billie. Einige hatten es gewiss verdient, doch der größte Teil der Toten war einfach nur benebelt gewesen und hätte niemals zu einer Waffe gegriffen. Jene, die nicht besessen gewesen waren, hatten sich gegen diese Übermacht nicht behaupten können. Es schien so, als konnte dieser schwarze Rauch auch die Toten beleben, um sie als Diener weiter antreten zu lassen... Irgendwann schien nichts mehr das sichere Ende dieser Welt verhindern zu können.“ „Was passierte dann, Vater?“, wollte ich wissen und war vollkommen in den Bann gerissen. So selten sprach er derartig offen und es war eine absolut spannende Geschichte. Ich wollte unbedingt wissen, wie es endete. „Die Drachen passierten, Kind.“, antwortete er mir. „Sie nutzten ihre Magie und schlossen diese urböse Macht in einen Kerker ein. Banne sollten diese Kreatur in Ketten schlagen, damit sie nie wieder ausbrechen und die Welt erschüttern konnte. In einer Katakombe weit unter der Erde und fernab von den Rassen der Oberwelt, bewacht von ausgebildeten Magiern und starken Kämpfern. Da die Drachen als Einzige dem Einfluss des schwarzen Dunstes trotzten, duldeten sie keine anderen Wachen als ihre eigenen.“ „Aber das würde doch niemals reichen, um den entfachten Unmut der ganzen Rassen zu besänftigen.“, schlussfolgerte ich immer noch gefesselt. „Es lässt doch nicht vergessen, was sich alle einander antaten. Es macht doch nicht die Toten wieder lebendig.“ Zum ersten Mal in all den Jahren sah ich so etwas wie Stolz in den Augen meines Vaters. Offenbar hatte er nicht damit gerechnet, dass ich zu dieser Schlussfolgerung kommen würde und dass ohne fremde Hilfe. Also nickte er schließlich: „Das ist richtig, Billie. Letztendlich waren von diesem Tag an alle Völker verfeindet oder zumindest sehr vorsichtig den anderen gegenüber. Sie glaubten, dass nicht nur der Einfluss des Urbösen schuld an der Misere war, sondern auch die Schwäche, der Hass und die Unschlüssigkeit der anderen Rassen. Gerade auch die Drachen wurden gefürchtet und verabscheut.“ „Aber sie retteten doch letztendlich die Welt!“ „Ja, Kind, das haben sie getan. Doch du hast vergessen, was ich am Anfang sagte: Die Oberwelter hassen, was sie nicht verstehen und nicht kennen. Die Magie der Drachen verstehen sie einfach nicht und sie kennen nicht ihr unendliches Potenzial.“, ermahnte er mich und all der Stolz, der vielleicht mal da gewesen war, verschwand wieder. „Die Furcht gegenüber den Drachen wurde so stark, dass die Menschen behaupteten, dass sie ursprünglich diese Kreatur geschaffen hatten, um alle anderen auszulöschen. Die Elfen gingen sogar so weit, dass sie der festen Überzeugung waren, dass die Drachen ihren Gefangenen als Waffe einsetzen und dessen Magie lernen wollten. Andere Meinungen ließ keines der Völker zu, weshalb die Drachen gezwungen wurden, sich in Festungen, Horte und die Berge zurückzuziehen, damit sie nicht endgültig ausgelöscht wurden. Immer darauf bedacht, das Flüstern dieser Kreatur gedämpft zu halten und niemals aus seinem Kerker zu entlassen.“ „Hat diese Kreatur denn auch einen Namen?“, wollte ich wissen und spürte, dass diese Geschichte bald enden würde. „Ja, man gab diesem Wesen durchaus einen Namen.“, bestätigte mein Vater mir mit eisiger Kälte. „Da er niemals geboren wurde und er kein Interesse daran hat, sich selbst einen Namen zu geben, gaben wir ihm einen. Und wir gaben ihm ein Geschlecht, auch wenn das Urböse weder Namen noch Geschlecht trägt. Es vereinfacht uns aber, mit unserer Angst vor den Schatten zu leben.“ Wieder wurde es still im Thronsaal. Die ganzen Frauen meines Vaters hörten schon lange nicht mehr zu. Entweder hatten sie diese Geschichte schon zu oft gehört oder sie waren zu dumm, um dessen Inhalt zu begreifen. „Und wie haben wir es getauft?“ Mein Vater presste seine Lippen aufeinander und verengte seine grauen Augen verbittert. Für einen Moment glaubte ich, dass er es mir nicht sagen würde, ehe er dann doch seinen Mund öffnete und zischte: „Zodiak...“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)