Zum Inhalt der Seite

Kein Ausweg - Wenn dir nicht einmal mehr die Sterne leuchten

Winterwichteln 2018
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

9

Ein wildes Fauchen drang aus seiner Kehle hervor. Blut rann ihm aus dem Einschussloch über Nase und Wangen. Melina vernahm das Splittern von Knochen, hörte das Brechen, als die Kugeln den Schädel durchschlugen. Sie spürte den heißen Lebenssaft, der auch ihr nunmehr an der Wange haftete, klebrig, metallisch. Ihr drehte sich der Magen um.

Sie hasste den Anblick von Blut.

»Perfekter Schuss, Detective«, lobte Michael mit rauer Stimme. »Sie haben diese Scheißakademie bestimmt mit Bestnoten verlassen.«

Williams zitterte am ganzen Leib. Die GLOCK 17 hüpfte bedrohlich, als ihm der Schock in die Glieder fuhr.

»Wie ich sehe, sind Sie nicht überrascht«, lachte Mick auf. »Nun, wenn Sie es nicht sind, bin ich es auch nicht. Das ist gut für mich, so muss ich es Ihnen nicht noch lang und breit erklären.«

»Mick?«, fiepte Melina schwach.

»Oh, Liebes, verzeih'. Ich war ein wenig abgelenkt. Dein kleiner Polizisten-Freund hat versucht mich umzubringen.« Leise, beinahe, als spreche er zu einem Kind, richtete Michael seine Worte an sie. »Im Ernst, Detective Williams? Mit einer Waffe?«

Melina nahm all ihren Mut zusammen. »Mick, was soll das alles? Warum ich?«

»Mel, Liebes«, säuselte Michael. »Wer, wenn nicht du

»Warum tust du mir das an?« Ihr Wimmern sollte ihm das Herz erweichen.

»Ich liebe dich, du wirst mein sein, für immer und ewig«, schnurrte Michael und drängte sich ihr abermals entgegen.

In ihrem Kopf rasten die Gedanken. Das, was hier geschah, konnte nicht real sein. Ihr gegenüber stand Williams, der zu keiner Regung fähig schien. Wo Archer steckte, vermochte sie nicht einmal erahnen. Das, was Michael vorgab zu sein –? Welche Kreatur überlebte zwei Kopfschüsse?

Ihr Blick ging zum flimmernden Firmament hinauf. Sternschnuppen, überall. Sie fielen vom Himmel, wie unheilvolle Boten.

Melina brauchte Klarheit, etwas, an dem sie festhalten konnte. Ein Gerüst, dass unerschütterlich war.
 

»Ah«, seufzte Michael zufrieden. Es war ihm nicht entgangen, dass ihr Fokus auf etwas anderes, als ihn, gerichtet war. »Sieh' dir das an. Ist das nicht ein traumhafter Anblick? Und ist es nicht wunderbar, dass du und ich, dass wir diesen Moment gemeinsam erleben können?«

Melina riss sich von den Sternen los und starrte zu Williams herüber. All ihre Muskeln spannten sich an, doch obschon Michael von den fallenden Sternen abgelenkt schien, war sein Griff unerbittlich.

»Ich habe Fragen«, laut und deutlich war ihre Stimme zu hören. Detective Williams löste sich aus der versteiften Haltung, ebenso wandte sich Michael ihr wieder zu.

»Was sollte das mit der Visitenkarte?«, verlangte Melina zu wissen.

»Sie sollte dir zeigen, dass ich an dich denke, dich beschütze.« Ein kichernder Laut entkam ihm. Dass Melina sein Handeln nicht nachvollziehen konnte und dieses infrage stellte, ließ ihn schnaubend den Kopf schütteln.

»Dann beschütz' mich – vor dir!«, bat Melina. Sein Lachen klirrte ihr durch den Körper. »Warum musste Miss Sumners sterben? Sie hat mir nichts getan.«

Melina spürte, dass sich auch Michael kurz versteifte.

»Sie war eine Diebin«, knurrte er dicht an ihrem Ohr. »Hat das Diamant-Collier einfach mitgenommen, diese böse, böse Frau. Dann wäre der Verdacht auf dich zurückgefallen, weil diese Kameras überall versteckt sind. Und die alte Mountgomery hätte dich gefeuert und dich mir weggenommen. Aber das wusste ich zu verhindern. Ich nahm ihr die Kette ab und legte sie, unbemerkt, am nächsten Morgen, wieder zurück. Ich platzierte die Karte, mit deinem Namen, in der Hoffnung, dass du die Botschaft verstehst. Aber dann kam mir dieses Polizeipack in die Quere, schnüffelte überall herum.«

»Du glaubst doch nicht wirklich, dass eine Leiche, in einer Gasse, nicht unbemerkt bleibt?«, leichter Spott schwang ihr in der Stimme mit.

»Ich wollte sie fortschaffen, das wollte ich wirklich. Ich wusste, dass du sie sehen würdest.« Angewidert von seinen Worten, verzog Melina das Gesicht und war versucht, sich von ihm wegzudrehen, da ihr sein Atem Übelkeit verschaffte.

»Und Carla?«, brüchig wich ihr jene Frage von den Lippen.

»Sie war im Weg. Sie hätte dich gefeuert, versteh' das doch, Liebes.« Verzweiflung mischte sich unter seine Worte. »Außerdem hat war sie eine Gefahr für meine Identität.«

»Weshalb?« Melina schluckte. Abermals schwenkte ihr Blick kurz zu Williams, doch dieser war plötzlich verschwunden.

»Deine kleinen Polizisten-Freunde stecken ihre Nasen ganz gern zu tief in den Dreck, mein Herz. Sie hätten keine Aufzeichnungen über mich gefunden, und das hätte sie noch stutziger gemacht.«, erklärte Michael, der ihr Suchen sehr wohl bemerkte.

»Und was ist mit Evie?« Heiße Tränen flossen ihr über die vom Blut verkrusteten Wangen.

»Hm, das … war ein Versehen. Nicht böse gemeint.«, versuchte Michael die Situation ein wenig zu mildern.

»Versehen?«, keuchte Melina atemlos. »Versehen? Du hättest sie fast umgebracht!«

»Na na, Liebes, nicht aufregen, das ist nicht gut für dein Herz«, riet er ihr mit entschuldigendem Augenaufschlag.

»Meine beste Freundin liegt im Krankenhaus!« Die Fassungslosigkeit verschlug ihr beinahe den Atem.

»Auch unsere kleine Everly ist nicht der Sonnenschein, für den du sie hältst.« Michael verzog betrübt das Gesicht. »Die Pillen, die sie dir gibt, vergiften deinen schönen Körper. Du fühlst dich schlecht, wenn du sie deine Kehle hinabwürgst, habe ich recht?«

Wieder schmiegte er seine klebrig-blutige Wange an ihr Gesicht. »Deine Visionen werden dadurch nur noch schlimmer. Aber -« Michael lachte klar und hell auf. »Ich sollte unserer kleinen Evie danken, immerhin hat sie dich so zu mir gebracht.«

»Wie -?« Melina blieben die Worte im Halse stecken.

»Es war so leicht, sich bei ihr einzuschmeicheln und dafür zu sorgen, dass mein Plan aufgeht«, erklärte er bereitwillig.

»Plan?«, knirschte Melina.

»Meine Spuren zu verwischen. Evie ist eine hervorragende Chemikerin. Sie half mir, die Polizei zu verwirren.«, sagte Michael, als sei die Mittäterschaft ihrer besten Freundin nichts Besonderes.

Melina schwieg, biss sich auf die Lippen, bis sie Metall schmeckte.

»Sie ist ein schlaues Mädchen, so gewieft. Hat mir geholfen, dieses Pseudoblut herzustellen, verstehst du?«, bittend sah Michael zu ihr auf, doch Melina schnaubte nur.
 

Ihr blieb beinahe das Herz stehen, als Michael, mit ihr, herumwirbelte.

»Dreckiges Polizisten-Pack«, fauchte er. »Kehre nie einem Bullen den Rücken, denn du weißt nie, wann ihm der Finger juckt.«

Archer schmälerte den Blick. Melina wollte Erleichterung verspüren, doch blieb ihr dieses Gefühl verwehrt.

»Meinen Ohren entgeht nichts«, höhnte Michael, die Lippen zu einem einladenden Grinsen verbogen.

»Sie und Miss O'Sullivan waren gerade im Gespräch, da wollte ich nicht stören, indem ich Ihnen eine weitere Kugel verpasse. Das sehen Sie mir doch sicherlich nach, Bobbins.« Archer blieb auf Abstand, während sich Williams zu ihm gesellte.

»Zwei von der Sorte, wie ich es dir gesagt habe, Liebes«, gurrte Michael.

»Lassen Sie sie gehen«, verlangte Archer in saloppem Ton, anders, als Williams die vielen Male zuvor.

»Und ich sage Ihnen, wie auch Ihrem unterbelichteten Partner vorhin, dass das nicht geschehen wird«, erwiderte Mick. »Sie kommt mit mir.«

»Und wo soll es hingehen? Nach Transsylvanien?«, spottete Archer in ungewohnt gutgelaunter Stimmung.

Pikiert verzog Michael das Gesicht. »Sparen Sie sich Ihren Sarkasmus. Mel bleibt bei mir! Nicht wahr, Liebes? So ist es doch.«

»Miss O'Sullivan scheint das aber gar nicht recht zu sein«, entgegnete Detective Archer.

Mick verdrehte die Augen. »Sie wollen Zeit schinden, nicht wahr?«

Melina schrie auf, als Michael nach ihr langte, und ihr den Kopf so bog, dass er einen hervorragenden Zugang auf ihre Halsschlagader erhielt. Alarmiert stürzten die Beamten auf sie zu.

»Keinen. Schritt. Weiter.«, knurrte Michael, die Detectives mit zornigem Blick taxierend.

»Was wollen Sie von ihr?«, fragte Archer.

»Sie ist mein Geschenk«, erklärte Mick einnehmend. »Er hat sie mir versprochen.«

Archer stieß ein Grunzen aus.

Melina entfuhr ein wimmernder Laut. »Was soll das alles, warum ich?«

»Ahhh«, krächzte Michael verärgert. »Immer diese abscheulichen Fragen. Warum? Weshalb? Was soll das alles? Du hast eine Gabe, Liebes.«, knurrte Michael drängend. »Sagen wir, sie ist ein Familienerbstück und mein Meister wird hoch erfreut sein, wenn ich dich ihm präsentiere. Aber hab' keine Angst, meine Liebe. Du wirst bei mir bleiben. Ich darf dich behalten.«

»Du redest Schwachsinn!«, zischte Melina und bäumte sich auf, um gegen ihn zu bestehen.

»Das Blut einer Druidin soll der höchste Genuss sein«, frohlockte Michael und ließ sich ihr nicht einen Augenblick zur Flucht.

»Einer was?« Melina blinzelte verwundert. »Ich bin keine Druidin, du Vollidiot.«

Michaels Lachen hallte durch die Nacht. »Aber du siehst und fühlst, all jene, die dich seit deiner Kindheit quälten.«

»Wen meinst du?« Schock und Schrecken ließen sie vor Angst zittern.

Seine Lippen kräuselten sich zu einem wissenden Grinsen. »Die Toten, mein Herz. Sie kommen zu dir, auf der Suche nach Hilfe.«
 

»Hast du sie?« Schweigend nickte Williams die Worte seines Partners ab.

»Und Sie glauben, dass das funktioniert? Ich meine -«, begann Detective Williams dennoch.

»Immer positiv denken, Junge. Und ich hoffe für dich, dass du nicht schon wieder einen Blackout bekommst, wenn du diesem Kerl gegenüber stehst!«, knurrte Archer und zuckte ruckartig mit dem Kopf. »Du weißt, dass diese Bastarde schwer zufassen sind.«

Unter bebenden Fingern ersetzte Williams die restlichen zwölf Vollmantelgeschosse durch versilberte Patronen.

»Was ist da drin?«, hakte Williams nach.

»Diese Kugeln, mein Junge, sind aus einem sehr alten Holz. Jede einzelne Patrone wurde in einen Sud aus Sagenkraut getaucht und mit einer Silberlegierung ummantelt. Das sollte diesen blutsaugenden Scheißern endlich den Rest geben«, knurrte Archer und scheuchte Williams in jene Richtung davon, in die auch Melina gegangen war. »Hey, Greenhorn!«

Williams hielt inne und wandte sich zu seinem Lehrmeister um. »Was?«

»Das ist deine Bewährungsprobe, lass' sehen, ob meine Bemühungen nicht umsonst waren.«, beschwor ihn der Detective.

Williams nahm den Blick von der Waffe und ließ diesen blutsaugenden Scheißer, wie Archer ihn nannte, wieder in den Fokus seiner Mission rücken.

Noch immer schien sich Melina O'Sullivan gegen die Vorstellung zu wehren, dass das, was ihr in der Kindheit widerfahren und ihr ein stetiger Begleiter war, eine Ursache habe, die weiterreichender schien, als sich ein kümmerlicher Mensch vorzustellen vermochte.

»Wie viel Schuss hast du noch?«, verlangte Archer zu wissen.

»Drei und zwölf«, war die knappe Antwort.

»Schieß'!«, befahl Archer. »Drei Mal.«

»Aber -« Williams haderte mit sich. »In die Luft, oder -?«

Archer wand den Kopf von einer Seite zur anderen, griff nach der Waffe und feuerte drei Mal in die Luft, dann reichte er die GLOCK 17 an Williams zurück.

Erschrocken fuhr Melina zusammen. Noch immer hing sie halb den Armen ihres Peinigers.

»Na, na, na, hörst du das, Liebes? Offenbar gieren die Herren Polizisten nach Aufmerksamkeit.«, erheitert lachte Michael auf. »Haben Sie etwa schon ihre gesamte Munition verschossen? Dann seien Sie so freundlich, und lassen von meiner Geliebten und mir ab.«

Archer ließ ein Schnalzen der Zunge erklingen, zeigte sich wenig überrascht und verharrte auf sicherer Distanz. »Denk' an die Sauerei. Also, wenn du getroffen hast, dann hol' das Mädchen so schnell wie möglich daraus.«

Keuchend rang Williams nach Luft, bejahte nickend und zielte.
 

Was die Beamten mit einander besprachen, entzog sich ihrer Kenntnis. Dass Detective Archer in den Nachthimmel schoss, ließ Unverständnis bei Melina zurück. Die Waffe wechselte erneut den Besitzer. Williams' Schießkünste waren beachtlich, doch als sich die GLOCK 17 wieder in seinen Händen befand, erinnerte sie sich daran, wie verängstigt, beinahe versteinert Williams gewesen war.

Michael lachte spottend. »Wirklich, Archer? Sie überlassen es dem Welpen

»Ich sagte ihm, es handle sich, in diesem Fall, um eine erneute Bewährungsprobe. Euch auf die Schliche zukommen ist leider nicht mehr ganz so einfach.«, entgegnete Archer.

Verwundert blinzelte Melina.

»Hörst du das, Liebste? Jetzt wollen Sie uns doch trennen.«, schnaubend wandte sich Michael an die junge Frau, dann blickte er abermals zu den Beamten. »Trifft mich auch nur eine Kugel, dann ist eure Hoffnung zunichte gemacht.«

»Ich dachte, ihr braucht sie?«, hakte Williams nach.

»Oh, der kleine Jäger mit der großen Klappe«, ereiferte sich Michael. »Natürlich brauchen wir sie. Mel und all die anderen werden bei unserer Auferstehung von großem Nutzen sein.«

Jäger, Auferstehung, Druiden? Ihr schwirrte der Kopf und dies war nicht nur der unbehaglichen Neigung ihres Körpers geschuldet.

»Williams, dann erschießen Sie mich«, rief Melina ihm zu.

Michaels prustendes Lachen erfüllte ihre Ohren, dann spürte Melina, wie er ihren Leib wieder in die Vertikale hievte. »Das würde dir gefallen, nicht wahr, mein Herz? Oh, er könnte dir diesen Wunsch erfüllen, doch wären meine Zähne schneller in deinem Hals versenkt, als sein Finger am Anzug ist!«

»An meinem Blut ist nichts Besonderes, nicht mal die Blutgruppe! A negativ.«, raunzte Melina. »Allmählich habe ich diese Faxen satt!«

»Irisches Temperament«, grunzte Detective Archer.

»Ach, halten Sie die Klappe und helfen Sie mir! Williams ist dazu offensichtlich nicht in der Verfassung!«, fauchte Melina, da Besagter noch immer reglos blieb.

Doch der Schuss fiel schneller, als Melina erwartete. Langsam sog sie die kalte Luft in ihre Lungen. Ihre Augen wanderten zum Vollmond hinauf, dann presste etwas ihr den Odem aus dem Leib. Zwei Gestalten hielten auf sie zu, während die dritte von ihr abließ und die Dunkelheit sie endlich in ihre Arme schloss.
 

Ein dumpfes Pochen, ein Herzschlag, ein Puls.

Licht – Woher?

Waren die leuchtenden Sterne, die vom Himmel fielen, nicht der dunklen Vorzeichen genug?

War dies ihr Ende? Das Ende von allem?

Die Lider hoben sich flatternd und blinzelten sich ins Leben zurück.

Das Piepen der Monitore wurde ihr unerträglich.

Schmerz – wenn auch nur leicht, überfiel sie wie ein Donnergrollen.

Melina wandte den Kopf zur rechten Seite.

Sie presste die Lippen zusammen.

Detective Williams saß an ihrem Bett, hatte auf einem der Besucherstühle Platz genommen, die Arme verschränkt und hielt die Augen geschlossen. Hypnotisch wippte er leicht nach vorn und dann wieder in die Ausgangsposition zurück. Er schien unversehrt.

Das leise Quietschen der sich öffnenden Tür ließ Melina zur Pforte herübersehen. Archer erschien, mit einem Becher Kaffee in der Hand. Schweigend nickte er ihr zu und hob die Mundwinkel zu einem sparsamen Lächeln.

»Wie geht es Ihnen, Miss O'Sullivan?«, fragte Archer, ohne Rücksicht auf seinen schlummernden Partner.

Melina schob die Augenbrauen fragend zusammen. Sie öffnete die Lippen, doch kam nur ein krächzendes Wimmern daraus hervor. Wortlos reichte Archer ihr ein Glas Wasser. Sowie das lauwarme Nass ihre Kehle hinabrann, gelang es ihr wieder, Worte zu finden.

»Sie wollen wissen, was passiert ist, hm? Und warum Sie hier, in einem Krankenhaus liegen?«, räuspernd und ächzend ließ sich der Beamte auf den Stuhl zu ihrer Linken nieder.

Melina schwieg und gönnte sich einen weiteren Schluck des abgestandenen, muffig-schmeckenden Mineralwassers. Auffordernd nickte sie.

»Williams«, bellte Archer und verschränkte die Arme vor der bärenhaften Brust.

Dieser schreckte auf.

»Sie sind ein ganz, ganz furchtbarer Mensch«, knurrte Melina.

»Ah, Miss O'Sullivan«, spie Williams heiter aus. Misstrauisch beäugte Melina den Kriminologen.

»Williams, ganz ruhig!«, mahnte Archer.

Melinas Blick huschte von einem zum anderen.

»Haben Sie schmerzen?«, fragte Williams noch immer aufgekratzt. »Das ist gut.«

»Wie bitte?!«, empörte sich Melina.

Archer verdrehte die Augen. »Ich hätte das Ding ohne dich durchziehen sollen, Junge.«

Verwirrung zierte ihr Gesicht. Melina hievte sich auf und schlug die Decke bis zu den Knien zurück. Alles an ihr schien unverändert, bis die unbedachte Bewegung einen stechenden Schmerz in ihrem linken Oberarm hinterließ. Sie besah sich den Verband, der, für ihren Geschmack, recht fest gebunden war.

»Sagen Sie mir jetzt endlich, was passiert ist? Welchen Tag haben wir? Was ist mit Mick?«, fauchte sie.

»Es ist Donnerstag. Sie sind seit drei Tagen hier. Nach so einer Dröhnung ist das aber auch nicht verwunderlich, dass Sie vollkommen weggetreten sind«, hob Archer an.

Melina verzog das Gesicht. »Was für eine Dröhnung? Könnten wir, bitte -«

»Miss O'Sullivan«, fuhr der Beamte fort. »Michael Bobbins ist tot.«

Ihr wich jegliche Farbe aus dem Gesicht.

Archer zauberte eine Akte hervor und schlug diese auf. Ein Passbild prangte am oberen, rechten Rand, das mit einer Büroklammer fixiert wurde. Darauf zusehen war ein Mann um die vierzig Jahre, mit kahlrasiertem Kopf. Grimmig blickte er in die Kamera, die Kleidung, ein orangefarbener Overall, bestätigte Melina in ihrer Ahnung, dass es sich dabei um einen Gefängnisinsassen handelte.

»Aber, aber, wie -?«, verdattert blinzelte Melina. »Sie, Sie haben gesagt, dass es viele Michael Bobbins gibt.«

»Oh ja«, grunzte Williams. »Die gibt es wirklich. Allerdings nur einen, mit der Identifikationsnummer, die Ihr Michael Bobbins bei Macy's vorgelegt hat.«

Melina schüttelte den Kopf, um ihre Ratlosigkeit zu unterstreichen.

»Miss O'Sullivan. Der, der sich als Michael Bobbins ausgab, ist nicht der, den wir gefunden haben. Dieser Michael Bobbins, wurde am 07. 09. 1979 in Altoona, Pennsylvania geboren«, erklärte Archer und deutete auf den Gefangenen. »Um es kurz zu machen: Ihr Michael Bobbins ist vieles. Ein Lügner, ein Dieb, mit gestohlenem Namen, mit gestohlener Ausweisnummer. Aber ich kann Ihnen auch sagen, was er nicht ist.«

Auffordernd nickte Melina in Archers Richtung.

Dieser ließ ein lässiges Zucken der Augenbrauen erkennen. Eine Geste, die so viel bedeutete wie:

Du hast es so gewollt, Schätzchen

»Mister Bobbins ist kein Mensch, er ist ...«, begann Archer von Neuem.
 

»Ein Vampir? Wa- Wirklich?«, spottend und fassungslos nahm Melina die Antwort auf. »Und das ist kein Scherz?«

Tief sog Archer die Luft in seine Lungen. »Miss O'Sullivan, Detective Williams und ich gehören einer Gruppierung an, die sich auf das Jagen und Vernichten solcher Kreaturen spezialisiert hat.«

»Was? Eine Spezialeinheit?«, schnaubend schüttelte Melina den Kopf. »Sie wollen mir also weismachen, dass die New Yorker Polizei Vampire jagt? Sie sind Kriminalbeamte, keine Vampirjäger.«

»Frauen.« Archer verdrehte die Augen. »Sie wollen immer einen Beweis. Machen Sie die Binde ab! Dann haben Sie Ihren Beweis.«

Melina verzog verdrießlich den Mund, tat sich und dem Beamten jedoch den Gefallen. Der Stuhl zu ihrer Rechten schabte unangenehm über das Linoleum, als sich Detective Williams erhob. Er gesellte sich neben Williams, gespannt darauf, die Reaktion der jungen Frau zu beobachten.

»Vielen Dank, für Ihre Hilfe. Lernt man in Ihrer Organisation nicht den Bedürftigen, Frauen und Kindern zu helfen?«, zischte Melina und hatte endlich die Klammer gelöst, die den Mull zusammenhielt. Umständlich wickelte sie den Verband von ihrem Arm. Allmählich wurde ihr leichter ums Herz und der Druck, der auf jener Partie lastete, verringerte sich und verschwand. »Was zum?!«

»Sie hatten recht, Archer«, sagte Williams und deutete auf das kleine Mal, das die Kugel auf der Haut Melinas hinterlassen hatte. »Es wird nicht einmal eine Narbe zurückbleiben, seien Sie unbesorgt.«

»Unbesorgt? Sie haben auf mich geschossen!«, keuchte Melina auf. »Und was hat mich dann so aus den Schuhen gehauen?«

»Das Geschoss, welches unweigerlich Bekanntschaft mit Ihnen gemacht hat, war eine Spezialanfertigung unserer Einheit und ist eigens für die Tötung von Vampiren vorgesehen. Bei Menschen bewirkt sie lediglich eine Art Trance-Zustand. Eine Benommenheit, die sich alsbald legt. Bei Ihnen jedoch, da Ihr Blut eine gewisse Magie beherbergt, sorgt es für einen etwa 72-stündigen Zustand vollkommener Ruhe«, erklärte Archer.

»Sie glauben tatsächlich an diesen Quatsch, hm? Vampire, Druiden … Was ist mit Zombies? Und Werwölfe?«, schnaubte Melina.

»Waren Sie schon auf Haiti?«, fragte der Detective. Melina schüttelte den Kopf. »Dort wird noch immer Voodoo betrieben. Das, was Sie aus den Filmen kennen, hat mit diesen Praktiken nicht einmal im Ansatz etwas gemein, dennoch gibt es sie. Streichen Sie also diese »Gehirne-fressenden« Fanatiker aus Ihrem Gedächtnis. Sie wissen, dass Hollywood nicht weit weg ist.«

Williams schnaubte amüsiert.

Melina musste diese Informationen erst einmal auf sich wirken lassen. Sie lehnte sich in dem Bett zurück und verschränkte die Arme. »Und Ihre Organisation tut was noch mal genau?«

»Wir jagen Vampire«, sagte Williams wahrheitsgemäß.

»Und was habe ich damit zu tun?«, fragte Melina.

Erleichtert stieß Williams einen Seufzer aus. »Wie gut, dass Sie fragen -«

»Williams!«, knurrte Archer warnend. Doch dann gebot er seinem Kollegen, weiterzusprechen.

»Sie erzählten uns, dass Ihre Vorfahren aus Irland stammen«, doch noch ehe Melina sein Anliegen bejahen konnte, fuhr Williams fort: »Jedem Clan, jeder Familie, stand ein Druide zur Seite. Es ist unübersehbar, dass irisches Blut durch Ihre Adern fließt.« Ein leises Lachen mischte sich unter die gefallenen Worte Williams'. »Nun, diese Geschichte ist fast so alt, wie Welt selbst. Seit Vampire, eine Art blutsaugende Mutation der Menschheit, auf Erden wandeln, gab es Zauberer, so genannte Derwydd, die die Macht besaßen, jene Kreaturen zu bezwingen. Vampire und Druiden stehen also miteinander in Verbindung.«

Irritiert blinzelte Melina, auch Archer schüttelte schnaubend das ergraute Haupt.

»Williams«, seufzte er theatralisch.

»Wenn Sie sagen, dass Druiden, also alte, irisch-gälisch-christliche Gelehrte, die Vampire bekämpfen, warum gibt es sie dann noch?« Wieder blickte Melina von einem zum anderen.

»Vampire sind gerissen, und haben mit der Zeit ein Talent entwickelt, das es ihnen ermöglicht, unerkannt durch die Welt zugehen«, sagte Williams. »Sie sind gewissermaßen wahre Meister der Tarnung. Wir vermuten auch, dass sie gelernt haben, mit wenig Nahrung auszukommen, was es unseren Leuten schwerer macht, sie aufzuspüren.«

»Und was ist mit den Druiden?«, hakte Melina nach.

»Ihnen sind die Fähigkeiten abhanden gekommen, sich gegen diese Kreaturen zur Wehr zusetzen. Viele haben ihre Kräfte mit den Jahren eingebüßt oder gänzlich verloren. Wenn es nichts mehr zu verteidigen und zu bekämpfen gibt, bedarf es keiner Funktion mehr«, erläuterte Archer ungerührt. »Aber es gibt sie noch. Nur sind diese Hexenmeister rar gesät und haben es, ganz offensichtlich, versäumt, ihren Nachfahren die alten Praktiken beizubringen.«

»Und Sie glauben, allen Ernstes, dass ich ...«, hob Melina an.

»Es scheint nicht verwunderlich, dass man Ihnen nichts von Ihrem Schicksal erzählt hat. Sie stellen alles und jeden infrage. Aber das scheint ein Teil Ihrer ungestümen Persönlichkeit zu sein«, meinte Archer schulterzuckend.

Melinas Wangen begannen zu glühen. »Sie wissen gar nichts über mich, oder wie es mir ergangen ist! Wenn man als Verrückte abgestempelt wird, nur weil man von Träumen verfolgt wird.«

»Gut«, räumte Archer ein. »Haben Sie jetzt, nach diesem Vorfall, das Gefühl, von allem befreit zu sein? Dass sich Ihr Schicksal erfüllt hat und Sie unbeschwert Ihr kleines Leben weiterführen können?«

»Unbeschwert?«, höhne Melina und sah zu dem Detective auf. »Unbeschwert, nach allem, was geschehen ist? Dass ich einen Freund, meine Chefin und beinahe meine beste Freundin verloren habe? Nein, Detective Archer, ein solches Gefühl ist mir fremd!«

»Wären Sie bereit, uns zu helfen?«, fragte Williams, da ihm das Gespräch zwischen Archer und O'Sullivan heikel erschien.

»Helfen, wobei?«, knurrte Melina, den wütenden Blick auf Archer gerichtet.

»Dem Vampir-Problem. Uns ist bewusst, dass das eine Menge Verantwortung ist«, sagte Detective Williams. »Und natürlich sind wir um Ihr Wohl besorgt.«

»Natürlich sind Sie das«, gab Melina mit unbeteiligter Miene zurück. »Sieht er das ebenso?« Mit einem knappen Nicken deutete sie auf den alten, brummigen Beamten.

»Oh, Sie wären eine große Hilfe und Bereicherung für unser Team.« Williams suchte Archers Blick, der wortlos, den Mund mürrisch verzogen, seine Zustimmung gab.

»Und wie nennt sich Ihre Gruppe? Special-Task-Force-Vampyre-Slayer? Oder schlicht: BUFFY?« Melinas Mundwinkel hoben sich zu einem herausfordernden Grinsen.

»Oh, Sie haben also doch schon von uns gehört?«, fragte Williams.

Archers Lachen hallte durch das Zimmer.

»Hey, was ist eigentlich mit meinen Sachen? Also denen, die ich bei mir hatte? Und wie genau war das mit Michael? Haben Sie etwas von Evie gehört und können wir irgendwann wieder in unsere Wohnung zurück?«, hastig wichen ihr die Fragen von den Lippen.

»Alles zu seiner Zeit, Miss O'Sullivan«, sagte Archer nur.
 

Wie Melina von Detective Williams erfuhr, diente das Verletzen ihrerseits ihrem eigenen Schutz. Michael Bobbins war, wie von den Beamten, bestätigt, ein Vampir, der sich einer falschen Identität bemächtigt hatte. Alter und Herkunft ließen sich nicht bestimmen, doch dank der Tonaufnahmen Melinas, waren sie dem Meister, den Michael erwähnte, einen kleinen Schritt näher gekommen. Wie viele solcher Meister noch existent waren, konnte nicht einmal die Spezialeinheit eindeutig beziffern.

Wie lang sich der Vampir, der sich Michael Bobbins nannte, bereits in New York aufhielt, war unklar. Dass diese Kreatur für die neuesten Morde, sowie jene in der Vergangenheit, verantwortlich gewesen war, ließ sich an dem Muster festmachen, das den Beamten, dank Melinas Hilfe, endlich zu einer Lösung verhalf. Die Art und Weise, wie der Täter vorgegangen war, ließ sich nicht von der Hand weisen. Bobbins selbst trug, durch sein Geständnis, dazu bei.

Die Morde an Gabriella Sumners und Carla Mountgomery wurden als gelöst eingestuft. Auch wenn sich Melina unzufrieden über den Ausgang zeigte. Es gab einen Täter, nur saß dieser, dessen ID sich Mick bemächtigt hatte, bereits in Haft, und würde für die Verbrechen, die er nicht begangen hatte, auch nicht belangt werden können.

So viele Frauen waren diesem Mann, über Jahrzehnte hinweg, zum Opfer gefallen.

Noch immer fragte Melina nach dem Grund für die Fehde zwischen Vampiren und diesen mystischen, alten Zauberern, deren Ahnenreihe sie angehörte, doch von deren Kräften und Zauber ihr nie etwas berichtet wurde.

Eine Antwort blieb ihr verwehrt.

Everly und sie trennten nur zwei Etagen und sieben Zimmertüren von einander. Die Untersuchungen der Wohnung der beiden Frauen wurden, seit dem Tod Michael Bobbins, eingestellt. Somit konnten Melina und Everly, sobald es ihnen erlaubt war, das Krankenhaus zu verlassen, wieder in den Alltag zurückkehren.
 

Lang lag Melina noch wach, als die Polizisten längst gegangen waren. Sie rief sich Archers Worte, über den Verlauf der Nacht, in Erinnerung.

Als Williams auf sie zielte und ihren Oberarm traf, war Melina, gefangen in ihrem Schock, zusammengesunken. Michael ließ nur widerstrebend von ihr und raste, wie in blinder Wut getrieben, auf die Beamten zu. Die Fänge, wie Archer die spitzen Eckzähne nannte, zu einer wilden Grimasse gefletscht. Er wirkte wirr, das Loch auf seiner Stirn schien verheilt, doch das Blut klebte noch immer an ihm.

Williams schoss.

Ein Mal, zwei Mal und verfehlte die Bestie, die sich geradewegs auf seinen alten Partner stützte.

Fünf weitere Kugeln wurden abgefeuert. Dann fiel die menschliche Hülle in sich zusammen. Qualmend und von den restlichen Kugeln durchsiebt, fing das, was einst ein schlagendes Herz besaß, Feuer und verbrannte im Verglühen der Sterne.

Sie wollte nicht einschlafen. Sie weigerte sich, bei den Gedanken, die sie überkamen, auch nur an Ruhe zu denken. So schlug Melina abermals die Decke zurück, legte sich einen Pullover um die Schultern, langte nach dem Gestände des Tropfes und schlurfte mit diesem aus dem Zimmer.

Zaghaft klopfte es an der Tür.

Everly zog die Augenbrauen zusammen, doch als Melina den Raum betrat, hellte sich die Stimmung der jungen Frau merklich auf. Auch wenn ihr das, was geschehen war, nicht weniger Sorge und Kummer bereitete. Melina hatte das Gespräch mit ihrer besten Freundin auf einen anderen Zeitpunkt vertagt, doch dieser schien nun unweigerlich gekommen.

Melina rollte ihren Tropf an das Bett heran und ließ sich auf den Platz zu Everlys Linken nieder.

»Hey?«, fragte Everly, deren Stimme allmählich wieder an Kraft gewann. Noch immer waren ihr die Blessuren anzusehen. Doch die lilafarbenen Flecken schimmerten seit ein paar Tagen in einem dunklen Grün. »Hattest du auch das Hähnchen zu Mittag? Grauenhaft, ungenießbar.«

Melina schüttelte lächelnd den Kopf.

»Ich weiß, warum du hier bist. Auch wenn du mir nicht gerade viel Zeit gelassen hast, über alles nachzudenken, Lina«, gestand Everly und vermied es, Melina anzusehen, denn das Muster auf der blütenweißen Bettdecke erschien ihr mit einem Male viel interessanter.

»Ich wollte das alles nicht, wirklich, du musst mir glauben, Lina!«, brüchig wichen ihr die Worte von den Lippen.

Melina schwieg und forderte stumm nach weiteren Informationen.

»Wir, wir kannten uns bereits von der Uni und waren nur ein paar Mal aus«, begann Everly, räusperte sich knapp und berichtete dann weiter: »Mick hatte, für einen Jungen seines Alters, gute Manieren, war charmant, klug und belesen. So, als habe er bereits die halbe Welt bereist. Er konnte erzählen, fesselnd, fast wie ein Buch. Doch dann, irgendwann, brach der Kontakt ab und ich hörte eine ganze Weile nichts mehr von ihm. Bis vor etwa einem Jahr, da nahm er wieder Kontakt zu mir auf. Der alten Zeiten wegen, natürlich ...« Everly verdrehte die Augen. »Er sagte, er arbeite bei Macy's, und dass sie dort ständig neue Leute suchen ...«

»Hast du mir deshalb die Stelle bei Macy's empfohlen?«, fragte Melina.

Schwach nickte Everly. »Es tut mir so unendlich leid.«

»Wusste er, wer ich bin?«, verlangte Melina zu wissen.

»Nein, ich … ich habe ihm nur erzählt, dass du einen Job suchst. Und … vielleicht ist mir ein Mal herausgerutscht, dass du … dieses kleine Problem mit dem Schlafen hast, mit diesen Träumen. Ich habe es als unwichtig empfunden, Lina.« Wortlos nahm Melina das Gesagte zur Kenntnis. »Bitte, ich – Ich konnte doch nicht ahnen, dass er sich als Psychopath entpuppt.«

»Das konnte wohl niemand. Ich auch nicht, Evie«, gestand Melina und Everly schenkte ihr ein kleines, bekümmertes Lächeln.

»Er, er hat mir Angst gemacht, weißt du. Als du das Zimmer verlassen hast, da … ich weiß nicht mehr genau, was er tat, aber …« Tränen fielen der jungen Apothekerin von den Wangen. »Mick hat mir gedroht.«

»Ich weiß, Evie«, betroffen nickte Melina.

»Er war wie besessen«, erschrocken über ihre Worte, suchte Everly die Zustimmung in Melinas Augen.

Stille legte sich über den Raum. Für eine Weile sprach keine der Frauen ein Wort. Nur das Ticken des kleinen Reiseweckers, den Everlys Eltern ihr mitgebracht hatten, war zu hören.

»Ich darf morgen nach Hause«, sagte Melina leise und zwang ihre Lippen zu einem flüchtigen Lächeln.

»Das ist gut.« Everly schluckte an dem Kloß in ihrem Hals. »Es tut mir leid, Lina.«

»Ich würde jetzt gern Schwamm drüber sagen, aber das … wäre gelogen«, eröffnete Melina ihr.

Schweigend nahm Everly ihre Mitschuld an. »Verzeihst du mir, irgendwann?«

»Nur, wenn du mich mit diesem Zeug versorgst, das sich durch meine Adern windet«, stöhnte Melina.

»Du meinst isotonisches Natrium-Chlorid? Du trinkst doch Tequila, hat das mit dem Salz nicht den selben Effekt?« Eine dunkle Augenbraue hüpfte belustigt zum brünetten Haaransatz.

»Ich glaube nicht«, grübelnd tippte sich Melina mit dem Zeigefinger ans Kinn. »Aber wenn du wieder rauskommst, dann gibt es eine Tequila-Party, verstanden, Fräulein?«

Everlys Lachen wehte durch das Zimmer, auch wenn ihre Heiterkeit durch vereinzelte, schmerzvolle Laute Unterbrechung fand. »Und was machst du, wenn du wieder zu Hause bist?«

»Den Job bei Macy's kann ich wohl vergessen«, sagte Melina und zuckte die Schultern.

»Du hast dich doch sowieso nie damit wohlgefühlt. Dein Genörgel über die Kundschaft war manchmal nicht leicht zu ertragen«, räumte Everly ein.

»Ich schwenke vielleicht um«, gestand Melina.

»Umschwenken?« Everly neigte fragend den Kopf.

»Ja«, sagte Melina knapp. »Polizeiarbeit scheint ganz witzig zu sein.«

Everly ließ ein bewunderndes Nicken erkennen.

»Und irgendwie muss ich doch meine Miete bezahlen.« Ihren Worten folgte ein Zwinkern.

»Du weißt, dass du das nicht brauchst, da diese Wohnung sowieso mir gehört und du nur die Hälfte der nicht benötigten Miete zahlst, weil du dir nichts zu Schulden kommen lassen willst.« Everly verdrehte die Augen.

Melina kicherte, jedoch musste sie sich mit einer neuen Zukunft arrangieren, die ihr Leben von Grund auf verändern würde.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: Futuhiro
2019-02-17T15:08:03+00:00 17.02.2019 16:08
> Ist das nicht ein traumhafter Anblick? Und ist es nicht wunderbar, dass du und ich, dass wir diesen Moment gemeinsam erleben können?

--> Nyaaa~ Ich liebe Michael so. ^///^ Gut, als Außensteher kann ich das sagen. An Melinas Stelle hätte ich das vermutlich nicht mehr so toll gefunden. XD


> »Sie und Miss O'Sullivan waren gerade im Gespräch, da wollte ich nicht stören, indem ich Ihnen eine weitere Kugel verpasse. Das sehen Sie mir doch sicherlich nach, Bobbins.«

--> Archer ist AUCH so spitze. XD Wer von den beiden hat hier seinen Meister in dem jeweils anderen gefunden?


Die Stelle mit dem Patronenwechsel und den Schüssen in die Luft fand ich auch wieder von der zeitlichen Abfolge her etwas irritierend. Erst hatte es den Anschein einer Rückblende, dann schien es plötzlich so, als wären Michael/Melina und die Polizisten beisammen und würden sehen/hören, was der jeweils andere tut, dann auch wieder nicht. X_x


Die Erklärung mit den alten Druiden-Stämmen, die im Laufe der Jahrhunderte ihre Fähigkeiten verloren haben, fand ich spitze! Die hat diese gesamte Story wahnsinnig gut abgerundet und einen gewaltigen Kreis mal eben einfach so geschlossen. Die Geschichte ist in sich absolut stimmig. Meisterhafte Schreibleistung. ^__^
Ihre Entscheidung, sich der Spezialeinheit anzuschließen, finde ich auch toll gelöst. Es hätte etwas seltsames gehabt, wenn sie nun einfach wieder ihrem Alltag nachgeht, nach all dem.
Antwort von: irish_shamrock
17.02.2019 16:31
Ich sag's ja, ich hab an Archer einen Narren gefressen :')

Ja, ich weiß, dass es ein bisschen irritierend klingt. Aber ich wollte nicht alles auf Kursiv stellen ... und ein Absatz zu setzen war mir, in diesem Fall, auch irgendwie doof >-<

Na ja, nach so was ins alltägliche Leben abzudriften würde mir auch schwerfallen, wenn ich weiß, was da draußen so alles lauert.

Danke für deinen Kommentar :D


Zurück