Hin und her gerissen von Melora (zwischen Liebe und Freundschaft) ================================================================================ Kapitel 25: 2. Dezember - Die Herausforderung --------------------------------------------- Etwas benommen öffnete er gegen 5 Uhr am Morgen die Augen, bemerkte, dass etwas Warmes in seinem Arm lag und keine drei Sekunden später wusste er auch, was das war. Sie war irgendwie in seinen Armen gelandet und hatte verdammt wenig an. Er konnte einfach nicht widerstehen, legte seine Lippen gegen ihren Hals und zog mit der Nase ihren Duft ein, bevor auch seine Hände ihren Einsatz fanden und er ihr unter das Nachthemd ging. Streichelnd fuhr er ihr erst über den Rücken, konnte sich dann aber nicht mehr wirklich beherrschen und schob sie ihr zu den Seiten, von da aus nach vorne zu ihren Brüsten. Sein Herz begann zu rasen, wenn er daran dachte, was er da überhaupt tat, schließlich könnte sie jeder Zeit aufwachen und alles zu Ende sein. Schon seit etwa einer Stunde war sie wach und kuschelte an ihm, ohne dass er es bemerkte, was vielleicht auch besser so war, sonst würde er sich ja nicht so ungezwungen verhalten. Sie fand es schön, was er tat und wollte es genießen, ohne dass er sich dadurch etwas denken konnte. Sein Ego sollte mal etwas abstürzen, nicht das Gegenteil, deswegen versuchte sie ihn so lange wie möglich zappeln zu lassen, um nicht offensichtlich vor ihm schwach zu werden, weil er dann nur wieder denken würde, dass er jede haben konnte. Solche Leute verfielen schnell in einen Teufelskreis und verletzten Leute, weil sie ja nichts zu verlieren hatten und immer wieder etwas Neues finden würden, er sollte nicht auch so werden. Zu beliebte Männer trauerten doch nicht mehr, die suchten sich einfach Ersatz. ,Wie toll sie ist...' Gerne wäre er noch weiter gegangen, das war ihm jedoch kaum möglich, sie würde aufwachen und wütend sein, wenn er sie jetzt einfach auszog und sich gehen ließ. Wunschträume konnte man das wohl nennen. Er machte sich ein paar heiße Gedanken, wahrscheinlich hatte er vorhin noch von Derartigem geträumt, die Morgenlatte, die er hatte, sagte ja wohl alles. Sie rührte sich, brummte etwas vor sich hin, so dass er die Augen erschrocken aufschlug, dabei war er gerade dabei gewesen, sie zu küssen, falls er das wenn schon nur bei ihren Lippen durfte, obwohl er das auch liebend gerne woanders getan hätte, was aber nun mal nicht ging. Was dachte er sich eigentlich? Heute hatte sie ihn doch schon mal brutal abgewiesen... Er wusste es selbst nicht, aber es zog ihn zu ihr hin. "Bist du wach?" fragte er sie, nahm die Hände von ihr und legte sie brav auf ihren Rücken. "Mhm", kam nur von der Blondine, die sich an ihn kuschelte, wie ein Kätzchen. Der Vergleich war doch albern, wenn, dann war sie eine Raubkatze, kein Kätzchen. Ihr Bein war auf einmal zwischen seinen, was ihm leicht unangenehm wurde. Sie rieb es an seinem, war wohl noch im Halbschlaf. Um sie ganz aufzuwecken, drückte er ihr die Lippen auf. ,Man, bist du wieder dreist.' Trotz ihrer Einwände wehrte sie sich kein bisschen, sie schlief ja noch, wie er dachte. ,Die hat ja einen hartnäckigen Schlaf', meinte er zu sich selbst und schob seine Zunge zwischen ihre Lippen. Wenn sie davon nicht aufwachte, dann... ,Dreister geht es nicht mehr.' Um ihm zu offenbaren, dass sie ihn hereingelegt hatte, ging die 23-jährige darauf ein und begann heftig nach seiner Zunge zu schnappen. Seine Augen weiteten sich nun wieder, während sie seine Zunge fast auffraß. Wenig später löste sie sich etwas von ihm und sah ihm in die Augen. "Kriege ich das jetzt immer, wenn du da bist, so als ~Guten Morgen~?" Dagegen einzuwenden hatte er nichts, das gab er offen zu. "Why not? Du wolltest nicht aufwachen, da musste ich improvisieren." ,Als wenn du gewollt hättest, dass ich aufwache, das hast du bloß getan, weil mein Bein zwischen deinen ist und du dir so was nicht erlauben solltest, Trottel. Wie kommt das auch rüber, wenn du an einer schlafenden Frau rumfummelst, he?' Ein amüsiertes Lachen kam von ihr, bevor sie ihm noch einen kurzen Kuss gab. "Wie geht's dir? Gut geschlafen? Und was ist mit den Schmerzen?" "Das Schmerzmittel wirkt noch, denke ich, sonst hätte ich schon etwas bemerkt." Er hatte schon wieder Lust auf Sex, da konnte es ihm so schlecht ja nicht gehen. "Überanstrenge dich aber nicht, Sêi-chan, das endet sonst sehr böse." Das klang ja irgendwie ziemlich bedrohend. "Willst du dich an einem Schwerverletzten vergreifen, mhm?" Er sah ihr ein wenig betörend in die Augen, um sie weich zu kochen. "An wem, an dir?" Ein Lachen entfuhr der Blonden. "Hättest du doch bloß gerne so. Ich vergreife mich ganz sicher nicht an dir, das kannst du abhaken." Sein Gesicht machte leichte Andeutungen des Schmollens und seine Augen funkelten leicht herausfordernd. "Denk' gar nicht erst dran. Lass dir lieber was einfallen. Du müsstest ja zur Schule." "Werde ich auch gehen." "Huh?" Geschockt sah sie ihn an. "Das kriege ich schon hin... Dann muss ich mir eben noch ein paar Tabletten einwerfen, du hast doch noch welche." Sie empfand das als nicht so gute Idee und schüttelte leicht mit dem Kopf, was aber nicht heißen sollte, dass sie ihm keine geben würde. "Spinner, bevor du nichts gefrühstückt hast, bekommst du nichts von mir, außerdem sei vorsichtig mit dem Zeug, sonst wirst du noch abhängig, das muss nicht sein." Er lächelte lieb. "Keine Angst, ich mache es ja nur vorübergehend, damit die Schmerzen nachlassen und ich nicht deswegen einfach umkippe." "Pass trotzdem etwas auf, so was kann gefährlich werden." Jetzt war es an ihm den Kopf zu schütteln. "Darüber musst du dir nicht dein hübsches Köpfchen zerbrechen", währenddessen lehnte er seinen Kopf an ihren, schaute etwas runter, um in ihre Augen blicken zu können. "Wie kommst du nur immer auf diese Ideen? Ich sage nur, wie es ist." Wie gut, dass Gestern schon wieder vergessen zu sein schien, dabei hatte er gedacht, sie würde ihm ewig böse sein, weil er als Cognac wieder übertrieben hatte. Jetzt waren sie wieder ein Herz und eine Seele, das freute ihn ungemein. Gegen neun Uhr am Morgen war es Sêiichî tatsächlich passiert. Nach knapp einer Stunde, kurz nachdem er die Tabletten zu sich genommen hatte, war er vor seinem Buch eingeschlafen und lag auf dem Tisch. "Iwamoto-san?" Mehrmals sprach die Lehrerin ihn an, doch er reagierte gar nicht, also ging sie hin und schlug mit einem Rohrstock auf den Tisch, bis er benommen die Augen aufschlug. "Guten Morgen, wenigstens gut geschlafen?" Er blinzelte und rieb sich die Augen, so dass die Klasse leicht zu lachen anfing. "Da du ja jetzt wieder wach bist, wird ein Eimer Wasser nicht schaden. Geh' zum Hausmeister, lass' dir einen Eimer und Putzmittel geben, füll ihn mit Wasser und mach' dich an die Arbeit den Boden vorm Klassenzimmer zu putzen, aber dalli!" Er konnte diese Lehrerin nun wirklich nicht leiden, sie wollte ihn quälen, genauso würde es doch enden, er war doch froh, dass er endlich am Tisch saß und sie schickte ihn in der Gegend herum. Murrend stand er auf, Ryochi sah zu ihm hoch, weil er fand, dass sein Freund ziemlich blass war. Der wollte doch nicht krank werden? "Ja, Frau Matsumoto." Sêiichî verließ den Raum und seufzte anschließend. Das war echt nicht sein Tag. Er fühlte sich schlapp und ausgelaugt, ausgerechnet an einem solchen Tag, sollte er die Putze spielen? Super gemacht. Mit langsamen und sehr kleinen Schritten ging er den Gang hinab, bis zum Zimmer, in dem sich der Hausmeister aufhielt. Er klopfte an und wurde gleich darauf rein gebeten. "Entschuldigen Sie, ich brauche Eimer und Putzmittel, meine Lehrerin schickt mich." Der große Mann mit blauen Sachen stand von seinem Platz auf, gab Sêiichî einen Schlüssel in die Hand und grinste. "Dass ihr immer bestraft werden müsst. Zweiter Stock, Zimmer Nummer 22, das ist die Abstellkammer. Hol' dir, was du brauchst." Der 17-jährige nickte und machte sich auf den Weg. Das Treppensteigen fiel ihm schwer, er brauchte für das eine Stockwerk fast fünf Minuten, weil er ständig stehen blieb und sich Schweiß von der Stirn wischte. Als er dann oben ankam, holte er sich die Sachen und verschwand wieder nach unten auf die Toilette des 1. Stockwerks. Er lehnte den Besen, den er mitgenommen hatte, da nichts anderes greifbar war, gegen die Wand, ließ Wasser in den Eimer laufen und gab auch etwas Putzmittel hinein, dann ging er wieder zurück in den Gang. Er warf den mit Putzmittel getränkten und ausgewrungenen Lappen auf den Boden und wickelte ihn etwas um den Besen und fing dann an zu putzen, auch wenn er sich schwach fühlte. Er putzte den Gang hoch, wobei ihm leicht schwindelig war, weswegen er sich gegen die Wand lehnte. "Gleich kipp ich womöglich um, toll." Der Junge versuchte sich zu entspannen und schloss für einen Moment die Augen. Man konnte Schritte hören, beziehungsweise er konnte es, sie näherten sich, weswegen er die Augen nun doch öffnete und wenig später seine Freundin sah. "Was ist denn mit dir passiert, Sêiichî? Hast du was ausgefressen?" Ein Lächeln legte sich auf seine Lippen, als er sie sah. "Ich bin im Unterricht eingeschlafen, deswegen." Sie kam auf ihn zu und schmiegte sich dann an ihn. "Morgen erst mal", kam von ihr, bevor sie ihn sanft küsste und er sie in seine Arme zog. "Was machst du um die Zeit hier, Riina, mhm?" "Ich habe zur nächsten Stunde und bin noch etwas zu früh, weil ich noch Miyako bei den Hausaufgaben helfen soll, aber", sie schaute auf ihre Armbanduhr, "es ist noch weit mehr als eine halbe Stunde Zeit." Nach genauerem Hinschauen fiel ihr auf, wie gequält er lächelte, er sah nicht besonders gesund aus, war viel zu blass. "Fehlt dir was?" Der Schwarzhaarige seufzte leicht. Also, wenn sie das schon bemerkte, würde Ryochi das nachher sicher auch auffallen. "Ich hab' zu wenig geschlafen." Kaum war das von ihm gekommen, nahm sie ihm einfach das Putzzeug weg. "Gut, lass' mich das dann mal machen, es ist ja mit Sicherheit nur der Gang vor eurem Klassenzimmer, nicht wahr?" "Ähm, mach' dir keine Umstände, geh' lieber zu Miyako und mach' mit ihr Hausaufgaben, ich schaff' das schon." Sein Problem war, dass sie ihm den Besen vorenthielt. "Lass mich!" Ein Seufzen kam von ihm, während sie den Boden anfing zu putzen und er nur zuschaute, was ihm nun doch etwas unangenehm war. Sie war doch nicht seine Putze und sie sollte es auch nie werden, er kam doch alleine klar. "Du bist vielleicht ein sturer Esel, Riina..." Sie musste leicht lachen, denn genau das hörte sie andauernd. "Oh ja, das sagt Wataru auch immer, ich bin ein Dickkopf und muss mit dem Kopf durch die Wand, so langsam glaube ich das, wenn es alle behaupten." Er schaute sie ein wenig schief an und musterte sie, sie sah irgendwie interessant aus, wenn sie da so putzte. "Wie geht's deinem hübschen Köpfchen? Alles wieder okay?" Es war ja schließlich alleine sein Verdienst gewesen, dass sie sich gegen den Baum gelegt hatte. Der flirtende Ton in seiner Stimme entging ihr natürlich nicht im Geringsten, er tat das ständig. "Meinem hübschen Köpfchen geht's wunderbar, Sêi-chan", meinte die Rothaarige leicht lächelnd, was auch ihm ein Lächeln gab. "Du solltest immer so lächeln, dann siehst du am schönsten aus", meinte er ihr wieder Komplimente machen zu müssen. "Und danke, dass du mir hilfst." "Kein Problem, ich putze ständig zu Hause, immerhin muss ich Mutter ja etwas helfen." Er schüttelte leicht den Kopf, als ihn ein Gedanke überkam. "Riku ist wieder aus dem Krankenhaus raus, oder? Ich meine, die geht ja in deine Klasse." "Ja, das Prinzesschen ist wieder da", seufzte Riina, beugte sich zum Putzeimer runter und versenkte den Lappen im Putzwasser, bevor sie ihn auswrang. "Die hat mal wieder voll die Show abgezogen und wie alle um sie herumscharwenzeln. Die vergessen den Rest für sie. Die wollen doch eh nur mit ihr befreundet sein, weil sie so reich und bekannt ist... Wieso war die überhaupt im Krankenhaus? Hab' da nur was läuten hören." "Die Treppe runtergefallen sagt man so..." "Ja, wer's glaubt, wird selig..." Das klang ihr doch sehr weit hergeholt. Dieses Mädchen fiel nicht einfach so von der Treppe. "Laut Ryo ist jemand bei ihnen eingebrochen, anscheinend hat sie denjenigen sogar gesehen, das vermutet er stark, aber sie erinnert sich an nichts..." Riina schüttelte den Kopf, sie konnte sich nämlich noch genau daran erinnern, wie besorgt alle gewesen waren, nur sie war mit Miyako von ihr ferngeblieben, während der Rest sich bei ihr eingeschleimt hatte. "Natürlich, wer's glaubt... Ich denke ja eher, dass sie sich nur wieder wichtig machen wollte. Arme, arme Riku-chan, ihr geht es ja so schlecht, man muss sich ja um sie kümmern." Sarkasmus fuhr in ihre Stimme, immerhin war es immer wieder das Gleiche, wenn etwas mit dieser Schülerin nicht stimmte, rannten alle hin und wollten wissen, wie es ihr ging. "Nein, das denke ich nicht. Ihre Eltern haben ausgesagt, dass sie wie am Spieß geschrien hat und dann unten bei der Treppe lag... bewusstlos natürlich. Die Sache ist echt mysteriös." "Oje. Da hatte sie wohl noch mal Glück, oder? Es hätte auch schlimmer ausgehen können. Die Verbrecher Tokyos tragen doch fast alle Waffen bei sich, die sie auch einsetzen, wenn man ihnen zu nahekommt." Sie war zutiefst beunruhigt, in der Gegend, wo sie wohnte, passierte so etwas fast täglich. Manche Leute räumten dort ganze Häuser aus und erschossen die Bewohner, sobald sie die Polizei rufen, oder sie aufhalten wollten. Für einen Moment war sie deswegen recht nachdenklich geworden. "Wurde bei euch auch schon mal eingebrochen?" fragte der Schwarzhaarige bedrückt und ziemlich besorgt, immerhin wusste er ja genauestens, wie es dort ablief. "Uns wurde mal der Fernseher geklaut, mein Brüderchen hat wochenlang darum getrauert, weil er so ein schrecklicher Video und Videospiele-Freak ist. Einen Neuen konnten wir uns erst im nächsten Monat leisten, er hat so gelitten, der Baka." Ihr entfuhr ein Lachen, es war eben einfach zu köstlich gewesen. "Mhm, kommt drauf an welche Videos", meinte Sêiichî, wobei er eher an hübsche Frauen dachte, die es in Filmen gab. "Welche mit Chris Vineyard zum Beispiel, da kriegt man schon ganz schön was zu sehen." "Da muss ich dich enttäuschen, er schaut sich, wenn er denn was von den Vineyards sieht, eher welche von Sharon an, die dich nicht im Geringsten interessieren dürfte, so uninteressant wie sie für Leute wie dich ist, außerdem ist sie ja wohl kaum deine Altersklasse. Er mag die Filme ihrer Tochter nicht, so ein Pech, Sêiichî." Ihr war klar, was ihr Freund an Chris Vineyard fand, er war eben doch männlich. "Oder Takahashis Mutter... sie macht gute Filme, sowohl als Regisseurin, als auch, wenn sie selbst als Schauspielerin mitwirkt. Die arme Frau... Sie hat nur ihren Sohn und der nutzt sie ja wohl nur aus..." "Hinao Siturô, ja, ich hab' schon Filme von ihr und mit ihr gesehen, Sêiichî. Wataru hat jede Menge davon, wir schauen uns manchmal gemeinsam welche an. Leena hat mal gemeint, man sollte Takahashi fragen, ob er sie mit ihrer Mutter bekannt macht, sie ist nämlich eine kleine Träumerin. Sie denkt, wenn sie sie kennen lernt, könnte sie Schauspielerin werden, dabei könnte sie genauso gut Modell werden, weil ihre Mutter Modedesignerin ist und diese und ihr verstorbener Exmann eine eigene Firma haben. Ich lasse von so was lieber die Finger weg. Das ist mir zu stressig, da setze ich mich lieber für das Wohl der Menschheit ein, wie mein Bruder..." Sêiichî ließ seinen Blick schon eine ganze Weile auf ihr ruhen, machte nun aber doch erst recht große Augen. "Was echt? Wie stellst du dir das denn vor? Was willst du werden? Willst du auch zur Polizei?" "Wollte ich früher mal, ja, aber ich denke nicht, dass ich dem gewachsen wäre, also habe ich mir gedacht, ich werde mal Anwältin und unterstütze das Rechtssystem im Hintergrund. Es gibt so viele Opfer, die verteidigt werden müssen, Anwälte braucht man genauso, wie Polizisten. Irgendjemand muss sie ja ihrer Strafe zuführen, oder nicht?" "Das stimmt... Da hast du vollkommen Recht. Daran habe ich jetzt überhaupt nicht gedacht. Da hast du dir aber ja Einiges vorgenommen, was? Du musst einen guten Abschluss machen und danach Jura studieren. Traust du dir das zu?" "Klar, ist eine Sache der schulischen Leistungen. Es ist zwar etwas schwieriger, als Polizistin, aber ich sehe da keine Probleme. Ich war bisher immer erfolgreich, was die Schule betrifft. Du musst dir da eher Sorgen machen, oder Toshizo. Wataru hat gemeint, dass du eine faule Socke bist..." Sie musste wieder lachen. Was ihr Bruder manchmal so mit nach Hause brachte und ihnen erzählte, ließ sie fast vor Lachen unter dem Tisch landen. "Toshizo", meinte Sêiichî etwas traurig. "Er hat keine Lust zu lernen, weil er nicht weiß, wozu. Seine Eltern beachten ihn nicht besonders, er ist ziemlich unglücklich." Sie hielt in ihrer Handlung inne und fragte sich, wie es sein konnte, dass sich ihr Bruder und ihr Freund so ähnlich waren. Das, was er da eben von sich gegeben hatte, hätte genauso gut von Wataru stammen können. "Dass du das so sagen kannst, ohne verhasst zu klingen? Immerhin hasst er dich ziemlich, das habe ich schon mitbekommen. Er will mich von dir trennen, weil du ja so ein schlechter Typ bist. Als er das sagte, klang er voller Hass... Richtig beängstigend." Während ihrer Worte wurde sie recht leise und nachdenklich. "Takahashi verdirbt ihn, da kann man sagen, was man will. Die Arschlochnummer kaufe ich ihm jedenfalls nicht wirklich ab, er ist doch im Grunde friedlich. Dem ist so ziemlich alles entglitten. Wo soll das bloß enden?" fragte Riina. "Er wird in der Firma seines Vaters enden...", antwortete Sêiichî daraufhin, "das ist von seinem Vater bereits beschlossen, vielleicht hat er deswegen keine Lust mehr, weil jeder für ihn entscheidet. Er sollte endlich aufwachen und selbst Entscheidungen treffen, ich finde es beschissen, wenn die Eltern uns vorschreiben, was uns Spaß zu machen hat. Mein Vater wollte gerne, dass ich Forscher oder Wissenschaftler werde, oder gleich Erfinder. Und dann sollen wir ihre Fehler korrigieren und besser sein als sie, nur weil sie welche gemacht haben." Riina stellte den Besen gegen die Wand, da sie ihre Putzarbeit beendet hatte. "Diesbezüglich verstehe ich meine Eltern auch kein bisschen. Vater will Wataru am liebsten zum Verbrecher erziehen, obwohl er Polizist werden will und meine Mutter... sie findet, wir sollten weniger gerechte Berufe ausüben. Sie sagte: Ihr könnt ja auch Ärzte werden und so Menschen helfen. Sie meint eben, wir sollten nachgeben, damit sich die Familie wieder versteht! Dabei ist das unser Leben und wir entscheiden selbst, welchen Weg wir gehen! Eine Zeitlang konnte ich meine Mutter deswegen nicht mehr wirklich leiden, weil sie Wataru immer angemault hat. Jedes Mal war der Grund sein Berufswunsch. Er soll Rücksicht auf seines Vaters vorheriges Leben nehmen. Ein Polizist hat damals seine kleine Schwester erschossen, seitdem hasst er die Polizei. Sie tut so, als wenn wir das absichtlich machen würden." ,Das hat der Mistkerl doch gar nicht verdient, dass man rücksichtsvoll mit ihm umgeht. Wie blind kann man als Frau denn sein? Wie kann man so einen Kerl denn nur lieben?' Sêiichî verstand das nicht im Geringsten und verzog leicht das Gesicht. "Ich verstehe deine Mutter auch nicht, kein Stück." "Tja", mehr fiel ihr darauf jetzt auch nicht mehr ein, wenig später schaute sie auf die Uhr. "Jetzt muss ich aber los." Sie verabschiedete sich noch auf die gleiche Weise, wie sie ihn begrüßt hatte, indem sie ihn sanft küsste, dann winkte sie ihm beim Weggehen noch und verschwand in ihr Klassenzimmer. "Noch sieben Stunden davon zwei Sport und Volleyballtraining, ich glaub', ich pack's nicht mehr..." Er machte sich auf den Weg zum Hausmeister, um die Sachen zurückzubringen, wobei Schmerzen in seinem Bein aufkamen und er stark zu schwitzen begann. Als die Sachen an ihrem ursprünglichen Ort waren, ging er noch einmal auf die Toilette und nahm eine weitere Tablette, weil er das Gefühl hatte, sonst noch total zusammen zu brechen. Im Klassenzimmer der 3A der Mittelstufe war noch wenig los, so dass Hiroko, Miyako und Riina die Einzigen waren, die bisher aufgetaucht waren, da noch über eine viertel Stunde Zeit bis zur nächsten Stunde war. "Hey, ihr Zwei, da bin ich." Sie hängte die Schultasche neben ihren Tisch und setzte sich an diesen, die anderen um sie herum. "Physik ist ein blödes Fach, ich verstehe nur Bahnhof, hilfst du mir?" "Ich hab's doch versprochen, Miyako, also..." Riina erklärte ihr ein paar Formeln, die sie für die Aufgaben benötigte, wobei Hiroko nur zusah. "Sag' mal, Riina, wie geht's deinem Bruder so?" wollte Miyako wenig später leicht errötet wissen. "Wieso interessiert dich das denn?" "Nur so..." Die Rothaarige schlug das Buch zu und schaute ihrer Klassenkameradin in die Augen. "Dem geht's gut." "Hat er eigentlich eine Freundin?" Hiroko fing an zu lachen. "Ich hab's geahnt, dass das kommt." "Ich habe ihn bisher noch nie mit jemandem gesehen..." Die beiden anderen sahen sich grinsend an. "Mhm, er ist mit Yûmikô liiert. Wusstest du das denn nicht, Miya-chan?" meinte die Braunhaarige in der Runde und schüttelte den Kopf. "Das ganze Team spricht davon." "Nein, mir entgeht doch andauernd etwas..." "Mich interessiert eher was mit Shizuru und Takahashi los war... Der hat sie neulich voll fies abserviert..." Riina hob den Kopf und knurrte leicht. "Der schon wieder... Hat der sonst keine Interessen, Hiro-chan?" Sie konnte diesen Kerl nun wirklich nicht leiden. "Der soll sie so fest gestoßen haben, dass sie hinfiel. Ein ziemlicher Rowdy, wie kann man denn auf den abfahren?" fragte Hiroko mit einer hochgezogenen Augenbraue. "Wenn man Shizuru heißt und auf böse Jungs steht...", antwortete Miyako und seufzte leicht. Draußen stand jemand und lauschte dem Gespräch der Mädchen, da man ihm befohlen hatte, dass er mal etwas in Riinas Privatsphäre schnüffeln sollte. ,So, die steht also auf Takagi, das ist ja interessant. Da kann Chardonnay ja etwas spielen...' "Shizuru war stinksauer, sag' ich euch, sie meinte: Der Mistkerl soll zur Hölle fahren, da würde er hingehören." "Da hat sie den Nagel ja auch auf den Kopf getroffen, Hiroko, der kann unmöglich normal sein", kam von Miyako die den Kopf auf den Händen abstützte. "So ein brutales Schwein. Wer weiß, was der als nächstes macht? Shizuru sollte vorsichtig sein, mit dem ist nicht gut Kirschen essen. Der kommt gerne mit seiner kleinen Gang und überfällt Leute, wusstet ihr das?" wollte Hiroko interessiert wissen. Miyako rieb sich die Schläfen. "Es gibt Leute, die es mit dem auch schon zu tun hatten, glaubt mir, ich kenne ihn, genauso wie mein großer Bruder ihn kennt..." ,Junichi, diese Memme', dachte der Zuhörer und lachte innerlich. Der war doch überhaupt nicht seine Kragenweite. Mit dem kam ja sogar Toshizo klar, wenn er alleine war. Satomi war da etwas anderes, die war ein Biest. Man könnte sie ja mal wieder mit ihrer kleinen Schwester ärgern, das würde ihm die größte Freude bereiten, also würde er Chardonnay brav erzählen, was er herausgefunden hatte. Es war doch recht kalt draußen geworden. Riina hatte es eilig in die Halle zu kommen, nachdem sie sich umgezogen hatte und rannte ein wenig, dann stellte sich ihr aber jemand in den Weg, der seine Zigarette, die er bis eben geraucht hatte, zu Boden warf, obwohl das auf diesem Gelände verboten war. "Geh' mir aus dem Weg, Siturô!" Sie versuchte an dem Älteren vorbei zu kommen, er packte sie allerdings grob am Handgelenk und zerrte sie um die Ecke. "Ich muss mal mit dir reden, Riina!" "Ich habe mit dir nichts zu bereden, also lass mich auf der Stelle los und nenn' mich nicht Riina! Das habe ich dir nicht erlaubt!" schrie sie ihn an, die nahm sich mal wieder verdammt viel raus, dazu hatte dieses Miststück doch gar nicht das Recht. Sie machte ihn wütend, so dass er sie gegen die Wand warf und sie dann einengte. "Ob's dir passt oder nicht, du wirst mir jetzt zuhören!" Er fauchte sie wütend an, so dass sie kurz zuckte. "Verdammt noch mal, du kannst gerne noch mal Ärger kriegen, das von neulich hat wohl nicht gereicht, was? Du willst von der Schule fliegen." "Hier ist niemand, mich kann also niemand verpetzen!" Er sprach noch immer sehr laut, schrie fast mit ihr, sie versuchte ihn von sich zu bekommen, doch er war stärker und ganz dicht bei ihr. "Du dummes Miststück bist schuld daran, dass Toshizo wieder mit Saki rummacht. Dieses Flittchen wird ihm nicht guttun, du wirst hingehen und ihm sagen, dass du Sêiichî verlassen hast und jetzt mit ihm zusammen sein willst, kapiert? Ansonsten kann ich noch ganz anders mit dir verfahren!" "Meinst du, du kannst mir drohen, Shiturô?" Sie trat ihm fest gegen das Schienbein, um sich zu befreien, weil es ihr nicht behagte, wenn dieser Mistkerl so nahe an sie rankam. Der Tritt hatte zwar gesessen, reichte allerdings nicht aus, um ihn lange genug außer Gefecht zu setzen, um abhauen zu können, also schnappte er sie sich wieder und schlug ihr mit der Hand mitten ins Gesicht, so dass ihre Lippe aufplatzte. "So willst du es anscheinend haben!" Ein zweites Mal schlug er zu, noch etwas fester als zuvor, so dass ihr Kopf mit vollem Karacho gegen die Wand knallte, dann zog er sie an ihren Haaren zu sich. "Ich mein's ernst, du kommst heute noch mit ihm zusammen, oder du erkennst dich nicht mehr wieder, weil ich dich so verprügele, dass man dein Gesicht nicht mehr sieht!" "Du bist ja nicht ganz dicht, das tut weh, lass das!" "Was, wenn nicht? Gehst du Sêiichî holen? Den können wir gerne auch fertig machen, wenn du das unbedingt willst!" Er zog sie an den Haaren hin und her und schüttelte sie kräftig. "Außerdem soll's ja wehtun, du machst meinen besten Freund unglücklich, das kann ich ja nicht zulassen..." "Wie nett von dir...", kam ironisch von ihr, "mir kommen die Tränen! Ich kann weder dich noch Toshizo leiden, mit solchen Leuten will ich nichts zu tun haben." Sie trat wieder zu, weswegen auch er wieder zuschlug. Man hörte um die Ecke das Aufschlagen ihres Kopfes gegen die Wand, wenn er sie wieder geprügelt hatte. "Was war das?" Akemi, die den ganzen Tag schon an Shinas Seite war, lauschte dem Geräusch und erkannte wenig später auch die Stimme der Schülerin. Beide stürmten um die Ecke, wo sie die beiden Personen sichteten. "Boah, jetzt schlägt es aber 13, Shina hat dir wohl nicht gereicht, du mieser Hund!" fauchte Akemi Takahashi an. "Lass' jetzt deine Finger von Riina, kapiert?" "Hey, Shinalein... Schön dich wieder zu sehen, du siehst irgendwie blass aus..." Takahashi sprach spöttisch mit ihr, was die Hellbraunhaarige irgendwie doch wütend machte, weil er klang, als sei er stolz auf seine Taten, den Zahn musste man ihm jetzt aber ziehen. "Pass' auf, dass du nicht gleich blass wirst ja?" gab sie frech zurück und zog ihn an seinem Hemd nach hinten, woraufhin sie bestimmte Karatetechniken einsetzte, um ihn unter Kontrolle zu bringen. "Ich weiß nicht, was in deinem Kopf vorgeht, aber lass' sie in Ruhe, das gilt auch für deinen Freund! Noch ein einziges Mal und man hält euch durch eine einstweilige Verfügung von ihr fern, ja? Das könnt ihr gerne so haben!" Akemi zog eine Augenbraue hoch, da es ihr seltsam vorkam, wie mutig sie jetzt wieder war, andererseits war das total typisch. Wenn es um andere ging, musste sie ihnen eben helfen. "Geht's dir gut Riina?" Sie betrachtete sich ihr Gesicht genauer und stellte fest, dass ihre Frage doch sehr ironisch klang. "Hau' endlich ab, Shiturô, du hast genug Schaden angerichtet, merk's dir, wenn du noch jemanden anfällst wird dir kein Anwalt mehr helfen können..." "Was für eine Drohung, Süße, ihr könnt mir doch gar nichts entgegenbringen, ich habe Anwälte, die euch alle fertig machen..." Der war ja größenwahnsinnig, fand Akemi zumindest. "Ich würde es nicht drauf ankommen lassen..." Er steckte seine Hände mit einem überheblichen Gesichtsausdruck in die Hosentaschen und schloss die Augen. "Denk' an meine Worte, Riinalein, mhm?" Die beiden Mädchen warteten, bis er außer Reichweite war und verschwanden mit ihr dann in die Umkleide. "Was hat er damit eben gemeint? Hat der dir irgendwie gedroht?" "Ich soll heute noch mit Sêiichî Schluss machen, nichts weiter..." Sie klang zwar gelangweilt, doch in Wirklichkeit hatte Riina ziemliche Angst. "Das sagst du ja so, als wäre das nichts", seufzte Akemi, doch in dem Moment erschien ein blondes Mädchen im Umkleideraum. "Wenn ich du wäre, würde ich tun, was er verlangt, sonst kommt er mit seinem Messer und schnippelt in deinem Gesicht herum..." Shina und Akemi erschraken leicht, als sie Saki in der Tür erblickten, weil keiner mit ihr rechnete. "Was hast du denn mit ihm erlebt, dass du so etwas sagst?" Die Angesprochene seufzte leicht. "Ich habe heute mit Ryo gesprochen... es ging um Takahashi und was man gegen ihn unternehmen kann..." Sêiichî erschien ebenfalls hinter Saki und wollte nun auch wissen was gespielt wurde. "Was ist hier los gewesen? Hat Takahashi mal wieder einen Ausraster gehabt?" Saki konnte nicht fassen, dass er ihr hinterher gegangen war und sah ihn wütend an. "Man, Sêiichî, du musst nicht alles wissen..." "Ich finde schon, dass es mich was angeht, wenn etwas mit meiner Freundin nicht stimmt, also...? Außerdem will ich wissen, was du eben mit Ryo zu reden gehabt hast. Du willst doch nichts von dem, oder?" Die beiden Oberschüler aus dem Volleyballteam sahen sich verwirrt an. "Sêiichî, du spinnst, natürlich will ich nichts von deinem Freund. Ich habe mit ihm nur über seinen Cousin geredet, weil er mich bedroht... Da hat er mir gesagt, dass er seine Freundin angefallen hat und der Inspektor veranlasst hat, dass es zur Anzeige kommt. Akiko Akaja versucht jetzt alles, damit er bestraft wird, die ist immerhin Staatsanwältin..." "Er hat dir gedroht, Saki? Mir ist schon aufgefallen, dass du den nicht leiden kannst..." Nach ihren Worten seufzte Shina leicht, so etwas entging ihr nun mal nicht, zumal es ziemlich eindeutig war. "Er wollte mir das Gesicht ruinieren, wenn ich nicht zu Toshizos Geburtstag komme, um mich von dem flachlegen zu lassen... also bin ich hingegangen..." "Gott, ist ja richtig eklig", meinte Akemi ablehnend und verzog deswegen das Gesicht. "Drohen kann er wohl am besten und zuschlagen", kam von Shina, die rechts neben Riina saß, welche auf einmal ungewohnt still war und nichts mehr sagte. "Wenn ihr Toshizo eklig findet, was haltet ihr dann von seinem besten Freund? Der wollte es auch mit mir... mir kommt gleich alles hoch, der ist ein echtes Ekelpaket." "Sag' nicht, der hat dich gezwungen?" Akemi erschrak wegen Shinas Worten, zumal sie aufgesprungen war. "Mehr oder weniger... Er wollte Toshizo zeigen, wie das geht, weil der noch nie Sex hatte, das geht doch nicht, findet Takahashi, in seinem Alter..." Die Runde seufzte tief in sich hinein. "Und was willst du jetzt machen, Saki?" wollte Akemi wissen, auch wenn ihr die Schülerin nicht gerade sympathisch war. "Der verunstaltet mich, wenn ich petze..." "Hast du doch schon", meinte Riina jetzt leise. "Sei dir im Klaren, dass du ihm keine Vergewaltigung anhängen kannst, weil du dich hast erpressen lassen. Außerdem würde ihm Toshizo mit Sicherheit helfen... Der ist doch total in den vernarrt, er hat eben sonst keinen, der ist doch zu bedauern." "Du hättest schon vorher zur Polizei gehen sollen, Saki... Und dich nicht von ihm erpressen lassen", musste Shina noch hinzufügen, wobei sie sich besser nicht vorstellte, was die gemacht hatten. "Und was war jetzt mit dir, Riina?" fragte Sêiichî interessiert, ließ die Sorgen jedoch im Hintergrund, denn er machte sich welche, wollte es bloß nicht gleich direkt zeigen. "Nichts Besonderes", flunkerte sie, weil sie genau wusste, dass er sich dann mit Takahashis kleiner Gang, von der Hiroko noch erzählt hatte, anlegen würde. Das wollte sie verhindern, damit ihm nichts zustieß, auch wenn er sicher auf sich aufpassen konnte. "Nichts Besonderes? Das kaufe ich dir nicht ab." Er sah ihr eindringlich in die Augen, was Shina für einen kleinen Moment an seinen besten Freund erinnerte. ,Der ist ja genauso hartnäckig.' "Es war aber nicht schlimm, glaub' mir." Anders als ihr Bruder konnte sie sehr überzeugend sein, auch wenn Sêiichî spüren konnte, dass sie ihm etwas verschwieg. Was es sein sollte, wusste er jedoch nicht. "Wenn du Probleme mit Takahashi hast, sag's mir, der soll sich mal nicht zu viel rausnehmen..." Sêiichî hatte einen entschlossenen Glanz in den Augen, er würde wohl ziemlich viel riskieren, um sie zu beschützen. "Es war doch nichts..." "Er hat dich doch hoffentlich nicht geschlagen, oder?" Akemi hatte geahnt, dass Sêiichî nicht auf den Kopf gefallen war, natürlich hatte er ihre aufgeplatzte Lippe bemerkt. "Meinst du meine aufgeplatzte Lippe? Ich war mal wieder zu dämlich einem Ball zu parieren, das ist alles, ich muss mehr trainieren." Und schon war sie aufgestanden und quasi vor ihm geflohen, weswegen der Schwarzhaarige leise seufzte und zu Shina schaute. "Ist das wirklich die Wahrheit?" "Ich war nicht dabei, wenn du das meinst." Das, was hier ablief, konnte man wohl Mädchengeheimnisse nennen, Akemi fühlte sich deswegen leicht unwohl, eine gute Lügnerin war sie eben einfach nicht. ,Warum spielt sie denn jetzt mit?' Da auch ihre Freundin in die Halle ging und sie alle stehen ließ, folgte sie ihr ebenso wie Sêiichî, der sich allerdings auf die Bank setzte und Shina und Riina beim Training zusah. ,Da ist doch irgendwas faul...' Skeptisch war er von Anfang an gewesen, jetzt noch mehr. Die Beiden taten, als sei nie etwas gewesen und vergaßen sich im Spiel. "Mach' dir nicht zu viele Sorgen, Sêiichî", kam von Akemi, sie hatte die Hand auf seine Schulter gelegt und sah ihn jetzt aufmunternd lächelnd an. Miyako rannte zu den beiden Spielerinnen hin und spielte einfach mit - der Rest war ja noch nicht aufgetaucht. Kotomi betrat die Halle, versteckte sich aber hinter der Tür und bespitzelte so das Trio. Es sah für sie so aus, als wenn sich da drei gefunden hatten, da war sie wohl abgemeldet. ,Ja, ja mach' dich nur Shina sympathisch und schleime dich bei ihr ein, damit kommst du niemals durch!' Voller Hass schnappte sie sich einen Ball, wurde dann aber von Matsudaira geschnappt und aus der Halle gezerrt. Im Umkleideraum ließ die Frau die Hand der Schülerin los. "Was wird das?" Beide sahen sich an, in Matsudairas Gesicht lag ein fieses Grinsen. "Du hasst sie, nicht wahr?" Kotomi schaute noch recht skeptisch, sie wusste mit den Worten ihrer Trainerin nichts anzufangen. "Geh' zu Riinas Sporttasche, schnapp' dir ihre Wasserflasche und mach' Folgendes..." Die Frau hielt dem Mädchen einige Tabletten hin, so dass diese sofort verstand, was sie von ihr verlangte und sie war keinesfalls abgeneigt, es zu tun, wenn dieses dumme Weibsstück, das ihre Position gefährdete, nur endlich verschwand. Die anderen waren mitten im Training, als Yûmikô auftauchte und sich ihre Trainingsjacke auszog. "Hey ihr...", begrüßte sie die kleine Gruppe, so dass Shina ihr einen Ball zuwarf. "Du darfst aufschlagen. Ich will mal etwas ausprobieren." Sie blickte zur Seite, wo Akemi war. "Mi-chan, du kommst zu mir, klar?" Die dunkelbraunhaarige Oberschülerin ging unter dem Netz hindurch auf die andere Seite und begab sich in Position. "Miya-chan, du gehst bitte nach hinten, Riina zu Yûmikô nach vorne, okay?" "Ist gebongt, Chef...", kam von Miyako. Yûmikô ahnte vom Plan des Kapitäns und blickte kurz nach hinten, wobei sie Miyako den Ball zuwarf. "Na, dann, zeigt es ihnen..." Miyako und Riina waren jedoch total ahnungslos und total verwirrt über das Verhalten Shinas, nahmen es allerdings hin. Sêiichî zog eine Augenbraue hoch, als er sich das so betrachtete. "Jetzt macht sie aus Riina doch glatt Yûmikôs Stellerin..." Er war gespannt zu erfahren, ob es funktionieren würde... Shizuru, die nun auch endlich aufgekreuzt war, sah, was sich da abspielte. Ihr Gesichtsausdruck hatte nichts Gutes zu verheißen. ,Wenn das Zusammenspiel klappt, brauche ich gar nicht mehr zu kommen', dachte sie sich und seufzte kurz, während sie zu Miyako sah, die nun den Ball flach über das Netz beförderte, der von Naru angenommen und von Shina hochgespielt wurde, so dass Akemi angriff und Miyako den Ball knapp annahm, damit Riina ihn hochspielte und es schließlich Yûmikô war, die ihn steil hinabspielte und für Akemis Sturz rückwärts sorgte. ,Sie war nicht umsonst Kapitän von United, hast du keine Angst, dass du deine Position verlieren könntest, Shina, oder was ist jetzt dein Plan?' Sie stand wieder auf und wartete auf den Nächsten, doch das Spiel blieb gleich. Egal, wie sehr sich die Schülerin bemühte, an Yûmikô kam sie nicht vorbei, sie an ihr aber schon. Einmal war sogar Naru geschlagen, was Jubel auslöste. ,Ich hab's geahnt', durchfuhr es Shizurus Gedanken, jedoch wurden diese gestört, als Kotomi ihr auf die Schulter tippte. "Shina dreht durch, findest du nicht auch? Zwei Anfänger als wichtige Spieler, das ist doch Unfug... Man muss was gegen sie alle unternehmen, findest du nicht auch?" Shizuru drehte sich zu ihrer Cousine um, wobei sie leicht seufzte. "Welche Intrigen spuken dir jetzt schon wieder durch den Sinn?" "Ich bin dafür, dass wir gleich ein Spiel gegen sie spielen und sie richtig blamieren", flüsterte Kotomi zurück, wobei sie einen sehr gemeinen, fast psychopathischen Blick zeigte. "Wir hetzen Riinalein und Miyakoleinchen mal etwas über den Platz, das halten die nie lange durch." "Wenn es weiter nichts ist..." Shizuru winkte Shina zu. "Hey, wir wollen mitspielen, was haltet ihr von einem richtigen Match? Reserve gegen uns, wie immer eben." "Klar...", meinte Shina, dabei konnte man gut testen, wie sie in einem richtigen Spiel spielten. Kotomi war auf einmal total freundlich, rannte zu Riina hin und lächelte sie sogar an. "Hier, bevor wir richtig loslegen, trink' mal was..." Innerlich war sie voller Vorfreude, genauso wie Matsudaira, die sich das Ganze von etwas weiter hinten ansah. ,Wenn das klappt...' Die Mädchen spielten noch etwas für sich, bis sie mit dem eigentlichen Spiel begannen. Diesmal war das Glück auf der Seite des Reserveteams, das in Führung ging. Yûmikô holte ihnen einen Punkt nach dem anderen, wobei die gesamte Mannschaft ihren Teil dazu beitrug. Sie spielten, wie sie noch nie gespielt hatten. Dabei war jeder auf allen Positionen tätig, weswegen es dazu kam, dass Riina und Kotomi als Gegner auf dem Platz standen und beide als Aufschlägerin endeten. Die 15-jährige Rothaarige schlug also auf, Naru nahm den Ball an, Akemi pritschte ihn hoch und Kotomi schlug ihn von hinten zu Riina. Sie drehte den Ball extra an, um der anderen die Annahme zu erschweren. Als das Mädchen ihn annehmen wollte, flutschte er ihr weg und sprang nach hinten, wobei sie auch noch stürzte und am Boden landete. "Yey, Punkt, habt ihr den gesehen??" gab Kotomi an und freute sich über ihren gelungenen Angriffsschlag, woraufhin man ihr den Ball gab, da sie ja jetzt aufschlagen musste. ,Lauf mal schön, Riina, wird ein Heidenspaß werden...' Kotomi schlug den Ball in einem großen Bogen, so dass er direkt auf die rechte Seite flog und Riina ihm nachhechtete. Sie erwischte ihn, konnte ihn allerdings nur über das Netz spielen, so dass Shizuru jetzt angriff und sie den Ball noch beim Sprung in die rechte Seite bekam. Das A-Team holte Punkt für Punkt auf und mit jedem dieser ging es dem Mädchen schlechter. Sie fühlte sich ausgelaugt und schwach, weswegen es ihr immer schwerer fiel solchen Bällen nachzurennen. Bis es zum Satzball kam und diesmal Miyako geschlagen am Boden liegen blieb. Riina kniete am Boden, so dass Akane zu ihr hinging und sie am Arm hochzog. "Bist du bescheuert? Solche Bälle müssen wir kriegen, sonst haben wir ja gar keine Chance mehr! Wenn du im nächsten Satz nicht etwas besser bist, hast du nicht mal im Reserveteam etwas verloren!" Miyako mischte sich sofort ein. "Jetzt mach' sie nicht für alles verantwortlich!" "Halt du dich da raus, du kannst genauso wenig mithalten, Kleinkind!" "Schluss jetzt, ihr seid schlechte Verlierer!" brüllte Shina den beiden entgegen, so dass diese schwiegen. "Ihr müsst als Mannschaft spielen, sonst wird es immer wieder so ausgehen." Mai zog Akane von den beiden weg und musterte Riina. "Alles in Ordnung? Du siehst so blass aus..." Die Angesprochene erschrak, weil sie nicht damit rechnete, dass man sie ansprach. Ihr war so komisch und sie hatte das Gefühl, sie würde gleich umkippen. Kotomi gab Akemi den Ball. "Deiner, und weiter geht's!" Nur widerwillig begab sich die Braunhaarige nach hinten, wobei sie an ihren gewonnenen Satz zurückdachte. ,Merkwürdig, irgendetwas stimmt da nicht! Sie waren so gut, aber dann...' Sie schloss die Augen, öffnete sie dann jedoch wieder und gab dem Gegner einen Ball. Shina fiel während des Spieles auf, dass Shizuru und Kotomi ausschließlich Riina anspielten, normalerweise dürfte das kein Problem sein. Sie war in Sachen Annahme ziemlich sicher und trotzdem landete sie andauernd am Boden. ,Als wenn man ihr die Kraft entzogen hat... Das ist ja unheimlich...' Dem Kapitän fiel jetzt auch Matsudairas Gesichtsausdruck auf, sie schien sehr zufrieden zu sein. ,Oh mein Gott, die stecken doch nicht etwa mit der Trainerin unter einer Decke...?' Der nächste Ball kam, dagegen konnte sie auch nichts tun, diesmal traf er Riina böse in die Magengegend, so dass sie einfach in sich zusammenfiel und liegen blieb. Der Schweiß in ihrem Gesicht tropfte auf den Boden. Miyako half ihr hoch, die Ältere kniff ein Auge zu. "Mir ist so schlecht, ich kann nicht mehr..." Es war überhaupt nicht ihre Art, so schnell aufzugeben, doch sie landete erneut auf den Knien und zitterte. "Sind wir vielleicht etwas empfindlich?" triumphierte Kotomi und kicherte albern. "Gar nicht!" Die Rothaarige erhob sich erneut und ballte die Hände zu Fäusten. ,Jetzt erst recht!' Naru machte den Aufschlag, Miyako baggerte ihn, so dass er über Riina war, die nach oben schaute, jedoch alles nur noch verschwommen wahrnahm und es deswegen nicht mehr schaffte ihn hochzuspielen, so dass er nur knapp über dem Netz war. Yûmikô parierte und schlug ihn ins Feld, wo ihn niemand erreichen konnte. "Der war toll, Riina..." Sie drehte sich herum, da sie keine Antwort bekam, in dem Moment kippte das Mädchen einfach um und blieb auf dem Rücken liegen. ,Ich hab's geahnt, warum habe ich nichts unternommen?' Shina stürzte nach vorne, unter dem Netz durch und hob Riina zu sich auf den Schoß. "Sie ist ohnmächtig... Matsudaira, kommen sie, aber schnell..." Die Frau kam auf alle zu. ,Vielleicht war die Dosis doch etwas zu heftig für eine 15-jährige...', dachte sie sich. Als das Mädchen dann wieder zu sich kam verdrehte sie leicht die Augen. "Wo bin ich?" "Auf dem Volleyballfeld, du bist umgekippt", meinte Akemi. "Sag' doch, wenn es dir schlecht geht, dann machst du Pause..." "So ging es mir noch nie..." Das war alles, was Shina wissen wollte, sie stand auf und warf Shizuru und Kotomi einen bösen Blick zu. "Ich erwarte eine Erklärung! Findet ihr das etwa fair, jemanden rumzuscheuchen, dem es schlecht geht? Und jetzt weicht mir bloß nicht aus, ich weiß, dass ihr das wusstet! Aber woher? Was habt ihr gemacht?" Shizuru erschrak und hob beschwichtigend die Hände. "Ich hab' damit nichts zu tun..." "Die ist einfach ein Schwächling, das ist alles", meinte Kotomi abwertend sagen zu müssen. "Sie passt einfach nicht ins Team..." Shina sah diese gehässig an. "Dass du das denkst, kann ich mir denken. Dir wäre es doch am liebsten, sie wäre schon wieder weg." "Ja, weil sie das Team im Stich lässt, wenn es drauf ankommt, du hast doch gesehen, wo das endet..." Die Teamchefin schaute jetzt noch gemeiner, wie zuvor und lachte kurz auf. "Oh ja, das endet da, dass sie im nächsten Spiel mitwirkt, wenn es ihr besser geht, du aber nicht... hast du das verstanden?" "Matsudaira, das können sie doch nicht zulassen!" versuchte Kotomi die Trainerin aufzuhetzen, obwohl sie das wohl kaum musste. "Weißt du, was du da tust, Shina Kudô?" "Ich bin vollends bei Verstand. Ich habe diesen Plan schon die ganze Zeit, ich will euch allen beweisen, dass der Plan funktionieren wird. Miyako wird zusammen mit Naru verteidigen, Riina und Akemi sind Stellerinnen und helfen vorne beim Angriff, der von Yûmikô und Chisa ausgeführt wird..." Akemi glaubte sich verhört zu haben, weswegen sie die Schultern ihrer Freundin nahm und sie schüttelte. "Ja und du..?" "Ich werde nur zusehen und euch anfeuern... Da könnt ihr mal zeigen, was in euch steckt. Wenn wir gewinnen, Matsudaira, werden Riina und Miyako feste Spielerinnen, was halten sie davon? Nur eine kleine Wette, na?" "Ohne dich wird die Mannschaft sowieso verlieren, wieso also nicht? Wenn du dir das Team zerstören willst, dann tu das..." Matsudaira drehte sich weg, sie glaubte wirklich nicht, dass sie das erste Spiel ohne den Kapitän gewinnen konnten, auch nicht, wenn Yûmikô Angreiferin Nr. 1 spielte. Mit Miyako in der Verteidigung konnten die doch gar nicht gewinnen... unmöglich. "So, dann ist für heute Schluss, geht euch ausruhen, das gilt besonders für dich, Riina..." Die Angesprochene zog sich an Akemis Hand hoch. "Alles klar..." "Hast du was Falsches gegessen, oder wieso bist du so schwach?" "Ich denke eher, dass sie was Falsches getrunken hat..." Als Kotomi Shinas Worte mitbekam, zitterten ihr die Knie. Obwohl sie nichts Konkretes sagte, wusste sie, dass Shina klar war, wieso es der Neuen so schlecht ging, aus dem Grund verschwand sie unauffällig nach draußen, zog sich um und fuhr sofort nach Hause. Die Teamchefin war ganz froh, dass für heute Feierabend war, da das Schmerzmittel wohl nicht mehr wirkte und ihr die Arme wehtaten. Akemi bemerkte jetzt erst, dass sie ja Verbände an den Armen hatte. "Tut das eigentlich nicht weh?" "Nicht, wenn man mit den Händen spielt, und den Ball nicht auf die Gelenke bekommt", verteidigte sie sich, auch wenn das ihrer besten Freundin jetzt gar nicht gefiel. "Du solltest trotzdem Pause machen." "Werde ich ja auch, dafür habe ich vorhin gesorgt." Die Dunkelbraunhaarige seufzte leicht in sich hinein. "Hauptsache, du warst unvernünftig, was? Was, wenn dir ein kleines Malheur passiert wäre und du dich dann noch schwerer verletzt hättest?" "Es ist aber nicht passiert, also ist alles gut, Mi-chan." Derartige Vertröstungen war die gleichaltrige Schülerin an ihrer besten Freundin schon gewohnt. "Das nächste Mal lässt du es aber dann doch lieber sein", meinte Akemi, wobei sie ihre Stimme so anhob, dass es fast drohend klang. Währenddessen war Sêiichî auf dem Weg zum Direktor, um sich über Takahashi erneut zu beschweren, auch wenn die Schulleitung keinerlei Lust dazu verspürte, sich mit den Anwälten dessen Vaters anzulegen. Vor welchen Vorwürfen hatten die eigentlich Angst? Die Beschwerden seines Beines waren wieder schlimmer geworden, so dass er jenes wieder hinter sich herzog und einmal stehen bleiben musste, um tief durch zu atmen. ,Da muss ich jetzt wohl durch...' Sein Körper hatte keine Lust mehr, da er noch immer Blut verlor. Er hätte das Bett hüten sollen, damit die Wunde nicht wieder aufging, doch genau das war jetzt passiert, zu allem Überfluss wirkten die Medikamente nicht mehr richtig und ihm wurde übel. Der 17-jährige klammerte sich an die Tür, um nicht umzukippen, was sich als unnötiges Unterfangen herausstellte, da er dann einfach in sich zusammensackte, das bekam er schon gar nicht mehr mit. Seine Glieder gaben nach, so dass er ohnmächtig am Boden landete und liegen blieb. Noch vollkommen verwirrt öffnete Sêiichî wenig später die Augen und blickte sich um. War er eben nicht erst noch an der Tür gewesen? Wieso lag er denn jetzt im Bett? Seine Frage fand eine Antwort, als er die Tür hörte und wenig später Ryochi den Raum betrat. "Du hast einen Knall, das muss man dir mal wieder sagen! Kannst du mir mal verraten, was du wieder angestellt hast, dass du einfach so im Flur umkippst?" Erschrocken wollte der Junge aufspringen, doch man hielt ihn davon ab, indem man ihn zurück aufs Bett drückte. "Und bleib' erst mal liegen." Man würde Sêiichî ausquetschen, das wusste dieser jetzt schon, so wie Ryo ihn ansah, er wusste jetzt natürlich, dass etwas nicht stimmte. "Ich hab' mich mal wieder anschießen lassen, aber es ist nichts Ernstes...", versuchte er ihn zu beruhigen, was ja nur die halbe Wahrheit war, diese würde er ihm nach wie vor verschweigen, mehr war allerdings auch nicht drin. Der Angesprochene konnte nicht glauben, was man ihm da auftischte. "Nichts Ernstes? Es ist also nichts Ernstes, wenn du einfach in Ohnmacht fällst? Aber sonst hast du keine Probleme? Hör endlich auf, mit deinem Leben zu spielen, du weißt genau, dass ich das nicht leiden kann! Musstest du wieder mit Killern spielen? Irgendwann bringt dich noch einer um!" Ryochi war in Rage und ließ es seinen Freund spüren, immerhin hatte er ihn, bei seiner Ankunft gleich geohrfeigt, nur weil er Killern nachrannte, er hatte eben gewusst, wo das enden würde. "Ich habe keine Lust, dich zu beerdigen, verdammt noch mal!" Das war das Donnerwetter, wie es Sêiichî schon gewohnt war. Es sah immer so aus, wenn er sein Leben aufs Spiel gesetzt hatte. "So schnell stirbt man auch wieder nicht..." "Das sagst du so daher, dann passiert es doch, es kann immer etwas passieren, aber man muss es nicht unbedingt so herausfordern, wie du es immer tust." Er fasste sich an den Kopf, Sêiichî schaffte ihn, er dachte eben, er konnte alles schaffen, fast als wäre er unsterblich, aber das war ein Hirngespinst, das musste er endlich verstehen. "Hast du kein schlechtes Gewissen, wenn du dich so aufführst? Willst du, dass unsere Eltern wieder unglücklich werden? Von mir ganz zu schweigen, kaum zu glauben, dass ich dir so egal bin." Ryo schloss die Augen und hoffte, dass die Worte bei ihm ziehen würden und er in Zukunft wenigstens vorsichtiger wurde, mit Verbrechern würde er trotzdem wahrscheinlich zwangsläufig immer zu tun haben. "Ich gebe mir wirklich Mühe, aber du weißt doch, dass ich nicht stillschweigend zusehen kann. Ich muss handeln, denn sonst habe ich ein schlechtes Gewissen. Ich muss Menschen helfen, das ist meine Bestimmung. Ich habe zu viel erlebt, um andere Menschen ihre Scheiße bauen zu lassen, so wie mein missratener Bruder, der einfach meine Freundin vergewaltigte, nachdem er sie angeschossen hat." Unwillkürlich war Wut in die Stimme des Jungen gefahren, denn immer, wenn er an seinen Bruder dachte, wurde sie in vollem Maß ausgelöst. "Deswegen musst du nicht absichtlich der Verbrechergegend Besuche abstatten, außerdem tust du das oft nur, um dir selbst eine Daseinsberechtigung zu beschaffen, dabei hast du sie längst. Du bist kein Mistkerl wie Takahashi, der so etwas braucht, Sêiichî! Ist dein Leben echt so wenig wert, dass du das nötig hast?" "Du hast Recht, wahrscheinlich bin ich es nicht mal wert, mit dir befreundet zu sein, wie hältst du es bloß mit mir aus?" Der weinerliche Ton in der Stimme seines Freundes verriet Ryo, dass da noch mehr war, irgendetwas war anders als sonst. Hatte er vielleicht mal den falschen Killer ermordet? "Unsinn!" fuhr er Sêiichî dann scharf an. "Wie kannst du nach all der Zeit bloß so was sagen? Du bist mein bester Freund und das nicht ohne Grund, daran solltest du denken. Du bist es, weil du mir in den schwersten Stunden meines Lebens immer beigestanden hast, selbst als ich halb tot im Krankenhaus lag. Dafür bin ich dir dankbar, andererseits könnte ich dich verprügeln, wenn du wieder verletzt worden bist, ich will ganz einfach nicht, dass dir was zustößt, das musst du verstehen. Du bist eben jemand, der sich überall einmischen muss, gut, ich will dich nicht ändern, ich mag dich so, du solltest nur vorsichtiger sein. Ich will mir keine Gedanken um dein Leben machen müssen, wenn du wieder halbtot im Krankenhaus liegst und man dir keine Überlebenschance gibt, das hatten wir vor kurzem doch schon einmal, du weißt gar nicht, wie beschissen es mir deswegen ging..." "Entschuldige, ich will dich ja auch gar nicht enttäuschen und trotzdem tue ich es, weil ich einfach kein Unrecht vertrage. Aber deswegen brauchst du dich nicht um mich sorgen, ich war nicht unvorsichtig, ehrlich. Außerdem hat es nur mein Bein erwischt, halb so wild." "Dann gehst du zum Arzt und lässt dich ab morgen mindestens zwei Wochen krankschreiben und keine Widerrede..." "Wenn es dir dann besser geht, Kleiner." Wer hier wohl der Kleine war? Ryo passte ja schließlich auf Sêiichî auf, damit er keine Dummheiten machte, im Grunde taten sie es jedoch gegenseitig. "Wieso mir? Dir soll's besser gehen, du Chaot." Der Detektiv seufzte, auch wenn ihm klar war, dass Sêiichî gar nicht vorgehabt hatte, dass er davon erfuhr. Ihm würde so etwas aber mit Sicherheit nicht entgehen. "Das wird es nicht, wenn du dein Bein belastest, auch wenn du sicher Medikamente genommen hast und der Schmerz dadurch nachgelassen hat, die Verletzung lässt sich damit nicht kurieren, dafür brauchst du Ruhe, also, hör auf mich, auch wenn es dir widerstrebt." "Jetzt weißt du es sowieso, ich wollte es vermeiden, weil ich genau gewusst habe, wie du dann reagierst. Von dem her, brauche ich auch nicht zu Schule kommen, es sollte nur so aussehen, als sei alles gut." "Du hättest dich schminken sollen, du warst so blass, dass ich gleich gesehen habe, dass dir etwas fehlt, Baka." Dass er so blass gewesen war, war ihm total entfallen.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)