Der Lauf der Zeit von Sharry ================================================================================ Kapitel 3: Kapitel 3 -------------------- Kapitel 3   Seufzend ließ Sanji sich aufs Sofa fallen. Erst vor wenigen Minuten war die Sonne aufgegangen. Keiner von ihnen hatte diese Nacht geschlafen. Spät hatten sie zu Abend gegessen während der ehemalige Pirat geredet hatte. Er hatte einen Eternal Port in die Mitte des Tisches gestellt und ihnen dann erzählt, dass die Raritätenjäger ihren Zweitsitz auf einer kleinen Insel namens Mystoria hatten und dass Zorro wahrscheinlich dort gefangen gehalten wurde. Jeder aufmerksame Zuhörer hätte bemerken können, dass der alte Mann seine Worte mit äußerster Vorsicht gewählt hatte. Rayleigh hatte nicht mehr gesagt, als unbedingt nötig, war sowohl vorlauten und als auch bedachten Fragen mit Leichtigkeit ausgewichen. Was auch immer Rayleigh über Zorros Vergangenheit wusste, er gab davon nichts preis. Das ein oder andere Mal hatte der dunkle König anklingen lassen, dass er nicht sonderlich glücklich darüber war, dass die Strohhüte mit an Bord waren, aber er versuchte nicht noch einmal es ihnen auszureden. Stundenlang hatten sie sich einen Plan zusammengereimt, hatten Vor- und Nachteile gegeneinander abgewogen. Der Stützpunkt war nicht Enis Lobby, erst recht kein Impel Down, und laut Rayleigh waren die Korekutas nicht für ihre Kampffertigkeit bekannt. Die wenigsten Menschen trauten sich an Schergen der Weltaristokraten heran. Trotzdem nahm es niemand von ihnen auf die leichte Schulter. Nun ja, zumindest nahmen Robin, Franky, Nami und Sanji es nicht auf die leichte Schulter. Die andere Hälfte der Crew schien deutlich euphorischer. Insbesondere der ehemalige Pirat war der Grund, warum die vier unter ihnen es ernst nahmen. Alles was Rayleigh ihnen gesagt hatte hörte sich danach an, als ob Zorros Befreiung ein Kinderspiel werden würde. Trotzdem wirkte der ehemalige Vizekapitän Gol D. Rogers alles andere als zuversichtlich. Er hatte so gut wie nichts getrunken und wann immer er nicht im Mittelpunkt der Gespräche stand, hatte er abwesend aus dem Fenster geschaut. Sanji hatte darüber mehrere Blicke mit der Archäologin ausgetauscht; auch ihr war das eigenartige Verhalten des ehemaligen Piraten nicht entgangen. Irgendwann hatte Nami alle zu Bett geschickt, inklusive des dunklen Königs. Sanji jedoch hatte deutlich zu viel Kaffee getrunken und Nikotin geraucht um schlafen zu gehen. Mittlerweile glänzte die gesamte Küche so wie an dem Tag, als sie auf die Sunny gezogen waren. Nun hatte er nichts mehr zu tun, trotzdem konnte er sich nicht entspannen, seine Gedanken wollten einfach nicht zur Ruhe kommen. Irgendetwas war an der ganzen Sache gewaltig faul. Zorro, der unerschrockene und blutrünstige ehemalige Piratenjäger, ließ sich von einer Frau mit einer Liste herumschubsen. Rayleigh, einer der gefährlichsten und stärksten Piraten die die Welt je gesehen haben, schien sich große Sorgen zu machen wegen einem Kerl der Muchinushi hieß. Dann noch diese Geheimniskrämerei um Zorros Vergangenheit, was war denn daran plötzlich so wichtig? Der Koch musste gestehen, dass er sich nie viele Gedanken um die Kindheit des Schwertkämpfers gemacht hatte. Er wusste, dass der andere in einem Dojo im East Blue aufgewachsen war, mehr aber auch nicht. Nirgendwo in diese idyllische Zeile passte die rechte Hand des Teufels oder die Raritätenjäger der Weltaristokraten rein. Mühselig zündete er sich eine Zigarette an, er hatte schon längst aufgehört zu zählen seine wievielte das war. Vor seinem inneren Auge tauchte das beinahe unschuldig süße Bild auf, wie der frisch gebackene Piratenjäger Lorenor Zorro versuchte den dunklen König Silvers Rayleigh zu fangen und dabei den Korekotas in die Hände lief. Die Vorstellung wie ein Mooskopf, bei dem noch nicht mal der Bartwuchs eingesetzt hatte, versuchte einen der meistgesuchten Piraten der Welt zu fangen um sein Kopfgeld einzusacken war beinahe putzig. Mit einem leisen Glucksen entschied er diese Version als Zorros Vergangenheit abzustempeln, bis er die Wahrheit erfahren würde. „Was ist denn so lustig?“ Überrascht schaute er auf. Robin stand im Türrahmen. „Guten Morgen, Robin-Maus. Wolltest du dich nicht eine Runde ausruhen?“ „Ich glaube ich habe den gleichen Fehler gemacht“, entgegnete sie mit einem entschuldigenden Lächeln und kam zu ihm herüber geschlendert. „Zu viel Kaffee sorgt für unruhige Beine.“ Sie nickte zu seinem hibbeligen Bein hinüber und gesellte sich zu ihm. Galant nahm sie auf einem der Stühle vom Esstisch Platz und lehnte ihre Schulter gegen die Rückenlehne. Anstatt zu antworten nahm Sanji einen weiteren Zug von der Zigarette. „Du machst dir Sorgen.“ Es war kein Frage, sie kannte ihn wirklich gut. Robin war zu klug, als dass ihr solche Dinge entgehen würden. „Du doch auch“, entgegnete er und lehnte sich vor. „Du hast es ebenfalls bemerkt, oder?“ Robin lehnte sich auch vor. „Was genau meinst du? Die Art wie Rayleigh über Muchinushi redet oder die Art wie er Zorros Namen betont?“ „Ich meinte eher wie er sich benimmt, wenn er glaubt unbeobachtet zu sein.“ „Gut gesehen.“ Doch sie lächelte schon lange nicht mehr. „Ich bezweifle, dass unser kleines Unterfangen so problemlos über die Bühne gehen wird wie es derzeit scheint“, sagte sie schließlich ernst. „Sonst würde Rayleigh nicht versuchen uns außen vor zu lassen.“ Sanji nickte nachdenklich. „Glaubst du, dass irgendwer von den anderen das auch mitbekommen hat?“ Ein leises Lachen war alles was er als Antwort bekam. „Was verheimlichst du uns, Sanji?“, fragte sie unvermittelt. „Was meinst du?“ „Ach bitte.“ Wieder lachte sie leise auf, als würde sie mit einem Fremden in einer Bar flirten und nicht als hätten sie ein ernstes Gespräch. „Du hast deine Worte mindestens genauso bedacht gewählt wie Rayleigh.“ „Touché.“ Er konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen wich jedoch ihrem Blick aus. „Es ist Zorro“, murmelte er schließlich. „Um wen sollte es auch sonst gehen?“ Nun sah er doch auf. „Du hättest ihn sehen sollen. So hab ich ihn noch nie erlebt.“ Er schüttelte den Kopf. „Als diese Korekuta ihren Vater erwähnt hatte...“ Er sprach nicht weiter sondern sah weg. Robin erhob sich und Sanji konnte ihren berechnenden Blick spüren. „Weißt du etwas über diesen Muchinushi?“, fragte er sie. „Ja, und das beunruhigt mich noch mehr.“ Sanji stand ebenfalls auf. „Wieso?“ Nicht eine Sekunde unterbrach sie den Augenkontakt. „Korekuta Muchinushi ist ein einflussreicher Weltaristokrat und sein Fachwissen über Raritäten ist wahrlich einzigartig.“ Nun sah sie doch weg. „Aber er ist ein Mann der im Hintergrund agiert. Seine Tochter leitet den aktiven Dienst. Es ist für mich unverständlich, warum alleine sein Name schon ausreicht um sowohl Rayleigh als auch unseren Schwertkämpfer einzuschüchtern. Er ist ein Bürokrat, ein Forscher, aber gewiss kein Gegenüber in einem Kampf.“ „Aber das sollte uns doch beruhigen.“ Sie zuckte mit den Achseln. „Und aus genau diesem Grund beunruhigt es mich umso mehr.“ Kopfschüttelnd wandte sie sich zur Tür. „Wir sollten uns noch etwas ausruhen. Ich habe das ungute Gefühl, dass unsere Rettungsmission ungeahnte Überraschungen bereit halten wird.“ Sanji stand ebenfalls auf. „Ist das nicht der Sinn von Überraschungen?“ Sie schmunzelte leicht, doch ihr Lächeln erreichte ihre Augen nicht. Sie hatte bereits eine Hand auf dem Türknauf, doch sie ging nicht. „Robin?“, fragte er vorsichtig. „Ich wusste es“, murmelte sie ohne ihn anzusehen. „Ich wusste, dass so etwas passieren würde.“ „Du wusstest, dass Zorro einen Deal mit den Korekutas machen würde?“ Die Archäologin biss sich kurz auf die Lippen, ehe sie sich nochmal zu ihm umwandte. „Ist es dir auch aufgefallen?“ „Was meinst du?“ „Zorro? Wie anders er sich benommen hat.“ Sanji legte den Kopf leicht schräg. „Meinst du, als diese Jäger auftauchten? Keine Ahnung, vielleicht...“ „Nein.“ Robin drehte sich wieder von ihm weg. „Nicht erst dann. Am Anfang dachte ich, es würde daran liegen, weil wir alle so lange getrennt gewesen waren. Zorro ist niemand, der so leicht vertraut. Ich dachte er braucht nur ein paar Tage.“ Verwirrt stand der Blondschopf im Raum. Er konnte ihr kaum folgen. Nicht das er besonders drauf geachtet hatte, aber er hatte nicht das Gefühl gehabt, dass der Mooskopf sich in den letzten Jahren groß verändert hatte. Klar, andere Klamotten, ein neuer Haarstil, aber er war noch genauso übellaunig und wortkarg wie eh und je. „Also… ich...“ „Er hat sich zurückgezogen.“ Robin sprach schon lange nicht mehr mit ihm. „In den letzten zwei Jahren muss irgendetwas passiert sein, weswegen er uns nicht mehr vertrauen kann.“ Es war ihm beinahe unangenehm ihr zuzuhören, während sie laut ihre privaten Gedanken ordnete. „Nein, nein. Rayleigh sagte, dass es ein Teil seiner Vergangenheit war. Es muss etwas gewesen sein, dass passiert ist, bevor Zorro Ruffy kennen gelernt hat.“ Kopfschüttelnd öffnete sie nun doch die Tür. „Aber woher kennen Rayleigh und Zorro sich dann? Was verschweigt er uns?“ Vor sich hinmurmelnd verließ sie die Kombüse, ließ einen äußerst verwirrten Koch zurück. Die Müdigkeit musste sie redselig gestimmt haben, denn Sanji war sich ziemlich sicher, dass sie das eben gesagte ihm normalerweise nicht so offen mitgeteilt hätte. Trotzdem ging es ihm ähnlich, er sah es genauso wie sie. Wenn Rayleigh ihnen nur nicht vorenthalten würde welchen Teil er aus Zorros Vergangenheit kannte, dann könnten sie sich vielleicht vorbereiten, aber er würde sie nicht einweihen und das machte Sanji nur noch misstrauischer. Mittlerweile war er sich sicher, dass Zorro den dunklen König nicht erst vor zwei Jahren auf dem Sabaody Archipel kennen gelernt hatte. Nein, hier ging es nicht um ein Problem, dass während der letzten zwei Jahre entstanden war, das hier war was größeres. Woher kannten Rayleigh und Zorro sich?   „Eine Welt die in Scherben liegt. Völker die sich aufbäumen, Imperien die niederfallen. Die Zeit des Umbruchs ist endlich da. Wir schreiben das Jahr 1467 und zwei mutigen Helden stellen sich den Gefahren einer düsteren...“ „Kannst du nicht einfach mal die Klappe halten?“ „Ach, sei doch nicht so eingeschnappt. Das hier ist ganz lustig.“ „Klatschnass durch einen Dschungel stapfen findest du lustig?“ Er schlug einen Ast zur Seite, der sich sofort revanchierte und ihm auf den Hinterkopf klatschte. „Na klar. Fühlst du‘s nicht? Die warme Luft, die mächtigen Bäume. Wir sind wie zwei Abenteurer auf der Suche nach einem verlorenen Schatz. Schließe mal die Augen und spüre die Energie um dich herum.“ Der andere grinste ihm über die Schulter hinweg zu und lief beinahe gegen einen Baumstamm. „Also ich fühle nur die verdammten Mückenstiche und es ist viel zu schwül.“ Nun sah der andere nicht mehr ganz so begeistert drein. „Man, du kannst einem auch die ganze Stimmung vermiesen. Es ist so ein schöner Tag und du machst alles kaputt“ „Ich?! Ich mach alles kaputt?“ Er versuchte zum anderen aufzuschließen, rutschte aber auf dem weichen Boden aus und war kurz davor auf allen Vieren zu landen. „Darf ich dich daran erinnern, warum wir uns hier durchschlagen müssen?“ Mühsam verfolgte er den anderen, während sie langsam den Berg erklommen. „Du Idiot hast mein Boot versenkt! Auf hoher See ein Loch in den Bug getreten! Wir haben nichts mehr außer das was wir anhaben! Weißt du wie schwierig es war an das Boot dranzukommen?!“ „Hattest du es nicht geklaut?“, murmelte der andere halblaut. „Ja, und das war eine ganze Menge Arbeit! Für nichts! Wir sind mitten im nirgendwo auf irgendeiner Insel. Wie gedenkst du hier wegzukommen? Sollen wir uns ein Floß bauen?“ „Ich weiß nicht, wie das geht. Du?“ „Natürlich nicht, warum glaubst du wohl habe ich mein letztes Boot geklaut?“ „Ich dachte einfach du hättest eine kleptomanische Veranlagung.“ „Ich bin überrascht, dass du überhaupt weißt, was das Wort bedeutet.“ Schweigend gingen sie weiter. Es war wirklich sehr warm und drückend. Piraten wie sie waren einfach nicht dafür gemacht sich durch einen Dschungel zu kämpfen. „Immerhin sind wir nicht ertrunken“, meinte der andere nun fast schmollend. Er antwortete nicht. Ja, ertrunken waren sie nicht. Aber er kannte diesen Mistkerl erst knappe zwei Wochen und in dieser Zeit hatte er seine gesamten Ersparnisse an Alkohol verloren, war an vier Barschlägereien beteiligt gewesen und einmal von der Marine verfolgt worden. Man konnte sagen was man wollte, sein neuer Begleiter machte sein Leben wirklich interessanter. Und nun hatte er auch noch sein Boot verloren. „Warum hab ich dich nicht einfach absaufen lassen?“ „Na weil wir Freunde sind.“ Der andere grinste ihn breit an und verfing sich in einer Liane. „Außerdem bin ich dein Käpt‘n.“ Dumpf knallte der andere zu Boden. Er seufzte nur tief und zog seinen Kapitän wieder auf die Beine, ehe er den staubigen Strohhut vom Boden fischte. „Wo ist dein verdammtes Schicksal eigentlich, wenn man es mal braucht? Jetzt langsam wäre wohl mal der richtige Zeitpunkt.“ „Ach, mein lieber Rayleigh.“ Der andere warf einen Arm um seine Schulter. „So etwas kannst du nicht herbei zitieren. Alles wird kommen wie es soll. Vertrau mir.“ Er rollte mit den Augen und ging weiter, flog dabei fast auch hin. „Der Boden ist verdammt matschig.“ Damit beendete er das Gespräch und stakste weiter. Das sollte noch für eine grobe Stunde so weiter gehen. Irgendwann ging es plötzlich wieder abwärts, was dazu führte, dass beide Männer noch mehrmals Bekanntschaft mit dem Schlamm zu ihren Füßen machten. Schließlich lichtete sich der Dschungel und zu Rayleighs Erleichterung konnte er in nicht allzu weiter Ferne ein größeres Dorf ausmachen. „Da sollten wir was zu essen finden“, meinte sein Kamerad. „Da sollten wir ein Boot finden“, stimmte er zu. „Willst du eins klauen?“ „Na, ich will ganz bestimmt nicht hier bleiben.“ Langsam kamen sie immer näher. „Wir könnten eins kaufen“, schlug der Schwarzhaarige vor. „Das bisschen Geld von mir das du noch nicht versoffen hast, liegt auf dem Grund des Meeres.“ Der andere wühlte in seinen Hosentaschen und zog ein paar zerknitterte und zusammengepappte Scheine hervor. Der Blonde schnaubte höhnisch. „Mit den paar Berrys kriegen wir vielleicht gerade mal das Badehaus bezahlt.“ Der Mann neben ihm zog eine Schnute. „Und wie sollen wir dann an was zu essen kommen?“ Nun konnte er ein Lächeln nicht verhindern. „Ach dafür hast du doch mich.“ Kurze Zeit später kamen beide Männer frisch gewaschen und deutlich entspannter aus dem ortsansässigen Badehaus, das gerade für seine heißen Salzbäder bekannt war. Nach Papaya und Kokosnuss riechend schlenderten sie die Hauptstraße hinunter, die direkt an der Küste entlang führte. Der Ältere der beiden Männer begutachtete ausgiebig die kleinen Schiffe, an denen sie vorbei kamen, während der Jüngere die Geschäfte auf der anderen Seite der Straße inspizierte. Im Vorbeigehen nahm der Blonde den ein oder anderen Geldbeutel mit, selbstredend ohne bemerkt zu werden. Schließlich fanden sie eine kleine Einkehr, wo man sowohl was essen als auch Proviant aufstocken konnte. Die Spelunke sah zwar nicht besonders einladend aus, aber dafür schien sie günstig zu sein. Nachdem sie bestellt hatten setzten sich die beiden Männer an einen Tisch nahe der Türe und dem Fenster, um im Notfall schnell abhauen zu können. Wenige andere waren am frühen Nachmittag schon anwesend, und die wenigen rochen nach Alkohol und Zigaretten, während sie sich mehr schlecht als recht auf ihren Stühlen an der Bar hielten. Die Fremden nahe der Tür wurden mit Argusaugen verfolgt. Das Essen war alles andere als vorzüglich, aber es erfüllte seinen Zweck. Leise unterhielten sich die beiden, wogen ab welches Boot für ihre Weiterfahrt geeignet war. Gleichzeitig zählte Rayleigh das Geld, was bisher zusammengekommen war. Es war beileibe nicht genug um all das Proviant zu bezahlen, das sie benötigen würden. Er überlegte bereits, ob es sinnvoll wäre in der kommenden Nacht auch hier einzusteigen, die Kasse hatte zumindest ziemlich voll ausgesehen. Er klaute nicht unbedingt gerne, aber er war nun mal Pirat und er brauchte das Geld. Sein Gegenüber ging das ganze etwas lockerer an und dachte nicht zu viel über die Zukunft nach, während er sein Essen sichtlich genoss. Sie waren noch nicht fertig als im Hintergrund die Türe aufging und plötzlich wurde es eiskalt im Raum. Rayleigh drehte sich auf der Bank um, mit ihm starrten sämtliche Anwesende Richtung Eingang, mit Ausnahme natürlich von dem jungen Mann mit dem Strohhut, der den Stimmungswechsel nicht mitzubekommen schien. Der Mann der herein kam strahlte eine Aura aus, die selbst den Blonden beeindruckte. Er blieb im Türrahmen stehen und starrte einen jeden von ihnen nieder, ohne sie dabei ansehen zu müssen. Dann schritt er in den Raum hinein. Richtung Tresen. Bis auf seine Ausstrahlung schien an dem Mann nichts besonders zu sein. Er trug zerschlissene Klamotten wie jeder andere Landstreicher auch und auch sonst war er so dreckig wie jeder andere Lump. Seine Haare waren so voller Match, dass sie es unmöglich war zwischen braun und grün noch die eigentliche Haarfarbe zu erahnen. Als er am Tresen stand schluckten alle anderen Anwesenden synchron ehe sie ihre Blicke schnell von ihm abwendeten, nur Rayleigh hielt seinen Blick auf den Rücken des Fremden gerichtet. Dieser Typ bedeutete nichts Gutes. „Was kann‘s denn sein Bursche?“ Der einäugige Mann hinterm Tresen klang gelassen, doch jeder wusste, dass seine Finger unter dem alten Holz nach seinem Gewehr fischten. „Weingeist.“ Ein kalter Schauer rannte den Nacken des Piraten hinunter. Dieses Wort alleine war Drohung genug. „Oh ´tschuldigung, Jung‘. So was hab ich net da.“ Es war immer weniger Luft im Raum. „Absinth.“ „Ähm. Auch net?“ „Was hast du dann?“ Langsam traute sich niemand mehr zu atmen. „Kommt drauf an was du willst?“ „Alkohol.“ „Ja gut, was für einen?“ „Hochprozentig.“ Der alte Mann wisch sich den Schweiß von der Stirn. „Ich hätt‘ 80% Strohrum da. Wär der was?“ Der Fremde nickte nur. „Warm oder kalt?“ „Als Flasche.“ Rayleigh wandte seinen Blick ab, nur um zu bemerken, dass sein Gegenüber der einzige im ganzen Raum war, der augenscheinlich den Fremden nicht beachtete. Wenige Sekunden später stellte der alte Mann eine verstaubte Flasche auf den Tresen. Der Fremde knallte zwei zerknüllte Scheine daneben, nahm die Flasche und ging. Gerade als alle aufatmen wollten, blieb er stehen. Für einen Augenblick starrte er direkt Roger an, was dieser noch nicht einmal zu bemerken schien. Rayleigh auf der anderen Seite hatte das ungute Gefühl, sich in den Weg stellen zu müssen. Dieser tote Blick mit dem der andere seinen Kapitän beäugte gefiel ihm ganz und gar nicht. Plötzlich sah der andere ihn an. Seine leblosen Augen schienen sich in seine Seele hineinzufressen, schienen alles Licht aus ihm auszusaugen. Dann drehte der andere sich zur Tür und verschwand. Langsam begannen die Verbliebenen sich leise zu unterhalten und zu tuscheln, doch Rayleigh rang nach Atem. Obwohl der Fremde kaum älter als er gewirkt hatte, schien er ein Mann zu sein, der schon zu viel gesehen hatte. Dankbar kam er zu dem Schluss, dass er diesem Mann wahrscheinlich nie wieder begegnen würde. „Ich hab mich entschieden.“ Sein Gegenüber stand plötzlich auf. „Lass uns gehen, Rayleigh.“ „Wohin?“ Er stand ebenfalls auf und legte das nötige Geld auf den Tisch. „Dem Kerl von gerade hinterher.“ „Was? Warum?“ Der Schwarzhaarige grinste ihn an. „Na, weil er unser neues Crewmitglied wird!“   Worte waren machtlos, drangen zu diesem Dickkopf einfach nicht durch. Selbst nach minutenlanger Diskussion ließ Roger sich nicht davon abbringen, den Fremden zu finden. Rayleigh lief neben ihm her und redete und redete, doch Roger hatte sich nun einmal entschieden. Aus welchem Grund auch immer wollte er den Fremden in seine Crew aufnehmen. Aber alle Hoffnung hatte der Blonde noch nicht aufgegeben. Erst einmal würde der Fremde überhaupt zustimmen müssen und dazu mussten sie ihn zunächst finden und so einfach schien das schon gar nicht zu werden. Es war bereits am dämmern und der geheimnisvolle Unbekannte war nirgends zu sehen. „Okay, Roger. Hör mir zu.“ Er packte den anderen am Arm. „Sobald es dunkel ist müssen wir unseren Plan in Angriff nehmen. Wir können nicht die ganze Zeit damit verplempern irgendeinen Alkoholiker zu suchen.“ Sie hatten noch kein Geld, noch kein Proviant und auch noch kein Boot, aber das war dem anderen völlig egal. Er wollte diesen Typen finden, komme was wolle. Mittlerweile hatten sie das Ende des Dorfes erreicht, vor ihnen war nicht viel mehr als die Wildnis, die innerhalb weniger Schritte zu einem tiefen Dschungel wurde. „Da sind Leute“, murmelte der Jüngere und im nächsten Moment schlenderte er schon Richtung Dickicht, ließ Rayleigh keine andere Wahl als ihm zu folgen. Nach einem kurzen Fußmarsch konnte er auch das flackernde Licht eines Feuers in den Schatten sehen und laute Stimmen hören. „Wir sollten ihn töten.“ „Spinnst du?! Der bringt uns bestimmt ne Menge Kohle ein. Hab gehört die Weltregierung hat früher viel Geld für solche wie den da locker gemacht.“ Vorsichtig schlichen die beiden Piraten durchs Unterholz und lauschten den offensichtlich angetrunkenen Männern, die mitten im Dschungel ein Lagerfeuer aufgebaut hatten. Aufgrund des modrigen Untergrund schienen sie sich wohl keine Sorgen zu machen, dass sie einen Waldbrand auslösen könnten. „Da ist er.“ Roger nickte zu seiner Linken und Rayleigh folgte seinem Blick. Abseits vom Feuer, beinahe verborgen von den Schatten der Bäume war der Fremde an einen uralten Stamm gekettet. Die Ketten schimmerten beinahe Bronzefarben im Licht der Flammen. Doch das war es nicht, was den Piraten den Atem nahm. Langsam huschten sie durch die Äste und über Wurzeln hinweg, näher an den Gefangenen heran. Nun war er sich sicher. Am Anfang hatte er es für eine optische Täuschung gehalten, aber jetzt konnte er ganz klar erkennen, dass der andere nicht mehr der selbe war, den er am Nachmittag in der Spelunke angetroffen hatte. Er trug immer noch die gleichen zerschlissenen Klamotten und war immer noch genauso dreckig, doch ansonsten hatte er nur noch wenig mit dem Mann von vorher gemein. Das erste was dem Piraten auffiel, war das auffällige Tattoo, dass sich in kunstvollen Linien und Mustern über die komplette linke Gesichtshälfte zog bis sie vom Haaransatz verdeckt wurden. Die schwarzen Konturen verwoben sich ineinander und zerflossen an anderer Stelle wieder, wanderten ebenfalls die linke Hälfte des Halses hinab, ehe sie unter dem abgetragenen Oberteil verschwanden. Die andere Hälfte des Fremden sah genauso aus wie vorher. Wobei, beim Näheren betrachten stellte er fest, dass auch das nicht stimmte. Ja, die seltsame Tätowierung schien nur seine linke Körperhälfte zu bedecken, aber das war nicht die einzige Veränderung. Dann starrte der Gefangene ihn direkt an. Seine Augen waren noch genauso leblos wie vorher, genauso eisig, aber sie sahen ganz anders aus. Am Nachmittag hatte ihn ein Mann angesehen, nun war sich Rayleigh nicht sicher, was ihn da ansah. Vielleicht lag es nur an den flackernden Schatten, aber der Pirat meinte ovale Pupillen zu sehen, die wie bei einer Katze zu engen Schlitzen verengt waren. Die Iris füllte das komplette Auge aus oder lag es nur an den Flammen, dass er kein weiß sehen konnte? Kurz schloss er die Augen und starrte erneut hin. Der Fremde sah ihn immer noch mit den unmenschlichen Augen eines Raubtieres an. „Okay“, murmelte Roger und schlug seine Fäuste gegeneinander, „holen wir ihn da raus.“ „Warte“, zischte er seinem Kameraden ins Ohr. „Lass uns warten, bis die anderen eingepennt sind. Wenn wir jetzt Aufsehen erregen, können wir‘s vergessen an ein Boot zu kommen.“ Leise vor sich hin grummelnd stimmte ihm der andere zu, doch Rayleigh hatte einen ganz anderen Grund, warum er noch nicht eingreifen wollte. Er brauchte Zeit, Zeit sich zu überlegen was er tun sollte. Roger würde es sich nicht nehmen lassen, den Fremden für seine Crew zu gewinnen, doch der Ältere hatte eine leise Ahnung um wen es sich bei dem Gefangenen handeln könnte, und sollte seine Vorahnung zutreffen, würden sie sich nicht nur darüber Gedanken machen ob der andere ablehnen würde oder nicht, vielmehr würden sie sich um ihr Leben Sorgen machen müssen. Allerdings war es schon sehr unwahrscheinlich. Wie sollten ein paar betrunkene Idioten in der Lage sein, ein Monster aus den Geschichten zu fangen? Aber er konnte sich nicht sicher sein und so lange er nicht wusste, wie gefährlich der Fremde war, so lange konnte er nur eins tun: Lügen. Nach einer gefühlten Ewigkeit war schließlich der letzte Trunkenbold eingeschlafen, die ganze Zeit hatte der Unbekannte sie beobachtet. Nun konnte er seinen Kapitän nicht mehr aufhalten, dieser hüpfte beinahe unbeschwert aus dem Unterholz und schlenderte auf den Gefangenen zu. Obwohl der Fremde etwas abseits vom Lager angekettet war, waren sie nicht weit genug weg um problemlos plaudern zu können, trotzdem redete der Schwarzhaarige ganz ungezwungen. „Hey, wie geht‘s?“ Rayleigh eilte ihm hinterher, doch der Fremde reagierte nicht, sondern sah sie nur kühl an. „Nicht der Gesprächigste was?“, fragte Roger redselig nach. „Also“, meinte er dann langgezogen, „dann leg ich einfach los, okay?“ Immer noch sagte der andere nichts. „Ich hab einen Vorschlag für dich: Ich befreie dich und dafür machst du bei meiner Piratencrew mit, okay?“ Stille. „Ähm, könntest du mir zumindest ein Zeichen geben ob du mich verstehst? Ansonsten würde ich dein Schweigen einfach mal als Zustimmung werten.“ Der Gefangene schnaubte verächtlich, doch seine dünnen Lippen verzogen keine Miene. „Warum sollte ich das machen?“ Seine tiefe Stimme klang wie das Knurren eines Tieren, wie das Grollen eines Drachen, wie eine einzige Naturgewalt. Roger zuckte mit den Achseln. „Ich glaube es war Schicksal, dass wir uns begegnen.“ „Warte mal“, warf Rayleigh ein, „sagst du das jetzt etwa zu allen, die du rekrutieren willst?“ Sein Kapitän grinste verschmitzt. „Wenn es stimmt.“ „Nein.“ Überrascht drehten sich beide Piraten zum Fremden um. „Nein?“ „Nein.“ „Hat er abgelehnt?“ „Ich glaube schon.“ „Echt jetzt?“ Roger machte einen Schritt nach vorne. „Bist du blöd oder was? Die Typen haben davon gesprochen dich umzubringen und wir könnten dich einfach befreien. Warum lehnst du das ab?“ Der Fremde legte seinen Kopf leicht schief, die Ruhe in Person. „Und einem Menschen wie dir Gefolgschaft schwören? Warum sollte ich mich dir unterwerfen, wenn ich in Freiheit sterben kann?“ „In Freiheit?“, wiederholte der Blonde zynisch. „Na ganz einfach.“ Der Schwarzhaarige hingegen war Feuer und Flamme. „Weil ich Großes vor habe. Ich sage dir, ich bin nicht in diese Welt geboren worden um genauso unbekannt wieder zu verschwinden. Ich will etwas erreichen, ich will etwas verändern. Ich werde die ganze Welt bereisen, in den Himmel auffahren, in den Ozean herabsinken, bis ich das gefunden habe, was ich suche, bis die Welt meinen Namen kennt.“ Euphorisch hatte Roger beide Arme ausgebreitet und die Stimme erhoben, der Ältere hinter ihm rollte nur die Augen und begutachtete die schlafenden Landstreicher am sterbenden Feuer. Dies war nicht die erste theatralische Rede, die der andere vor ihm hielt. „Natürlich kannst du hier sterben, wenn du das willst. Aber seien wir mal ganz ehrlich, wer will schon so sterben? Du scheinst mir nicht der Typ zu sein, der einfach aufgibt. Du bist ein Kämpfer, ein Krieger, unbeugsam, unbezwingbar. Komm mit mir mit.“ Er streckte eine Hand nach dem Fremden aus. „Du bist auch auf der Suche nach etwas, nicht wahr? Du hast diesen hungrigen Blick, ich kann es sehen. Es gibt etwas was du willst, weswegen du noch nicht sterben kannst. Lass uns gemeinsam danach suchen. Lass die Welt unsere Namen schreien.“ „Du scheinst großes Vertrauen in dich zu haben, bist du ein Narr oder ein Träumer?“ Der Fremde legte seinen Kopf auf die andere Seite. „Ein Träumer!“ Tiefe Überzeugung schwang in jeder Silbe mit. „Hör mir zu mein Freund, meine Name lautet Gol...“ „Gold!“ Eilig sprang Rayleigh dazwischen. „Er heißt Gold und ich bin Silver. Wir sind auf der Suche. Wir suchen das, was verlorenen gegangen ist.“ Er konnte sehen, wie sein Kapitän ihn angrinste, offensichtlich naiv genug um zu glauben, dass Rayleigh ihn nun unterstützte und nicht im Mindesten am erahnen, was er wirklich tat. „Du scheinst alleine zu sein“, sprach Rayleigh weiter. „Es gibt nur noch wenige wie uns. Träumer, meine ich.“ Roger grinste nur noch breiter. „Bist du auch ein Träumer?“ Doch der Fremde blieb ernst. Beäugte sie argwöhnisch, als würde er etwas abwägen. „Zumindest bin ich kein Narr“, sagte er schließlich. „Dann haben wir das gleiche Ziel“, entschied Roger lächelnd. „Komm mit mir mit, werde mein Crewmitglied.“ Im Hintergrund regten sich die ersten Schläfer. „In Ordnung“, sprach der andere kühl aus. „Ich werde dir folgen.“ „Sehr schön. Mach ihn los.“ Rayleigh trat nach vorne und begann das Schloss aufzuknacken. Beim genaueren hinsehen stellte er fest, dass die Ketten wirklich aus Bronze bestanden, eine äußerst seltene Wahl für Ketten, aber in diesem Teil der Welt nicht unüblich, da die Böden hier reich an Metallen aller Art waren. Als die Ketten abfielen konnte er sehen, dass sie sich tief in die Haut des Fremden eingebrannt hatten, als wären sie brennend heiß oder mit Säure überzogen gewesen, doch der Fremde verzog keine Miene. „Sag mal“, murmelte der Schwarzhaarige, als sie durch den Dschungel huschten, „wie heißt du eigentlich?“ „Bronze.“ Rayleigh konnte ein leises Auflachen nicht verhindern, entweder das war ein schlechter Scherz oder aber ein Zufall, der kaum möglich sein sollte. Kopfschüttelnd grinste er, letzten Endes war das doch egal, oder? „Nun Bronze, hast du schon mal ein Boot geklaut?“ Plötzlich verlor Rayleigh den Halt, hart schlug er auf dem festen Boden auf. Er riss die Augen auf. Er war nicht mehr im Dschungel, es war nicht mehr Nacht. Helles Licht strömte durch eine offene Tür hinein. Leicht verwirrt schaute er sich um. Er war auf der Thousand Sunny, dem Schiff der Strohhutpiraten und hatte ein Nickerchen auf dem Sofa in der Männerkajüte nehmen wollen. Nun lag er auf dem Holzboden und sein Kopf pochte. Kopfschüttelnd stand er auf und fuhr sich mit beiden Händen durchs Gesicht. „Schicksal“, murmelte er. „Was auch immer das bedeutet, hmm? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)