12 x Du und Ich von Jaelaki (Seto & Joey | Puppyshipping) ================================================================================ Kapitel 5: Antinomie | Mai -------------------------- Antinomie, eine spezielle Art des logischen Widerspruchs, bei der die zueinander in Widerspruch stehenden Aussagen gleichermaßen gut begründet oder bewiesen sind. (Wikipedia)     »Stell dir vor, wir wären zusammen, so richtig. Was für ein schräger Gedanke!«, sagt er, während er sich nackt auf dem Laken räkelt und lacht. »Ja, völlig antinomisch«, erwidere ich und rede mir ein, dieses Gefühl, etwas schlitze mein Inneres von innen auf, habe nichts mit seinen Worten zu tun.  Lügner. Dieses Hotelzimmer schirmt die Welt von uns ab und schafft uns einen begrenzten Raum, in dem wir temporär sein können, ohne uns zu rechtfertigen. »Ahja.« Er neigt seinen Kopf zur Seite, so wie er es immer macht, wenn er überlegt und ich beobachte seine Mimik, während er meine Wortwahl überdenkt – seine Stirn kraus – und offensichtlich zu der Entscheidung gelangt, die Definition des Wortes sei irrelevant – Achselzucken und tippt auf seinem Smartphone, bricht dabei unsere ungeschriebene Regel, weil er sich nicht an Festlegungen hält. »Was machst du da?«, murre ich. »Ich google.« »Was googelst du?«, frage ich mit einer Portion Ungeduld. Statt einer Antwort auf meine Frage, liest er vom Handybildschirm ab. »Eine spezielle Art des logischen Widerspruchs, bei der die zueinander in Widerspruch stehenden Aussagen gleichermaßen gut begründet oder bewiesen sind. Du hältst uns für unlogisch?« Doch nicht offensichtlich, doch nicht irrelevant. Ich schweige und hoffe darauf, dass er sich irgendeine Interpretation zurechtlegt, die weit ab meiner Intention schwebt, weil jedes Wort von mir, uns jetzt in eine gefährliche Ecke drängen könnte, aus der es keine Flucht mehr gäbe. »Ich denke, die meisten würden uns für krass unlogisch halten. Aber wir wären bestimmt ständig auf der ersten Seite. Mit Foto und fetter Schlagzeile«, murmelt er gegen meinen Nacken. »Aber –«, fährt er unbeirrt fort und ich schließe meine Augen, um mich zu wappnen, denn wir passen nicht zusammen, er will diese Unbeschwertheit nicht opfern für eine Zukunft voller Obligationen, es wäre lächerlich mehr als diese Augenblicke zu erwarten, in denen wir miteinander ohne Publikum sein können, wer wir wollen, »ich mag dich lieber ohne dein Vor-der-Kamera-Gehabe.« Ich blinzle – seine Lippen gegen mein Kinn – und ich bringe eine Armlänge zwischen uns, obwohl alles in mir ihn an mich pressen will, und starre ihn an. »Was?« Er fährt sich durch sein chaotisches Haar in einer Geste der Unbefangenheit und schaut dann, während er unverändert auf dem Bett liegt, zum bodentiefen Fenster, als könne er sich nicht motivieren, einen Blick hinaus zu werfen. »Ich mag es, wie du bist, wenn du nicht den reichen Sack raushängen lassen musst. Obwohl ich das natürlich auch als eine Seite von dir akzeptiere.« Er seufzt übertrieben, als sei es eine schwere Bürde und grinst mich dann von unten her an. »Du akzeptierst, dass ich reich bin? Ich habe gedacht, das wäre ein Argument für und nicht gegen mich«, murmle ich gespielt getroffen. »Kein Geld der Welt wäre genug, dich deswegen zu ertragen, Kaiba. Echt mal.« »Und ich bin davon ausgegangen, du bist nur hier, weil ich dir so viele teure Geschenke mache«, behaupte ich, doch meine Provokation schmettert an seiner Aufrichtigkeit ab. »Du machst mir keine Geschenke«, sagt er trocken. »Ich habe das Zimmer bezahlt und den Zimmerservice«, erwidere ich betont nachdenklich und seine Mundwinkel zucken. »Das gilt nicht. Von mir aus hätten wir auch zu mir oder zu dir gehen können.« Ich halte inne und betrachte ihn, als habe ich seine Mimik nicht jedes Mal studiert, wenn wir hier in unseren Augenblicken versinken. »Dann würde es früher oder später jemand mitbekommen.« Er zuckt die Schultern. »Ich mag unsere leisen Momente.« Ich lehne meinen Kopf zur Seite, vielleicht wie er, wenn ich Worte außerhalb seines Vokabulars benutze. Er stand mir darin keineswegs nach, nur dass seine Begriffe kein offizielles Wörterbuch erklärt. »Ich meine, wenn wir zu zweit sind und niemandem etwas beweisen müssen, aber –«, mehr sollten wir nicht erwarten, denn wir gehören nicht zusammen, niemand würde das verstehen, was zwischen uns ist, das müssen wir bedenken und akzeptieren, unser Leben außerhalb unserer Privatsphäre wäre ein Spießrutenlauf, »ich mag auch unsere lauten Momente, wenn wir uns gegenseitig beweisen, dass wir uns die Stirn bieten können – und der Welt.« Als ich schweige, seufzt er, setzt sich auf, zieht sich sein Hoodie über, ich beobachte seinen Nacken, seinen Rücken und ich presse die nächsten Sätze hervor, weil ich nicht weiß, wie viel Wahrheit unsere private Welt verträgt, ehe sie zusammenbricht. Unbeirrt greift er nach seiner Unterwäsche und der Hose, während ich Silben zusammenkratze und bezweifle, dass meine Wörter Sinn ergeben. »Mit antinomisch meinte ich nur, dass – also, dass wir einerseits – nicht zusammen sind und –« Er erstarrt, während er in seine Jeans schlüpft, verliert die Balance, stolpert und fällt mit dem Gesicht voran ins Bett. »Und andererseits –«, stammelt er, hebt seinen Blick und ich erkenne in seiner Mimik, wie sich seine Augen weiten. »Und du findest beide gut begründet?«, krächzt er, als habe ich ihm offenbart, sowohl ein Cyborg als auch ein Außerirdischer zu sein. Vielleicht wäre die Erklärung sogar glaubwürdiger. »Nach Kant hieße es –« Er verdreht die Augen, kämpft mit seinem Hosenbein, verschränkt die Arme vor der Brust und schaut aus dem Fenster, wo uns das Draußen für diese wenigen Momente zu vergessen scheint. »Bin ich dir peinlich?«, fragt er die Glasscheibe und baut zwischen uns eine Armlänge Distanz auf. »Bin ich dir peinlich?«, entgegne ich. Anders als ich ist er nicht um klare Worte verlegen und schaut mir in die Augen, als er antwortet. »Nein.« Mein Atem stockt. Seine Erwiderung lässt keinen Raum, um sich hinter Interpretationen zu verstecken. »Also was willst du, Kaiba?« Die Zeit dehnt sich, stolpert, ehe sie sich zusammenzieht und rast. Oft habe ich mir die Frage gestellt und die Antwort aufgeschoben, sie in diesem Raum eingesperrt und vor der Öffentlichkeit versteckt. Ich will mehr. Ich will nicht nur diese leisen Augenblicke, die vorüberschleichen und lediglich Stille hinterlassen.  »Ich«, beginne ich und stocke, will uns nicht nur geliehen, sondern leise und laut, hinter der Bühne und davor, ohne Rechtfertigungen, ohne Kompromisse. Doch das Gefühl hinter diesen Worten, schaffe ich nicht, in Sätze zu kleiden, also greife ich – wie es jeder Mensch auf der Suche nach etwas tut – nach dem Smartphone, google und lese es vom Bildschirm ab. »Als moderner Oberbegriff bezeichnet Partnerschaft seit den 1970er-Jahren alle auf Dauer angelegten sexuellen Beziehungen, ohne Ansehen der Rechtsform der Beziehung und ohne Ansehen der sexuellen Orientierung oder der Haushalts- und Wohnverhältnisse der Beteiligten. Quelle ist Wikipedia«, ergänze ich und er schnauft amüsiert, wirft mir mein Hemd, Stoffhose und Krawatte in den Schoß und ich beobachte sein Treiben irritiert, bis er in die Hände klatscht, mich antreibt, meine Kleidung verdammt noch mal endlich überzuziehen und verkündet: »Okay, los, dann lass uns gehen.« Ich spüre, wie sich die Matratze unter seinem fehlenden Gewicht hebt und gleichzeitig etwas auf meinen Brustkorb senkt. Ich atme ein und aus, aber die Ungewissheit klammert sich um meine Lungen. »Wohin?«, frage ich. »Raus«, erwidert er mit einem Grinsen und seine Worte trällern in unserem Moment, füllen ihn mit einer Melodie und ich greife nach seiner Hand, die Zeit stolpert und weitet sich und der Raum dehnt sich ins Unendliche, als wir gemeinsam aus der Tür schreiten.       »Die Welt hat einen Anfang in der Zeit, und ist dem Raum nach auch in Grenzen eingeschlossen.« – »Die Welt hat keinen Anfang, und keine Grenzen im Raume, sondern ist, sowohl in Ansehung der Zeit, als des Raumes, unendlich.« (Immanuel Kant: Die vier Antinomien der reinen Vernunft in der Transzendentalen Dialektik (KrV A 426/B 454ff.)) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)