Shambles von blackNunSadako ================================================================================ Kapitel 1: Die Hölle trägt den Namen Adventure Galley ----------------------------------------------------- Schüsse. Explosionen. Schmerzensschreie. Wir befanden uns mitten im Kampf gegen die Marine. Drei Piratencrews verteilt auf dem Schlachtfeld vor dem Auktionshaus stehend. Zwischen uns die uniformierten Halbstarken, die wie Blätter im Sturm der D.'s weggefegt wurden.   „Gear Drei... Knochen-Ballon!“ Mit Wucht flog die riesige Gummifaust des Strohhuts über unsere Köpfe hinweg, mehrere Soldaten mit sich reißend. „Room.“ Binnen eines Herzschlags umringte uns die matt-hellblaue Halbkuppel, die über den gesamten Kampfplatz ragte. Körperteile wirbelten haltlos durch die Luft. Wie Puzzleteile in einem obskuren Körperkunstwerk setzte unser Kapitän die Gliedmaßen seiner Feinde wieder zusammen. Seine schmunzelnde Mimik war verdammt unheimlich.   „Hyaaa!“ Shachi, Bepo und ich kickten mit einem synchronen Karate-Tritt unsere drei Gegner zu Boden. Unsere Trio-Formation – Rücken an Rücken stehend – war die effektivste Verteidigung und zugleich der stärkste Angriff.   „Repel!“ Ein irres Lachen begleitete den Schlachtruf. Zum blutrünstigen Wahn verzogene, rote Lippen ihn aussprechend. Seine lackierten Finger dabei in Richtung der schwebenden Geschosse gestreckt. „Fresst Blei. Wohl bekommts!“   Eustass Captain Kids Kampfgebrüll donnerte über den gesamten Platz. Keiner konnte es überhören, jeder Gegner bekam es zu spüren. Schmerz. Das war es, was der Berserker ihnen mit freundlichen Grüßen in Form von Metall schickte.   Kugeln und Klingen durchlöcherten Fleisch. Feindesblut unsere weißen Overalls befleckend. Die Kid-Piraten wurden ihrem berüchtigten Ruf von dämonischen Bestien gerecht. Für uns Heart-Piraten waren sie geistesgestörte Psychopathen.   Neben uns surrte das bedrohliche Rotations-Geräusch zweier Todessensen vorbei. In tödlicher Stille jagte der Vize mit unmenschlichem Tempo auf seine Gegner zu, zwischen ihren Reihen hindurch, ihre Gliedmaßen abtrennend ohne anzuhalten. Ohne zu zögern. Ohne seine blonden Haare rot zu färben. Seine Bewegungen so schnell, dass er gar den schmerzverzerrten Schrei mit sich in die Stille zog.   „Das ist der Irrste von ihnen“, flüsterte mir Shachi hinter vorgehaltener Hand zu und zeigte mit seinem Zeigefinger auf den blonden Todesmäher, dessen präzise Angriffe ich mit meinen Augen verfolgte. Sein maskierter Kopf drehte sich sofort zu uns. Er hatte das Flüstern gehört. Ließ uns den Killer-Blick spüren, mit dem er uns durch die Löcher seiner Maske zum Schweigen brachte. Die platzende Sabaody-Blase dort oben war dann doch interessanter geworden.   „Entschuldigung“, brummte Bepo neben uns und ließ seinen Kopf hängen. „Du sollst dich nicht immer für uns entschuldigen!“, grinsten wir synchron, ihm eine doppelte Faust der Freundschaft verpassend, die ein hohles Klopfgeräusch verursachte. Woraufhin Bepo seine schwarzen Lefzen ebenfalls zu einem Grinsen verzog. Mit einem Karate-Kick trat er einen Feind lässig aus unserer Reichweite und schaute ihm unschuldig hinterher. Das nächste Wort sprach er mit voller Absicht aus; „Entschuldigung.“   „Der Marineadmiral ist eingetroffen!“, ließ der Ruf alle auf dem Schlachtfeld gefrieren. Marine und Piraten stoppten abrupt in ihrer Kampfbewegung. Erhobene Schwerter, zielende Pistolen und geballte Fäuste gleichermaßen in der Luft zum Stillstand kommend. Drei Sekunden. Dann brach hier die Hölle aus.   „Eröffnet das Feuer auf die Piraten! Lasst sie nicht entkommen!“   Das Blatt wendete sich zu Gunsten der Marine. Neue Entschlossenheit trieb die Möwen-Anhänger zum Äußersten. `Tot oder lebendig´ spielte nun keine Rolle mehr. Ein Hagelsturm an dröhnenden Schüssen kam auf. Kugel um Kugel flog uns um die Ohren. Viele verfehlten, einige trafen.   Trampelnde Schritte von allen Seiten. Wild rannten die Kämpfer durcheinander, wie aufgescheuchte Hornissen das Feld stürmend. Bepo, Shachi und ich mittendrin. Mühevoll versuchten wir den Kugeln auszuweichen. Dann färbte sich Bepos weißes Fell rot. Und silberne Augen blitzten in unzähmbarem Zorn auf.   Law zog sein Katana – seinen größten Skalpell, welcher dem Namen `Todeschirurg´ alle Ehre machte. Unser Kapitän tötete nicht. Nein, er kannte viel grausamere Methoden, als den Tod. Wer nun in seinem Room-Radius war, wünschte sich niemals dort gewesen zu sein. Laws Augen blieben jederzeit auf Bepo, den Shachi und ich mit je einer Tatze um unsere Schultern stützten. Rennend schnitt er sich einen Weg zu uns durch, der ihm jedoch viel zu lange dauerte.   „Shambles!“, tauschte unser Käpt'n mit mir die Positionen. Wir trafen uns für den Bruchteil einer Sekunde in der Room-Sphere, ähnlich einer anderen Dimension, die wir beim Teleport durchschritten. Laws durchsichtige Stimme war bloß für mich im Nachhall hörbar. „Ich vertraue auf dich.“   Plötzlich stand ich zwischen mir völlig unbekannten Gesichtern. Kampflärm, Schreie und Stimmen brachen von allen Seiten über mich herein. Doch Laws autoritären Befehl nahm jeder Heart-Pirat deutlich wahr. Seine Skalpell-scharfe Stimme spaltete die bedrohliche Luft in unzählige Einzelteile. „Rückzug! Verteilt euch! Wir treffen uns auf der Polar Tang!“   „Aye, Käpt'n!“, stürmten die Heart-Pirat los. Jeder in eine andere Richtung. Ich direkt auf die Kanonier-Reihe der Marine zu. Ein lauter Knall begleitete die große Kanonenkugel, die mir entgegenflog. Mit einem blitzschnellen Sprung wich ich ihr aus, sofort weiter rennend, sobald meine Stiefel den Boden wieder berührten.   Jedoch rechnete ich nicht damit, dass die Kugel zurückkam... „Repel!“ ...und mich so hart am Hinterkopf traf, dass ich sofort die Besinnung verlor.   . . .   „Is' das nicht ein Heart-Lamm?“ „In der Tat, Captain.“   „Bring ihn auf die Adventure Galley, Killer.“ „Was hast du mit ihm vor, Kid?“   Das Schweigen des personifizierten Bösen war absolut kein gutes Zeichen. Das irre Grinsen seiner roten Lippen ebenso wenig.   Doch wenn ich glaubte, das Schlimmste gesehen zu haben, hatte ich mich bitter getäuscht.   . . .   „Zieh ihn aus, Kira. Der hässliche Lumpen ist Gift für meine Augen.“ „Zu Befehl.“ Der reißende Schnitt einer Sichel. Gefolgt von rauen Hände, die mir meinen Overall grob vom Körper zerrten. „Schmeiß den Fetzen über Bord und binde die Made fest.“   Mein Unterbewusstsein konnte die Informationen nicht verarbeiten. Die Worte drangen nicht zu mir durch. Ich kannte diese Stimmen nicht. Einzig mein Unwohlsein teilte mir mit, dass etwas nicht stimmte. Mein Körper fühlte sich wie gelähmt an, mein Hinterkopf tat verdammt weh. Aber waren die pochenden Schmerzen mein geringstes Problem.   Wo bin ich? Wie lange bin ich weg gewesen?   Das harte Holz in meinem Rücken spürte ich deutlich. So, wie die engen Seile um meinen Körper. Ich hörte ein dumpfes Klopfen, welches in unregelmäßigen Abständen ertönte. Je näher ich meiner Besinnung kam, desto lauter wurde es. Mit einem stöhnenden Schmerzenslaut öffnete ich meine schweren Augen... die sich sofort vor Schreck weiteten, als ich den blitzenden Dolch auf mich zurasen sah.   „Getroffen, Captain!“, grölte der blasse Zombie und hob hicksend seine Rumflasche. Eine leichte Feuerschwade stieg dabei aus seinen Nähten-verzierten Mundwinkeln. Daraufhin griff er selbst nach einem der Dolche, die auf einem Haufen zwischen der trinkenden Gruppe lagen. Die Männer saßen mir im Abstand von etwa zwanzig Metern gegenüber. Alle glasigen Augen auf die große Dartscheibe am Hauptmast über meinem Kopf gerichtet.   Ich schluckte schwer, mein Mund staubtrocken. Der Rasta-Typ war längst hacke-dicht. Seine Hand, die den Dolchgriff hielt, schwankte stark, während er mit einem zugekniffenen Auge zu zielen versuchte. Wenn ich jetzt auch nur einen Muskel bewegte, verfehlte er die Dartscheibe definitiv. Die Anfeuerungen seiner Kumpel machten mich nervöser, ihn nur noch unvorsichtiger. Angetrieben durch die lallenden Zurufe warf der Zombie letztlich. Nicht geradeaus, sondern schief nach oben. Im hohen Bogen flog der Dolch übers Deck, unmittelbar auf mich zu. Der Zielpunkt war mein Kopf.   Oh, du verdammte-!   Mein Atem setzte mitsamt meinem Herzschlag aus. Fluchend wollte ich meine Augen zukneifen, doch blieben sie in Schockstarre geöffnet. Wie in Zeitlupe verfolgte ich die Flugbahn des rapide nähernden Dolches. Der Stichschmerz blieb aus. Selbst als die Dolchspitze direkt zwischen meinen Augen stoppte, konnte ich meinen Blick nicht von ihr abwenden. Haltlos schwebte der Dolch in der Luft, wie in der Zeit eingefroren.   Erst, als plötzlich ein blonder Kerl vor mir auftauchte – vom Krähennest zu mir herunter gesprungen – und den schwebenden Dolch an sich nahm, wagte ich es wieder zu atmen. Hörbar stieß ich die angehaltene Luft zwischen zusammengepressten Zähnen aus. Dann gab ich kein Geräusch mehr von mir. Totgeschwiegen von der erhabenen Figur, die vor mir stand.   Sein maskierter Blick ließ mich nicht aus den Augen. Worte schenkte er mir keine. Stattdessen richtete er sie an den rothaarigen Hünen, der mit seinen Kräften mein Leben verschont hatte. Mehrmals. Wer weiß, was ich sonst hätte einbüßen müssen, während ich bewusstlos war. Die teilnahmslose Stimme des Maskenträgers hätte kälter nicht sein können.   „Er ist aufgewacht“, berichtete er monoton und rammte den Dolch geräuschvoll in die rote Mitte der Dartscheibe. Wodurch der Mast in meinem Rücken stark bebte. Ich konnte nicht ruhig atmen. Konnte ihn nicht ansehen. Konnte nicht zu seiner gelöcherten Maske aufschauen, durch die ich seinen eisigen Blick spürte. Mein Kopf blieb gesenkt, meine Augen auf seine schwarzen Absatzschuhe gerichtet. Seine einschüchternde Aura schrie nach Gefahr.   So, wie es die schweren Schritte taten, die sich mir näherten. Ihre Stärke ließ das gesamte Deck erzittern. Dann stand der Teufel der See höchstpersönlich vor mir, neben seiner rechten Hand dem Sensenmann. Beide sahen sie auf mich herab. Wartend auf eine Reaktion meinerseits. Zu nichts konnte ich meinen erstarrten Körper bringen. Und meine stille Paralyse reizte die Ungeduld des Höllenfürsten zum Äußersten. Seine lackierten Finger packten meinen Hals, ehe er mir animalisch zuknurrte.   „Sieh mich an“, war sein dunkler Befehl unmissverständlich. In der Sekunde meines Zögerns verfestige sich sein gnadenloser Griff. Ich musste ihm gehorchen. Zwang meine Augen dazu, in die goldenen Seinen zu sehen und ihrem unerschütterlichen Blick standzuhalten. „Du bist auf meinem Schiff. Hier gelten meine Regeln. Ist das klar?“   Sein Würgegriff machte es mir verdammt schwer, zu nicken. „Gut für dich. Du wirst mir jetzt antworten; Wie ist dein Name?“ Mein... Name?   „Antworte!“, forderte er in endgültigem Ton und zog mit seiner freien Hand seine Pistole, die in seinem Brustgürtel steckte. Er richtete ihren trichterförmigen Lauf auf mich und entriegelte sie ohne Zögern. „Du hast zwei Sekunden, bevor ich dir Schrot um die Ohren puste.“   „Eins...“   Ich- Ich- Ich-   „Ich weiß ihn nicht!“, brachte ich panisch hervor und verstummte sofort wieder. Atemlos auf den Knall wartend... der niemals kam. Sein Griff um meinen Hals lockerte sich minder, als er mich mit hochgezogener Rasur-Braue skeptisch musterte. „Du weißt ihn nicht?“   „Nein“, antwortete ich ihm prompt. Ihn weiterhin fest ansehend. Meine Augen zeigten ihm die vollkommene Aufrichtigkeit. Er glaubte mir kein Wort.   „Erzähl keinen Scheiß! Wenn du mich veraschst, dann-!“   „Bewusstseinsstörungen“, erklang die farblose Stimme des Maskierten. Dem einzigen Mann, der ihn unterbrechen durfte, ohne mit seinem Leben zu zahlen. Sein maskierter Kopf lag schief, nachdenklich wirkend. Sein prüfender Blick schien direkt in meine Seele zu schauen. Angespannte Sekunden verstrichen, ehe er mein Urteil verkündete. „Captain, er spricht die Wahrheit.“   „Echt?“, schweifte der stechend goldene Blick zwischen der Maske und mir hin und her. Vertrauen zu seinem Vize ihm Glauben gebend. Weswegen er seine lackierten Finger von meinem Hals löste und seine Pistole zurücksteckte. Dann begann er zu lachen. Wahnsinnig zu lachen.   „Fuck, ich glaub's nicht! Heute ist unser Glückstag, Männer!“   Glückstag...?   Als er sich abermals zu mir umdrehte und mich mit seinem irren Blick fixierte, sprachen seine grinsenden Lippen meine Vollstreckung aus.   „Willkommen in der Hölle“, verzogen sich seine roten Mundwinkel bis zur obskuren Verzerrung. Locker hob er seine Hand, zog mit ihr einen gefüllten Rum-Krug an und hielt ihn in Richtung seiner Mannschaft. „Jetzt wird gesoffen, bis keiner mehr stehen kann!“   Wenn der Teufel gute Laune hat, ist er noch viel unheimlicher...   Den Inhalt des Krugs zog er mit einem Zug ab, wischte sich mit seinem Handrücken über seine Lippen und richtete dann das letzte Wort an seinen Vizen.   „Kümmer dich um ihn, Killer. Er gehört dir. Mach mit ihm, was du willst.“   Hätte ich das diabolische Schmunzeln hinter der Maske gesehen, wäre ich freiwillig über die Planke gesprungen. Stattdessen starrte ich ihn einfach nur an. Im Schatten der oberen Maskenlöcher blitzte der kurzlebige Funke von Eisblau auf. Die wahre Kälte besaß nicht seine Stimme, sondern seine Augen. Wer sie sah, lebte heute nicht mehr. Außer einer einzigen Person.   Auf einem Bein kniete er sich langsam, verdächtig langsam zu mir herunter. Seine Sichel hebend, mit der er blitzschnell die engen Seile an meinem Körper durchschnitt. Dann sprach er mich an. Was mir einen frostigen Schauer über meine Arme jagte.   „Hey“, nahm seine kristallklare Stimme einen Ton an, der alle meine inneren Alarmglocken aufschrillen ließ. Befremdliche Vertrautheit lag in seinen Worten, die Vorsicht und Misstrauen weckten. „Komm mit mir. Ich zeige dir deinen Platz.“   Locker hielt er mir seine Hand hin, die ich nicht annahm. Hätte ich die Kraft dazu gehabt, hätte ich sie weggeschlagen. Stattdessen rappelte ich mich unter Anstrengung auf und ging knurrend auf Abstand. Mein schwaches Knurren glich dem eines in die Ecke gedrängten Tieres. Die Reaktion gefiel ihm nicht. Was sein Stimmton vor Kälte verfinsterte.   „Falls du auch nur daran denken solltest, abzuhauen...“, ließ er seine alles sagende Warnung ins leere Dunkel verlaufen und strich mit seinen Fingern langsam über die geschwungene Wellenklinge seiner Sichel. Mein Blick verfolgte die Bewegung seiner Hand, ehe ich ihn entschlossen ansah. „Ich habe verstanden; Ich gehöre dir.“   Vorerst..., grinste ich innerlich und merkte, wie mein Verstand zurückkehrte. Nur meine Persönlichkeit, ohne Knüpfungen der Vergangenheit. Meine Erinnerungen waren zum Greifen nah, im Nebel meines regenerierenden Geistes verborgen. Doch konnte ich sie nicht erfassen. Noch nicht.   Meinen Stolz kannst du mir nicht nehmen... Er wird immer ein Teil von mir sein...   Ich bin nicht närrisch... Und weiß, wann ich verloren habe...   Die Runde geht an dich... Aber die Partie ist noch nicht entschieden...   Ich muss nur einen Weg finden, um sie zu gewinnen... Wäre doch gelacht, wenn ich-   Eisige Worte unterbrachen meinen Gedankenkreis. „Denke nicht mal daran.“ Er wiederholte sich nur einmal. Was seine Drohung noch ausdrucksstärker machte.   Verdammt, der Kerl ist gut... Verrät mich meine Mimik?   Ich muss aufpassen. Höllisch aufpassen...   In diesem Moment wünschte ich mir, dass ich eine Mütze oder ähnliches hätte. Obwohl sein Schmunzeln von seiner Maske verdeckt wurde, hörte ich es deutlich.   „Du glaubst, eine Kopfbedeckung würde dir helfen?“, konnte er mich genau durchschauen. Wie macht er das?! Seine Beobachtungsgabe ist doch nicht mehr normal! „Beeindruckt? Gegen einen Scharfsinn, wie den Meinen ist selbst eine Vermummung gänzlich nutzlos.“   Willst du wetten? Das werden wir noch sehen! Nur... wo soll ich denn hier eine Mütze herkriegen?   „Nirgendwo.“ Hör auf, meine Gedanken zu lesen, du Psychopath!   Seine nächsten Worte sprach er flüsternd aus. Sein Atem hauchte durch die untersten Löcher seiner Maske in mein rechtes Ohr. Sein Stimmton so tief, wie die dunkelste Tiefe des Meeres.   „Deine Augen... sind deine Verräter.“   Meine Augen?, wiederholte ich gedanklich und gestand mir meine nächste Niederlage ein. Kontrolle über meine Blicke zu erlangen, war in so kurzer Zeit gar unmöglich. Er hat es mir gesagt, um mich zu verunsichern... Es vergnügt ihn, mit mir zu spielen...   Den Teufel werd ich tun und ihm Schwäche zeigen!, wurde mein Blick giftig. Seine Maske befand sich wieder vor meinem Gesicht. Selbst wenn mich meine Augen verrieten, nahm ich sie nicht von ihm. Er sollte sehen, was ich von seinem Psycho-Spiel hielt. Mein kämpferisches Augenlicht erklärte ihm den Krieg. Aus einem inneren Impuls heraus wusste ich, dass ich ein Kämpfer war. Und er mein Feind.   „Du möchtest es auf die harte Tour? So sei es“, drehte er sich lässig von mir weg und deutete mir in stiller Aufforderung an, ihm zu folgen. Etwas anderes blieb mir nicht übrig. Er hatte die Würfel ins Rollen gebracht, deren Ziffern die dreifache Sechs zeigten.   So lief ich widerstandslos hinter ihm her, in Richtung Unterdeck. Mein Körper blieb angespannt und alarmiert, meine Sinne geschärft im Nebel der Erinnerungslosigkeit. Wäre ich nicht so nah hinter ihm gewesen, hätte ich sein düsteres Wispern nicht verstanden. Von seiner Maske wurden seine Worte minder gedämmt, doch klangen sie dadurch noch finsterer. „Dein Ungehorsam weckt den Jäger in mir...“   Seine schattenhafte Kampfansage ließ es mir kalt den Rücken herunterlaufen. Doch verbannte ich meine Unsicherheit aus meinem Geist, zwang ihn zum Kämpfen und meinen Körper zum Laufen. Unsere Schritte hallten über die knarzenden Dielen des Ganges, bloß meine langsameren das Geräusch erzeugend. Killers Bewegungen waren völlig lautlos. Was ihn viel bedrohlicher werden ließ.   Ein Jäger also... Wenn der Jäger mal nicht zum Gejagten wird...   Ich musste grinsen. In mir steckte noch immer ein Hauch Selbstvertrauen. Aber freute ich mich zu früh. Mein winziger Freudenfunke erstickte, fiel in sich zusammen, wie ein Kartenhaus. Killers plötzlicher Befehl war der Atemhauch, der es zum Einsturz brachte.   „Ausziehen.“ Abrupt erstarrte ich in meiner Bewegung. A- Ausziehen?! Geräuschvoll stieß er eine Holztür auf und wartete nicht auf mein Eintreten. Ich hatte keine Wahl, als ihm zögerlich zu folgen. Wenn ich überleben wollte, musste ich mitspielen.   Ich hasse Unglücksspiele... Die kann man bloß verlieren...   Ein großer Duschraum. Keine Trennwände, nur nebeneinander gereihte Duschköpfe. Was er von mir wollte, war eindeutig. Ein Blick an mir herab – zu schwarzem Muskelshirt, blauen Boxershorts und braunen Stiefeln – und ich sah den Schmutz auf der Kleidung und meiner Haut. Die Dusche hatte ich dringend nötig.   Killer lehnte sich mit verschränkten Armen lässig an die Wand. Wartend. Seine Maske zu mir gedreht, belauerten mich seine Augen unaufhörlich. Vom Jäger zum Spanner, was für eine Laufbahn...   Wenn er meinen Willen brechen will, muss er sich schon etwas Besseres einfallen lassen!   Mit einem leisen Knurren zog ich mir mein Hemd über den Kopf. Dabei ging ich geradewegs durch den großen Raum, zu der gegenüberliegenden Duschreihe. Meinen Beobachter ignorierend, entledigte ich mich beim Laufen all meiner Kleidung, bis ich unverhüllt vor einem der Duschhähne stand. Seltsamerweise machte mir Nacktheit nichts aus, wie ich unbewusst feststellte. Ohne Zögern drehte ich das Ventil auf und schreckte dann bis auf die Knochen zusammen.   „Übrigens... haben wir nur kaltes Wasser an Bord.“ Danke für die frühe Warnung! Sein verdammtes Schmunzeln hab ich genau gehört! „Außer im Bad des Captains, versteht sich.“   Oh, wie ich mein vorschnelles Mundwerk doch verfluche... „Tch, was für ein Warmduscher.“   Mein Kommentar bereute ich noch ehe ich es ausgesprochen hatte. Das erklingende Ziehen einer Sense, folgend von einer pfeilschnellen Bewegung. Und ich spürte die tödlich-scharfe Klinge, die er gegen meinen Nacken hielt. Nicht ein Millimeter trennte Haut und Schneide.   Mein Kopf war gesenkt, meine Augen auf meine Füße gerichtet. Seine einschüchternde Figur stand direkt neben meinem unbedeckten Körper. Locker hielt er seine Todessense von sich weg, sein Arm lässig angewinkelt, doch seine offensive Körperhaltung feindlicher Natur. Würde er jetzt die Rotation seiner Waffe einschalten, wäre ich noch einen Kopf kürzer als er.   Sein langsam betontes Flüstern war gezeichnet von Kälte und Bedrohlichkeit. „Wie hast du meinen Captain genannt?“, fragte er mich, die Antwort wissend. Doch wollte er sie von mir hören. Sein Stimmton blieb emotionslos, unerbittlich und kaltblütig. „Wiederhole dies.“   Der eisige Wasserstrahl, der auf mich herab prasselte, fühlte sich an wie tausende Eiszapfen, die sich in meine Haut bohrten. Die geräuschvoll auf Boden klopfenden Tropfen zählten meine verbleibende Zeit zum Antworten. Es waren weniger als fünf Sekunden, die er mir ließ. Schwer schluckend, formten meine trockenen Lippen ein nervöses Grinsen. Sprachstörungen waren mein geringstes Problem.   „D-Dein Kapitän ist...“ Ein Arsch? Ein Soziopath? Reif für Impel Down? „...rothaarig. Dein Kapitän ist rothaarig. Ha-Ha... ha.“   Seinen `Was-zum?´-Blick konnte ich mir bildlich vorstellen – Meine Augen schauten genauso irritiert. Eine Lobpreisung über den geschminkten Irren konnte ich einfach nicht über meine Lippen bringen. So entschied ich mich für das Nächstbeste, was mir einfiel. Meine beschränkte Auswahl war echt nicht die Beste. Erneut versuchte ich trocken zu schlucken, ohne Speichel war das verflucht schwer.   Meine letzte Stunde hat geschlagen... Dafür wird er mich köpfen-   Moment... lacht er?! Die Todeskälte in Person kann lachen?   Ich glaub's nicht... Der Kerl lacht mich allen Ernstes aus!   So schnell, wie das tief-monotone Auflachen erklang, verschwand es auch wieder. Mit ihm die Klinge in meinem Nacken, der mittlerweile steifer war, als meine schockgefrorenen Finger.   „Beeil dich, das Abendessen wartet“, sagte er unberührt, während ich nach neuer Fassung rang. Meinen Hals streckte ich knackend durch und griff dann geistesabwesend nach der Seife. Sie war Freund und Feind zugleich. Klischee, Ahoi! So krampfhaft, wie ich sie zwischen meinen versteiften Fingern hielt, brauchte ich um nichts zu fürchten.   Selbst billige Scherze lenken mich nicht wirklich ab... Die Situation herunterzuspielen ist echt nicht leicht...   Eilig seifte ich mich ein und spülte dann den Schaum ab. Jetzt roch ich nach Schnaps. Vermutlich war die Seife eine Eigenherstellung. Jeden anderen Gedanken – woher sie den Geruch angenommen haben könnte – verdrängte ich geflissentlich. Nach mir selbst waren meine wenigen Klamotten dran, die ich schnell auswusch. Zum Trocknen hängte ich sie an den Haken eines kaputten Duschkopfs. Dann nahm ich mir eines der löchrigen Handtücher, mit dem ich mich abtrocknete, ehe ich es um meine Hüfte band.   „Bin bereit“, teilte ich ihm das Offensichtliche mit. Weswegen er mir den Rücken kehrte und ich zu ihm aufholte – immer auf mindestens einen halben Meter Abstand bedacht. Mein Unwohlsein wollte ich mit Smalltalk vertuschen. „Was gibt’s zum Abendessen?“   „Pasta.“ „Muss es unbedingt Pasta sein?“ „Jop. Nichts ist besser als Pasta.“   Hat der Kerl einen Nudelfetisch-? Okay, das klingt falsch... so verdammt falsch...   Wenigstens hatte ich meinen Humor nicht verloren. Vielleicht versuchte ich mich auch einfach nur damit zu beruhigen. Es ging doch nichts über eine Prise Sarkasmus zu seiner Pasta.   „Dein Grinsen gefällt mir.“ Meine doppeldeutig grinsenden Mundwinkel fielen sofort nach unten. „Lässt du mich an deinen Gedanken teilhaben?“   Nur über meine Leiche-! Halt. Streich' das; Ich hänge an meinem Leben!   „Ich hab über die Herstellung von Pasta nachgedacht.“ Eine halbe Wahrheit ist immer noch besser, als eine Lüge... „Im Kochen bin ich eine Niete. Wie macht man Pasta?“   Trocken, in absoluter Ernsthaftigkeit erklärte er; „Zunächst rührst du den weichen Teig, bevor du ihn knetest und formst. Dann rollst du ihn aus und bearbeitest ihn, bis er sich letztlich unter nasser Hitze härtet- Was ist so amüsant?“   „N-Nichts“, konnte ich mir ein Auflachen hinter vorgehaltener Faust nicht verkneifen. Ich war ein echt schlechter Lügner. Warum klingt das aus seinem Mund auch so zweideutig? Anscheinend konnte ich mich doch normal mit ihm unterhalten, wenn es um seine Pasta-Vorliebe ging. Das gab zwei Sympathiepunkte auf der Skala von minus hundert. Wenn ich schon ein Gefangener war, konnte ich auch das Beste daraus machen. Ein kläglicher Versuch war es allemal wert. `Verdrängung´ hieß dein Freund und Helfer in misslichen Lagen.   „Für wie viel Mann müssen wir kochen?“ „Zu viele.“   Danke für die ausführliche Antwort... , seufzte ich stumm und folgte ihm in die Kombüse. Wo mich die nächste Überraschung erwartete. Hier sah es aus, als hätte der Teufel Pogo getanzt. Der Dielenboden und die Wände klebten, als hätte man hier keine Essensschlacht abgehalten, sondern einen Krieg geführt. Zerstörte Tische und Stühle versperrten den Weg zur Küchentheke – das Einzige, was nicht hoch-bakteriell aussah.   Der starke Geruch nach Alkohol verätzt einem die Nase... Rum ist doch kein Desinfektionsmittel!   Killer – wer den Namen einmal hört, vergisst ihn niemals wieder – bahnte sich im Zickzack springend einen sicheren Weg zum gegenüberliegenden Küchenbereich. Der Hindernisparcour war nichts Neues für ihn. Wohingegen ich beinahe über einen zerbrochenen Stuhl stolperte und anschließend in etwas Undefinierbares trat. Stiefel sei Dank! Seufzend betrachtete ich mir das Chaos und sah Killer dann halb-grinsend an.   „Was dagegen, wenn ich hier aufräume?“, fragte ich ihn und versuchte mich vorm Kochen zu drücken. Meine Kochkünste waren echt miserabel. Sogar noch schlimmer als die von Sha- ...Wer? Abrupt hielt ich mir meinen Kopf, dessen rechte Seite verdammt schmerzhaft pochte. Nur kurz, dann war der brennende Stich wieder verschwunden. Der hämmernde meines Hinterkopfs blieb konstant bestehen.   Warum will mir der Name nicht einfallen? Ein Lächeln... das ist alles, woran ich mich erinnere...   Skeptisch musterte der Maskenträger mich eindringlich, ehe er meine Frage beantwortete; „Versuch dein Glück“, zuckte er mit seinen Schultern und nahm sich eine riesige Rührschüssel und diverse Zutaten, die er für den Nudelteig brauchte. Kurz drehte er sich noch zu mir um – mein ungewöhnliches Verhalten abermals prüfend – und band dann seine blonde Mähne mit einem schwarz-weiß gepunkteten Haargummi zu einem fülligen Zopf. Anschließend wandte er sich seiner Arbeit an der Küchentheke zu. „Spätestens morgen früh wird es hier genauso aussehen. Im Grunde kannst du dir die Mühe sparen.“   Er ist zu kooperativ..., wurde mir bewusst, was meine inneren Alarmfluter aufblinken ließ. Er will mich in trügerischer Sicherheit wiegen...   Ich darf meine Deckung nicht fallen lassen... Und muss mich für den Notfall bewaffnen...   Komme ich an eines der Messer heran-? Sauste im gleichen Herzschlag das spitze Küchenmesser direkt an meinem linken Ohr vorbei und blieb mit einem dumpfen Klopfen in der Tür hinter mir stecken. Wie hat er...? Mit geweiteten Augen sah ich zu dem Blonden, der in aller Seelenruhe den Teig knetete.   „Ich wiederhole mich nicht.“ Ja, ja: `Versuch's erst gar nicht´ – schon kapiert!   „Ich hätte es mir bloß kurz ausleihen wollen...“, seufzte ich ergeben, in Ehrlichkeit mit ihm sprechend, weil er mich sowieso vollkommen durchschaute. Meine Finger um den Griff des noch schwankenden Messers legend, zog ich es mit wenig Kraft heraus, ehe ich es ihm locker zurückwarf. Geübt fing er die Küchenklinge auf. Ohne Zögern, ohne hinzusehen und ohne seine rechte Hand aus der Teigmasse zu nehmen. Spätestens jetzt wäre mir der Kerl unheimlich.   „Du bist verdammt unheimlich, weißt du das?“ „Bin ich dies?“ Ja, ja und nochmals ja! Hör auf, so arrogant zu schmunzeln! „Mache ich dir Angst?“ „Träum weiter.“ Bloß ein bisschen...   „Ich träume nicht“, sprach er mit so viel Ernsthaftigkeit, dass ich mit dem abgenutzten Besen in der Hand fragend zu ihm sah. „Wie, `du träumst nicht´? Jeder, der schläft, träumt doch automatisch.“   „Ich bin nicht `jeder´“, war seine farblose Stimme von Kälte gefroren. Das Messer, mit dem er den ausgerollten Teig zerkleinerte, rammte er geräuschvoller ins Holz des Schneidebretts. Dabei warf er mir einen warnenden Blick durch die Löcher seiner Maske zu. „Deine Neugier wird dich eines Tages dein Leben kosten.“   Seine bitterkalte Warnung saß. Sie jagte mir einen eisigen Frostschauer über meine Haut. Die Botschaft war deutlich: Ich sollte mich aus seinem Leben heraushalten und keine weiteren Fragen stellen. Die kalte Anspannung drückte die Luft zwischen uns zum Tiefpunkt. Stille ihn begleitend. In seiner Nähe fühlte ich mich ganz und gar nicht mehr wohl. Ich brauchte Ablenkung. So machte ich mich unbehaglich an die langweilige Arbeit.   Wortlos ging ich zum Waschbecken, den zerbeulten Putzeimer mit Wasser füllend, ehe ich die zerfransten Borsten des Besens eintunkte und schweigend die Dielen schrubbte. Dabei stellte ich hin und wieder einen umgeworfenen Stuhl auf. Die zerstörten und unbrauchbaren räumte ich aus dem Weg und schob sie zusammen, in eine Raumecke.   Ich kann nicht glauben, dass ich hier halb-nackt für irgendwelche Barbaren putze..., wurde mir meine Situation bewusst, während ich mir mit meinem Unterarm einzelne Schweißperlen von meiner Stirn wischte. Über den Boden musste ich nochmal drüber, eine Runde beseitigte bloß den oberflächlichen Schmutz. Der hartnäckige hatte sich längst in die Dielen gefressen. Sind das Blutflecken?! Zunächst waren aber die Wände dran, für die ich das Wasser wechselte und mir dann einen fleckigen Lumpen nahm. Ich scheuerte die Wand wie ein Irrer, bis ich wenigstens das Holz hinter dem Dreck sehen konnte.   Jedoch kam ich nicht an die oberen Abschnitte heran. Zur Hilfe nahm ich mir zwei Stühle, die ich übereinander stapelte. Auf Zehenspitzen stand ich auf ihnen. Das provisorische Gerüst wackelte stark unter mir, während ich meinen Arm, mitsamt Lappen weit nach oben streckte. Es kam, wie es kommen musste. Natürlich fiel genau in dem Moment eine Spinnenwebe in mein Gesicht und brachte mich zum Niesen.   Die Stühle unter mir krachten laut zusammen. Womit ich mein Gleichgewicht verlor. Wenn ich jetzt hoffte, wie in einer billigen Seifenoper aufgefangen zu werden, hatte ich mich geschnitten. Der blonde Psychopath würde mich höchstens auslachen – was mein Stolz zu verhindern wusste. Mit einem Salto-Sprung rückwärts stieß ich mich rechtzeitig von dem zusammenstürzenden Gerüst ab, landete gekonnt auf meinen Stiefeln... und verlor dabei mein Handtuch.   „Nette Aussicht“, konnte er sich den überflüssigen Kommentar ja doch nicht verkneifen und lehnte sich lässig mit verschränkten Armen an die Küchenzeile. Als ob er nicht längst jede Hautstelle von mir gesehen hätte! Knurrend versuchte ich meine verräterischen Wangen zu überspielen und griff grob nach dem Handtuch, das ich erst nach dem zweiten Versuch zu packen bekam. „Halt die Klappe und koch deine verfluchte Pasta!“   Verdammt... Ich bin laut geworden... Fühlt er sich jetzt angegriffen? Wird er mich strafen?   Er tat es nicht. Was mich wunderte, doch erleichterte. Immerhin musste ich mich nicht vor ihm verstellen. Amüsiert erwiderte er;   „Das Abendessen ist fertig. Oh, und: Du hast dort einen Fleck auf dem Boden vergessen.“ Es vergnügt ihn, mich aufzuziehen... Mieser Sadist! „Hast du nichts Besseres zu tun, als mich anzugaffen?“ „Derzeit nicht, nein.“   `Nein´, äffte ich ihn in Gedanken nach und nahm mir murrend den Besen, dessen Stiel ich vor Krafteinwirkung fast zerbrach. Ruhig bleiben... zeig ihm nicht, wie sehr er dich aufwühlt... Das hier wollte ich so schnell, wie möglich hinter mich bringen. Die Gesellschaft meines Wächters war unerträglich. Und er sollte mir fortan keine Sekunde von der Seite weichen. Was hat er eigentlich davon? Außer sein Vergnügen...   Ist ihm so langweilig? Oder hat er irgendetwas vor? Und wie er das hat... Ich trau dem Kerl kein Stück-!   Grüner Stoff landete vor meinen Füßen. Blinzelnd blickte ich darauf – eine dünne Shorts? – und dann zu dem blonden Stillleben, das sich augenscheinlich keinen Millimeter gerührt hatte. „Du könntest die Männer ablenken“, war seine knappe Erklärung, während ich das Kleidungsstück aufhob und eilig anzog. Das feuchte Handtuch schlang ich locker um meinen Hals. Ein dankbares Nicken war ich meinem Kleiderspender schuldig.   Das gehört alles zu seinem diabolischen Plan... Ich halte an meiner Verschwörungstheorie fest!   Bewaffnet mit Besen und Wassereimer begab ich mich ein letztes Mal in den Kampf mit dem schmutzigen Boden. Diesmal kamen sogar die Dielen zum Vorschein. Als ich fast fertig war, hörte ich plötzlich das Klingeln der kleinen Glocke, die der Maskierte läuten ließ. Gefolgt von dem trampelnden Ansturm, der vom Deck aus durch das Schiff schallte. Wie eine Horde Büffel näherten sich die ausgehungerten Trunkenen der Kombüse in Höllentempo. Mit einem Ausweichsprung nach Links konnte ich mich gerade noch davor retten, von Stiefeln niedergetrampelt zu werden. Den Stiefeln, die den gewischten Boden sofort wieder mit Abdrücken verdreckten.   Du willst mich doch verarschen!, schmiss ich den Besenstiel in die nächste Ecke. Sein `Was habe ich dir gesagt?´, konnte ich förmlich von seiner ausdruckslosen Maske ablesen. Die Meute des Teufels fiel über den gigantischen Pasta-Teller her, den Killer auf den großen Gruppentisch stellte. Niemand beachtete mich, was mir sehr gelegen kam. Ich hasste Aufmerksamkeit. Der Raum wurde mit einem Mal lebendig. Überflutet von Grölen, Schmatzen und Rülpsen.   Essensmanieren? Was ist das?   Dann fiel es mir auf: Der Anführer der Vandalen fehlte. Genau in dem Augenblick lief seine rechte Hand mit einem gefüllten Teller an mir vorbei.   „Du bleibst bei mir. Auf Abstand“, wies er mich an und schritt durch die Tür. Ich wenige Meter hinter ihm her, eine Treppe herunter und anschließend einen langen, dunklen Gang entlang. Er führte wohl zur Kapitänskajüte. Die schwere Metalltür sah ich schon aus der Entfernung. Sie war die Einzige, die nicht hölzern war. Nur ein Teufelsfruchtnutzer konnte sie öffnen. „Warte hier.“   Ich tat, wie mir geheißen. Beobachtete den Blonden, der im Schatten des Flurendes unkenntlich wurde und dann anklopfte. Irgendein Klopfzeichen benutzend, das ich von hier aus nicht verstand. Die schwere Tür öffnete sich in Begleitung eines kraftvollen Bebens. Der Essensteller verschwand in der Untiefe der Räuberhöhle und Killer kam wieder zurück. Stattdessen steuerte er das Zimmer gegenüber meiner Warte-Position an. Mittlerweile war ich es gewohnt, ihm zu folgen, deswegen tat ich es unaufgefordert.   Mit gehobener Augenbraue fragte ich ihn: „Willst du selbst nichts essen?“   „Ich esse nicht.“ Damit war das Thema für ihn beendet. `Warum isst du nichts?´, brannte mir die Frage auf der Zunge, auf die ich mir leicht biss. Ich durfte mein Glück nicht ausreizen. Es ging mich nichts an. Und es war mir egal. Sollte es sein. Sollte...   Doch je mehr Fragen das Mysterium mit Maske aufwarf, desto neugieriger wurde ich. `Deine Neugier wird dich eines Tages dein Leben kosten´, hallte seine dunkle Stimme in meinen Gedanken wider, ehe ich seufzte. Bin ich schon immer so wissbegierig gewesen? Von wem habe ich diesen Charakterzug angenommen?   Erneut das Stechen in meiner rechten Schläfe. Ein unheimliches Schmunzeln. Das war es, was ich für eine Millisekunde vor meinem inneren Auge sah.   Um mich von dem pochenden Schmerz abzulenken, sah ich mich in dem spärlichen Raum um. Die schlichte Möblierung bestand aus einem Bett, einem Schreibtisch und einer Werkzeugecke, mit großem Schleifgerät für seine Klingen. Im Gegensatz zu den anderen Räumlichkeiten war es hier sauber und ordentlich.   „Dies ist meine Kajüte. Was für dich heißt: Fasst du etwas an, bist du deine Finger los.“ Wie nett... Freundlicher hätte er es nicht ausdrücken können... „Du schläfst auf dem Boden. Wenn du Glück hast, wirst du erfrieren.“ Ich korrigiere: Das ist nun wirklich Nettigkeit auf höchstem Niveau gewesen...   Der nächste Satz kam mir schneller über die Lippen, als dass ich dessen Bedeutung erfassen konnte. „Das Glück wird mir wohl nicht vergönnt sein: In meiner Heimat ist es kälter, als jede Nacht es sein könnte-“   Meine Heimat..., weiteten sich meine Augen vor Erkenntnis. Der North Blue... Ich komme aus dem North Blue...   Doch wurde mein Hochgefühl über die gefüllte Gedächtnislücke sofort zerstört. Wie eine Klinge aus Eis schnitt Killers Stimme durch die stille Kajüte. „Erinnere dich nicht. Wenn du es tust, muss ich dich umbringen.“   U-Umbringen?!   Wie soll ich denn verhindern, dass ich mich erinnere? Als ob ich das beeinflussen könnte...   Das Rascheln von Kleidung, der er sich entledigte. Nur in Boxershorts und Maske bekleidet, begab er sich schweigend ins Bett und ließ mich links – eher gesagt rechts – liegen. Weswegen ich mit den kalten Holzdielen Vorlieb nahm und es mir in Nähe der abgeschlossenen Tür bequem machte. Seitlich zu ihr liegend, bettete ich meinen Kopf auf meinen Händen und deckte mich mit dem trocken gewordenen Handtuch zu, sodass wenigstens mein Unterkörper halbwegs bedeckt war. Dass ich in dieser Nacht keinen Schlaf fand, war mir von Anfang an klar gewesen.   Heimweh. Ich vermisste etwas, dessen Gedankenbild ich nicht einmal formen konnte. Das Einzige, was ich noch wusste war, dass ich für gewöhnlich nicht allein schlief. So beruhigte mich die Anwesenheit meines Feindes auf groteske Art. Auch die laute Geräuschkulisse des belebten Schiffes und dessen Schwanken verschaffte mir befremdliche Ruhe. Sie reichte aus, um zumindest meinem Körper Erholung zu verschaffen. Das Hämmern meines Hinterkopfes nahm langsam, aber stetig ab. Mein Geist wurde in Wach-Trance versetzt. Die Leere füllte meine nichtssagenden Gedanken.     Ich will hier nicht sein... Ich muss zurück... dorthin, wo ich hingehöre...   Ohne einen Platz im Leben... Ist die Leere des Innersten mein einziger Rückzugsort...   `Ich zeige dir deinen Platz´, hat Killer gesagt... Zu ihm hat er mich geführt...   In seine Stille, die mich mein wisperndes Herz hören lässt...   Leise flüstert es mir Mut zu... Hält mich am Leben...   Mein Herz ist das Einzige, was nicht durch die Kälte seiner Lippen gefrieren kann...   ...Denn ein Kuss des Todes besitzt stets trügende Wärme. Kapitel 2: Ein Pakt mit dem Teufel ---------------------------------- Schlaflosigkeit. Verwirrung. Untraute Zweisamkeit. Eine Nacht, wie sie die raue See schrieb. Ein Leben mit den launischen Wellen war stets ruhelos. Schicksal – der miese Halunke – schmiedete fortdauernd seine diabolischen Pläne. In Form einer Klinge, die er rapide über einen Schleifstein zog. Schärfend für den Nächsten, der ihm zum Opfer fiel.   Genauer gesagt: Killer hatte die halbe Nacht durch seine Sicheln geschliffen. Kann der Kerl nachts nicht einfach schlafen, wie jeder andere auch?   Na ja, außer mir... Wie toll es doch ist, eine Ausnahme zu sein...   Das schrill schabende Geräusch – was die Reibung von Klinge und Schleifgerät verursachte – war verdammt laut und raubte mir nicht bloß die Nerven. Selbst wenn ich es gewollt hätte, hätte ich keinen Schlaf gefunden. Unruhig lag ich wach, in regloser Position, keinen Ton von mir gebend. Meine halb-geschlossenen Augen starrten leer in Richtung Tür, der Lärm ertönte hinter mir. Weswegen ich mich verflucht unwohl fühlte. Einen Feind im Rücken zu haben war gefährlich.   Abrupt kehrte Stille ein. Angespannt lauschte ich in sie hinein. Killers lautlosen Schritte waren undeutbar. Hier in seinem Reich war er der Meister der Schatten. Er kannte jeden Winkel, jeden Zentimeter, jede knarzende Diele, die ihn hätte verraten können. Seine Bewegungen besaßen perfektionierte Präzision, seine Körperhaltung anmutigen Stolz. Über jeden seiner Muskeln hatte er die vollste Kontrolle. Selbst seine Atmung war bis zur Vollendung trainiert.   Ein kalter Atemhauch in meinem Nacken. Und ich wusste, wo er war. Wie nah er mir war. Hinter mir.   Killer kniete hinter mir. Seine Figur überragte die liegende Meine und warf einen kaum erkennbaren Schatten, der an der Tür vor mir abgezeichnet wurde. Seine jagenden Augen begutachteten mich, wie eine Siegestrophäe. Ich spürte seinen intimen Blick mit jeder Hautpore. Das verzerrte Schattenbild schickte ein eisiges Frösteln durch meinen Körper, dessen Schütteln ich zwingend verhinderte. Ich durfte mich unter keinen Umständen verraten. Noch weniger wollte ich mich nun umdrehen, auch wenn alles in mir danach schrie.   Dreh dich nicht um... Dreh dich nicht um...   Plötzlich änderte sich das finstere Abbild. Die Form des Schattens nahm zusätzlich die einer Sichel an. Kurz blitzte die tödlich scharfe Klinge unter dem einfließenden Mondlicht auf. Ihre Schneide über mir schwebend, geführt durch des Henkers gehobene Hand. Er konnte mein Leben nehmen, wann immer er es wollte. Jetzt und hier. Schutzlos war ich ihm ausgeliefert.   Ein Blinzeln. Dann war der Schatten verschwunden. Die Drohung blieb allzeit präsent. Es war eine unmissverständliche Warnung. Eine klare Rollenverteilung; Killer die Übermacht, ich die Unterlegenheit. Seine Machtdemonstration ließ mir abermals schmerzlich bewusst werden, dass mein Leben ihm gehörte. Dass ich Sein bin...   Stumm knurrte ich. Der Gedanke gefiel mir absolut nicht. Mein Kampfgeist stand in Flammen. Mein Wille blieb ungebrochen. Bis zum letzten Atemzug würde ich kämpfen. Für wen wusste ich nicht. Ich war auf mich allein gestellt. Es war ein mentaler Kampf, den er und ich gegeneinander austrugen.   Killers bedrohliche Anwesenheit in meinem Nacken war konstant fühlbar. Seine belauernden Blicke schlichen unaufhörlich über meine Haut. Die Kälte seiner Kajüte ging einzig von ihm aus. Irgendwann übermannte mich die Müdigkeit. Gegen sie konnte ich nicht gewinnen. Meine Augenlider wurden immer schwerer, ehe sie sich schlossen. Sein Schatten jagte mir bis in meinen traumlosen Halbschlaf nach. In ihm hatte ich meinen lebendigen Albtraum gefunden.     Viel zu langsam zogen die nächtlichen Wolken über das aufgewühlte Meer. Mit ihnen die Stunden fortgetragen werdend. Hin zum Anbeginn eines neuen Tages. Die Sonne war noch nicht aufgestiegen, als ich unsanft aus meinem tranceähnlichen Zustand geweckt wurde. Liebevoll, von einem fordernden Tritt eines spitzen Schuhs in meinem Rücken.   „Aufstehen“, war seine freundliche Morgenbegrüßung, ein müder Brummton begleitete sie. Da hat wohl noch jemand schlecht geschlafen... Frag mich mal einer...   Das war der Moment, in dem ich mich benommen zu ihm umdrehte. Und es sofort bereute. Auf einem Stuhl saß er neben mir. So nah, dass zwischen den vorderen Stuhlbeinen und meinem Rücken nur Platz für seine Beine waren. Ungeschickt kroch ich mehrere Zentimeter rückwärts, zur Tür. Auf Abstand gehend. Der Schreck ließ mich hellwach werden. Die gesamte, restliche Nacht hatte er dort gesessen und mich beschattet. Wenn er überhaupt geschlafen hatte, dann im Sitzen oder mithilfe von Sekundenschlaf. Das Geheimnis würde er wohl mit ins Grab nehmen.   Seelenruhig überschlug er seine Beine, senkte seine Maske und widmete sich unberührt dem Buch, das er in einer Hand locker vor sich hielt. Was nun auch meine Aufmerksamkeit weckte. Er wirkte nicht gerade wie jemand, der sich für Bücher interessierte. Schnell blinzelte ich mich wach, rieb mir müde über meine Augen und versuchte den vergilbten Einband zu entziffern. Dann hob ich meine Augenbraue und sprach meinen Gedanken mit matter Morgenstimme aus.   „Du liest ein Medizinbuch?“, fragte ich ihn skeptisch und erhielt keine Antwort. Danke für nichts... Die Frage beantwortete sich ohnehin von selbst. Das Buch sah aus, als ob er es aus dem tiefsten Keller gekramt hätte, wo es für Jahre vor sich hin schimmelte. Wie er zu ihm gekommen war, konnte ich mir allemal denken. Die günstigste Variante; Der fünf Finger Rabatt...   Diebisch schmunzelnd hielt er mir die aufgeschlagene Seite entgegen, sodass ich sie lesen konnte. Das Papier war verwässert, die handschriftlichen Buchstaben stark verfärbt und kaum mehr lesbar. `Bewusstseinsstörung´, zierte die verschwommene Überschrift, was mich neugierig werden ließ. Doch zeitgleich auch ebenso misstrauisch. Warum zeigt er mir etwas, was mir helfen könnte? Oder will er etwa, dass ich mich erinnere?   `Wenn du es tust, muss ich dich umbringen´, hallten seine gestrigen Worte in meinen Ohren wider, wodurch ich meinen Kopf leicht schüttelte, um sie loszuwerden. Meine Neugier siegte, weswegen ich den kurzen Abschnitt las.   ⌈ Eine Störung der Psyche, die das Erinnern verhindert. Auch bezeichnet als eine Beeinträchtigung oder Veränderung des normalen Bewusstseins. Nicht zu verwechseln mit Amnesie – die daraus resultieren kann. Betroffene Patienten einer Bewusstseinsstörung leiden unter geistiger Unklarheit, wirken oft verwirrt und klagen über Kopfschmerzen. Sie zeigen verminderte Selbstkontrolle und neigen zu erhöhter Emotionalität.   Derzeit bekannte Heilmethoden: Erinnerungstherapie – das bekannteste Verfahren; Konfrontation mit biographisch relevanten Ereignissen, meist in Bilderform, Musik, Gegenständen oder Personen. Medikamentöse Behandlung – die teuerste und zeitaufwendigste Methode. Schocktherapie – am effizientesten und schnellsten, aber auch riskantesten. Bleibende, psychische Schäden nicht ausgeschlossen.   Opfer müssen gebracht werden. Für die Wissenschaft ist kein Risiko zu hoch. Forschung ist Unsterblichkeit.   Gezeichnet, Doktor Hogback   Jahr 1520, Aufenthaltsort unbekannt ⌋   Mir brummte der Schädel. Am frühen Morgen war Lernen eine echte Qual. Wer wusste schon, ob der Verfasser nicht selbst ein Irrer war, der bloß seine Spinnereien kundtun wollte. Mediziner waren eigensinnig und unberechenbar. Oft wurden sie als wahnsinnige Quacksalber verrufen. Dennoch gab es unter ihnen gar so etwas wie Helden. Doktoren, die ihr Leben der Medizin und dem Wohl ihrer Patienten verschrieben hatten. Der beste Arzt konnte selbst den Tod bezwingen-   Den... Tod...   Ein spürbarer Stich an meiner Schläfe, beidseitig. Wie am gestrigen Tag sah ich gedanklich ein prägendes Bild; Eine Tätowierung von fünf Buchstaben. Doch diesmal blitzte zeitgleich ein weiteres Gedankenbild auf. Das Lächeln einer vertraut-fremden Person mit strubbligem Haar und Sonnenbrille. „Peng~!“ Die undeutliche Stimme in meinem Kopf klang sehr weit weg, sodass ich sie nicht erfassen konnte.   Mit einem Knall schlug Killer das Buch vor mir zu, was mich kurz zusammenfahren ließ. Grob holte er mich zurück in die Gegenwart. Meine blasse Erinnerung verschwand. Ich brauchte einen Moment, um meine Orientierung wiederzufinden. Mehrmals blinzelte ich und kniff mich fest in meinen Unterarm. Derweil stand er auf und ging zu seinem Schrank, den er öffnete. Gefühllos wurde mir ein Hemd an den Kopf geworfen.   „Zieh es an“, befahl Killer mir und wühlte dann in einer der Schreibtischschubladen, aus der er mehrere Dolche holte, die er unter seinem roten Hüfttuch versteckte. Natürlich überließ er mir keinen von ihnen. „Wir legen an einer Insel an.“   Die Ausführlichkeit in Person, wie immer...   Seufzend zog ich mir das übergroße Shirt an, das mir bis zu meinen Knien reichte. Neben ihm trug ich nur die grüne Shorts und meine Stiefel. Das Hemd war schlicht schwarz und zierte den weißen Schriftzug: `I'm a Killer´ – Wie selbstverliebt kann Mann sein? Zudem waren verblasste Rotspritzer in den Stoff eingesickert; Blut, dessen Herkunft ich nicht unbedingt ergründen wollte.   „Was für eine Insel?“, fragte ich ihn in halber Müdigkeit und rannte ihm eilig hinterher, aus der Tür raus. Seine Morgenlaune war wirklich nicht die gesprächigste. „Dies wirst du früh genug erfahren.“   Wir durchquerten den leeren Gang, der bei Morgengrauen genauso unheimlich aussah, wie am Abend. Am Flurende führten zwei Treppen je zur oberen und unteren Ebene. Die Stufen abwärts waren es, die mich in meiner laufenden Bewegung anhalten ließen. Mit einem Gefühl der düsteren Vorahnung blickte ich sie hinab. Ihr unteres Ende konnte ich nicht erkennen. Von unheildrohendem Dunkel geflutet, auf der Lauer liegend. Als würde mich dort etwas erwarten, dem ich nicht begegnen wollte. Doch früher oder später würde.   Die Halluzination eines erstickenden Aufschreis dröhnte in meine Ohren. Als wenn mir jemand entgegenrief, dass ich mich von diesem Ort fernhalten sollte. Killers Flüstern aus Eis übertönte die makabere Sinnestäuschung.   „Es ist noch nicht an der Zeit...“   Damit schritt er weiter, die Stufen herauf, ohne auf mich zu warten. Ich folgte ihm geistesabwesend. Nicht, ohne einen letzten Blick zur verdunkelten Treppe hinabzuwerfen. Wohin führt sie? Meinen Verstand zwang ich zur Klarheit. Verwirrtheit half mir nicht weiter. Ich musste mich zusammenreißen. Koste es, was es wolle! Meine Beruhigungspillen namens Humor mussten her.   Wahrscheinlich ist da unten eh bloß der Porno-Keller des Potenz-Prolos... Den will ich echt nicht sehen...   An Deck strahlte die erwachte Sonne – aber nur am Horizont. Die Gesichter der Mannschaft besaß ihre eigene Sprache: Von Grummeln und Gähnen, bis Schnarchen und Brummlauten war alles vertreten. Einige Männer schliefen im Stehen, andere nuschelten Worte, die einmal Sätze werden sollten. Wieder andere unterhielten sich mit geschlossenen Augen. Ein Kater am Morgen und man fühlt sich wie neu gestorben...   Alle sahen sie aus, wie sie sich fühlten; zum Vomieren. Wie ein hochgewürgter Haarball – unrasiert, ungewaschen und unerträglich. Erst das Brüllen des rothaarigen Löwen schleifte die Schnapsleichen allesamt unter die Lebenden.   „Scheiß Morgen. Nie wieder Alkohol! ...Bloß noch Rum“, grollte die tiefe Kapitänsstimme durch die plötzlich hellwachen Reihen, deren verwirrten Augen ihren Wachmacher suchten. Lauter als seine Stiefel ist nur sein Stimmorgan...   Das unüberhörbare Knurren kam vom Inneren des Schiffs. Nach der Bass-Beschallung trat Eustass Captain Kid in all seiner egomanischen Gloria an Deck. Mit einer lässigen Handbewegung warf er sich seinen Fellmantel über seine freien Schultern, ehe er seinen rechten Arm in einen der Ärmel steckte. Warum auch wie normale Leute anziehen, wenn man so viel mehr auffällt?   „Zeit für 'nen ordentlichen Beutezug, Männer! Pennen könnt ihr, wenn ihr tot seid. Und keiner kratzt ab, bis ich es ihm befehle!“   Seine goldenen Augen wanderten einschüchternd durch die stillstehenden Reihen. Dann fixierten sie sich auf mich, der ich unmerklich zusammenzuckte und einen unbewussten Schritt hinter Killers breite Figur tat. Wo ist eine Kappe, wenn man sie mal braucht? Die stille Todeswarnung war ihm förmlich auf seine teuflisch grinsenden, roten Lippen geschrieben. Ein Fehler – Fehlerbewertung nach seinem Urteil – und ich war Fischfutter. Ich konnte froh sein, dass er mich nicht fürs Atmen abmurkste.   Daraufhin schweiften seine Augen hinter uns. Abrupt runzelte er seine haarlosen Augenbrauen, sowie sich seine Mundwinkel in einen bösartig knurrenden Ausdruck verzogen. „Fuck, jetzt is' mir echt nach kotzen“, fluchte er und ballte seine lackierten Finger. Was die Aufmerksamkeit des Maskenträgers zum Horizont zog. Auch ich wollte einen kurzen Blick riskieren, doch hielt mir mein Wächter meine Augen mit seiner flachen Hand zu. Gibt es dort etwas, was ich nicht sehen soll?   Sind das... Tauch-Sirenen? Warum kommen sie mir so bekannt vor...?   „Die haben uns gerade noch gefehlt“, sprach ein Mitglied das Offensichtliche aus – was ich als Einziger nicht sehen konnte. Wütend änderte der Kapitän seinen Befehl. „Scheiß auf die Mehlwürmer. Abdrehen! Wir legen woanders an.“   Doch Eustass Kid wäre nicht Eustass Kid, wenn er ihnen kein Abschiedsgeschenk schicken würde. „Repel!“ Seine größte Kanonenkugel, die das andere Gefährt knapp verfehlte.   Die raue Morgenstimmung war schon kaum auszuhalten – die gedrückte jetzige war es noch viel weniger. Als das Schiff – oder was auch immer – außer Sichtweite war, nahm Killer seine Hand von meinen Augen und schlenderte gelassen an mir vorbei. Auf eine Erklärung konnte ich lange warten. Je weiter wir uns vom Gefährt entfernten und dem Anlegeplatz näherten, stieg die neue Rauflust in den Männern auf. Was für die einen Kaffee zum Frühstück war, war für sie das Plündern.   Wenige Zeit später sah ich die Insel. Und Schnee, viel Schnee. Eine Winterinsel. Wir steuerten auf eine verdammte Winterinsel zu! Ohne lange Hose hatte ich jetzt ein echtes Problem. Allein beim Gedanken daran kroch mir die Kälte förmlich die Beine hoch. Aber würde ich den Teufel tun und mir die Blöße geben. Nach einer Hose fragen? Pah, als ob! Die Kerle sehen nicht gerade aus wie die Wohlfahrt...   Ernsthaft; bevor ich eine der ungewaschenen Hosen anziehe, bleibe ich eher hosenlos... Ein fröstelndes Schütteln durchfuhr meinen Körper, als ich die fleckige Kleidung der Männer sah. Nur Kapitän, Vize, Zombie und Fledermaus trugen schmutzfreie Klamotten. Flüchtig schaute ich mich auf dem Deck um, bis ich meine Rettung erblickte: Eine kurze Stoffplane, die über einigen Fässern lag. Schritt für Schritt schlich ich mich zu ihr, bis ich den braunen Stoff in den Händen hielt. Das wasserfeste Material fühlte sich sehr vertraut zwischen meinen Fingern an.   Ein Blick zu Killer. Still fragte ich ihn um Erlaubnis. Sein Nicken gab sie mir. Woraufhin ich das große Tuch umständlich um meine Hüfte band. Meine Beinkleidung ähnelte einem provisorischen Männerrock. Um es deutlich auszudrücken: Mein gesamtes Outfit sah aus, als wäre ich in den Frachtcontainer der Wohlfahrt eingetaucht. Was mich nicht weniger hätte interessieren können. Die Kälte machte jede Modefrage nichtig.   Unruhig stiefelten die Männer auf und ab. Wie im Käfig eingesperrte Tiere, die darauf warteten, in die Wildnis zu stürmen und auf die Menschheit losgelassen zu werden. Einzig Kapitän und Vize schienen Herr über die Lage. Beide standen sie am Bug des Schiffs, ihre Augen auf die immer größer werdende Insel gerichtet. Das in Stille gehüllte Grinsen des Teufels war verdammt furchteinflößend.   Das Schicksal der Insel wurde soeben von ihm besiegelt. Sein Befehl war Gesetz. Sein Urteil endgültig. Nichts und niemand konnte das personifizierte Böse aufhalten.   Was dann passierte, sollte ich niemals vergessen. Viel zu tief fraß es sich in meine Gedanken, wurde zu einer Erinnerung, die alle anderen in den Schatten stellte. Ich musste es hautnah miterleben. Dieser Tag zeichnete mich bis auf meine Grundmauern.     Schließlich erreichten wir die Winterinsel. Sobald der dunkle Schiffsrumpf das helle Ufer berührte, knallte die Laufplanke zu Boden. Sie bildete die Brücke um an Land zu gehen. Der Kapitän ging als Erster vom Schiff – Natürlich nicht ohne großen Auftritt. Mit verschränken Armen stand er erhobenen Hauptes auf zwei großen Kanonenkugel, die er mit seinen Zeigefingern steuerte. Vor ihm flackerten Purpur-farbene Blitze, hinter ihm wehte sein Mantel.   Nach ihm folgte sein Vize, der den 'normalen Weg' auch nicht benutzte. Kraftvoll stieß er sich von der Totenkopf-Galionsfigur ab. Im Sprung die Rotation seiner Sicheln aktivierend, mit denen er verlangsamt durch die Luft glitt. In einer fließenden Bewegung berührten seine Schuhe den verschneiten Inselboden, über den sie grazil schritten. Mit stolzer Haltung stellte er sich direkt neben seinen Kapitän.   Dann trampelten die Männer los, brachten mit ihrem Gewicht die Planke stark zum Beben und grölten mit erhobenen Waffen unverständliches Kampfgebrüll. Leise war echt anders. Und ich? Ich stand wie bestellt und nicht abgeholt auf dem fast seelenlosen Schiff. Ein einziger Mann war geblieben, um Wache zu halten; Der Riese mit Fledermaus-Umhang und Dreizack.   Ob ich einfach hierbleiben soll-?   Meine Entscheidung wurde mir in dem Moment abgenommen, als ich die drei Zacken zu spüren bekam. „Husch, aus meinen Augen!“, spießte der Typ mich unsanft an meinem Gesäß auf, scheuchte mich zischend von Bord und stampfte zur Verdeutlichung das Ende seines Dreizacks auf Deckboden. Hier hatte man es wirklich mit reizender Gesellschaft zu tun.   So balancierte ich leicht wankend über die wackelige Laufplanke, bis ich einen Platz in der letzten Reihe erlangte. Vor mir nichts, als breite Schultern und Köpfe, über die ich nicht schauen konnte. Aber war das Gebrüll des Alphatiers ohnehin kaum zu überhören.   „Plattmachen! Alles mitnehmen, was brauchbar aussieht!“, befahl er seiner Mannschaft. Ein diabolisches Grinsen begleitete seine Worte. In seinen goldenen Augen glühte die Leidenschaft eines wahren Piraten-Kapitäns. „Und vergesst bloß den Schnaps nicht!“   Damit ließ er die beiden Kanonenkugeln fliegen. Laut krachten sie ins nächste Gebäude. Mit dem Knall, der Trümmern das Fliegen lehrte, eröffnete er die Feier aus Verwüstung und Zerstörung. Eustass Captain Kid verkörperte das pure Chaos.   Auf den ersten Blick schien die kleine Insel unbewohnt zu sein. Doch war die Stille trügerisch. Die Häuser sahen nicht gerade unbewohnt und verlassen aus. In einigen brannten Lichter, die Gebäudestruktur wirkte gut erhalten und die Wintergärten waren gepflegt. Wie aufs Stichwort zeigten sich die Anwohner: Dutzende, ziemlich angefressene Marinebeauftragte. Hier lebten die Zwangsbeurlaubten, ohne ihre Familien.   Das waren wohl die uneingeladenen Partygäste, die die Feier sprengen wollten. Jedoch waren die Piraten auf den Kampf vorbereitet. Sie wussten von Anfang an, mit wem sie es hier zu tun hatten. Marine und Piraten waren natürliche Erzfeinde. Eine Schlacht damit unvermeidbar. Ich hätte niemals das Schiff verlassen sollen.   Hier brach nicht nur das Chaos aus, sondern ein Hölleninferno. Die riesige Feuerschwade des Zombies versengte gleichermaßen Bauwerk und Natur. Alles brannte lichterloh. Der Schnee kämpfte vergebens gegen das Feuer an. Die Kollision der Elemente leitete den Kampf ein. Zwischen den Flammen griffen die Marinesoldaten zu den Waffen. Dann stürmten beide Seiten aufeinander los. Bis sie geräuschvoll miteinander kollidierten. Es war ein erschütterndes Geräusch der Endgültigkeit.   Alles geschah so verdammt schnell. Binnen Minuten lag die halbe Stadt in Schutt und Asche. Zwischendurch kreuzten sich Schwerter. Schüsse fielen, wie es blau-weiß gekleidete Männer taten. Für mich, der ich mittendrin stand, war es ein Bild des Grauens.   In Schock konnte ich meine Augen nicht von dem Horrorszenario abwenden. Die Szenen vor mir verzerrten, wie in einer stoppenden Zeitschleife. Angehalten zu einzelnen Fotografien, die nach und nach verbrannten. Porträts der Feinde, deren Blicke Terror reflektierten. Ihre Hilferufe wurden noch im gleichen Atemzug erstickt.   Die erdrückende Geräuschkulisse hallte immer lauter werdend in meinen Ohren wider. Panische Kampfrufe wurden zu Leidensschreien. Sie erschütterten mich bis ins Mark. Selbst als ich mir meine Hände krampfhaft auf meine Ohren presste, verstummten sie nicht.   Hört auf..., wiederholte ich immer und immer wieder im stummen Erflehen. Hört auf...   Entsetzen lähmte meinen Körper. Unwohlsein fraß sich in meinen Verstand. Das Atmen fiel mir immer schwerer. Einzig mein aufschreiender Herzschlag konnte das Lärmchaos übertönen. Beruhige dich... Beruhige dich... Beruhige dich!   Während alle gegeneinander kämpften, kämpfte ich mit mir selbst. Gegen meine aufkommende Panikspirale, die mich die wahre Furcht lehrte. So fühlte sich pure Angst an. Angst vor der momentanen Realität. Überall wollte ich sein, nur nicht hier. Nicht dort, wo Leid und Gewalt Hand in Hand ging. Mein Körper gehorchte mir nicht. Meine Gedanken beherrschten mich.   Warum wollen sie einander töten? Mord ist nicht rechtfertigbar...   Es sind Leben, die erlöschen... Ein Licht nach dem anderen schwindet in Blässe...   Zwar mögen es feindliche sein... Doch bleiben es noch immer Existenzen...   Ist es das, was ein Pirat ist? Kaltblütig, brutal und skrupellos?   Dann... will ich niemals einer sein!   Ein heftiger Stich in meiner rechten Stirnseite, der mich zurück in die Realität zerrte. Die Lawine an Kriegsgeräuschen, die noch immer über mich hereinbrachen, lösten ihn aus. Das grauenhafte Schauspiel kam mir verdammt bekannt vor. Woher-?   Das... Sabaody Archipel...   Ein Name ohne ereignisreiche Zusammenhänge. Die Erinnerung blieb, verschwamm nicht wie die anderen und beruhigte mich minder. Zumindest soweit, dass ich die Kontrolle über meinen Körper zurückerlangte. Ich hatte die Panik-Paralyse körperlich abgewehrt.   Stolz fühlte sich jedoch anders an. Erleichterung verspürte ich nicht. Nicht, solange Menschenleben blichen. Mittlerweile stand ich allein auf offenem Schussfeld. In diesem Augenblick war ich das schwächste Glied. Und damit das einfachste Ziel. Sofort geriet ich ins Visier der Gegner.   „Feuer!“   Meine Unachtsamkeit wurde mir zum Verhängnis. In letzter Sekunde sahen meine Augen, wie die Soldaten ihre Schusswaffen entriegelten. Das Einzige, was ich unbewaffnet tun konnte war, meine überkreuzten Arme schützend vor Gesicht und Oberkörper zu halten. Es war reiner Überlebensreflex. Nützen tat er mir wenig.   Das wird verdammt weh tun-   Finsteres Surren zwei rotierender Sicheln. Killer. Seine Doppel-Klinge mähte die Angreifer allesamt nieder. Er hatte sie bemerkt, noch ehe ich es tat. Seine Schnelligkeit und Präzision war erschreckend. Nur eine Flinte löste einen Schuss aus, der meinen linken Handrücken streifte und auf schrammte. Selbst Killers Perfektion war nicht vollends fehlerlos. Was ihn beinahe menschlich machte.   Vor mir tauchte sein blondes Haar auf, auf welches ich starrte. Wütend und verbittert starrte. Nicht merkend, dass es seine Anwesenheit war, die mich nervlich vollkommen beruhigte. Mir meine Seele wiedergab. Mir Sicherheit vortäuschte, die mein verwirrter Geist mich fühlen ließ. Sämtliche Panik wich, als ich Killer sah. Ich verstand es nicht. Verstand nicht, warum er mein Ruhepol inmitten des Chaos wurde.   Wegen ihm bin ich doch erst hier... Er hat mich hierher geführt...   Nein... Das stimmt nicht... Niemals hat er gesagt, ich solle ihm zum Schlachtfeld folgen...   Er beschreitet den blutigen Pfad immerzu allein...   Ohne sich umzudrehen, flüsterte er mir ein einziges Wort zu, welches mein Blut zu Eis gefror.   „Töte.“   Vier Buchstaben hinterließ er mir, warf mir achtlos Feindes-Pistole über seine Schulter zu und jagte dann blitzschnell weiter. Das Hauchen gegen die Innenseite seiner Maske war nur für ihn hörbar. „Wieso bist du nicht auf dem Schiff geblieben?“   Ungeschickt fing ich die Schusswaffe auf. Meine geweiteten Augen sahen in Schockstarre auf sie. Zeitgleich wurden die Gegner um mich herum des Sensenmanns Opfer. Töten?, wiederholten meine Gedanken immer und immer wieder, die Bedeutung des Wortes nicht erfassend.   Erst, als ich die frischen Blutspuren an der Pistole erkannte, verwurzelte sich die dunkle Wahrheit. Der Verbleib ihres Vorbesitzers. Er brauchte sie nun nicht mehr. Krampfhaft klammerten sich meine Hände um das noch warme Eisen. Ich zwang mich selbst dazu, die Waffe nicht angewidert fallenzulassen. Blut... überall Blut... Heftig biss ich mir in meine zitternde Unterlippe.   I-Ich kann nicht... Ich kann niemanden töten!   Es ist falsch, Leben zu nehmen... Ich will das nicht tun!   Bin ich deswegen ein Schwächling? Schwach? ...Weil ich nicht wie sie bin?   Stille. Es war viel zu still geworden. Winterkälte die des Nahtodes annehmend. Der Schnee in Rot gefärbt. Stumm fallende Schneeflocken die Farbe nicht decken könnend. Mein langes Zögern war meine Entscheidung. Ich hatte versagt. Fühlte mich wie ein Versager. Und dennoch bereute ich nichts. Außer eines: Meine Tatenlosigkeit.   Ich habe nichts tun können...   Um mich herum erwachte die zertrümmerte Welt zu neuem Leben. Nur ich blieb weiterhin leblos. Wie versteinert blickte ich noch immer auf die Pistole. Ihr Blut klebte nun an meinen Händen. Obwohl ich niemanden umbrachte, spürte ich das exakte Gegenteil: Schuld. Weil ich nicht retten konnte. Leben nicht erhalten konnte. Niemandem helfen konnte.   Ein Funke meines Innersten begann aufzuglühen. Ein Licht, welches sich durch den dichten Nebel meines Geistes an dessen Oberfläche kämpfte. Der Glutfunke brannte sich in mich ein. Schmerzvoll. Entflammte meine rechte Brustseite. Mein Herz schlug rapide schneller. Es schlug für das Leben. Für die Hoffnung. Für... einen lächelnden Jolly Roger.   „Corazon bedeutet Herz. Vergesst niemals den Namen des Mannes, der unserer Crew ihren Namen gab.“   Unserer Crew-?   „Hey, was stehst'n in der Gegend 'rum?“, wurde ich von dem Zombie grob zur Seite geschubst. Er hielt mehrere Kisten, die er Richtung Schiff trug. Brummig rief er mir über seine Schulter zu. „Hier wird sich nicht vor der Arbeit gedrückt! Jeder muss mit anpacken! Beweg deinen Hinternschinken!“   Warum glaubt jeder, mich herum scheuchen zu müssen!?   Seufzend steckte ich die Pistole weg, in den Bund des notdürftigen Männerrocks. Die Schusswaffe an meiner Hüfte fühlte sich seltsam vertraut an. Was ich jedoch als Hirngespinst abtat. Momentan war ich nicht Herr meiner Sinne. Ich war völlig verwirrt.   `Corazon´, huh? Immerhin kenne ich jetzt einen Namen...   Ziellos lief ich los, an Trümmern und Schutt vorbei, so tuend, als ob ich irgendwas tat. Dabei mied ich den Blick auf die leblosen Marinemänner, die ich auf meinem Weg weit umging. Die Luft war erfüllt von Asche und Schnee, besaß den Geruch von ausgebrannter Kohle und verstorbener Natur. Der Anblick der Endgültigkeit. Als wenn die Winterinsel zu ihrem ewigen Schlaf gefunden hätte. So musste die Unterwelt aussehen.   Letztlich traf ich auf den Teufel und seine rechte Hand. Auf einem Berg aus metallischen Trümmern standen sie, blickten auf alles herunter, als ob es ihnen allein gehörte. Eisblaue Augen sahen mich seit langem an, goldene entdeckten mich erst jetzt.   „Lebst ja noch“, war die Begrüßung dreckig grinsender Lippen. Sein maskierter Nebenmann schwieg. Als ich das siegreiche Grinsen auf seinem markanten Gesicht sah, kroch der Zorn in mir hoch. So sehr ich es auch versuchte, ich konnte meinen Wutausbruch nicht zurückhalten. Verbittert ballte ich meine Fäuste, biss knurrend auf meine Unterlippe und sah unerschrocken zu dem übermächtigen Kapitän auf. Meine Stimme war ruhig, zu ruhig. Keine Emotionalität besitzend. Meine Augen waren es, die all meine Emotionen in einen Blick gebündelter Intensität wandelten.   „Warum hast du sie ermordet?“ Keine Frage. Eine Anklage. In abgrundtiefer Bitternis ausgesprochen. Meine Worte waren einzig an den Kapitän gerichtet. Die Tödlichkeit seiner goldenen Waffen ließ meinen Körper erstarren, nicht aber meine Stimme. „Warum, verdammt?!“   Ein Erdbeben von erzitterndem Metall, das ihrem Meister zu Füßen lag. Bedrohlich knirschte es unter seinen schweren Stiefeln, während er zu mir herunter trat. Sein Vize folgte ihm in absoluter Lautlosigkeit. Dann stand der Kapitän vor mir. Seine breite Figur warf einen dunklen Schatten über die meinige. Ich musste weit zu ihm aufschauen, um den Blickkontakt nicht zu unterbrechen. Erbarmungslos war sein Blick. Mächtig seine Haltung. Herrschend seine tief-raue Stimme.   „Mitleid bekommt man geschenkt, Respekt muss man sich verdienen.“ Seine Worte waren seine vollste Überzeugung. Beim Sprechen leuchteten seine Augen in klarem Gold auf. „In dieser abgefuckten Welt zählt das Überleben des Stärkeren. Wer das Gesetz der Grandline nicht rafft, hat auf ihr nichts verloren“, wurde sein Blick auf mich herablassend, folgend von Arroganz. „Ich, Eustass Captain Kid, bin der Stärkste. Ich werde mir das One Piece holen und Piratenkönig sein-!“   „Du irrst, Eustass-ya.“   Niemand wusste, woher die fremde Stimme kam. Nirgendwo war jemand zu sehen. Wir hatten Besuch bekommen. Nicht verwunderlich, der Kampflärm war meilenweit zu hören.   Dann geschah es. Etwas, was ich nie wieder vergaß. Willkürlich griff der Hüne nach einem Gegenstand, der zwischen den Trümmern lag: Eine marineblaue Kappe. Im gleichen Herzschlag setzte er sie mir forsch auf. Aus Abwehrreflex hob ich meine Hand, deren blutender Rücken die Seine kurz streifte. Ein Blutpakt mit dem Teufel. Die Kappe wurde mein Eigen durch Eustass Captain Kids Hand.   „Kleiner“, wurde seine raue Stimme leiser, wandelnd zu befremdlicher Ruhe und absoluter Autorität. „Sieh genau hin, bevor du über andre urteilst“, nahm sein sonst so animalischer Stimmton einen gar menschlichen Klang an. Seine nächsten Worte überraschten mich noch viel mehr. „Die Stiefellecker der Marine haben noch nicht in den Schnee gebissen.“   Sie leben?, weiteten sich meine Augen unter der Kappe. Jetzt fühlte ich mich wie der letzte Vollidiot. Ich hatte ihn zu unrecht beschuldigt. Reue grub sich in meine zerstreute Gedankenwelt, deren Emotionen ich nicht ordnen konnte.   Mit einer flinken Handbewegung schob Killer den gelben Schirm meiner Kappe soweit herunter, dass ich so gut wie nichts sah. Neben ihm lachte sein Kapitän in gewohnter Manier rau auf.   „Was für'n hässliches Teil“, kommentierte er grinsend. Seine Stimme wurde durch die Außenpolster meiner Kopfbedeckung gedämmt. An das neue Gefühl musste ich mich erst gewöhnen. Warum... hat der Captain mir die Kappe gegeben?   Zeit zum Nachdenken blieb mir ohnehin nicht. Die Atmosphäre stand von einer auf die andere Sekunde unter Hochspannung. Der Luftdruck verstärkte sich spürbar. Das ruhige Atmen fiel mir plötzlich verdammt schwer. Wie paralysiert stand ich reglos an Ort und Stelle, während die wenigen Zuschauer, die in unserer Reichweite standen, schnellstmöglich das Weite suchten. Gefahr nahte.   Der rothaarige Kapitän spürte das Nähern des Fremden, wie sein Vize es tat. Beide bauten sich aus Instinkt auf, die Muskeln ihrer geradestehenden Körper spannten sich an. Die Aura des Teufels flackerte in höllischer Dunkelheit auf. Kollidierend mit der starken Aura, die Skalpell-scharf wirkte. Ein Sturm zweier Autoritäts-Präsenzen wurde entfacht.   Langsam, in absoluter Gefasstheit hallten die grazilen Schritte von Absatzschuhen über den Asphalt. Näherten sich uns. Die ehrfurchtgebietende Figur trat hinter den Trümmern hervor. In einer Armbeuge sein Katana tragend, welches er ruhig gegen seine rechte Schulter klopfte. Seine Augen waren im Schatten seiner Mützenkrempe verborgen. Bis er neben uns zum Stillstand kam und sein geschärfter Blick den des anderen Kapitäns schnitt. Die Natur war in haltloser Aufruhr, als Gold und Silber aufeinandertrafen.   „Eustass-ya.“ Kühl und nüchtern klang der distanzierte Gruß. Mit eingeschränkter Sicht sah ich lediglich seine braun-blau gefleckten Hosenbeine. Doch meine rechte Schläfe begann heftig zu schmerzen. Ein amüsiertes Schmunzeln begleitete den höflichen Stimmton voller Sarkasmus. „Wie erfreulich dich zu sehen. Die Grandline ist überaus klein, nicht wahr?“   Der Hüne spuckte ihm seine Antwort – in all seiner Nettigkeit – vor die Füße. „Fick dich.“ „Zwei vollständige Worte, statt eines Knurrens? ...Ich bin beinahe beeindruckt.“   Der aggressive Knurrlaut des Bluthunds wurde lauter. Seine Ausdrucksart derber, 'South Bluisher'. Doch schwang in seiner feindlichen Stimme noch etwas anderes mit; dreckige Obszönität.   „Hast'e nichts bess'res zu tun, als mir auf die Eier zu geh'n, Fucking-falgar?“, ging sein Knurren in ein tieferes Raunen über, während er sich durch seine rote Haarpracht fuhr und sein goldener Blick auf den anderen zu glühendem Bernstein wurde. „Du kannst 'se mir lutschen. Ich werd dich nicht davon abhalten, vor mir auf die Knie zu geh'n.“   Silberne Augen blitzten auf. Seine Mundwinkel glitten nach oben, zu einem unheimlichen Mimikspiel. „Welch reizendes Angebot von dir, Mister Androsteron. In einem anderen Leben würde ich es unter Umständen des nahenden Weltendes annehmen. Schlimmstenfalls. Zurzeit habe ich jedoch dringlichere Angelegenheiten zu erledigen.“   Androsteron ist ein männliches Sexualhormon, das in der Leber gebildet wird... Woher weiß ich sowas?   Viel wichtiger: Streiten sie, oder ist das in Wirklichkeit ihr Vorspiel?   „Solang's nicht die Beinakrobatik in meinem Bett is', is' es mir scheißegal, was du zu tun hast.“ Seine Zunge leckte langsam und herausfordernd über seine roten Lippen. Das war nicht mehr zweideutig, sondern eindeutig. Silberne Augen verfolgten die Bewegung desinteressiert, während seine tätowierten Finger über die Kreuz-verzierte Schwertscheide seines Katanas fuhren. Amüsement lag in seinem kühlen Stimmton. „Wie vulgär. In meiner Sprache nennt man dies: Fluid-Transition.“   Die Umschreibung ist keinen Deut besser!   „Verschieben wir diesen Diskurs auf den Zeitpunkt der gefrierenden Hölle“, erklärte er das was-zum-Henker-auch-immer-das-war für beendet. In der nächsten Sekunde wurde seine Stimme absolut ernst. „Es liegt mir fern, dich fragen zu wollen, Eustass-ya; Ich befinde mich auf der Suche nach jemandem.“   Plötzlich spürte ich seinen höchst interessierten Silber-Blick auf mir. „Ein... neues Opfer deiner bizarren Horror-Show? Mein Beileid an den Geschädigten.“   Der Ellenbogen, den der Hüne hart auf meine Schulter stemmte, war verdammt unangenehm. Ich musste angestrengt gegen das schwere Gewicht drücken, um nicht unter seiner Muskelmasse runterzugehen.   Dreckig grinsend sagte er; „Geht dich 'n Scheiß an. Meine Männer sind wenigstens echte Kerle, keine Pussys in weißen Kartoffelsäcken.“   Hat er mich gerade zu 'seinen Männern' gezählt...? Unmöglich... niemals... das würde er nicht tun...   Was soll ich getan haben, um seinen Respekt zu verdienen?   Der Fremde musterte mich erneut intensiv. Den Kommentar überging er bewusst. Bloß ein Zucken seines Augenlids zeigte seine Abneigung gegenüber der abfälligen Bemerkung zu seiner Crew. Dann lenkte er mit einem verdächtigen Schmunzeln ab.   „Übrigens haben wir dein metallisches Präsent erhalten. Wenn ich genügend Stauraum hätte, würde ich es natürlich mit höchster Freude bewahren. Tragischerweise muss ich es dir zurückgeben. Ich erwidere Gefälligkeiten, solltest du wissen...“   „Steck dir dein aufgeblasenes Geschwafel in deinen-“ Eine Explosion. Nah dem Ankerplatz des Kid-Piraten-Schiffs. „Es ist doch immer wieder angenehm, Unterhaltungen auf intellektuellem Niveau mit dir zu führen.“   Damit verabschiedete sich der Unbekannte von der rothaarigen Zeitbombe, deren Zündschnur rapide abbrannte. Bevor er seinen schmunzelnden Feind mit lackierten Greifern zu packen bekam, war dieser längst verschwunden. Der Katana-Träger trickste ihn aus. Mogelte bei seiner Geschwindigkeit. Mit einem einzigen Wort, welches er absichtlich in meiner Gegenwart aussprach.   „Shambles.“   ...Und es erfüllte seine Bedeutung.   Das heillose Durcheinander in meinem Innersten zersplitterte und wirbelte dann in tausenden Bildern auf. Zu einem unaufhaltsamen Strudel an Momentaufnahmen werdend. Jede von ihnen eine Erinnerung, die sich nach und nach im Schnellfeuer zusammensetzte. Wie eines von Laws künstlerischen Kuriositäten... Ich erinnerte mich. An alles. Absolut alles.   Lass dir nichts anmerken... Sobald sie es wissen, bist du Geschichte...   Plötzlich war ich wieder ich selbst. Mitsamt meiner charakterlichen Stärke als Heart-Pirat. Mein emotionales Durcheinander war mit einem Mal von Law in Ordnung gebracht worden. Das nennt man wohl 'Schocktherapie' ganz ohne 'Counter Shock'...   Hinter dem Schirm meiner Kappe warf ich einen flüchtigen Seitenblick zum Massaker Soldaten. Er hatte sich bisher keinen Millimeter bewegt. Sein stillstehendes Schweigen wirkte schauerlich beängstigend. Stumm dankte ich meiner Kappe dafür, dass sie meine Mimik versteckte. Das schmerzvolle Zusammenkneifen meiner Augen wäre unübersehbar gewesen. Der intensive Kopfschmerz ebbte nur langsam ab. Mir lief eine Schweißperle die Stirn herab, während mein Gesicht mit Sicherheit um einige Nuancen bleicher war. Mit meinem Zeigefinger und Daumen zog ich den gelben Kappenschirm tiefer. Sicher ist sicher...   Was soll ich jetzt bloß machen? Wie komme ich zurück zu den anderen?   Ich kann mir wohl kaum den Weg frei schießen... Gegen das irre Dämonen-Duo von Kapitän und Vize habe ich keine Chance...   Hätte ich doch nur meinen Revolver dabei... Meine Betäubungs-Patronen wären nun wirklich hilfreich...   Ich habe die Magnum selbst angefertigt... Shachi hat die Kugel-Umhüllungen hergestellt... Und ihr Kern ist ein chemisches Experiment meines Käpt'ns...   Bei dem Gedanken an meine Crew zierte ein aufrichtiges Grinsen meine Lippen. Was nicht unbemerkt blieb.   „Was gibt’s zu grinsen, du Shrimp?!“ An einem muss er seine schlechte Laune ja auslassen... „Schieb' deinen Arsch aufs Schiff und schrubb' das Deck mit 'nem Nagellackpinsel!“   „Jawohl!“, salutierte ich gespielt – Die Furcht vor einem Nein war echt. Ich musste den Befehlen des Captains Folge leisten und vorerst wohl oder übel bei den Kid-Piraten bleiben. Warum? Weil ich geschockt sah, wie unser U-Boot in der Ferne langsam abtauchte.   Lasst mich nicht hier! Nicht bei diesen Wahnsinnigen!   Oh, wie ich mein Unglück doch verfluche...   Plötzlich kam mir eine Schnapsidee. Eine der lebensmüden Sorte. Ohne Zweitgedanken zog ich die Pistole. Der Schirm meiner Kappe lag tief über meinen Augen, die ich nun schloss. Ruhig ein und ausatmend, entriegelte ich die Schusswaffe und streckte meinen Arm in Richtung Himmel, wo ihr Lauf hinzeigte. Dann feuerte ich: Zweimal schnell. Zweimal langsam. Zweimal schnell. Die Luft durchströmt von Schießpulver, erfüllt von der Melodie singender Schüsse.   Sechs Schüsse insgesamt – Die Kurzform eines SOS-Signals, welches nur dem Schützen der Heart-Piraten vorbehalten war. Peng – mein Name war meine Profession.   Die Klänge der Pistole und meines Revolvers unterschieden sich jedoch wesentlich. Womit der Wiedererkennungswert des Notrufs einzig von der Schussfolge abhing. Meine Chancen, dass ein Heart-Pirat sie auf Entfernung hörte und deuten konnte, waren sehr gering, bis nicht vorhanden. Ich spielte North Bluishes Roulette, meine letzte Patrone auch meine letzte Rettung... oder Vernichtung.   „Was zum Fick sollte das?!“, wurde ich grob am Hemdkragen gepackt und ruppig hochgezogen. Mein Kappenschirm verwehrte mir die Sicht auf sein wutverzerrtes Gesicht. Seine am Hals pulsierende Zornesader sah ich deutlich. Mit einer wegwischenden Handbewegung entriss er mir die Pistole, die mithilfe seiner starken Kräfte in weite Ferne geschleudert wurde. „Lass dir besser 'ne fucking Erklärung einfallen. Sonst werden's deine letzten Worte sein!“   Ich bin ein stolzer Heart-Pirat..., riefen meine Erinnerungen ab, die der Schlüssel zum Durchbeißen waren. Bloß sein Vize konnte jede meiner Lügen durchschauen. Seinen Verstand zu überlisten war die wahre Herausforderung. Wenigstens konnte er meine Augen nicht sehen und aus ihnen lesen. Ich entschied mich für die Halb-Wahrheit, die das Wichtigste verschleierte.   „Ich bin durcheinander“, gab ich offen zu, den Schwächeren mimend, der ich in diesem Moment auch war. „All die Verletzten haben mich wirr gemacht... Ich will- Ich kann niemanden töten und hab die Trommel leer geschossen, ehe ich es doch tue. Bevor ich jemanden erschieße, richte ich mich eher selbst.“   „Wäre besser für dich gewesen“, knurrte er mir ohne Skrupel zu und stieß mich hart zu Boden vor seinen Stiefeln. Sein animalisches Knurren wurde tiefer, zur puren Bedrohlichkeit. „Noch so 'ne Aktion und ich sorg' höchstpersönlich dafür, dass du dir freiwillig den Schädel wegpustest.“   Ein schnelles Nicken meinerseits. Fünf Dankesgebete zu wer-auch-immer-sie-hören-will und ein erleichtertes Ausatmen. Das war echt verdammt knapp. Der Teufel hatte mich verschont. Ein allerletztes Mal. Ab jetzt bewegte ich mich auf des Sensenmanns Schneide.   So oft, wie ich in den letzten beiden Tagen hätte draufgehen können, ist es ein wahres Wunder, dass ich noch lebe...   Vielleicht habe ich mein Glück doch unterschätzt... Oder jemand anderes hat seine Finger im Spiel...   Warum hat Eustass Kid mich am Leben gelassen? Wieso hat er mich überhaupt auf sein Schiff mitgenommen? Welche Rolle spiele ich in dem Ganzen?   Ich bin immer noch so verdammt verwirrt...   Leise seufzend rappelte ich mich auf und rannte los, in Richtung Kid-Piraten-Schiff. Dicht gefolgt von meinem blonden Wächter, dessen geschärfter Blick sich in meinen Rücken bohrte. Dass seine Finger über dem Rotations-Knopf für seine Todessensen blieb, entging mir nicht. Er ahnte sehr wohl etwas. Ich hoffte bloß, dass er seine Vermutung früher oder später verwarf.   Es war seltsam. Je näher ich dem Schiff der Kid-Piraten kam, desto wohler fühlte ich mich. Nicht sicherer, aber besser. Hauptsache weg von dem Schauplatz des Grauens.   Als wir am Ankerplatz ankamen, sahen wir die Auswirkungen von Laws `Geschenk´. Ja, er hatte die riesige Kanonenkugel zurückgefeuert. Doch zuvor modifiziert, sodass sie beim Aufprall mit der Meeresoberfläche ihren Inhalt entlud. Es waren Innereien. Besser gesagt: Herzen. Eine Vielzahl in Würfelform von ihnen, die nun pulsierend auf dem Deck des Schiffes verstreut lagen.   Die 'Scherze' meines Käpt'ns sind schon immer makaber gewesen... Es ist die Art von schwarzem Humor, über die nur der Humorist selbst schmunzelt...   Leicht grinsen musste ich trotzdem. Aber fielen meine Mundwinkel sofort, als mir bewusst wurde, dass ich derjenige war, der die Sauerei wegmachen musste. Ein Nagellackpinsel reichte dafür definitiv nicht.   Vergnügt schmunzelnd hielt Killer mir einen Stoffsack hin. Sein Schmunzeln konnte ich regelrecht spüren. Er ergötzte sich an meinem Leid. Der Mistkerl machte sich einen Spaß daraus.   Dir werd ich's noch zeigen, verfluchter Kid-Pirat! Einem Heart-Piraten kannst du nicht das Wasser reichen-!   Stattdessen reichte er mir eine Mullbinde. Womit er mich überraschte. Misstrauisch sah ich von ihr zu seinem maskierten Gesicht, ehe ich sie zögerlich annahm. Meine Schussverletzung habe ich fast schon wieder vergessen...   Erst jetzt spürte ich das Brennen meines Handrückens bewusst. Mich zu verarzten war eine verdammt gute Idee. So suchte ich zunächst in seiner Begleitung den Duschraum auf, wo ich die Wunde sorgfältig auswusch. Ohne unsere Medizinausrüstung konnte ich meine linke Hand nur notdürftig verbinden. Besser als nichts war es allemal.   Zurück an Deck begann ich mit dem Einsammeln der Herzen, wofür ich meine rechte Hand benutzte. Eine Drecksarbeit war das. Jedes Organ brachte neue Flüche über meine Lippen.   Den Abend konnte ich getrost in der Dusche verbringen.   „Du hast dort ein Herz übersehen.“ „Ich weiß. Danke für die Erinnerung.“ „Keine Ursache.“   Unser Umgang miteinander war merkwürdig offen. Ich spürte keine Barriere zwischen uns. Seit wir wieder auf dem Schiff waren, war alles beim Alten. Was mein Misstrauen nur weiter schürte. Nun, wo ich im Besitz meiner Erinnerungen war, musste ich mehr denn je aufpassen. Doch durfte ich mich ihm gegenüber auch nicht anders verhalten.   Eine Bewusstseinsstörung ist also doch schneller heilbar, als erwartet... Aber hat sie dadurch irgendwelche Nebenwirkungen hinterlassen?   Das sollte die Zukunft zeigen. Momentan konzentrierte ich mich auf die Gegenwart. Während ich aufräumte, lehnte Killer sich gegen die Reling und putzte seine Klingen. So oft wie zuvor beobachtete er mich nicht mehr. Bloß hin und wieder hob er seine Maske in meine Richtung. Oder macht er das mit Absicht?   Niemand wusste genau, wohin seine versteckten Augen blickten. Es blieb eines seiner Mysterien. Durch meine Kappe waren die Meinigen auch verdeckt. Im Schatten des Kappenschirms warf ich ihm mehr Blicke zu, als mir bewusst war. Nun war ich sein Beobachter geworden.   Wenn du weißt, dass ich mich erinnere... Was hast du dann mit mir vor?   Hinter Killer zogen die nachmittäglichen Wolken vorbei. Die Wintersonne tauchte den Horizont in intensive Orangefarben. Der Gesang der Wellen stimmte die Symphonie der See an. Killers Figur warf einen leichten Schatten über das Deck, auf dem ich kniete. Stumm lauschte ich der Natur, spürte den kühlen Wind auf meiner Haut und das leichte Schaukeln des Schiffes unter mir. So ruhig war es selten auf der Grandline. Momente wie diese waren für Piraten unersetzlich.     Freiheit und Abenteuer... Dafür stehen wir...   Familie und Freunde... Für sie leben wir...   Verbündete vertreiben die Einsamkeit... Sind das Licht im Dunkel des Meeres...   Als Heart-Pirat kenne ich die finsterste Ozeantiefe... Weiß um den Wert eines Lichtblicks...   Ein Blick zu ihm... Und ich spüre es...   Der Schicksalssturm der Grandline ist unaufhaltsam. Unsere Zukunft ist aneinander gebunden.   Was wirst du für mich sein, Killer? Mein Dunkel oder mein Licht?   Die Antwort ist: beides. ...Mein Seelenschatten.   Lauernd auf ein Zeichen von Schwäche, drohend mich zu verschlingen.   Ein Herzschlag davon entfernt, mit den Fingern des Todes nach mir zu greifen.     Am morgigen Tag fälltest du eine Entscheidung, die unser beider Leben veränderte. Kapitel 3: Die Augen des Sturms ------------------------------- Ein Killer ist nicht gleich ein Mörder... Die Art ihres Handelns unterscheidet sie wesentlich.   Ein Mörder meuchelt nach eigenem Willen... Ein Killer richtet einzig im Auftrag seines Befehlsgebers.   Ohne Kids Wort erhebe ich meine Sicheln nicht. Sein Befehl ist mein Wille.   Es macht mich weder menschlicher, noch schuldloser. Es nährt nur den Schatten meines inneren Dämons.   Ist mein Captain wahrlich der Teufel? Ich der Todesengel?   Wir das Böse, das andere glauben in uns zu sehen?   Welches Recht habt ihr, uns zu verurteilen? Ihr wisst nichts über uns...   Wo liegt der Unterschied zwischen Gut und Böse? In einer verdunkelten Welt existiert keines von beidem.   Wir segeln lediglich auf der falschen Seite des Himmels; Auf der des höllischen Meeres.   Wir sind keine Monster. Auch wir besitzen ein Herz.   Wir sind die Kid-Piraten. Männer mit einem Herz aus Metall.   Es hört einzig auf den Ruf der Freiheit, angezogen durch Magnetismus, bewegt durch Loyalität, schlagend im Rhythmus der See.   Ihre Wellen sind es gewesen, die dich zu mir gespült haben... Wie lange wirst du den Stürmen des Ozeans trotzen können, Heart-Pirat?   Dies ist eine Prüfung des Herzens... Dein Name wird dir nicht von Nutzen sein.   Denn du bleibst, wie ich ein Pirat... Frei von Schuld ist niemand von uns.   Eine weitere Sünde ist nichts... Bist du es würdig, die meinige zu sein?       ~ 愛 ~       Dumpf klopfte ich mit meinem Zeigefinger gegen die Metalltür von Kids Kajüte. Zwölf Schläge. Das Klopfzeichen im Takt der Liedstrophe: `Jo-ho... Jo-ho... Jo-ho und ne Bud-del voll Rum.´   Kid konnte Metall nach ihm rufen hören. Er nahm selbst die kleinste Schwingung dessen wahr. Es gehorchte seinem Meister bis auf die letzte Schraube.   Stark vibrierte die kühle Oberfläche an meinen Fingerrücken, ehe sich die schwere Tür in Begleitung eines quietschenden Surrens vor mir öffnete. Lautlosen Schrittes trat ich ein. Der Geruch von Öl, Schwarzpulver und Eisen schlug mir entgegen. Hinter mir ertönte der Türknall, vor mir das Geräusch der Stiefel, die mein Captain hart auf seinem Holztisch platzierte. Locker verschränkte er seine Arme hinter seinem Kopf und lehnte sich grinsend in seinem vergoldeten Königssessel zurück.   „Hast'e Rum mitgebracht?“, war seine belustigte Begrüßung, die mich hinter meiner Maske leicht schmunzeln ließ. Lässig warf ich ihm die Flasche zu, mühelos fing er sie mit einer Hand auf. „Frisch abgefüllt“, teilte ich ihm monoton mit und lehnte mich – seitlich zu ihm gedreht – gegen die Tischkante. Nicht umsonst war ich zuvor zu unserem Rumfässer-Lager gegangen. Heat stellte unseren Edel-Rum selbst her; durch Gärung aus Zuckersirup von Zuckerrohr, folgend dem Destillations-Prozess und abschließender Fass-Reifung. Wenn einer Schnaps brennen konnte, dann Heat.   Kid zog seinen Dolch aus seinem Brustgürtel und rammte die Dolchspitze zwischen Flaschenhals und Korken. Mit einer geübten Handbewegung hebelte er ihn aus, woraufhin der Korken ziellos durch den spärlich beleuchteten Raum flog. Die beiden schwarzen Kerzenständer hinter meinem Captain verliehen seiner machtvollen Erscheinung einen schattenhafte Hauch, ließen seine markanten Gesichtszüge gefährlicher wirken. Sein dunkles Grinsen, beim Ansetzen der Flasche, strahlte Selbstherrlichkeit und Unbeugsamkeit aus. Ich wusste, warum ich Kid die ewige Treue geschworen hatte. Mein Leben diente dazu, ihm zum Königstitel zu verhelfen.   „Die Neue Welt erwartet uns“, sprach ich meinen Gedanken nachdenklich aus und verschränkte meine Arme locker vor meiner gepunkteten Bluse. Meine versteckten Augen blieben auf den flackernden Kerzen hinter ihm. „Jedoch können wir nicht weitersegeln, solange unser Passagier hier ist.“   Kids goldene Augen schweiften zu mir, über den Flaschenrand sehend. Mit einem ungeduldigen Handschwenken forderte er mich auf, weiterzusprechen. Wie so oft, führte ich einen Monolog, statt eines Dialoges, indessen er in Ruhe seinen Rum trank.   „Die Heart-Piraten sind auf der Suche nach ihm. Trafalgar Law hat uns bereits in Verdacht. Es wird nicht lange dauern, bis er uns auf die Schliche kommt“, erklärte ich in gleichbleibend eintöniger Stimmlage und zog einen meiner Mundwinkel schmunzelnd nach oben. „Alles läuft gänzlich nach deinem Plan, Captain.“   „Ha! Wenn das kein Grund zum Saufen ist!“, lachte er rau auf und hob die Flasche, gegen deren Hals er grinste. „Wie macht sich unser Frischling?“   „Kann mich nicht beklagen“, wurde mein Schmunzeln untermalt von Amüsement, begleitet von einem Schweigen, in welches ich mich hüllte. Gedanklich ließ ich die Stunden mit dem Heart-Piraten Revue passieren, bis ich erneut zum Sprechen ansetzte. „Er ist der rebellische Typ. Nichts, womit ich nicht fertig werden würde.“   Kids rote Lippen formten eines seiner dreckigsten Grinsen. Und ich wusste bereits, was nun folgte.   „Nimm ihn nicht zu hart ran.“ Die pure Obszönität. „Wir brauchen ihn noch... und hör auf mit deinen Augen zu rollen, Kira. Ich weiß, dass du mindestens genauso dreckig grinst wie ich“, konnte er meine maskierte Mimik exakt deuten. Sein Grinsen verfinsterte sich, sowie seine raue Stimme tiefschwarze Bedrohlichkeit annahm. „Sobald er sich erinnert, weißt du, was du zu tun hast.“   Dunkel lachend knallte er die halb-leere Rumflasche auf den Tisch, sodass das Holz unter mir leicht bebte. Daraufhin fuhr er sich lässig durch seine rote Mähne, deren haltende Fliegerbrille er sich in der fließenden Fingerbewegung über seine Augen schob. „Ich mach mich zurück in die Werkstatt. Halt hier oben die Stellung.“   Schwungvoll stand er auf, warf seinen getragenen Mantel über die Stuhllehne und steuerte dann die metallische Luke hinter seinem Sessel an. Mit einer wegwischenden Handgeste öffnete er sie und zeitgleich ebenfalls die Kajütentür. „Aye, Captain“, nickte ich ihm noch zu, ehe ich ihn allein ließ. Wenn Kid in eines seiner Metallwerke vertieft war, durfte ihn nichts und niemand stören. Als Vize hatte ich dafür höchstpersönlich Sorge zu tragen. Darüber hinaus war es zurzeit früher Morgen, die meisten Männer befanden sich noch in ihren Kojen. Zumindest diejenigen, die es in Trunkenheit zurück aufs Schiff geschafft hatten. Der Rest schlief in dessen Nähe. Wie immer sollten sie nach und nach den Weg zur Adventure Galley finden – Den Pfad nachhause konnte ein Kid-Pirat niemals verfehlen.   Gespräche zwischen Kapitän und Vize oblagen stets strengster Geheimhaltung. Keiner durfte sich währenddessen im Gang zur Kapitänskajüte aufhalten. Obgleich die schwere Metalltür jedwedes Geräusch nach Außen abschirmte. Selbst ein einprozentiges Risiko war ich nicht gewillt einzugehen – Es war ein Prozent zu viel. Ich rottete Risiken aus, noch ehe sie entstehen konnten. Die chaotischen Jahre an Kids Seite hatten mich gelehrt, Pflicht und Verantwortung zu Präzision und Strategie zu modifizieren. Ich haftete für den kleinsten Fehltritt eines jeden Mannes an Bord, war autorisiert für jeden einzelnen von ihnen. Den Titel des Vize trug ich mit Stolz.   Gleicherweise fühlte ich mich für den Heart-Pirat ohne Namen verantwortlich. Dies jedoch weniger freiwillig; Hiergegen auf Befehl meines Captains. Er trug mir diese Aufgabe auf, die ich folgsam erledigte. Emotionen verbot ich mir selbst. Nüchtern und sachlich stand ich dem Ganzen gegenüber. Ich war ein Mann der Neutralität. Meine Wahrnehmung blieb stets objektiv. Wenn andere zwischen Schwarz und Weiß wählten, entschied ich mich für Grau.   Lautlosen Schrittes begab ich mich zum Deck. Dem Heart-Piraten wies ich zuvor an, dort auf mich zu warten. Nicht ohne Aufsicht; Wire sollte ihn unauffällig bewachen und keine Gewalt scheuen, falls nötig.   An Deck empfing mich ein Bild, welches mich meine Augenbraue nach oben ziehen ließ. Im Krähennest sah ich Wire, der mir einen kurzen Blick zuwarf und ratlos mit seinen Schultern zuckte. Selbst aus der Entfernung konnte ich seine stumme Lippenbotschaft lesen: `Der Heart-Pirat tut seit einer Stunde nichts anderes.´   Vor mir auf den Dielen lag der Kappenträger, der seine Umgebung vollends ignorierte. In regelmäßigen Abständen spannte er seine sichtbaren Muskeln an und richtete seinen freien Oberkörper auf. Seine Arme waren hinter seinem Kopf verschränkt, seine Beine angewinkelt. Sit-ups. In aller Ruhe trainierte er auf feindlichem Boden.   Als er mich bemerkte, stoppte er in seiner aufrichtenden Bewegung und drehte seinen Kopf schief zu mir. Seine linke Augenbraue war durch einen dünnen Schnitt gespalten, ebendiese hob er nun.   „Was? Mir war langweilig“, erklärte er beiläufig und nahm sein konstantes Bewegungsmuster wieder auf. Sein Blick auf den morgendlichen Himmel gerichtet, nuschelte er unter leicht angestrengtem Atem; „Zwischen all den Muskelpaketen hier kratzt das an meinem Stolz...“   Es ist nach wie vor interessant, wie er Dinge wahrheitsgemäß zugibt, obwohl sie ihm unangenehm sind..., analysierte ich sein Verhalten. Mit jeder meiner Beobachtung ergründete ich sein charakterliches Schema detaillierter. Zugegeben; Mit der spontanen Trainingsübung hatte er mich dezent überrascht. Nur dezent.   Seine Sportbewegungen gerieten leicht ins Unsichere, den Grund dafür teilte er mir murrend mit; „Du machst mich noch nervös, wenn du bloß rumstehst und mich angaffst“, gab er offen zu, ohne mich anzusehen, und seufzte leise. „Mach dich mal locker und sei nicht immer so verdammt steif.“   `Steif´...?, glitten meine Mundwinkel hinter meiner Maske schmunzelnd nach oben, für niemanden sichtbar. Öfter als manch einer vermuten würde. Zweideutigkeiten machten das Leben vergnüglicher. Langsam kniete ich mich auf einem Bein zu ihm herunter, in seine Distanzzone, ehe ich monoton erwiderte; „Soll ich dir zeigen, wie steif ich sein kann?“   Seine Reaktion fiel exakt so aus, wie ich es kalkulierte. Meine anzügliche Bemerkung, mitsamt meiner Nähe brachte ihn sichtlich aus dem Konzept. Knurrend drehte er seinen Kopf von mir weg; „Lass stecken-“, begann er und korrigierte sich dann schnell selbst. „Nicht wortwörtlich! Bild dir bloß nichts darauf ein.“   „Mir etwas einbilden?“, wurde mein amüsiertes Schmunzeln selbstgewiss. Ich war zentrovertiert und von mir selbst gänzlich überzeugt, von meinem Körper gleichermaßen. Geschickt, doch demonstrativ öffnete ich den einzigen Knopf, der meine über Muskeln gespannte Bluse geschlossen hielt. In meiner knienden Position vor ihm streifte ich sie mir fließend von meinen Schultern und ließ sie achtlos neben seinen Kopf fallen. Aus den Augenwinkeln beobachtete er meine Bewegungen akribisch. Meinen Unterarm selbstbewusst auf meinem Knie abstützend, zeigte ich ihm mein Muskelspiel, indem ich meine Brustmuskulatur fest anspannte. „Ich habe es nicht nötig, mir etwas einzubilden; Die Fakten sprechen für mich.“   „Verfluchter Angeber...“, zischte er leise, rutschte jedoch keinen Zentimeter von mir weg und nahm seinen Seitenblick auch nicht von mir. Der anerkennende Unterton seiner undeutlich werdenden Stimme verriet seine wahren Gedanken, die er widerwillig knurrend aussprach. „Als ob mich das beeindrucken würde- ...Okay, tut es. Aber nur ein winzig kleines bisschen!“   Er streitet es ab und gibt es gleichzeitig zu... Tonlos lachte ich auf, für niemanden hörbar. Sein gegenteiliges Gedankenmuster ist höchst außergewöhnlich...   Wie unterhaltsam... Für mich – der ich einen Scharfsinn besaß, dem nichts entging – hatte es einen gewissen Reiz, seine Gegensätzlichkeiten zu demaskieren. Es forderte mein Denken. Trainierte meine Sinne. Und amüsierte mich gänzlich. Es war mir ein Vergnügen, ihn durcheinanderzubringen. Selbst jetzt noch versuchte er meinen präzisen Verstand zu überlisten. Was ihm nicht gelingen konnte. Ein netter Versuch, dessen ausdauernden Eifer ich anerkannte.   Einen Moment beobachtete ich ihn beim Trainieren, was jedoch schnell eintönig wurde. Training? Wieso eigentlich nicht... Wortlos erhob ich mich und holte eine große Zweihandhantel, bevor ich mich wie selbstverständlich neben den Heart-Piraten legte. Er besah sich argwöhnisch die schwarze Hantel, deren Stange ich fest umgriffen hielt, und grinste dann herausfordernd.   „Jetzt willst du's mir aber richtig zeigen, was?“, wurde sein Halb-Grinsen zu einem Ganzen, indessen er den gelben Schirm seiner Kappe tiefer zog. Dies ließ sein ehrliches Grinsen mit strahlend-weißen Zähnen noch deutlicher zur Geltung kommen. Es wirkte fies und heiter zugleich. „Dann zeig mir, was du drauf hast.“   Übermotiviert nahm er seine Trainingsübung wieder auf, woraufhin ich es ihm gleich tat. Mit angewinkelten Beinen begann ich das übergroße Gewicht zu stemmen. Zunächst langsam, immer schneller werdend, bis ich ein Rekordtempo annahm. Auch seine aufrichtende Sportbewegung gewann an Geschwindigkeit. Mit der meinigen mitzuhalten war jedoch unmöglich. Wir achteten nur noch aufeinander, nichts und niemanden sonst. Obgleich meine geschärften Sinne stets überall waren. Infolgedessen nahm ich unterbewusst Heats fassungslose Stimme wahr.   „Alter, was geht'n hier ab? Hab ich was verpasst?“, sah er vom Hauptmast aus blinzelnd auf das ungewöhnliche Bild, welches wir abgaben, und kratzte sich an seinem Rastas-zierenden Hinterkopf. Ein ratsuchender Blick zu seinem besten Freund, der vom Krähennest zu ihm herunter kletterte, und er erhielt seine Antwort in Begleitung eines seufzenden Kopfschütteln. Dabei hielt sich Wire mit schwarz lackierten Fingernägeln seinen Nasenrücken. „Sieh nicht hin. Sieh einfach nicht hin.“   „Ist das wie 'n Unfall?“ „So ähnlich... nur schlimmer.“   „Darauf brauch ich erst mal 'nen Schnaps“, lachte Heat schulterzuckend und schlurfte Richtung Schnapskeller. Er war nicht ansatzweise ausgenüchtert und trotz dessen viel zu nüchtern hierfür. Für den Phlegmatiker – die Trägheit in Person – war Training vor, während oder nach einem Saufgelage eine Paradoxie. So, wie für den ihm folgenden Wire – der personifizierte Gleichmut. Warum wir uns bewusst mit forderndem Krafttraining stressten, war ihnen beiden unerklärlich.   Da es mir gänzlich gleich war, was andere von meinem Handeln hielten, ließ ich mich keineswegs bei meinem Hantel-Training stören. Im Gegensatz zu dem Kappenträger, der Heats Bemerkung nicht kommentarlos auf sich sitzen ließ.   „Wen nennst du einen Unfall?!“, rief er ihm hinterher, setzte sich abrupt auf und durchbohrte Heats Rücken mit seinem giftigen Blick aus dunkelgrünen Augen. Ohne sich umzudrehen oder anzuhalten, zuckte Heat träge mit seinen Schultern, was den Heart-Piraten keinesfalls zufrieden stellte. Murrend verschränkte er seine Arme vor seiner freien Brust und knurrte unverständliche Flüche in den dunklen Seitenstoff seiner Kopfbedeckung. Dass er dabei nicht unbedingt bedrohlich aussah, rieb ich ihm – freundlich, wie ich war – nicht unter die Nase. Zumindest nicht direkt.   „Wem möchtest du deine 'Gefährlichkeit' beweisen?“, fragte ich ihn schmunzelnd und stemmte weiterhin das Gewicht in gleichbleibendem Tempo. Er drehte sich in sitzender Position leicht zu mir, schaute mich einen Moment stumm nachdenkend an und entspannte dann seine Körperhaltung. Als wenn ihn plötzlich die Ruhe selbst ergriffen hätte. Seine Schultern sackten nach unten, indessen er schwer seufzte.   „Mir selbst“, antwortete er und schwieg kurzzeitig, ehe seine Stimme merkbar leiser weitersprach. Dabei richtete er seine Augen auf den Boden zu seinen ausgestreckten Beinen. Sein Flüstern klang eher mit sich selbst sprechend. „Sehe ich denn wirklich so schwach aus?“   „Ja.“ Taktlos und monoton kam mir das Wort über meine Lippen, die keinen Hauch Amüsement mehr trugen. Seine grünen Augen weiteten sich leicht, als er seinen Kopf ruckartig zu mir drehte. Die Wahrheit schmerzte sichtlich. Bitter lachte er auf und versuchte seine Verletztheit mit Sarkasmus zu überspielen. „Du weißt wirklich, wie man jemanden aufbaut.“   Ich hingegen blieb vollkommen ernst. Sofort stoppte ich meine Trainingsbewegung, legte die Hantel geräuschvoll hinter mir ab und richtete mich sitzend auf, ihn eindringlich ansehend. Teilnahmslos sprach ich in unerschütterlichem Ton; „Dies ist weder meine Aufgabe, noch meine Absicht. Ich bin zwar ein Ganove, doch gewiss nicht zum Betrügen verpflichtet.“   „Soll das heißen, du hättest lügen müssen, um-“ „Lass mich aussprechen“, unterbrach ich ihn scharf und erhielt seine gesamte Aufmerksamkeit. „Du siehst in der Tat schwach aus“, wiederholte ich abermals und vollendete nun meine Worte. „Jedoch ist Muskelkraft nicht alles. Optik ist nur ein Trugbild von Stärke. Weiß man sie nicht einzusetzen, besitzt sie keinen Nutzen. Wahre Kraft kommt vom Inneren.“   Geistesabwesend blinzelte er mehrmals und schien durch mich hindurchzublicken. Er hatte meine Botschaft nicht verstanden. Nicht verstanden, dass sie versteckte Aufmunterung besaß. Bestimmend stützte ich meine Hand zwischen uns auf dem Boden ab und lehnte mich langsam weiter zu ihm, sodass meine freie Schulter beinahe die Seine berührte. Mein farbloser Stimmton nahm eine hörbar dunklere Nuance an.   „Du brillierst mit gänzlich anderen Reizen...“, gab ich ihm einen weiteren Hinweis, den ich unter düsterer Betörung verschleierte. „Deiner Attraktivität beispielsweise.“   Eine Sekunde. Exakt eine, bis er meine Worte verinnerlichte. Zeitgleich geschahen genau drei Dinge: Schnellstens zog er den Schirm seiner Kappe nach unten, die Hitze stieg sein Gesicht nach oben, indessen er ungeschickt von mir weg, nach hinten rutschte.   „Was...?“, brachte er mit irritierter Stimme hervor und schüttelte wild seinen Kopf. „Sag sowas nicht. Ich könnte fast glauben, dass du mit mir flirtest.“   `Fast´? Habe ich mich nicht deutlich genug ausgedrückt? Oder versucht er auch diese Tatsache abzustreiten?   Ich vermute Letzteres... Er sieht mich nicht als potenziellen Sexualpartner an...   Noch nicht... Dies wird höchst interessant werden...   „Nun...“, glitten meine Mundwinkel langsam nach oben. Lässig stand ich auf, steckte meine Hände in meine Hosentaschen und schlenderte gelassen an ihm vorbei. „Du solltest das Gewicht wegräumen, sonst könnte noch jemand darüber stolpern.“   Ich ließ ihn absichtlich im Dunkeln. Hörte dann das Rumpeln, als er mühevoll versuchte, die schwere Hantel aufzuheben und dabei zu viel Schwung verwendete. Folglich blieb er mit seinem Stiefel an ihrer Stange hängen, geriet ins Straucheln und fand fluchend sein Gleichgewicht wieder.   „Lach nicht!“, rief er mir noch hinterher und rollte das Gewicht stattdessen zurück an seinen Platz hinter einigen Fässern. Wie er mein stummes Auflachen hinter meiner Maske deuten konnte, blieb unklar.   Im Vorbeigehen griff ich nach meiner gepunkteten Bluse, die ich beiläufig anzog. Der Heart-Pirat tat es mir mit seinem schwarzen Shirt gleich. Dann holte er zu mir auf und stellte sich neben mich an den Bug. Mehrere Minuten blieb sein Blick zur winterlichen Insellandschaft gerichtet, ehe er ihn auf mich fixierte. Seine Ausstrahlung wirkte spürbar anders als zuvor, selbstbewusster und stolzer.   „Ich muss zurück“, spiegelte seine Stimme die Entschlossenheit wider, welche mir seine Smaragdgrünen Augen zeigten, „zurück auf die Insel.“ Mit seinem Zeigefinger schob er den Schirm seiner Kappe nach oben und sah mich ohne ihren Schutz an. Sein Stimmton wurde sanfter, verlor jedoch den Funken seiner Willensstärke nicht. „Ich weiß, dass ich nicht das Recht habe, dich zu fragen... Aber... Also... Würdest du mich begleiten?“   Dies ist das erste Mal, dass er meine Begleitung erbittet... Seit er hier ist, ist er stets unfreiwillig an mich gebunden gewesen...   Schweigend blickte ich ihn durch die Löcher meiner Maske an. Wägte ab, ob seine Beweggründe Hinterlist bargen oder er mich zu hintergehen versuchte. In dem Lebenslicht seiner Augen las ich keinen Trug, kein Hauch Misstrauen. Gar das Gegenteil dessen; ein kaum erkennbares Flackern von Vertrauen. Dies reichte mir nicht als Beweis. Ich wollte die gänzliche Gewissheit.   „Warum möchtest du dorthin?“, fragte ich ihn und verschränkte meine Arme vor meiner gepunkteten Bluse. Meine Körperhaltung blieb offen, zuhörend. Abermals schweifte sein Blick Richtung Insel, was einen Schimmer von Reue in ihm hervorrief. Kurz rang er mit sich, biss sich dabei sichtlich auf die Innenseite seiner Unterlippe. Doch antwortete er mir ehrlich, was ihm merkbar schwer fiel. „Ich... muss dagegen ankämpfen. Gegen das Gefühl, das ich seit dem Raubzug verspüre. Ich kann es nicht benennen, aber es lässt mich nicht los. Ich will nicht davor wegrennen, sondern mich ihm stellen. Allein geht es jedoch nicht.“   Tief atmete er ein, drehte sich mit seinem gesamten Körper zu mir und blickte langsam auf, in die Augenlöcher meiner Maske. Die finsternde Reue seiner Augen wurde abgelöst durch das Licht der wünschenden Hoffnung.   „Lass mich gehen“, wurde aus seiner Frage eine Bitte. „Komm mit mir, Killer.“   Mein Name. Ich hörte ihn erstmals von ihm. Von seiner Stimme, die ihn gegensätzlich zu seiner Bedeutung aussprach. 'Killer'; wer auch immer diese Silben aufsagte, tat dies mit einer Betonung von Hass, Ablehnung oder Aggressivität. Die Menschen sprachen ihn aus, als würden sie von einer tödlichen Krankheit reden. Selbst Kid verlieh ihm die Gefährlichkeit, die er besitzen sollte. Der Heart-Pirat untermalte die sechs Buchstaben mit etwas mir gänzlich Fremden: Einfühlsamkeit. Klingend wie keine Krankheit, sondern gar dem Heilmittel dessen. Es war, als hätte ich meinen Namen soeben zum ersten Mal in seiner Richtigkeit vernommen. Ein Gedanke, der meine rationale Vernunft splittern ließ. Nur kurz, dann fand ich sie vollständig wieder, mitsamt meiner Antwort.   „Einverstanden.“   Plötzlich lächelte er. Kein Grinsen, kein Schmunzeln. Ein aufrichtiges Lächeln, welches er mir für einen Sekundenbruchteil offenbarte. Es verschwand von seinen Lippen, doch blieb es in meinem Geist erhalten. Ich sah es selbst dann noch vor mir, als der Heart-Pirat längst nicht mehr vor mir stand.   „Worauf wartest du?“, rief er mir ausgelassen vom Ufer aus zu und winkte locker mit erhobener Hand. „Na, komm schon. Ich geh nicht ohne dich.“   Nun war er es, der auf mich wartete. Ich derjenige, der ihm folgte. Diese Rollen passten nicht in das gewöhnliche Verhaltensmuster, welches wir zueinander entwickelt hatte. Es warf Fragen auf, die ich versuchte zu analysieren. Später... Später würde ich ihnen auf den Grund gehen. Nicht jetzt, wo der Moment mehr Gewichtung besaß, als jeder Gedanke an Vergangenes.     Wenige Zeit später erkundeten wir die Insel. Dabei liefen wir nebeneinander, auf gleicher Augenhöhe. Nicht wie zu Anfang, wo er hinter mir lief und ich vor ihm. Was hat sich seitdem verändert?   Der Schnee wurde von unseren Fußabdrücken gezeichnet, die Luft von unserem sichtbaren Atem. Hier herrschten deutliche Minusgrade. An mir, der ich körperlich gegen alles abgehärtet war, prallte die Kälte ab. Die wenigen Schneeflocken schmolzen noch ehe sie meine Haut und Kleidung berührten. Wohingegen sie sich auf der dunklen Kappe des Heart-Piraten in einer Vielzahl sammelten. Fröstelnd rieb er sich seine nackten Arme, verlor jedoch kein Wort über die auskühlenden Wetterbedingungen. Er trug noch immer nicht mehr, als mein längeres Shirt und den provisorischen Männerrock.   „Du frierst“, sprach ich meine Beobachtung in sachlichem Ton aus. „Ein North Bluer friert nicht“, stritt er die Tatsache ab. Sein leises Zähneklappern war unüberhörbar.   „Warum sprichst du in der Verallgemeinerung von dir?“, fragte ich ihn nüchtern und schlug einen anderen Weg durch den ausgebrannten Wald ein, in Richtung zertrümmerter Stadt. Meine Stimme blieb teilnahmslos. „Meine Frage galt dir. Ich habe nicht wissen wollen, was andere tun.“   „Weil...“, rang er nach Worten, die ich vervollständigte. „Weil du das Gefühl der Zugehörigkeit benötigst.“   „Nein“, prägte absolute Selbstsicherheit seine Antwort. „Ich bin bloß stolz auf meine Heimat. Denn dort hat alles begonnen.“   „Alles?“ Erinnert er sich etwa an-? „'Alles' im Sinne von meinem Leben“, fügte er eilig hinzu. „Hast du niemals darüber nachgedacht was wäre, wenn du nie geboren worden wärst?“   „Dies habe ich nicht. Ich sehe meine Existenz als Selbstverständlichkeit an.“ Der Seitenblick, den er mir beim Laufen zuwarf, war einer der 'dein-Ernst?'-Sorte. „Okay, langsam glaube ich wirklich, dass du die Selbstverliebtheit in Person bist.“   „Und was ist verwerflich daran, sich selbst zu lieben?“ „Du gibst es auch noch zu“, seufzte er belustigt und rückte seine Kappe, von der gesammelter Schnee fiel. “Na gut, irgendwo hast du schon recht. Vielleicht ist es einfacher, sich selbst zu lieben, als andere... Vielleicht aber auch nicht.“   Er spricht in Rätseln... Das tut er, wenn er etwas verbergen will...   Was dies wohl ist?, versank ich in meinen sachlichen Gedanken. Kam jedoch nicht weit, da sein leises Knurren mich störte.   „Hör auf, mich zu analysieren“, murrte er und lief wenige Schritte voraus, auf kurze Distanz gehend. Vor uns lag die Siedlung, die wir bald erreichten. „Hat dir schon mal jemand gesagt, dass deine Gesellschaft unerträglich ist?“   „Jop“, gab ich offen zu, weil es mich schlichtweg nicht interessierte. „Viele. Doch niemand so direkt, wie du es tust.“   „Soll ich mich jetzt geschmeichelt fühlen?“, grinste er, „oh, was für eine Ehre, 'dein Erster' zu sein.“   In scherzhaftem Sarkasmus sprach er es aus. Im Nachhinein erfasste er dessen Bedeutung. Seine Schultern spannten sich an, indessen er gänzlich verstummte. Seine doppeldeutigen Worte verblieben haltlos in der winterlichen Luft, die spürbar spannungsgeladen wirkte. Ich erwiderte nichts, ließ die Atmosphäre angeschärft. Dass er über sein Gesagtes nachdachte, war gewiss.   Wirst du von selbst darauf kommen, Heart-Pirat? Als welche Art von Gefahr siehst du mich?   Nur die lebensbedrohliche? Oder zusätzlich die der Verführung?   Du bist derjenige, der es erneut begonnen hat...   Abermals beschleunigte er seine Schritte, schaffte einen zusätzlichen Meter Abstand zwischen uns. Unterdessen sah ich mich flüchtig um und bemerkte die fehlenden Marine-Verletzten, die vermutlich von den weniger verwundeten in Sicherheit gebracht worden waren. Wir waren momentan allein hier.   Den Rest des Weges schwiegen wir. Nach und nach entschärfte sich die Anspannung von selbst, erschuf eine viel sagende Ruhe, untermalt von seinen Schritten im Schnee und dem leisen Pfeifen des kalten Windes. Der Heart-Pirat rieb sich weiterhin seine Arme und schüttelte sich merkbar vor Kälte. Sein blasser Hautton hatte mittlerweile eine noch hellere Farbe angenommen. Hin und wieder warf er einen heimlichen Blick zurück zu mir. Meine Anwesenheit nahm er nach wie vor wahr. Bis wir die Stadt erreichten und er sich einzig auf sie fixierte.   Nebeneinander standen wir vor ihr, sahen auf sie. Von der Siedlung war nicht mehr viel vorhanden. Verkohlte Trümmer ersetzten die einstigen Gebäude voller Leben. Die triste Trostlosigkeit war hier eingekehrt. Stumm besahen wir uns das Ausmaß der Zerstörung. Ich mit unbeteiligtem Blick, er mit reuevollem.   Was kümmert dich das Leid anderer? Warum lässt du es an dich heran?   Ich beobachtete ihn aufmerksamer. Er schien mich nicht mehr wahrzunehmen. Stattdessen blickte er nur auf Eines. Langsam lief er auf eine freie Fläche zwischen den Trümmern zu. Der Schnee leicht schwärzlich, von Asche bedeckt. Dann kniete er sich hernieder, zu der einzelnen Eisblume, die das Feuer überlebte. Mit beiden Händen schirmte er sie von der Außenwelt ab. In einer gar beschützenden Geste lagen seine Handflächen um die hellblauen Kristallblüten. Seine Augen einzig auf die Blume gerichtet, nahm seine Stimme einen leisen und sanften Ton an. Wärme tragend, sprechend zu niemand bestimmten.   „Selbst wenn die Welt stirbt, bleibt Leben erhalten. Wo Krieg ist, ist auch Friede. Letztlich wird es immer einen Kämpfer geben. Jemanden, der Hoffnung aufrecht erhält, auch wenn sie verloren scheint. Wie das Licht und sein Schatten; Ohneeinander können sie nicht existieren, miteinander ebenso wenig. Die Dunkelheit ist es, die sie voneinander trennt.“   Beim Flüstern leuchteten seine grünen Augen in Innigkeit. Als würde er von sich und seiner Überzeugung sprechen. Ich verstand die Bedeutung seiner Worte nicht. Kannte ihren Wert nicht. Für mich – einen Kid-Piraten – war der Heart-Pirat in diesem Augenblick undurchschaubar. Wie kann ein Pirat von Frieden reden? Für Hoffnung stehen? Wir sind Verstoßene... verrufen... von der Gesellschaft zu Außenseitern erklärt worden...   Warum wird er diesem Ruf nicht gerecht?, betrachtete ich ihn mehrere Momente mit intensivem Blick. Was lässt ihn so anders sein?   Ist es Unschuld? Reinheit? Mitgefühl?   Wenn ich seine Unverdorbenheit sehe, lässt es mich meine dunkle Seite noch deutlicher erkennen... Es erweckt in mir das Begehr ihn zu verderben...   Ich bin ein äußerst egoistischer Schurke...   Mein diebischer Plan war geschmiedet. Mit dem diabolischen meines Captains ergänzte er sich perfekt. Vorerst sollte dies mein Geheimnis bleiben. Alsbald würde der Heart-Pirat es ohnehin erfahren. Am eigenen Leib. Bis dahin verbannte ich meine dunkle Seite ins Schatteninnere.   Wortlos wandte ich mich von dem Kappenträger ab und ging zu einem der Trümmerberge, wo ich etwas Interessantes entdeckte. Ohne nennenswerten Kraftaufwand räumte ich mehrere Gebäudebrocken weg. Durch das geräuschvolle Rumpeln des Gerölls aufmerksam geworden, trat er neben mich und sah auf meinen Fund herab. Es war ein Kleiderberg.   „Du frierst“, wiederholte ich abermals. „Ich friere“, gab er nun offen zu und griff nach einer weißen Jacke und einer hellen Hose. Beides zog er an und versteckte seine untere Gesichtshälfte unter dem hohen Kragen, hinter dem er mich angrinste. Ein warmes Grinsen, das seine Stimme gleichermaßen reflektierte. „Vergiss was ich vorhin gesagt hab; Eigentlich bist du doch ganz erträglich.“   Bin ich dies tatsächlich? Oder ist deine Wahrnehmung trügerisch?   Seine Stimmung hob sich sichtlich, die meine blieb gleichbleibend neutral. Gefühle waren nur ein Hindernis, Trugbilder des Inneren. Sie riefen Schwäche hervor. Mein Selbst war auch dagegen abgehärtet. Im Gegensatz zu ihm, der Schwäche bewusst zulässt... Warum tut er dies?   „Ich hab nachgedacht“, begann er irgendwann, als wir weitergingen. Seine Körperhaltung war offener mir gegenüber. Seine Arme locker hinter seinem Kopf verschränkt und seine Schritte lässiger. „Schwäche ist zeitgleich auch Stärke. Ich mag schwach sein, doch kann ich so stärker werden.“   Ich war stiller Zuhörer, indessen er sprach. Nicht nur ich konnte Monologe führen. Daraufhin redete er über Belanglosigkeiten, nichts Nennenswertes. Wir wanderten noch einige Stunden schweigend durch das Schneegebiet, umrundeten die kleine Insel in ihrer Gesamtheit und gelangten wieder an unseren Ausgangspunkt; Die Stadt in der Inselmitte.     Schließlich fragte ich ihn: „Hast du deine Antwort gefunden?“ Den Grund, warum er nochmals hierher wollte, nannte er mir nicht. Doch war sein Grinsen nun sorgenfrei, als er mit fester Stimme nickte. „Ja-“   Abrupt verstummte er. Sein Körper spannte sich vor Alarmierung an, wie es der meine tat. Die Luft um uns wurde plötzlich rastlos und unruhig. Der Wind schlug um, gewann an Stärke. Zeitgleich sahen wir zum Himmel, sprachen synchron unseren Gedanken aus.   „Ein Schneesturm zieht auf./Ein Schneesturm zieht auf.“   Wir warfen uns einen kurzen Blick zu und drehten unsere Köpfe dann in Richtung Adventure Galley, die nur ein Punkt in der Ferne darstellte. Sie zu erreichen, bevor der Sturm seine volle Kraft erhielt, war unmöglich. Kid und die anderen mussten an Bord bereits die entsprechenden Vorkehrungen treffen. Da die Segel durch das Ankern seither eingeholt waren, musste nur noch die Fracht gesichert werden. Ich wurde dort nicht gebraucht.   „Wir suchen uns einen Unterschlupf“, beschloss ich für uns beide und ging ruhigen Schrittes vor. Meine Augen schweiften suchend über die Gegend, indessen ich meine Mini-Teleschnecke aus meiner Hosentasche holte und meinen Captain kontaktierte. Ein einziges Klingeln, bis ich durchgestellt wurde. In der selbigen Sekunde trug die Schnecke in meiner Hand rote Haare, eine Fliegerbrille und geschminkte Lippen, die sie zu einem Grinsen verzog.   „Eustass Captain Kid, der einzig wahre“, grinste die Schnecke dreckig. „Was gibt's, Killer-?“   Kid unterbrach sich selbst, um Befehle an seine Männer zu brüllen. Rumpeln war im Hintergrund zu hören, zusammen mit dem Trampeln mehrere Stiefelpaare, ehe er erneut zu mir sprach.   „Hast 'n scheiß Wetter angeschleppt“, lachte er rau auf, „bist'e dir sicher, dass du kein D. bist?“   Der neben mir laufende Heart-Pirat lachte tatsächlich leise über Kids Flachwitz. Verstummte jedoch sofort, als ich meine Maske leicht zu ihm drehte. Mit einem räuspernden Husten versuchte er sein Lachen zu überspielen. Mein Captain übergab mir das Wort, welches ich ergriff.   „Wir bleiben auf der Insel, bis der Sturm vorbeigezogen ist“, teilte ich ihm knapp mit und spürte den starken Wind, der meine blonde Mähne schwungvoll zur Seite wehte. Die Löcher meiner Maske gaben dabei ein leises Pfeifen von sich. Gedanklich berechnete ich die Witterung und sprach meine Einschätzung aus. „Spätestens am frühen Abend sollten wir wieder zurück sein.“   „Alles klar. Lass die Männer nicht verhungern. Du weißt, wie gierig sie auf deine Pasta lauern.“ Damit legte er auf, womit die Teleschnecke ihre Stielaugen schloss und wieder einschlief. Kids Kommentar entlockte mir ein Schmunzeln. Ich war der Einzige von uns, der die Kombüse benutzte, ohne sie dabei in Brand zu setzen – Heats einmaliges 'Futter-Fiasko' blieb bis heute in unseren Gedächtnissen. Und unser Captain war schlicht zu bequem, um für die gesamte Mannschaft zu kochen. So wurde es meine Aufgabe, für die Mahlzeiten zu sorgen.   Warum es noch immer keinen Pasta-Lieferdienst über das Meer gab, blieb mir schleierhaft. Briefmöven könnten doch genauso gut Essen ausliefern und bei Großbestellungen in Schwärmen ausfliegen. Nun, eventuell liefen sie dabei Gefahr, von den Ausgehungerten selbst als Nahrung angesehen zu werden – Ein Extra, das die Preise in die Höhe treiben könnte. Von moralischen Bedenken einmal abgesehen.   Ich verstaute den tierischen Kommunikator zurück in meiner Hosentasche und scannte die Umgebung eingehender nach einem Schutz vor dem rapide wachsenden Sturm. Das raue Wetter der Grandline war launisch und unberechenbar. Der Heart-Pirat und ich entdeckten die Ruine zeitgleich. Wortlos nickten wir uns zu und bezogen dort unser Quartier.   Unser Unterschlupf war eine Art Höhle aus Trümmern. Einst war es ein kleineres Haus, dessen vordere Seite niedergerissen wurde. Übrig blieb die Hälfte eines Zimmers. Die Möbel lagen in Asche. Jedoch währte die robuste Beschaffenheit der drei Wände. Sie sollten uns vor der Wettereinwirkung schützen können. Für unseren Kurzstopp reichte es.   Nebeneinander saßen wir auf engem Raum. Die Zeit schlugen wir mit Warten tot. Schweigen. Stumm sah ich den Heart-Piraten in aller Offensichtlichkeit an, meine Maske direkt auf ihn gerichtet. Locker winkelte er sein Bein an, legte seinen Unterarm auf seinem Knie ab und versuchte mein Beobachten zu ignorieren. Dies funktionierte wenige Sekunden. Unter meinem fixierenden Blick begann er bald mit seinen Fingern unruhig auf seinem Hosenbein zu trommeln. Mit seiner anderen Hand spielte er ruhelos mit seinem gelben Kappenschirm, dessen Rand er dabei entlangfuhr. Irgendwann hielt er es nicht mehr aus und knurrte mich leise an.   „Analysierst du mich schon wieder?“ „Ich? Niemals...“ „Im Ernst: Lass das. Damit machst du mich echt nervös“, gab er ehrlich zu, was mich schmunzeln ließ. „Vielleicht ist dies meine Absicht...“   „Herzlichen Glückwunsch; Du hast dein Ziel erreicht“, triefte seine Stimme vor Sarkasmus, ehe er lange seufzte. „Was ist überhaupt so toll daran? Jemanden einschätzen kann doch jeder.“   „Tatsächlich? Versuch dein Glück. Was denkst du über mich?“ Eine Trickfrage. Der Zufall spielte mir in die Hände. Unverhüllt zeigte ich ihm, dass ich mich für seine Antwort interessierte. Geduldig wartete ich auf seine Beurteilung.   Wie urteilst du über mich? Was siehst du in mir?   Sein Blick auf mich wurde abschätzend, von unten bis oben musterte er mich eingehend und dachte dabei angestrengt nach. Mehrere Sekunden verstrichen, werdend zu wenigen Minuten. Mit Absicht hielt er Spannung aufrecht, ließ mich warten.   Ehe er in sachlichem Ton und gänzlicher Ernsthaftigkeit sagte: „Du bist ein Idiot.“   Damit habe ich nun tatsächlich nicht gerechnet...   „Wooow“, erwiderte ich unbeeindruckt und lachte trocken auf. „Dies ist die neutralste Analyse, die ich je gehört habe.“   Zumindest ist es die ehrlichste...   Das ist nicht mal ansatzweise eine Beleidigung gewesen... Es sei denn...   „Du bezeichnest jemanden als 'Idiot', den du gut leiden kannst.“   Ertappt schaute er weg und zog den Schirm seiner Kappe tiefer; „Als ob...“, nuschelnd, was wenig Glaubwürdigkeit besaß. Verlegenheit zeichnete sein Knurren, das er gehetzt hinzufügte. „Analysiere meine Analyse nicht!“   Düster schmunzelnd lehnte ich mich weiter zu ihm. „Und wie möchtest du mich davon abhalten?“   Wenige Zentimeter rutschte er von mir weg, mit seiner Schulter an das andere Ende der Trümmerwand stoßend. Nervös lachend antwortete er; „Gar nicht. Bei dir ist Zuckerrohrsaft und Wasser verloren.“   Sobald er geringen Abstand geschafften hatte, fand seine Stimme erneut ihre Festigkeit. „Ich kann und will dir nichts verbieten. Treffe deine Entscheidungen in Freiheit. Du bist ein freier Mann.“   Dies bin ich... Doch...   „Bist du es auch?“ Kurz überlegte er, ehe er mir die Antwort gab, die ich vermutete. „Nein. Ich bin ein Gefangener-“   „Bist du dies tatsächlich?“, unterbrach ich ihn und zog seinen überraschten Blick zu mir. Als er merkte, wie nah unsere Gesichter sich waren, wandte er ihn schnell wieder ab. Sein Verstummen brachte mich zum Weitersprechen. „Ich habe niemals behauptet, dass du mein Gefangener bist. Du machst dich selbst zu dem, was du sein willst.“   Meine Worte waren wahr. Er konnte kein Gegenargument aufbringen. Seine gedanklichen Zahnräder drehten sich, dachten nach. Bis seine Stimme Irritation widerspiegelte.   „Aber du hast doch gesagt, dass ich nicht von deiner Seite weichen soll“, sprach er verwirrt und warf mir einen fragenden Seitenblick zu, den ich mit ausdrucksloser Maske erwiderte. Hinter ihr schmunzelte ich diebisch. „Soll das heißen... dass du mich im Grunde bloß in deiner Nähe haben wolltest?“   „Interpretiere es, wie du möchtest. Es ist deine Einschätzung, nicht die Meine.“   „Stopp. Stopp. Stopp! Ich versteh nur noch Seezughof“, seufzte er, hob seine Kappe an und fuhr sich wirr über seine kurzen, braunen Haare. Die linke Seite war kürzer geschoren, als die andere, welche einen langen Pony zierte, der ihm bei der unruhigen Bewegung über sein rechtes Auge fiel. „Argh! Du verwirrst mich.“   Und dies tue ich mit Vergnügen...   Die Antwort lautet: Ja, in meiner Nähe sollst du bleiben... Du hast nicht nach dem Warum gefragt...   Erneut umhüllte uns Schweigen. Zwischen uns schwankte die Atmosphäre stets von Ruhe zu Aufruhr, und umgekehrt. Ersteres strahlte ich aus, Zweiteres er. Beide Gegensätze duellierten sich, doch ab und an harmonierten sie miteinander. Wie jetzt, als die Ruhe die Oberhand gewann, gezeichnet von gedanklicher Rastlosigkeit.   Der Heart-Pirat ließ eine ฿erry-Münze zwischen seinen Fingern rotieren, ehe er sie mit seinem Daumen locker in die Luft flippte. Ein leises Kling ertönte in regelmäßigen Abständen, hallte kurz in der Trümmerhöhle wider. Übertönt werdend von dem pfeifenden Wind, dessen Kälte zu uns ins Innere drang.   Ein starker Luftzug brachte die aufwärts fliegende Bronzemünze ins Schlittern, fegte sie aus ihrer Flugbahn und brachte sie zum Fall gen Boden. Wo sie vor seinen braunen Stiefeln nach Draußen rollte. Aus Reflex kroch der Heart-Pirat ihr nach und streckte seine Hand nach der langsamer werdenden Münze am schneenassen Eingang aus, sodass nur sein Kappen-bedeckter Kopf außerhalb der Höhle herausragte. Plötzlich landete etwas auf seiner Kappe. Rutschte unbeholfen ihren Schirm herunter und fiel schließlich in seine Handflächen, die er intuitiv geöffnet hatte.   Ein heftiger Windstoß. Ein abgehaktes Piepen. Und seine grünen Augen weiteten sich.   „Ein Pinguinküken“, wisperte er verblüfft und sah dem grauen Fellball geschockt nach, der vom Sturm mitgerissen wurde. Dann sprang er ohne nachzudenken auf, wollte dem hilflosen Tier nacheilen. Hätte ich ihn nicht blitzschnell an seinem Handgelenk gepackt und ihn davon abgehalten. Aufgebracht schaute er zurück zu mir. Meine Mimik hinter der Maske blieb ausdruckslos und gleichgültig.   „Wenn du nun gehst, könnte es deinen Tod bedeuten“, erklärte ich ihm den Fakt mit monotoner Stimme. „Es ist das Gesetz der Natur, die das Todesurteil des Tieres entschieden hat.“   Er wollte mir nicht zuhören. Er wusste selbst um die Gefahr. Und es war ihm gänzlich gleich. Aggressivität. Sein furioser Knurrlaut loderte in Rage. Mit geschärft dunkler Stimmfarbe knurrte er mich an. Eine solch starke Gefühlsintensität besaß seine Stimme mir gegenüber bisher noch nie. Ihr Schliff glich dem meiner Sicheln.   „Lass. mich. los.“ Ein Befehl. Jedes Wort geprägt von einer Betonung absoluter Kompromisslosigkeit. Zeitgleich umgab uns ein ausdrucksvoller Wind. Nicht von Kälte hervorgerufen, sondern von Energie erfüllt. Der Seinigen. Es war sein erwachtes Haki, welches ich spürte. Der Bestienruf seines Innersten. Seine Stärke.   In diesem Augenblick brachte der Heart-Pirat mich – die Ruhe selbst – aus der Fassung. Keiner von uns beiden konnte begreifen, was hier geschah. Er selbst schien seine gefährliche Aura nicht zu bemerken. In Seelenruhe, viel zu ruhig für seinen Charakter, sprach er weiter, als ob sein Präsenz-Schatten nicht da wäre. Noch ein anderes Gefühl unterstrich nun seine farbkräftige Stimme: charakterfeste Entschlossenheit. Was nun sprach war sein Herz. Es verlieh ihm Macht.   „Jedes Leben ist es wert, gerettet zu werden.“   Mit diesen Silben seiner innersten Überzeugung riss er sich aus meinem gelockerten Griff. Ohne Zögern rannte er nach Draußen, inmitten des Sturms. Ohne einen letzten Blick zu mir zurückzuwerfen. Zum ersten Mal verspürte ich eine Emotion, die ich nicht deuten konnte. Sie war mir gänzlich fremd. Galt ihm. Und gab mir einen einzigen Befehl, den ich nicht imstande war zu verweigern: `Folge ihm.´   „Fuck...“, fluchte ich hauchend gegen die Innenseite meiner Maske. In ihr hallte das Wort kurz wider. Zeitgleich ballte ich meine rechte Hand zur Faust, die ich hart gegen die Trümmerwand schlug. Einige lockere Ziegel lösten sich und fielen geräuschvoll zu Boden. Durchatmen. Fassung erlangen. Handeln.   Mein Körper bewegte sich impulsiv, führte den Befehl meines Instinktes aus. Ein einziges Gefühl, das ich zuließ. Eine Ausnahme, die ich für ihn machte. Ein Fehler, dessen Richtigkeit ich später wiederherstellte. Zunächst musste ich den seinigen berichtigen.   Mit Höchsttempo preschte ich aus der Höhle heraus. Wo mir Schnee, Frost und die gewaltige Windströmung entgegenschlug. Beinahe fegte ihre Kraft mir meine Maske vom Kopf. Wie eine weiße Mauer, hatte sich der Schneesturm zu einem tobenden Luftwirbel aufgebaut. Ähnelnd einem weitflächigen Tornado, der über die Insel wütete, nur weniger zerstörerisch. Dennoch erschütterte seine Stärke das Land.   Die flimmernde Farbe Weiß verwehrte mir die Sicht auf meine Umgebung. Außer nebeligem Schnee sah ich nichts. Meine Geschwindigkeit hielt ich bei. Meine Arme nach hinten gestreckt – um an zusätzlichem Tempo zu gewinnen – jagte ich durch die Schneelandschaft. Meine überhöhten Schritte gaben kaum wahrnehmbare Knirschgeräusche von sich. Ihre Lautlosigkeit hatten sie kurzzeitig verloren, dafür an Geschwindigkeit gewonnen.   Wild drehte ich meinen Kopf hin und her. Erfolglos versuchte ich seine Figur auszumachen, irgendetwas zu erkennen. Die lautstarken Geräusche der Naturgewalt betäubten meine Ohren, beirrten meine Sinne und überreizten sie. Blind und taub konnte ich mich allein auf das Gefühl meiner Intuition verlassen. Ich fokussierte mich einzig darauf. Darauf, ihn zu finden.   Er war mein Fokus. Meine oberste Priorität. Mein Zenit.   Plötzlich fand die Welt ihren Stillstand. Alles wurde getaucht in Stille. Die Natur verstummte, bis selbst der Fall der letzten Schneeflocke erstarb. Das Ende der Zeit schien heraufbeschworen. Nur ich selbst blieb in Bewegung, mitsamt meinen geschärften Sinnen, die auf perfektionierter Höchstleistung arbeiteten. Mein klangloser Gehörsinn fand zu neuer Stärke. Als wenn ich die Fähigkeit des Hörens erstmals in seiner Gänze erlangte.   Ein stummes Rufen. Ich vernahm es deutlich in der Lautlosigkeit. Seine Stimme. Die seines Inneren. Seines Hakis. Sie war es, die mir den Weg zu ihm zeigte.   Sofort trieb ich meine Beine bis zum Äußersten, fühlte die Anspannung meiner Beinmuskulatur und fegte durch den Schnee, als ob ich selbst der Sturm wäre. Als ob mein Körper sich gar mit Wind und Eis vereinte, um mir ihre Kraft zu leihen. Die Luftströmung arbeitete nicht mehr gegen mich, sondern mit mir. Sie rammte gegen meinen Rücken, gab mir so noch mehr Schnelligkeit und brachte mich meinem Ziel rapide näher.   Wo bist du, Heart-Pirat?   Letztlich erblickte ich ihn. Seine helle Kleidung zwischen dem elementaren Weiß beinahe unkenntlich. Einzig das Dunkelblau seiner Kappe verschwommen sichtbar. Sie wurde mein Blickpunkt, auf den ich mich fixierte. Näher, immer näher kam ich ihm.   Wenige Meter trennten uns voneinander. Beide rannten wir. Ich schneller als er, womit ich von Sekunde zu Sekunde die Distanz zwischen uns reduzierte. Sein Kopf war Richtung Himmel gerichtet, wo ein grauer Punkt im Wirbel des Sturms kreiste. Das Küken. Es befand sich etwa drei Meter über der Erde, vom Wind immer höher getragen werdend. Wodurch er es nicht erreichen konnte.   Vier Meter... fünf. Bald würde das Tier gänzlich unerreichbar sein.   Mein scharfer Verstand wusste, was zu tun war. Schneller als der Wind holte ich zu ihm auf, jagte an ihm vorbei. Unsere Blicke trafen sich für einen Sekundenbruchteil, indessen wir das selbige dachten; `Lass uns dieses Leben gemeinsam retten.´   Durch meine gesteigerte Geschwindigkeit überholte ich ihn um mehrere Meter, verlangsamte dann mein Tempo bis zum Stillstand und drehte meinen Körper vollends zu ihm. Meine Körperspannung blieb jederzeit aufrecht, andernfalls wäre ich vom Sturm zur Seite gerissen worden. Dann faltete ich meine Finger vor mir ineinander, um ihm eine Räuberleiter zu ermöglichen.   Meine Augen waren auf seine Figur fokussiert, die sich mir flink sprintend näherte. Mit einem geschickten Sprung stieß er sich vom Boden ab und sprang direkt auf mich zu. Er hatte nur diese eine Chance. Würde er sie vergeuden, wäre das Tier des Todes geweiht. Die Sohle seines Stiefels traf auf meine gefalteten Handflächen, die ihn mit Schwung nach oben katapultierten. Meine gesamte Armkraft legte ich in diesen einen Hebelruck, mit welchem ich dem Heart-Piraten das Fliegen beibrachte.   Wenige Sekunden wurden zu fühlbaren Augenblicken. Immer höher trug ihn der Wind. Seine Hand gen Himmel gestreckt, bekam er das kleine Tier schließlich zu greifen. Doch zerrte ihn der reißende Strudel mit sich. Nicht zur Seite – in die Windbahn – sondern nach Vorne. Durch den Luftstrom, in die Mitte des Schneewirbels, in dessen toten Winkel; Ins Auge des Sturms.   Dort herrschte das Nichts. Die absolute Windstille. Was bedeutete, dass sein Absturz unvermeidbar war. Sein Haki erlosch binnen eines Herzschreis. Machtlosigkeit und Furcht ersetzten es. Von dem kraftvollen Ruf seines Innersten blieb nichts weiter, als das flüsternde Jaulen eines hilfesuchenden Tieres.   Ein Stich. Ich fühlte ihn. Wollte ihn nicht fühlen. Verdammte mich dafür. Beinahe schmerzvoll verzog ich mein Gesicht hinter meiner Maske. Gefühle sind... Sie sind- ...vernunftwidrig...   Du bist meine Unvernunft, Heart-Pirat...   Von seinem Wächter wurde ich zu seinem Hüter. Ihn zu beschützen meine Aufgabe. Es war mein stiller Schwur, den ich leistete.   Hinter meiner Maske schmunzelte ich. Warum, wusste ich nicht. ...Etwa über mich selbst? Ein Schmunzeln in seelenvoller Aufrichtigkeit, welches niemals das Licht der Welt erblickte. Es erhellte die Meinige, welche von Dunkelheit umhüllt ward. Nur kurz, bis die Düsternis meines Selbst erneut ihre Schatten über sie warf.   In den wenigen Momenten, die ihn der Wind oben hielt, handelten meine Reflexe. Ohne Zögern drehte ich mich in Richtung des Wirbelsturms, überkreuzte meine Arme vor meinem Oberkörper und sprang nach vorne, preschend durch die Windmauer. Meine Maske war längst gefroren, eisiges Metall brannte gegen meine Wangen, mein blondes Haar froststeif. Fühlen tat ich nichts mehr, meine Haut hatte vor Kälte ihren Tastsinn verloren. Zumindest Eines, was hinderliche Gefühle abstieß.   Im Auge des Sturms stand ich in dessen Mitte. Wie die Ruhe selbst, umringt von unbezwingbaren Unruhen. In gänzlicher Gelassenheit blickte ich nach oben, zu ihm, der er zu mir in die Tiefe fiel. Den jungen Vogel hielt er krampfhaft in der Innenseite seiner gepolsterten Jacke, die er schützend vor sich zuhielt.   Die rapide Geschwindigkeit, mit der er hinabstürzte, verlangsamte sich vor meinen Augen bis zur Zeitlupe. Reflexartig öffnete ich meine verschränkten Arme. Bereit, ihn aufzufangen. Und dies tat ich auch. Passte den Augenblick ab, in dem er beinahe den Boden erreichte und fing seinen Sturz mit meinem Körper ab. In einem unerschütterlichen Griff schloss ich meine Arme um ihn.   Durch die Wucht seines Aufpralls wurden wir zu Boden gerissen. Mein Rücken traf hart auf die schneebedeckte Oberfläche, die meinen Fall minder dämmte. Ein Knacken. Keine Knochen gebrochen. Dafür waren mir Blutergüsse über den gesamten Rücken, mitsamt Schrammen an meinen Armen sicher. Meine gepunktete Bluse war an den Schultern und der Wirbelsäule entlang zerrissen.   Der Heart-Pirat knallte bei seiner unsanften Landung gegen meine stählerne Brust. Niemand von uns landete weich. Beide zogen wir die Luft vor Schmerz scharf ein. Zeitgleich öffneten wir die Augen, sahen einander intensiv an. Keiner verlor ein Wort, welches nichtiger nicht sein konnte. Für uns stand der Sturm still. Für uns hatte nichts eine Bedeutung. Einzig wir sie seiend. Der Augenblick, in dem unsere Körper sich näher denn je waren.   Umringt von fliegenden Trümmern, Gewächs und Schnee lagen wir hier. Meine Arme blieben um ihn geschlossen, seine Hände an meiner Brust, in dessen gepunktete Bluse sie sich krallten. Nicht die Natur fand Friede, nicht ich war die Ruhe. Wir verkörperten die Harmonie.   Erst ein leises Piepen brach die Stille. Gab ihr Leben, welches wir gemeinsam wahrten.   Das hier bleibt unter uns... Wenn jemand erfährt, dass ich dies getan habe, sind mir die verstörten Blicke der Mannschaft gewiss...   Vorsichtig schaute das Pinguinküken hinter der weißen Jacke hervor, dessen Polsterung es schützte. Der Jungvogel sprang auf meine gepunktete Bluse und schüttelte sein kurzes Gefieder, als ob nie etwas gewesen wäre. Seine gleichmütige Gelassenheit war eine Absurdität. Die gesamte Situation war so grotesk, dass der Heart-Pirat bei dem Anblick des sich putzenden Vogels in innigem Lachen ausbrach.   Mir gefiel der sorglose Klang seiner Stimme. Dies gab ich reuelos zu. Ich war ein Mann der zu seiner Meinung stand. Ein freier Mann, der sich einzig selbst binden konnte.   Um uns legte sich der Sturm langsam. Bis er vorüber war, konnten wir hier in seiner sicheren Mitte bleiben. Wir waren erschöpft. Unsere Glieder geschwächt, unsere geschundenen Körper ermüdet. Der Heart-Pirat rollte sich seitlich von mir herunter, legte sich neben mich und lachte noch immer leise, ehe sein Lachen nach und nach verebbte.   „Killer“, war das erste Worte, welches er in gefühlvoller Erleichterung aussprach. „Verdammt... Du hast mich- ...Hast du dich ver-? ...Verflucht“, rang er nach Silben, die er nicht formulieren konnte. Er drehte seinen liegenden Kopf zu dem Meinen, der ihn wartend ansah. Einmal atmete er tief aus, ehe sein Lächeln erklang. „Danke.“   Auch ich schmunzelte; „Nun stehst du in meiner Schuld.“ Blinzelnd sah er mich an, knurrte dann leise. „Hey, so haben wir nicht gewettet!“ „Wir haben niemals gewettet.“   Er wusste, dass ich diese Diskussion gewonnen hatte. Sein unverständliches Murren ließ meine Mundwinkel weiter auseinander gleiten. Er ist so durchschaubar...   „Idiot.“ „Welch reizendes Kompliment.“ „Das ist kein Kompliment; Ich mein's ernst!“ „Gewiss tust du dies...“ „Ach, vergiss es! Da red ich lieber mit 'nem Stein, als mit dir.“   Stur zog er den Schirm seiner Kappe über seine Augen und verschränkte seine Arme vor seiner Brust. Sein Blick auf einen kleinen Kieselstein auf dem Boden gerichtet. Er schwieg mehrere Augenblicke, bis er grinsend seufzte.   „Obwohl... ein Stein ist mir dann doch zu langweilig. Du bist eigentlich 'n echt netter Zeitgenosse.“ „Sollte dies nun ein Kompliment sein?“ „Ja- Ich meine; Nein!“   Als 'nett' hat mich bisher noch niemand bezeichnet... Meine versteckte Mimik wechselte von Amüsement zu bitterer Resignation. Mein Blick mied seine aufrichtigen Augen, blickte stattdessen zur Aufschrift seiner Kappe. Ich bin nicht der, den du glaubst in mir zu sehen...     Wenn du wüsstest, wie falsch deine Einschätzung von mir doch ist... Wüsstest, wer ich wirklich bin...   Welch finsterer Dämon nach dir giert...   Würdest du dann deine Meinung über mich ändern? Würdest du dich von mir abwenden?   Gewiss... denn ich bin und bleibe ein Killer.   ...Ich werde dein Verderben sein, Penguin... Kapitel 4: Schatten der Ruhe ---------------------------- Die Augen eines Killers reflektieren den Tod. Ihr erkaltendes Licht das Letzte, was sein Opfer sieht.   Der endgültige Blickkontakt; Der einzige Augenblick, in dem ich meine Maske abnehme.   Du sollst wissen, wer dir dein Leben raubt.   Nicht der Mörder mit der Maske; der Killer hinter ihr.   Deine letzte Sekunde, indessen die Meinen fortwähren.   Niemand macht sich die Mühe, seine Lebzeit vor ihrem Ende zu zählen.   Eine Sekunde ist kurz, vernichtend kurz.   Sie wirkt bedeutungslos und unwirklich; Tatsächlich ist ihre Relevanz unvorstellbar gewichtig.   Ein Gedanke, eine Emotion, eine Entscheidung.   Alles, was geschieht, ist unumkehrbar.   Pro Sekunde gibt es zwei Todesfälle auf der Welt. Einer von ihnen auf der Grandline; in neunzig Prozent der Fälle in der Neuen Welt.   Alle sechzig Sekunden wird jemand ermordet, alle acht Sekunden nimmt sich jemand das Leben.   Dies sind lediglich die Dunkelziffern, die Wahrheit bleibt ungewiss.   Leben und Tod werden immerfort koexistieren, wie Tag und Nacht im immerwährenden Zyklus.   Wie ein Kid-Pirat und ein Heart-Pirat; sich in Gegensätzlichkeit abstoßend, sich im Gegenpol anziehend.   Selbst ohne die Teufelskraft meines Captains kann ich dich übermächtigen: Durch die Anziehungskraft der Verführung.   Versuche nicht, meinen Willen zu täuschen... Dies könnte die entgegengesetzte Wirkung erzeugen.   Meine Klingen rotieren stets gegen den Uhrzeigersinn... Hast du dich bereits gefragt, warum dies so ist?   Nun... möglichenfalls ist nicht alles unumkehrbar...   Überzeuge mich vom Gegenteil, überzeuge mich von dir, Heart-Pirat.   Doch sei gewarnt vor der Endgültigkeit deines Handeln, vor der auslösenden Gegenreaktion in Ketten, mit welchen ich dich binden werde.       ~ 愛 ~       „Ich muss dich verarzten“, verschränkte der Heart-Pirat seine Arme vor seiner Brust und lehnte sich gegen den umgestürzten Baum des Ufers, an dem die Adventure Galley ankerte. Das Pinguinküken schlief in dem hohlen Baumstumpf, zugedeckt mit braunen Blättern. Hier sollte es vorerst geschützt sein, bis seine Familie es fand oder umgekehrt. Ich imitierte die sture Pose des Kappenträgers und sprach uneingeschüchtert; „Dies 'musst' du gänzlich nicht.“   „Aber ich will“, nahm seine Stimme einen festen Ton an, den seine entschlossenen Augen gleichermaßen reflektierten. Seit dem Sturm war er mutiger und selbstsicherer geworden, äußerte seine Meinung mir gegenüber offener. Sein Blick glitt prüfend über meinen verwundeten Rücken, der durch den zerrissenen Stoff meiner gepunkteten Bluse vollends sichtbar war. Den Schmerz spürte ich nicht, zu abgehärtet war ich gegen solche Belanglosigkeiten. „Es ist das Mindeste, was ich-“   „Nein“, blieb meine Antwort eisern. Ich benötigte keine Hilfe, von niemandem. „Wegen dem unbedeutenden Kratzer vergeude ich keine Medizinvorräte.“   „'Ein Kratzer', huh?“, zog er seufzend den Schirm seiner Kappe nach unten, jedoch grinste er. Ein fieses Grinsen, welches nichts Gutes verhieß. „Wenn das so ist...“, ging er einen lässigen Schritt an mir vorbei und hob seine flache Hand, ehe er mir mit wenig Kraft auf meinen Rücken klopfte. Bei der gar sanften Berührung auf die verfärbte Haut durchfuhr mich ein stechender Druckschmerz, der mich leise zischen und meine Schulter anspannen ließ. Sein Grinsen wurde siegessicher. „Ein Kratzer also... ist klar.“   Teilnahmslos zuckte ich mit meinen Schultern. Selbst die leichteste Anspannung zog unangenehm. Was ich niemals zugeben würde. „Ist schlichtweg ein dezent größerer Kratzer.“   Neben mir stand er, sah mich lange an. Ist dies Sorge, die seine Augen versuchen zu verstecken? Seine Körperhaltung wandelte sich von Sturheit zu Niedergeschlagenheit. Sein Blick zu Verständnis, seine Stimme zu Anteilnahme.   „Es ist wegen deinem Stolz, nicht? Deine Crew könnte dich von hier aus sehen“, warf er einen Blick zum Schiff, an dessen Deck zurzeit reges Treiben herrschte. Mit seinen Analysen wurde er immer besser, dies musste ich neidlos zugeben. Als er wieder zu mir schaute, schob er seinen Kappenschirm nach oben, sodass ich seine Augen in ihrer Aufrichtigkeit sehen konnte. Ihr dunkles Grün schien sich aufzuhellen. „Ich kenne deine Kameraden nicht. Aber wage es zu behaupten, dass sie dich deswegen nicht für schwach halten würden. Du bist ihr Vize. Auch dein Körper ist nicht unverwundbar. Du hast nur dieses eine Leben, auf das du aufpassen solltest.“   „Mein Leben gehört meinem Captain“, sprach unbezweifelbare Loyalität aus meinen Worten. Verständnisvoll flüsterte er leise; „Ist es dann nicht noch wichtiger, es für ihn zu schützen?“   Schachmatt... Der Punkt ging an ihn. Mit seinen Argumenten hatte er mir einen Strick gedreht. Clever...   Schmunzelnd kehrte ich dem Schiff meinen Rücken, wandte mich stattdessen ihm zu.   „Ich höre. Was schlägst du vor?“, fragte ich ihn und lockerte meine verschränkten Arme zu einer offeneren Haltung. Sichtlich erfreut über meine Kooperationsbereitschaft dachte er kurz nach und sah sich dabei suchend um. Sein Stimmton klang nachdenklich und fachmännisch. „Da du dich um die Vorräte sorgst... Lass mich wenigstens die Schrammen reinigen und die Hämatome kühlen. Komm mit.“   Er erinnert sich also tatsächlich an sein medizinisches Wissen... Warum hält er dies nicht vor mir geheim?   Undeutlich murmelte er Mediziner-Phrasendrescherei vor sich hin und ging vor. Winkte mich dabei abwesend zu sich und wartete, bis ich ihm geruhsamen Schrittes folgte. Zu einem abgelegenen Uferplatz, von wo uns niemand sehen konnte. Unter uns der Schnee-bedeckte Sand, vor uns das Meer, hinter uns eine große Felswand. Von ihr floss ein winziger Rinnsal Wasser einer fast zugefrorenen Quelle hinunter. Zielsicher ging er auf sie zu, wusch sich seine Hände gründlich und zeigte dann auf einen einzelnen Felsen, der dezent mit Moos bedeckt war.   „Setz dich“, klang seine Stimme nicht fordernd, sondern bittend. „Schaffst du es allein, dich auszu-?“   Ein reißendes Geräusch von Stoff übertönte ihn. Dass sein Frage überflüssig war, merkte er spätestens dann, als ich oberkörperfrei mit meinem Rücken zu ihm saß. Das Ausziehen meiner ohnehin zerstörten Bluse war ein Akt von einer Sekunde. Mit meiner Hand schob ich meine langen, blonden Haare von meinem Rücken zur Seite und legte sie über meine rechte Schulter. Dies war meine wortlose Aufforderung, dass er sich beeilen sollte. Jemandem meinen Rücken zu zeigen – meine schutzloseste Seite – war ein sinnwidriger Akt. Im Kampf eine Fatalität, in diesem Moment ein unumgänglicher Vertrauensakt. Wie lästig...   Mein Blick war auf den Ozean vor mir gerichtet, indessen er mit seiner Behandlung begann. Zunächst sammelte er etwas Moos, schöpfte dann mit zusammengeschlossenen Handflächen das klare Quellwasser und vermischte beides, ehe er hinter mich trat. „Moos wirkt keimtötend“, erklärte er. „Aber das Wasser ist eiskalt“, war seine Warnung, die ich schweigend hinnahm. Seine Fürsorge war mir fremd. Ich konnte nichts mit ihr anfangen, ließ sie deswegen an mir abprallen. Wer benötigt so etwas Hinderliches? Sozialität ist eine Schwäche...   Gar vorsichtig drückte er die dickflüssige Moos-Mischung gegen die auf geschrammten Hautstellen meines Rückens. Beinahe konnte ich die kühle Wassertemperatur als wohltuend bezeichnen. Zudem wärmte der Kappenträger sie mit seinen Händen kurz auf, ehe er sein Hexergemisch auf meiner Haut auftrug. Nach kurzer Einwirkzeit spülte er das Moos wieder ab, goss dafür klares Wasser über meine Schulter, sodass es langsam meinen Rücken hinabfloss. Diese Handlung wiederholte er mehrmals; Wassersammeln, es erwärmen und mit ihm meine Verletzungen reinigen. Bis die Verunreinigung größtenteils gesäubert war. Er ging dabei überaus gewissenhaft vor.   Ob er in solchen Gebieten perfektionistisch veranlagt ist? Erneut fragte ich mich, an wie viel er sich erinnerte. Mittlerweile war ich mir gewiss, dass er einige seiner Erinnerung zurückerhalten hatte. Ich testete ihn seit längerer Zeit auf sein Wissen – mit dem Verband für seinen Handrücken und dem Medizinbuch – und erlangte so Gewissheit über meine Vermutung. Allein sein veränderter Charakter verdeutlichte, dass sein Geist stärker geworden war.   Erinnert er sich an seine Mannschaft? Ich hoffe für ihn, dass er dies nicht tut...   Auf seine Crew konnte ich ihn nicht ausdrücklich ansprechen, zu groß war das Risiko eines Erinnerungstriggers. So prüfte ich ihn auf anderen Wegen. Er ahnte nichts von alldem. Es war nicht ausgeschlossen, dass er sich an sein Leben vor dem auf der Adventure Galley erinnerte. Der Grund, welcher dagegen sprach; dass er noch immer hier war. Was sollte ihn hier halten, wenn er bei seinen eigenen Leuten sein könnte?   Er hat bisher keinen einzigen Fluchtversuch unternommen... Nur seine Reaktion auf die Würfelherzen des 'Lebendenschänders' ist verdächtig ausgefallen...   Dies reicht mir nicht zur Gewissheit... Ich brauche sie in ihrer Gänzlichkeit...   Nach der Wundreinigung folgte die abschließende Kühlung der geschwollenen Hautpartien. Dafür sammelte er eine kleine Menge an sauberem Schnee, den er mit kurzem Zögern bedachtsam an meinen Rücken drückte. Zwischen meiner erhitzten Haut und seinen Händen schmolz der Schnee schnell, sodass ich seine Finger deutlich auf mir fühlte. Nur kurz, dann zog er sie eilig zurück. Verlegen lachte er leise und schüttelte seine Hand locker aus.   „Verdammt, bist du heiß.“ Mein Schmunzeln verdüstere sich; „Ich weiß.“   Sein ungläubiger Blick bohrte sich in meinen Hinterkopf. Der Trick der Verwirrung zog immer bei ihm. Dass er meine erhöhte Körpertemperatur meinte, wussten wir beide.   „Du bist echt unmöglich“, seufzte er gekünstelt hustend und rieb still meinen Rücken weiter ein. Jede verfärbte Hautstelle, jeden Zentimeter. Dabei ging er zurückhaltend und vorsichtig vor. Was er gewiss nicht tun brauchte, doch entschieden tat.   Rücksicht... gar minimale Gesten der Wertschätzung... Diesen Unsinn benötige ich noch weniger...   Besitzt jede seiner Handlung eine Emotion? Warum überlässt er seinen Gefühlen so viel Macht?   Ich konnte es nicht leiden, wenn mich jemand anfasste. Berührungen, die weder von freundschaftlicher Natur, noch von kämpferischer waren, waren für mich unnötig und paradox. Gewöhnlicherweise war ich derjenige, der von mir aus entschied, wann er jemanden berührte und wann nicht. Ihm diese Entscheidung zu überlassen, war eine Widrigkeit. Insgeheim genoss ich es, ihn zu spüren. Auf eine Art, die ich nicht guthieß.   Wie verwerflich irrationale Gedanken doch sind... Eine Verschwendung von mentaler Energie...   Ein letzter Schneeball. Eine letzte Berührung. Dann war seine Tortur aus lästiger Nettigkeit beendet. Dass ich mich besser fühlte und der Druck meiner Wunde nachgelassen hatte, musste ich ihm nicht unbedingt eröffnen. Dies wusste er selbst. Was mir sein selbstüberzeugtes Grinsen mitteilte.   „Behandlung abgeschlossen; Patient hat überlebt“, scherzte er und warf abermals einen Blick auf meinen Rücken, den ich wieder mit meinem blonden Haar bedeckte. „Belaste ihn in nächste Zeit nicht zu sehr. Du hast Glück, dass die Blutergüsse nur oberflächlich sind. Höchstens in zwei bis drei Wochen ist die Verfärbung vollständig weg.“   Ein Nicken meinerseits, ehe ich mich mit ihm zusammen auf den Rückweg begab. Sobald wir zurück auf dem Schiff waren, würde ich mich auf direktem Weg in meine Kajüte begeben und eine neue Bluse anziehen. Damit hatte sich das Thema für mich erledigt. Danach musste ich schnellstmöglich meinen Captain aufsuchen.   Zu viel Zeit habe ich auf der Insel vergeudet-, unterbrach ich mich gedanklich und blickte aus dem Augenwinkel auf den neben mir laufenden Heart-Pirat. Nun... eine Vergeudung ist es nicht direkt gewesen...   Welch unvernünftiger Gedanke..., besaß mein halbes Schmunzeln etwas Schmerzhaftes. Keine Reue, kein Mitgefühl, sondern einen Teil von bitterer Erkenntnis. Mein Blick auf den Kappenträger blieb neutral kalt. Du wirst nicht weglaufen können... Nicht vor mir-   Plötzlich hechtete er los. Wie von einem Seerochen gestochen schoss er an mir vorbei, in die entgegengesetzte Richtung der Adventure Galley. Im selbigen Sekundenbruchteil fokussierten sich meine Sinne zur Schärfe. Meine Augen nahmen ihn ins Visier. Erfassten seine Bewegungen, berechneten seinen Weg, kalkulierten die Entfernung und Geschwindigkeit, um ihn einzuholen. Doch blieb ich vollends still stehen. Schmunzelnd. Weil ich den Grund seiner überstürzten Flucht erkannte.   Eine Vielzahl an riesigen Pinguinen. So groß, dass ihre Köpfe mir beinahe bis zu meinen Schultern reichten. Ein Familien-Clan, mitsamt dem Küken, welches auf dem Kopf seiner anführenden Mutter saß. Die Vogelschar tobte mit einem trampelnden Sturm an mir vorbei, mied mich im weiten Bogen, ignorierte mich gänzlich. Ihr flüchtendes Ziel hatten sie längst anvisiert. Mein verborgenes Schmunzeln wurde zu einem Grinsen, schattiert von Schadenfreude. Das würde ich mir gewiss nicht entgehen lassen.   Lässig lehnte ich mich gegen einen Baumstamm und beobachtete mit höchstem Amüsement die mir dargebotene Aufführung. Sein Missglück ist stets überaus unterhaltsam... Der Heart-Pirat rettete sich auf eine der Baumkronen, nicht weit von meiner Aussichtsposition. Unter ihm im Kreis versammelt die Horde seiner Verehrer, die grob gegen den angekohlten Stamm pickten. Der Baum so schmal und beschädigt, dass die Krone dessen, inklusive Kappenträger sich langsam immer weiter zu den Vögeln bog, die auf ihn flatterten – wortwörtlich. Einige versuchten springend an ihn zu kommen, ruderten dabei wild mit ihre kurzen Flügel. Allesamt schrien sie in hohen Stimmen nach ihm. Übertönt werdend von dem menschlichen Unglücksvogel.   „Sch! Haut ab!“, versuchte er sie mit einer wegjagenden Handbewegung vergebens zu verscheuchen. Bis sein Gleichgewicht ins Schwanken geriet und er sich mit gesamter Kraft um den gebogenen Stamm klammerte. Langsam wurde seine laute Stimme leicht panisch. „Bleibt mir vom Leib, ihr kleinen- ...verdammt großen Monster!“   Einer der größten Pinguine bekam den gelben Kappenschirm mit seinem Schnabel zu greifen und versuchte ihm seine Kappe vom Kopf zu reißen. Um sie nicht zu verlieren, lehnte er sich weit zurück, seinen Kopf in seinen Nacken gelegt. Festhalten konnte er seine Kopfbedeckung nicht, da er sonst den Baumstamm hätte loslassen müssen. Leise knurrte er die Vögel an, die nun zusätzlich nach Teilen seiner Ärmel und Hosenbeine schnappten. Wie eine Fan-Schar, die ein Andenken an ihr Idol an sich reißen wollten. Eine solch absurde Exklusivität erlebte man einzig auf der Grandline.   Tonlos lachte ich auf. Ich amüsierte mich gänzlich auf seine Kosten. Allerdings kannte auch ich so etwas wie Freundlichkeit – auf meine Art.   „Benötigst du eine helfende Hand?“, rief ich ihm zu, mein diebisches Schmunzeln unüberhörbar. „Als ob! Lass deine Hände bloß bei dir!“, knurrte er mir zurück und versuchte nun den Stamm rückwärts nach hinten zu kriechen. Was zur Folge hatte, dass es unter ihm laut knackte. „I-Ich schaff das schon allein! Echt nett von dir, dass du dich um mich sorgst.“   Sein freches Grinsen verlor er zumindest nicht. Dafür jedoch seine Kappe, die der altersgraue Pinguin ihm raubte. Das Tier stieß einen triumphierenden Siegesschrei aus und trottete dann im Eiltempo davon, gefolgt vom Rest der Schar. Flüchtend eilten sie zu einem erhöhten Schneehügel, verloren keine Zeit und sprangen ihn in absoluter Synchronizität herunter. Auf ihren weißen Bäuchen über die steile Senkung rutschend. Womit sie eine enorme Geschwindigkeit annahmen.   „Okay. Das war's. Ihr habt es nicht anders gewollt!“ Die verlorene Hutschnur des Heart-Piraten zerriss.   Gegensätzlich zu seiner aufgebrachten Stimme, stieg er vollends ruhig von der Baumkrone. Sein Blick auf die über das Ufer gleitenden Vögel gerichtet. Dabei nahmen seine grünen Augen einen tief-dunklen Farbton an. Er studierte die Pinguine. Ihr Bewegungsmuster, ihre Fluchtroute, ihren Schwachpunkt. Ähnlich, wie ich es kürzlich mit ihm tat. Der Unterschied; Ich analysierte Menschen, er Tiere. Meeresbiologie war wohl sein Spezialgebiet. Eine Erinnerung? Oder Instinkt?   Indessen die Pinguin-Horde Richtung Meer hetzte, bückte sich der Heart-Pirat und hob einen robusten Stock, ähnelnd einem stumpfen Speer auf. Zeitgleich sprintete er los, seine Bewegungen bis zur exakten Genauigkeit koordiniert. Als er den Hügel erreichte, warf er den Speer. Gezielt den Punkt des endenden Ufers – zwischen Pinguinen und brechenden Wellen – treffend. Was die Tiere abrupt ausbremste.   Liegend sahen die Tiere über ihre Schultern. Sie fühlten die erzürnte Aura des auffallend stillen Heart-Piraten bis zu ihrer Position. Ihre dunklen Federn stellten sich alarmiert auf. Vor Schock fiel dem alten Pinguin die Kappe aus dem geöffneten Schnabel. Letztlich schritt der Heart-Pirat langsam, bedrohlich langsam den Hügel hinab, auf die Horde zu. Unerschrockenheit zeichnete seine Schritte, hinterließen Warnspuren im Schnee. Unbeholfen robbten die Pinguine von ihm weg. Eiliger denn je flüchten wollend. Letztlich stürzten sie sich freiwillig kopfüber ins Meer. Keiner von ihnen warf einen Blick zurück.   Seufzend hob der Heart-Pirat seine Kappe auf, klopfte den Schnee von ihr und setzte sie sich stolz grinsend auf. „Warum nicht gleich so?“, fragte er in Richtung Wellen und sah dann zu seinen Stiefeln. Wo eine einzelne Pinguinfeder lag, die er aufhob. Ihr Muster schwarz-weiß gepunktet. Er drehte sie zwischen Zeigefinger und Daumen, ehe er sie sich in seine linke Brusttasche steckte.   Dann holte er zu mir auf, zeitgleich stieß ich mich locker vom angelehnten Baumstamm ab. Als er mich erreichte, knurrte er leise in den weißen Kragen seiner Jacke. „Kein Wort. Verkneif's dir. Ich will's nicht hören. Wehe-“   „Du scheinst heißbegehrt zu sein.“ Murrend verdrehte er seine Augen; „Bist du jetzt zur Viper geworden? Oder betonst du ein S immer so scharf?“   Mich weiter zu ihm beugend, schärfte ich den Buchstaben abermals mit meiner tiefer werdenden Stimme. „Gewisss... nicht. Du findest ihn also scharf?“   Irritiert warf er mir einen fragenden Blick zu; „Wen?“ Mein Schmunzeln wurde düster. „Such es dir aus.“   Eilends tat er einen Seitenschritt von mir weg, indessen sein Stimmton leicht verunsichert wirkte. „D-Der Buchstabe. Ich rede bloß über den Buchstaben!“ „Natürlich tust du dies...“   Meine Trickfrage verfehlte ihren Effekt nicht. Seinen begutachtenden Seitenblick, der heimlich über meinen Körper wanderte, bemerkte ich sehr wohl. Nervös befühlte er seine Ärmel. Dabei drehte er seinen Kopf schnell zur Adventure Galley.   „Können wir jetzt endlich zurück?“, lenkte er ab und mied den Blick zu mir. Schaute stattdessen auf den schneebedeckten Weg, den er voranschritt. Ich neben ihm laufend. Abermals verschloss er sich vor mir. Doch ein Profi-Dieb wie ich konnte noch jedes Schloss knacken.   Außer Eines...   Das Meinige. Es war unzerstörbar. Besaß weder Schlüssel, noch Öffnung. Versunken im Meer meines Innersten, überdeckt von solidem Eis. Wärme kann es nicht tauen... Meine fleischliche Maske gefror. Mein Schmunzeln nichts weiter, als verzerrte Obskurität. Meine Augen die wahrhaftige Kälte.   Einzig eine lästige Emotion ließ die Eismaske splittern. Eine, die ich beinahe mein Gewissen nennen konnte. Nur beinahe. Je näher wir dem Schiff kamen, desto paradoxer empfand ich. Eine Empfindung, die Kälte überschattete.   Kid wartet auf mich..., rief ich mir erneut ins Gedächtnis. Ich habe meinen Captain warten lassen...   Nur wegen- Nichts Nennenswertem...   Ich bin nachlässig geworden... Dies hätte ich niemals zulassen dürfen...   Fehler... dies ist ein Fehler... Mein erkalteter Blick ruhte auf seinen sorgenlosen Gesichtszügen. Der Kappenträger fühlte sich vollends sicher in meiner Nähe. Kurz blitzte die Erinnerung an den Sturm durch meinen Sinn. Ein Schutz-Schwur gegenüber eines Feindes? Warum habe ich dies geschworen, wenn ich es brechen muss?   Ich werde ihn nicht länger schützen können... Wenn ich es bin, vor dem ich ihn schützen muss...   Wenn ich ihm mein wahres Ich zeige... Wie wird sein Gesichtsausdruck sein?   Verdunkelt von Hass? Enttäuschung? Gebrochenheit? Das hellende Smaragdgrün seiner Augen wird zerbrechen...   Dies ist das erste Mal, wo mir der Weg zu meinem Captain beinahe beschwerlich vorkam. Länger dauerte der Weg. Langsamer wirkten meine Schritte. Schneller arbeiteten meine Gedanken.     Meine Loyalität als Vize ist unerschütterlich. Meine Pflicht ist unmissverständlich.   So, wie Kids Aufgabe an mich: `Gewinne das Vertrauen des Heart-Piraten...  und zerstöre ihn.´           ###           Mein Herz als Heart-Pirat ist unsterblich. Meine Erinnerungen unauslöschlich.   Mein Ziel ist die Polar Tang, zurück zu meiner Crew.   Sie warten auf mich.     Klarheit. Selbstsicherheit. Zerbrechliche Vertrautheit. Ich wusste, wer ich war. Wusste, wo ich hingehörte. Wusste jedoch nicht, was ich fühlen sollte. Ein Teil von mir wollte sich erfreuen, Erleichterung verspüren und schnellstmöglich zurück zur Polar Tang. Ein anderer, winziger Teil zweifelte an alldem. Er schürte Unsicherheit in mir. Täuschte mir vor, ich würde die ungewollte Nähe des Kid-Piraten Vize genießen. Gar aus eigenem Willen heraus suchen. Mein Innerstes war im Zwiespalt gefangen.   Pah, als ob ich den Psycho leiden könnte! Das sind nur die Nachwirkungen der Bewusstseinsstörung!   Nach dem Sturm war etwas anders zwischen uns. Beinahe schien es so, als ob wir uns seitdem näher waren. Eine Art von Basis zueinander aufgebaut hätten, die mich Sicherheit fühlen ließ. So etwas sollte nicht zwischen uns existieren. Unsere Bindung war zweckmäßig, zeitlich begrenzt und basierte auf unglücklichen Ereignissen. Und doch wollte ich glauben, dass ich nicht nur ein Mittel zum Zweck war. Dass ich ihm etwas bedeutete.   Verdammt, reiß dich zusammen, Peng! Du darfst weder ihm, noch deinen Gefühlen trauen!   Als wir das Deck des Kid-Piraten Schiffs erreichten, waren die Männer damit beschäftigt, die Auswirkungen des Sturms zu beseitigen. Einige schippten Schnee von den Dielen, andere räumten den Schutt weg, der hierher gefegt worden war. Wieder andere reparierten ein kaputtes Segel. Ein plötzliches Gefühl des Unwohlseins. Ihre Blicke auf mir. Kurz, flüchtig, gar von mir eingebildet. Hohn und Gehässigkeit tragend. Als würden sie mich stumm auslachen, sich hinter meinem Rücken über mich lustig machen.   Sie wissen, wer ich bin..., wurde mir die Tatsache erst richtig bewusst, während Wut in mir aufkam. Für sie bin ich eine Witzfigur...   Weil ich ein Außenseiter bin... Weil ich ein Heart-Pirat bin...   Weil sie mich mit Leichtigkeit haben fangen können... Zur Wut mischte sich bittere Reue. Habe ich... den Namen unserer Mannschaft beschmutzt?   Meinen Käpt'n und meine Crew enttäuscht-?   Ein zwickender Stich in meinem Hinterkopf. Eine aufflammende Erinnerung, die ich nicht verloren, sondern nur kurzzeitig vergessen hatte. Laws flüsternde Stimme rief sie mir ins Gedächtnis.   „Ich vertraue auf dich.“ Wie in einem immer lauter werdenden Echo hallten die Worte nach, drangen bis zu meinem Inneren vor. Erfüllten mein Herz mit Stolz. Das Vertrauen meines Kapitäns entbrannte neuen Mut in mir. Selbstbewusst hob ich meinen Kopf, zeitgleich ebenso den Schirm meiner Kappe und sah die Kid-Piraten bewusst an. Ihre spöttischen Blicke erwiderte ich mit dem giftigen meinen. Grinsend. Ihr bekommt mich nicht klein...   Eure Meinung über mich ist mir egal... Solange ich Freunde habe, die an mich glauben...   Der Massaker Soldat hatte mich vom Türrahmen zum Schiffsinneren aus beobachtet. Als ich an ihn herantrat, stellte er mir eine Frage, die mich völlig überrumpelte. Unmissverständlich fragte er in eisigem Ton; „Woran hast du dich erinnert?“   Ich zögerte. Zu lange. Schürte Misstrauen und Verdacht in ihm. Schweigend zog ich meinen Kappenschirm über meine verräterischen Augen.   „Sag es mir“, forderte er mich auf, sein Stimmton kalt und kompromisslos. Ich musste ihm antworten, jetzt. Weswegen ich einmal ausatmete und zu sprechen begann. „Ich hab mich daran erinnert, dass ich nicht allein bin.“   Okay, Peng, du schaffst das... Du musst das bloß über deine Lippen bringen...   Wie schwer kann flirten mit einem Psychopath sein?   „Weil d-du bei mir b-bist.“ Mein schiefes Lächeln hätte verkrampfter nicht sein können. Ein glatter Fehlschuss, toll hinbekommen... Zumindest verdeckte der weiße Jackenkragen das Trauerspiel namens 'Flirt-Lächeln'. Stattdessen formten meine Lippen nun ein Seufzen, als ich ihm die Halb-Wahrheit gestand. „Irgendwo dort draußen gibt es jemanden, der auf mich wartet.“   Meine Augen schweiften zum Meer, während die seinen mich eingehend musterten. Er ließ es bei der vagen Antwort beruhen. Vorerst. Oder absichtlich? Wortlos drehte er mir seinen Rücken zu und ging ins Schiffsinnere. Ich folgte ihm. Zielbewussten Schrittes steuerte er den Weg zu seiner Kajüte an, die sich auf dem gleichen Flur befand wie die Kapitänskajüte. Eine wichtige Information, die ich nicht vergessen darf... Ehe wir in den Gang einbogen, richtete er sein Wort an mich, ohne anzuhalten oder sich zu mir umzudrehen.   „Bleib hier. In der Nähe“, wies er mich an, seine Stimme von kalter Monotonie schattiert. Wie am ersten Tag. Auch seine Körperhaltung hatte sich plötzlich verändert, war verschlossener und abweisender. Als ob wir von einer auf die andere Sekunde wieder völlig Fremde waren. Ein Frösteln durchfuhr mich. Jedoch nicht wegen der winterlichen Temperatur. Seine charakterliche Kälte war es, die mich frieren ließ. Der Gedanke der Entfremdung gefiel mir nicht. Im gleichen Herzschlag stritt ich es ab.   Lass dich nicht von ihm verwirren...   Leicht nickte ich seiner gehenden Figur zu, obwohl er es nicht sehen konnte. Meine Schritte verlangsamten sich, während ich ihm nachsah, bis er aus meiner Sichtweite verschwunden war. Dann senkte ich meinen Kopf, wodurch der Schirm meiner Kappe über meine Stirn rutschte. Zeitgleich weiteten sich meine Augen hinter ihr.   Er lässt mich unbeaufsichtigt?, wurde mir bewusst. Bewusst, wie viel Vertrauen er mir damit entgegenbrachte. Erneut sah ich auf und blickte in den leeren Flur, als wenn er mir eine Antwort hätte geben können. Warum tut er das?   Die Crewmitglieder waren an Deck. Ich war so ziemlich allein hier unten. Mit etwas Glück könnte ich... Ich hätte so vieles tun können. Etwas klauen, mir eine Teleschnecke organisieren, den Feind ausspionieren oder mich wegschleichen können. Und was tat ich? Nichts von alldem. Weil ich sein Vertrauen nicht missbrauchen kann... So niederträchtig bin ich nicht...   Aber... muss ich das nicht sein, um hier wegzukommen? Muss ich meine Ideale dafür wirklich aufgeben?   Mit zwiegespaltenen Gedanken ging ich zum Duschraum und duschte. Selbst dort zog ich meine Kappe nicht aus. Sie gab mir eine gewisse Art von Schutz. Zeit um nachzudenken. Ich brauchte sie dringend. Kam jedoch zu keinem aufschlussreichen Ergebnis. Stattdessen dachte ich über meine Crew nach. Und mied jeden Gedanken an den blonden Vizen.   Bald steht Laws Routineuntersuchung an... Die Grippeschutzimpfung muss auch aufgefrischt werden... Ohne sie hätte ich mich längst erkältet...   Ich erinnere mich noch genau an die letzte Untersuchung...   Ob Shachi beim Anblick von Blut wieder ohnmächtig wird? Wie ironisch, dass er als einziger Heart-Pirat kein Blut sehen kann...   Seine Sonnenbrille trägt er nicht grundlos; Sie verdunkelt die rote Farbe, sodass er sich stets einredet, es wäre Schokoladensirup...   Shachis Motto: 'Mit einer Menge Fantasie~'   Woraufhin Bepo ihn gefragt hat: 'Gibt es da auch Bärenfrauen?' Dann erklärte Shachi mit erhobenem Zeigefinger: 'Wenn du nur fest genug daran glaubst, kannst du dir alles erträumen!'   Laws Randeinwurf: 'Setze Bepo keine Flausen in den Kopf, Shachi-ya. Fiktion ist irrational. Träume sind keine Wirklichkeit.' Shachis schmollendes Gegenargument: 'Aber alles, was man fühlt, ist doch real...'   Woraufhin ich ihm grinsend gegen seine Schulter geboxt habe; 'Hast du das gefühlt? Willkommen in der Realität, Dumpfbacke.'   Bepo hat sich dann in meinem Namen entschuldigt, wie immer. Wodurch Law mit dem Ende seiner Schwertscheide scheltend gegen Bepos Hinterkopf geklopft hat. Und weil Shachi und ich uns ein leises Lachen nicht haben verkneifen können, hat er uns einen doppelten Katana-Knockout verpasst. Was für eine Ehre es doch ist, 'Zuneigung' von unserem Käpt'n zu erhalten...   Keine Erinnerung kann die Realität ersetzen..., seufzte ich lange und kehrte ins Hier und Jetzt zurück. Ich vermisse sie-   Mit einem rumpelnden Knall wurde die Tür zum Duschraum aufgestoßen. Was mich in meiner einseifenden Bewegung gefrieren ließ. Noch mehr, als der Eisstrahl, der sich Duschwasser schimpfte. Gedanklich machte ich mich unsichtbar. In Realität stand ich mit meinem Gesicht zur Wand, mein Rücken zur Tür. Wer auch immer mit mir hier im Raum war, meine Deckung fallen zu lassen, war niemals eine gute Idee gewesen. Nicht mal Alleinsein ist einem hier vergönnt...   Trampelnde Schritte, untermalt von einem Schlurfen, das seine nachgezogenen Stiefel bei der trägen Bewegung erzeugten. Ist das... der Zombie? Meine Körperspannung löste sich minder, blieb jedoch alarmiert. Ich kannte den Kerl nicht, wollte ihn auch nicht unbedingt kennenlernen. Aber wenn ich jetzt einen Rückzieher machte, aus der Dusche flüchten würde, wäre ich ein Feigling. Soweit kommt's noch!   Schlurfend durchquerte er den Raum, störte sich an meiner Anwesenheit recht wenig und gähnte grinsend. „Zeit für die alljährliche Dusche.“   Ich muss mich verhört haben... Das meint er nicht ernst... niemals...   „Jo, Zwergenkappe“, sprach er mich an, stellte sich breitbeinig, wie Gevatter Untot ihn schuf, neben mich und machte sich so breit, dass er zwei Duschköpfe belegte. „Mach Mal Platz für die heißeste Knalltüte.“   `Trantüte´, trifft's wohl eher...   „Knalltüte?“, konnte ich mir die Frage nicht verkneifen. Zeitgleich verfluchte ich mich dafür, dass ich allen Ernstes ein Gespräch mit der Schnapsleiche anfing. Nackt. Die Situation wäre auch mit Klamotten schon makaber genug gewesen.   Ich warf ihm einen Seitenblick zu, sah dann sein dreckiges Grinsen von vernähten Lippen und wusste bereits, dass dieses Gespräch in die ewigen Abgründe der Niveaulosigkeit eingehen würde. Langsam hob er seine blass-blauen Hände, formte mit Zeigefinger und Daumen ein O und steckte seinen anderen Zeigefinger demonstrativ hinein, dabei wackelte er mit seinen abgefackelten Augenbrauen. „Knalltüte – bei mir knallt's; mit oder ohne Tüte.“   Warum habe ich überhaupt gefragt... Der hat doch besagten 'Knall' nicht gehört...   Wie pervers sind die Kid-Piraten eigentlich? Sind die alle von chronischem Entzug infiziert?   Statt mich auf sein Niveau-Level herabzulassen, musterte ich ihn schweigend aus den Augenwinkeln. Es war nie verkehrt, seine Feinde zu studieren. Sein blass-blauer Körper war übersät von schwarzen Nähten, die niemals gezogen wurden. Den Grund dafür fand ich im gleichen Wimpernschlag heraus, was meine medizinische Wissbegier weckte: Bei genauestem Hinsehen erkannte man einen leichten Unterschied in der Hautfarbe seiner Gliedmaßen. Sie waren zusammengenäht; aus mehreren Körperteilen, von mehreren Zombies. Sozusagen war der Kerl ein Mutant, vielleicht sogar als bioorganische Waffe von 'seinem Schöpfer' entwickelt worden. Nur seine Seele schien vollkommen menschlich zu sein.   Als mein medizinischer Blick unbewusst seinen Oberkörper herab wanderte, hielt er sich plötzlich seinen Schritt mit seinen Händen zu.   „Hey, hier wird nichts abgeguckt!“ Grinsend erwiderte ich; „Wo nichts ist, kann man auch nichts verlieren...“   Eigentlich ist die Frage; Woher er das hat... Selbst dieses... Unaussprechliche ist angenäht...   „Haha, der war gut!“, lachte er über den Witz, der keiner war, und griff dann nach der Seife... die ihm nach Oben aus der Hand glitt. Schamlos bückte er sich weit nach unten, sein blasser Hintern unmittelbar in Sichtweite – D-Der Todesstern! – und versuchte mehrmals vergebens nach der weg glitschenden Seife zu greifen. Der Duschkopf über mir war plötzlich viel interessanter geworden.   „Kommst'e her, du Scheiß-Ding!“, fluchte er und jagte der Seife nach, bis er letztlich auf ihr ausrutschte. Was seine Flüche in fremdsprachiger Derbheit verzerrten. „Zefix nuamal Mileckstamorsch, deppata Zipfelklatscha!“   Und jetzt nochmal in verständlicher Sprache?   Seufzend formten meine Lippen ein halbes Grinsen. Um der Tragödie ein Ende zu setzen, hockte ich mich mit durchgestrecktem Rücken zu Boden, wo die Seife vor mir liegen geblieben war, und hob sie auf. Ehe ich sie ihm hinhielt. Hinter dem blauen Wischmopp – den seine tropfenden Rastalocken darstellten – sah er mich geschockt an. Fassungslos über die freundliche Geste starrte er von meiner Hand zu meinem Gesicht und zurück. Seine Husky-blauen Augen schauten mich an, als wäre ich ein Heiliger. Dann grinste er, womit sich die Nähten an seinen Lippen weit auseinanderzogen.   „Danke, Kumpel.“ `Kumpel´?   „Nicht der Rede wert“, winkte ich ab und spülte den Rest des Seifenschaums von meinem Körper. Der Wasserstrahl war immer noch so kalt, dass die Eistropfen sich wie kleine Einstiche auf der Haut anfühlten. Ein Zischen neben mir. Begleitet von Dampf, der die Dusche durchströmte. Der Zombie schummelte. Erhitzte mit einer kleinen Stichflamme das Rohr der Wasserleitung, sodass heißes Wasser aus seinem Duschkopf floss. Zähneklappernd stand ich neben ihm, sah nicht neidisch zu ihm herüber und verfluchte seine Feuerspucker-Fähigkeit. Was ich nicht erwartet hatte; die kleine Flamme, die er in Richtung meiner Rohrleitung spuckte.   „Eine Hand wäscht die andere“, grinste er, während ich das wärmende Wasser spürte, das meine schockgefrorene Haut auftaute. So übel ist der Kerl vielleicht doch nicht...   Obwohl er ein Kid-Pirat ist... Oder gerade, weil er einer ist?   Im Gegensatz zu mir duschte der Zombie im Schnelltempo, war sogar noch vor mir fertig. Er brauchte nicht einmal ein Handtuch zum Abtrocknen, benutzte sein Feuer dafür. Bevor er den Duschraum angezogen wieder verließ, fragte ich ihn aus Neugier; „Sag mal, kannst du die Körperteile eigentlich auch abnehmen?“   Stolz grinsend drehte er sich beim Gehen zu mir um. Umgriff dann mit seiner linken Hand seinen rechten Arm, den er mit einem Ruck von seiner Schulter zog. Und winkte mir mit der Hand, deren Finger schlaff herabhingen. Daraufhin zeigte er mir einen Daumen nach oben. Das war seine Antwort. Keine weitere Erklärung nötig.   Dann ging er, doch hörte ich ihn auf dem Flur noch fluchen. „Shit, jetzt muss Wire ihn mir ja schon wieder annähen... Das gibt 'n Donnerwetter. Hat die Seemöwe drauf geschissen; Wenigstens ist meine 'Jill' noch dran.“   Seine... Ich will's nicht wissen...   Eins kann ich mit Sicherheit sagen; In dem kurzen Kennenlernen habe ich mehr über den Kerl erfahren, als ich habe wissen wollen...   Ich genoss noch einige Momente das Alleinsein, ehe ich mich abtrocknete und anzog. Wie viel Zeit verstrichen war, wusste ich nicht. Als ich den Raum verließ, war es auf dem Schiff befremdlich ruhig geworden. Die Mannschaft schien von Bord gegangen zu sein, vermutlich um ihren gelungenen Raubzug nachzufeiern. Nicht umsonst hatten sie eine Kneipe stehen gelassen.   Körperlich erholt begab ich mich zurück an Deck. Dort begegnete ich dem blonden Vizen, der an seinem gewohnten Platz – auf der Totenkopf-Galionsfigur – saß. Sein Blick Richtung abendlichem Horizont gerichtet, umgab ihn die absolute Stille. Zeige ihm keine Schwäche... Als ich vorsichtig zu ihm herantrat, drehte er sich nicht zu mir. Durch seine Bewegungslosigkeit wirkte er beinahe wie eine Statue, deren Lebendigkeit bloß von seinen leicht wehenden Haaren hervorgerufen wurde. Neben Killer stand ein befüllter Essensteller, den ich mit hochgezogener Augenbraue betrachtete.   „Ich dachte, du isst nichts“, sprach ich leise in die trügerische Ruhe von Meeresrauschen und Schiffslauten. Locker stützte ich mich mit meinen Unterarmen auf den Totenschädel und warf ihm einen Seitenblick zu. Noch immer wandte er seine Maske nicht zu mir. Seine blonde Mähne wurde durch einen stärkeren Luftstoß in Bewegung gebracht, sodass einige Strähnen unruhig vor meinem Gesicht tanzten. Wodurch meine Sinne seinen benebelnden Geruch wahrnahmen. Sommer, Metall und süßliches Gift... Killers flüsternde Stimme glich einem bedächtigen Nachthauch; Leise, kalt und klar.   „Das Essen ist nicht für mich.“   „Du... gibst es mir?“, fragte ich irritiert mit hörbarem Misstrauen. Abwechselnd sah ich von der erkalteten Speise zu seinem Seitenprofil und zurück. „Wirklich? Aber bekommst du keinen Ärger mit-“   Eine flinke Bewegung seines Ellenbogens, mit dem er den Teller grob in meine Richtung stieß. Hätte ich ihn nicht reflexartig aufgefangen, wäre er den Holzdielen zum Opfer gefallen. Das war wohl seine Aufforderung, keine weiteren Fragen zu stellen.   Mehrere Momente blickte ich auf den gefüllten Teller. Pasta – was auch sonst? Diesmal mit Thunfisch, heller Soße und auf Grundbasis langer Fadennudeln. Verdammt... Thunfisch ist meine Leibspeise... Mein Speichel sammelte sich in meinem Mund, sodass ich ihn eilig herunterschluckte. Nein. Ich konnte das nicht essen. Nicht, weil ich keine Nudelgerichte mochte. Nicht, weil ich den 'Extra-Zutaten' misstraute. Sondern wegen meinem Gewissen. Mit ihm konnte ich es nicht vereinbaren. Meine Gewissensbisse lieferten sich ein Duell mit meinem knurrenden Magen. Seit ich hier war, hatte ich kaum etwas gegessen. Doch musste Killer noch viel länger nichts zu sich genommen haben.   Verfluchter Helferkomplex, den jeder Heart-Pirat hat...   „Wie lange ist es her?“, fragte ich ihn ohne Nachdruck und stellte das gefüllte Geschirr zurück auf die Galionsfigur. Killer wusste, was ich von ihm erfahren wollte. Mit einer Antwort rechnete ich nicht. Doch gab er sie mir in Begleitung eines Schulterzuckens. „Vielleicht eine Woche, vielleicht auch länger.“   Eine Woche?!, sah ich ihn an, als ob ich vom Glauben abgefallen wäre. Das kann doch nicht sein Ernst sein! Meine Aufgebrachtheit über seine ominöse Fastenkur konnte ich nicht zurückhalten. Egal wie angespannt die Stimmung zwischen uns war, meine Missstimmung war deutlich gereizter.   „Willst du dich zu Tode hungern?!“, zischte ich leise knurrend und wandte mich ihm unerschrocken zu. Dabei schob ich den Schirm meiner Kappe nach oben und funkelte ihn verärgert an. Dass seine Augen die Meinen mit einem Seitenblick durch die Maskenlöcher beobachteten, war mir nicht bewusst. Wieso es mich überhaupt so sehr aufregte auch nicht. Der Helferkomplex... Bloß dieser verdammte Komplex...   „Warum du deinen Körper strafst, ist deine Sache. Dass es bescheuert ist, weißt du selbst. Aber wenn du von mir erwartest, dass ich in deiner Gegenwart auch nur einen Bissen esse, muss ich dich enttäuschen. Entweder isst du mit mir oder du kannst dir meine Magenknurr-Sonate anhören.“   „Dies ist eine jämmerliche Drohung“, hörte ich sein Schmunzeln aus seinen Worten heraus. „Ist dir nichts Besseres eingefallen?“   „Nein“, murrte ich und verschränkte meine Arme vor meiner Brust. „Der Sinn dahinter ist eh der gleiche.“   Manchmal redete ich ohne nachzudenken. Peinlich war es mir in keinster Weise. So waren meine Worte ehrlich, keines gelogen. Wer ohne Hintergedanken sprach, sprach meist die Wahrheit. Nur bei ihm konnte ich mir niemals sicher sein, welche seiner Silben Lüge trug. Seine längeren Denkpausen beeinflussten mein Urteilsvermögen. Aus dem Mysterium 'Killer' wurde ich einfach nicht schlau.   Weiterhin bewegte er sich nicht und machte keine Anstalten, das Essen anzurühren. Weswegen ich nun meine Kappe auszog und neben seinem Sitzplatz ablegte. Seufzend fuhr ich mir durch meine kurzen Haare und gab mich geschlagen. Wenn es ihn dazu bringt, zu essen... Meinen Stolz als Heart-Pirat herunter schluckend, benutze ich das Wort, welches wir niemals gegenüber eines Kid-Piraten verwendeten.   „Bitte.“ Fünf Buchstaben, mit so viel Gefühl ausgesprochen, dass es meinen teilnahmsvollen Blick seelisch zeichnete. Unbeirrt schaute ich ihn an. Zeigte ihm die Aufrichtigkeit hinter dem Wort. Hätte ich seine verborgenen Eissplitter gesehen, hätte ich die Risse seines Inneren erblickt, von denen sich einige wenige zusammenfügten. Seine Augen glichen zerbrochenem Eis, welches taute und abermals gefror. Noch vereister und härter werdend. Sein sonst so kalter Stimmton nahm den Klang von gefühlsbetontem Kristall an.   „Warum ist es dir so wichtig?“   Seine Maske drehte er langsam zu mir, der ich seinem direkten Blick nicht standhielt. Meinen Kopf unter meinen abgestützten Armen vergrabend, nuschelte ich unverständliche Worte, die er durch sein geschultes Gehör sehr wohl verstand.   „Keine Ahnung“, suchte ich nach einer Antwort, die ich nicht fand. Meine Lippen sprachen schneller, als mein Verstand ihnen folgen konnte. Meine Stimme wurde so leise, dass ich sie selbst kaum mehr wahrnahm. „Ich kann nicht mitansehen, wie du dich zerstörst.“   Ein Kid-Pirat zerstört so vieles... Tue es nicht auch noch mit dir selbst...   Sekunden der Stille, in denen er mich stumm beobachtete. Aus meiner versteckten Mimik konnte er nicht lesen. Nur aus meinen Worten, die in der salzigen Seeluft über uns schwebten. Dann hörte ich es. So schwach, dass ich genau hinhören musste, um es zu vernehmen: Der Klang eines leisen Schlürfens. Eine Nudel. Eine einzige aß er meinetwegen.   Meine Lippen formten ein ehrliches Grinsen, während ich meinen Kopf von meinen Armen hob und zu ihm aufblickte. Erleichtert lachte ich auf. Und weil Soßenreste seine untere Maske zierten. Unbeschwertheit löste meine innere Anspannung.   „Gib's zu: Im Grunde isst du bloß nichts, weil du dabei deine perfekte Maske ruinierst.“ „Sie gefällt dir?“, drehte er meine Worte nach seinem Belieben um. „Das hab ich nicht gesagt!“ Ja, tut sie... aber nur ein winzig kleines bisschen!   „Du bist ein verdammt schlechter Lügner“, schmunzelte er leise. Seine Stimme tief und monoton, doch aufrichtig. Killers Ehrlichkeit verbarg sich in den feinen Bewegungen seiner blau-weißen Kopfbedeckung. „Meine Maske ist mein gänzlicher Stolz. Bewundere sie, so oft du möchtest. Ich merke sehr wohl, wie du sie stets anblickst. Du siehst mir dabei in die Augen.“   Verflucht sei seine Beobachtungsgabe! Um meine Verlegenheit zu überspielen, griff ich nun nach dem Teller und den Essstäbchen. Eilig schlang ich die Nudeln herunter, für die mein leerer Magen mir dankte. Seine Pasta schmeckte wirklich nicht übel. Okay, zugegeben: Sie ist verdammt gut... Dennoch aß ich nur die Hälfte, die andere ließ ich unberührt. Ob er sie essen wollte oder nicht, blieb ihm überlassen.   In Begleitung eines leisen Klirren stellte ich den halb-vollen Teller neben ihn und meine Kappe. Dabei fiel mein Blick auf sie. Zum ersten Mal besah ich mir die Kappe richtig. Ihr Schriftzug brachte mich zum Grinsen. `Penguin´, wie ironisch...   Man könnte fast sagen, ich habe eine Art Phobie vor Pinguinen... Schuld ist eine traumatische Kindheitserinnerung an die Eisvögeln aus dem North Blue...   Nein, sie sind weder `niedlich´, noch `tollpatschig´! Schon mal einem northern Pinguin begegnet?   Die Biester sind verflucht gefährlich, stur und rebellisch! ...Was nicht heißt, dass ich das auch bin!   Ich bin einfach ich. Punkt.   In meiner Crew nannte mich jeder `Peng´ – wegen meinen Fähigkeiten als Präzisionsschütze. Einen richtigen Namen besaß ich nicht. Zumindest erinnerte ich mich nicht mehr an ihn. Er gehörte zu meinem früheren Leben, welches nichtig geworden war.   Killer folgte meinen Augen, die auf der Kappe ruhten. „Die Kappe ist hässlich“, wiederholte er das Kommentar seines Kapitäns. Sein amüsierter Unterton mir zeigend, dass er mich damit aufziehen wollte. Und ich fiel darauf rein.   „Ist sie nicht!“, schenkte ich ihm einen Giftblick und setzte die Kappe auf, ohne meine Augen von ihm abzuwenden. Der Schatten ihres Schirms verlieh meinem Blick eine gewisse Gefährlichkeit. „Sie gehört mir. Und ich verteidige, was Mein ist!“   „Mutige Worte für jemanden, der sich unter ihr versteckt.“ „Sagt der, dessen Gesicht an seiner Maske angewachsen ist.“ „Touché.“   Beide schmunzelten wir, unsere Augen zum Horizont gerichtet. Das Eis zwischen uns war erneut gebrochen, doch besaß es mehr Zerbrechlichkeit, als Festigkeit. Killers Finger strichen gedankenverloren über den Rand seiner Maske. Vermutlich dachte er über den Moment nach, als sie sein Eigen wurde. Seine klare Stimme nahm eine resigniert erzählende Klangfarbe an. „Kid ist kein Mann großer Worte. Seine Taten sind es, die den wahren Wert ausmachen.“   Ich kenne ihn nicht gut genug, um über ihn urteilen zu können... Auf den ersten Blick wirkt der Kid-Piraten Kapitän nur furchteinflößend...   Und irre... und cholerisch... und arschig... Sein Ego ist so groß, dass es nicht in Laws Room passt...   Dennoch bringt er die Menschen dazu, immer zu ihm zu schauen... Ihre Blicke unterschiedlichster Art...   Immer sehen sie zu ihm auf... Nicht seiner Größe wegen... Sein imposantes Auftreten zieht alle Augen magnetisch an...   Entwickle ich gerade wirklich Sympathie für Eustass Captain Kid? Was stimmt nicht mit mir-?!   Ein ohrenbetäubendes Platschen zerstörte die angenehme Abendatmosphäre. Das Schiff begann so stark zu schwanken, dass ich mich an der Reling festhalten musste, während Killer seelenruhig sitzen blieb. Für ihn war das Folgende längst zur Gewohnheit geworden. Für mich grenzte es an Größenwahn.   „Kanonenkugel fällt!“, rief jemand vom Ufer aus. Auf der Klippe mit der gefrorenen Quelle hatten sich die betrunkenen Kid-Piraten versammelt, die auf die grandiose Idee eines neuen Spiels kamen. Sie tauften es: `Alles-versenken´, mit Kanonenkugeln, die ihr Kapitän Richtung Meer schoss. Das war wohl seine Art von Krafttraining.   Streich das Wort 'Sympathie'; Das hier ist eine Absurdität!   Warum grinse ich trotzdem? Oh nein, der kranke Humor der Teufelscrew färbt auf mich ab!   Holt einen Arzt- Halt, ich bin ja... Ach, vergiss meine sinnlosen Gedanken...   Immer und immer wieder knallte eine Kugel ins Meer, das Schiff nie auch nur annähernd treffend. Die Treffsicherheit des Teufelsfruchtnutzers war verflucht gut. Selbst mit ordentlich Rum intus, verfehlte er seine Ziele niemals. Fisch um Fisch kam an die Wasseroberfläche. Dass er die Tiere auf die Entfernung schuppen-genau erlegen konnte, war echt erschreckend. Genügend Nahrung für die nächsten Tage war jedenfalls gesichert.   Doch lockte der Lärm einen Seekönig an. Der bunte Meeresgigant tauchte mit einem markerschütternden Brüllen direkt vor uns am Bug auf. Sein Schlund weit geöffnet, uns seine Vielzahl an spitzen Reißzähnen zeigend.   Oh... verdammt...   Während ich vor Schreck gefror und das Monster mit geweiteten Augen ansah, blieb Killer die Ruhe selbst. Zu meiner Überraschung ging seine Ruhe wenig später auf mich über. Irgendetwas sagte mir, dass ich nichts zu befürchten hatte. Leise Zweifel blieben dennoch erhalten.   „Warte“, war es dieses eine Wort, das sämtliche Bedenken zerschlug. Sein erklingendes Schmunzeln trug dazu bei, dass meine inneren Alarmglocken verstummten. Killers Stimme hatte eine immense Wirkung auf mich. Aufmerksam verfolgte ich die Show des Höllenfürsten, der die Mitte des Rampenlichts deutlich genoss.   Es geschah im Bruchteil einer Sekunde. In dem Atemzug, als der Meeresgigant seine Zähne ins Schiff rammen wollte, traf ihn die Kanonenkugel hart am Kopf. Ein dumpfes Geräusch untermalte den heftigen Aufprall, der die Kreatur zum Aufschreien brachte. Zwei weitere Kugeln trafen es in seine großen Fischaugen. Verärgert flüchtete der Seegigant in die Untiefen des Ozeans zurück, zu den umliegenden Gewässern, von wo er herübergeschwommen war. Der Seekönig war wohl doch nur ein Seeprinz.   „Treffer versenkt!“, jubelte die Crew und gratulierte grölend ihrem Kapitän, der sich feiern ließ. Dreckig lachend präsentierte er seine Muskeln, winkelte dafür seine Arme an und hauchte je einen Luftkuss auf seine durchtrainierten Oberarme. Okay, damit verlor sein Auftritt einiges an Charme. Sein Ego machte es zunichte. Sein Ego ist sein Charme!   „Passiert das öfter?“, fragte ich den Vize teils neugierig, teils seufzend. Eigentlich konnte ich mir die Frage sparen. „Öfter, als du vermutest.“   „Ist das Draufgängertum eures Kapitäns nicht gefährlich?“ Wahrer Piraten-Stolz zeichnete seine amüsierte Antwort. „Wir leben die Gefahr. Ohne sie ist die Grandline gänzlich reizlos.“   Die Kid-Piraten sind nicht nur durchgeknallt, sondern völlig geistesgestört... Sie sind eben wahrhaftige Piraten...   Gedankenverloren sah ich zu der feiernden Bande. Von hier aus erkannte ich bloß ihre verschwommenen Figuren, die singend um ein riesiges Lagerfeuer tanzten. Ihre Flaschen hoch erhoben, trafen sie kaum einen Ton. Ihre lauten Stimmen drangen bis zum Schiff, sodass ich ihren lallenden Gesang verstehen konnte.   `Um frei zu sein, braucht es wenig~  Nur wer frei ist, ist ein König~  Schamlos nimmt der dreiste Dieb~  Denn er ist seines Glückes Schmied~  Gold ist auch bloß Metall~  Unser Captain nimmt sich's auf jeden Fall~´   Daraufhin wurden die trunkenen Worte zu unverständlich, womit auch die Reime deutlich litten. Was die Männer dazu veranlasste, den Refrain zu grölen, der nur aus `Repel! Repel! Repel!´ bestand. Folgend von weiteren Lobeshymnen an ihren Kapitän. Jedes Kid-Piraten Mitglied trug seinen Titel in seine Leber eingraviert. Auf der rechten Oberkörperseite, statt der linken...   Meine Gedanken schweiften weiter ab, hin zur völligen Willkürlichkeit. In die erneute Ruhe zwischen Killer und mir sprach ich etwas aus, was mich seit Stunden nicht losließ.   „Warum hast du mich gerettet?“, fragte ich ihn leise, ohne ihn anzusehen. Ohne Emotionen stellte er mir eine Gegenfrage. „Benötige ich einen Grund?“   Nicht unbedingt, aber...   „Man hat für alles, was man tut, einen Grund. Manchmal ist er banal, absurd oder unklar, aber vorhanden ist er immer“, erklärte ich ihm in gleichbleibend ruhiger Tonlage und beobachtete die Wellenbewegungen des gar schlafenden Meeres. Nach mehreren stillen Sekunden wisperte ich; „Ich möchte den deinigen erfahren. Verrätst du ihn mir?“   Hat es etwas mit meiner Gefangenschaft zu tun? Hat er es nur deswegen getan-?   „Weil ich es wollte.“   Sein Hauchen war wie ein Echo, das in seiner Maske widerhallte. Immer und immer wieder vernahm ich es. Sein darauffolgendes Schweigen trug mehr Worte, als Lippen je sprechen konnten.   Ach, verdammt..., fiel mein Kopf kraftlos nach Vorne, wodurch mein Kappenschirm über meine verräterischen Augen rutschte. Es war Verbundenheit, die sie offenbarten. Nein... so darf ich nicht fühlen...   Nicht gegenüber eines Feindes... Nicht gegenüber ihm...   Plötzlich spürte ich eine federleichte Berührung auf meinem Kopf. Killer hatte seine flache Hand wortlos auf meine Kappe gelegt. So kurz, dass ich es als Illusion abtat. Dann stand er auf, in seiner gewohnt kühlen Natur.   „Geh schlafen. Ich halte Wache und komme später nach.“   Wieder bringt er mir Vertrauen entgegen... Ich- Ich kann es einfach nicht missbrauchen...   Wenn ich es täte, wäre ich ein Mistkerl... Ist es das wirklich wert?   Aber ich will meine Freunde wiedersehen... unbedingt... Egal, was es kostet... sie sind kostbarer...   Leicht nickend, begab ich mich zu seiner Kajüte. Mein innerer Moralkampf zeichnete meine unstetigen Schritte. Ich wusste nicht mehr, was richtig und falsch war. Killers Verhalten verunsicherte mich, mehr denn je. Und ich hasste mich dafür, dass ich es zuließ.     Schlussendlich hatte er meinen Willen gebrochen. Nicht durch Niedertracht und Intrigen. Sondern durch Aufopferung und Zuwendung.   Ein Heart-Pirat bleibt ein Heart-Pirat: Jemand mit Herz...   Aufgewühlte Emotionen sind Toxin... Jeder Seemann weiß um dessen Fluch...   Sind das die Nachwirkungen? Oder bin das wirklich ich?   Du bist meine Verwirrung, Killer... Was bin ich nur für dich?           ###           Eine Marionette... Mehr nicht...   Mehr... nicht...   Fuck. Erneut habe ich mich verleiten lassen..., blickte ich durch die Löcher meiner Maske mehrere Momente auf meine Hand, ehe ich sie kraftvoll zur Faust ballte. Diese Idiotie muss ich augenblicklich unterbinden...   Er ist nur eine Schachfigur auf dem teuflischen Spielbrett... Auch er wird fallen... von mir persönlich zu Fall gebracht werden...   Ich hatte heute Nacht keine Wache. Ich hatte ihn eiskalt belogen. Weil ich seine Nähe nicht länger ertrug. Sie veränderte mich. Dies gefiel mir nicht. Um die Aufgabe meines Captains zu erfüllen, war ich jedoch an den Heart-Pirat gebunden. Nur einen Moment Ruhe. Das war alles, was ich wollte. Einen Augenblick für mich, um mein Gedankenwirrnis zu ordnen. Mir war bewusst, was ich tun musste. Doch war dies auch das, was ich wollte?   Mein Wille spielt keine Rolle... Unsere Beziehung besteht nur aus Zwang und Nutzen...   Mein Körper sandte mir irreführende Signale, die mein Verstand gewiss zu deuten wusste. Meine Hand hatte sich von selbst zu seiner Kappe bewegt, da ich ihn berühren wollte. Auf eine Art, wie es mir nicht gestattet war. Mit Hintergedanken, die nicht mit meiner Pflicht in Verbindung standen.   `Zerstöre ihn.´ Lautete mein strikter Befehl. `Bring ihn zur Folterkammer und hol die Informationen über das Porneglyph aus ihm raus.´   Unser Ziel war die Kaiserin Big Mom. In ihrem Besitz sollte sich ein Porneglyph befinden, welches wir uns bemächtigen wollten. Zepo – ein Mink – hatte laut Untergrundquellen vor seinem Tod einige Informationen diesbezüglich durchsickern lassen. Jedoch wusste niemand um ihren Wahrheitsgehalt. Erst später stellte sich heraus, dass er einen Bruder besaß. Wie der Zufall es so wollte, begegneten wir ihm auf dem Sabaody Archipel. Und einem seiner engsten Freunde.   Die Chancen, dass der Eisbären-Mink etwas wusste, waren gering. Noch geringer die, dass er dem Heart-Pirat davon erzählt hatte. Trotz dessen war es nicht ausgeschlossen. Sobald sich der Kappenträger an alles erinnerte, musste ich meine Aufgabe erfüllen. Seine Gedächtnisstörung war lediglich seine Schonfrist. Bis der Zeitpunkt gekommen war, sollte ich sein Vertrauen gewinnen. Dies tat ich. Doch entstand es nicht auf erzwungener Basis.   Der Kerker wartet auf ihn... Entweder würde er die Antworten freiwillig preisgeben, oder...   Leicht schüttelte ich meinen Kopf. Ein schiefes Schmunzeln verzerrte meine Lippen. Den Gedanken an das Unvermeidliche wollte ich nicht zu Ende führen. Wollte ihn mir nicht vorstellen. Wollte mir die grausamen Bilder ersparen. Im Dunkel meines Selbst waren sie längst Realität geworden. Ich werde sein Henker sein... Ein weiteres Mal blickte ich auf meine Hände, welche gewissenlose Grausamkeit bargen. Gebrandmarkt von dem geflossenen Blut vieler Feinde. Sie widerten mich an. Die Gegenwart des Heart-Piraten ließ mich ihre Gewalttätigkeit noch deutlicher erkennen.   Meine Sicheln dürsten nach Blut, nicht meine Hände...   Ich aß nicht. Nicht mit ihnen. Bei dem Gedanken an ihre blutigen Taten verging mir jeglicher Appetit. Mein Blick schweifte zu dem halb-leeren Essensteller. Mein Hungergefühl war auf ein Minimum reduziert. Zu behaupten, dass ich niemals hungrig war, wäre eine Lüge.   Plötzlich verschwand der Teller vor meinen Augen. Geklaut von einem dreisten Dieb, der mich unschuldig angrinste. Mit Nähten-verziertem Mund.   „Jo, Killer“, grüßte mich Heat – die eigentliche Nachtwache – und packte mit seiner anderen Hand nach den Essstäbchen. Beim Sprechen griff er mit dem Holzbesteck eine Nudel auf und führte sie zu seinem Mund. „Alles fit bei dir-?“   „Leg sie zurück.“ „Hä-?“ „Leg die Nudel zurück.“   Die Kälte meiner Worte ließ ihn in seiner Bewegung gefrieren. Seine Hand, mitsamt Essstäbchen gehoben, direkt vor seinem geöffneten Mund angehalten. Zweimal blinzelte er, dann senkte er seinen Arm langsam, bis die Nudel zurück auf den anderen lag. Folgend von dem Besteck, das er unter meinem eiskalten Blick auf dem Teller ablegte. Leise lachend kratzte er sich an seinem Rastas-zierenden Hinterkopf.   „Du hätt'st bloß sagen müssen, dass du Kohldampf hast, Kumpel-“, schenkte ich seinen Worten kein Gehör. Riss ihm stattdessen das Geschirr aus den Händen und ging schnellen, doch gefassten Schrittes Richtung Unterdeck. Irritiert schaute er mir hinterher und zuckte dann mit seinen Schultern. „Geh ich halt tote Fische angeln.“   Geräuschvoll stieß ich die Tür zur Kombüse auf. Sprang dann gekonnt über die Hindernisse vom letzten Gemeinschaftsessen und erreichte mühelos die Küchenzeile. Einen Moment blickte ich auf den gefüllten Teller in meiner Hand. Auf die Hälfe, deren andere der Heart-Pirat verspeist hatte. Aus reiner Gutherzigkeit ließ er mir die Ration übrig. Nicht aus Mitleid, sondern Mitgefühl.   Du bist zu schwach, Heart-Pirat... Deine Schwäche täuscht meine Sinne...   Teilnahmslos wollte ich den Teller auf die Theke stellen, dort stehen lassen. Doch klammerten sich meine Finger kaum merkbar fester um den Rand des Geschirrs, wollten es nicht loslassen. Es wäre eine Vergeudung der Vorräte..., redete mir meine Vernunft ein. Ihr schenkte ich Gehör. Doch war auch sie mittlerweile zu einem trügerischen Verräter geworden. Nicht, solange mein Verstand ihr Einhalt gebieten kann...   Ruhig kippte ich die Pasta in den Dial-Mixer, schloss den Deckel und drückte den Anschaltknopf. Das laute Rotationsgeräusch ertönte, indessen ich wartete. Es geht mir einzig um die Vorräte... Mein Blick blieb auf der hellgrauen Essensmasse, die unappetitlicher nicht aussehen konnte. Eine Beleidigung für jede Pasta...   Als sie eine flüssig-breiige Konsistenz angenommen hatte, schüttete ich den Inhalt des Mixers in eine Schüssel und platzierte einen dicken Strohhalm darin. Ruhig führte ich ihn durch das linke Mundloch meiner Maske zu meinen Lippen. Trank das Pasta-Püree langsam, bis zu den unverarbeiteten Stücken, die am Schüssel-Boden verblieben. Die aufgenommene Nahrung stärkte mich und meinen Geist, zu erneuter Unerschütterlichkeit.   In gewohnter Gefasstheit verließ ich die Kombüse wieder. Der angrenzende Korridor zu den Gemeinschaftsschlafräumen war dunkel, leer und still. Nur das leise Holz-Knacken des Schiffsinneren war zu hören. Auf meinem Weg durch das verlassene Abteil entzündete ich die vereinzelten Schiffslaternen, sodass die betrunkenen Männer später ihre Kojen fanden und nicht über ihre eigenen Stiefel stolperten.   Am Flurende angekommen, entbrannte ich die letzte Laterne, welche in Kopfhöhe an der schmalen Wandseite hing. Ihr begrenzter Lichtkegel enthüllte die beiden Treppen zu den unteren Ebenen. Die Stufen zu meiner Linken führten zu den Lagerabteilen, die Rechten zu Kids und meiner Kajüte. Mein Captain war stets der Mittelpunkt von allem. Selbst hier hatte er seinen Platz in der Mitte des Schiffs.   Ob der Heart-Pirat tatsächlich schläft-?   Plötzlich nahm ich ein Geräusch in der Stille wahr. Das Öffnen einer Kajütentür. Der Meinen. Ihren Klang würde ich überall wiedererkennen. Schleichende Schritte folgten, begleitet von dem leisen Knarzen der knackenden Dielen, die unter der Bewegung leicht nachgaben. Die Schritte wurden leiser, entfernten sich somit von meiner Position. Was bedeutete, dass der Heart-Pirat in Richtung der Kapitänskajüte schlich. Sein Verhalten war überaus verdächtig. Er wusste, dass sich Kid nicht auf dem Schiff befand. Dies war der günstigste Augenblick um uns auszuspionieren. Wie clever von ihm... Doch nicht clever genug...   Heimlich stieg ich die Treppenstufen hinab, bewegte mich in gänzlicher Lautlosigkeit und jagte ihm in totenstiller Düsternis hinterher. Einzig der Lichtschein in meinem Rücken ließ mich die Umrisse des Korridors erkennen. Und seine gehende Figur. Mehr benötigte ich nicht zu sehen. Er bemerkte meine lauernde Anwesenheit nicht. Mit wenigen Metern Abstand verfolgte ich ihn, mein intensiver Blick auf seinen Rücken fixiert. Meine Augen die eines Jägers. Geweitete Pupillen, bereit über sein Opfer herzufallen.   Tu es, Penguin... Gib mir einen Grund, dich zu überfallen...   Ich war vollends in meinem düsteren Element. Zum schattenhaften Killer geworden, der ich war. Das Katz und Maus Spiel besaß einen erregenden Reiz für mich. Es beschleunigte meinen Herzschlag und ließ mein Blut aufwallen. Meine Muskeln spannten sich vor Ungeduld und Tatendurst an. Noch nicht..., ermahnte ich mich selbst. Nun dauerte es nicht mehr lange, bis meine Falle zuschnappte. Nicht grundlos hatte ich ihn allein gelassen. Mehrfach. Nun zeigte er sein wahres Gesicht. Zeige mir deine dunkle Seite...   Zeige mir, dass du nicht so unverdorben bist, wie du tust... Hintergehe mich, sodass ich meinen Befehl gewissenlos ausführen kann...   Letztlich bist auch du nur ein Betrüger-   Ein dumpfer Knall. Erzeugt durch den Aufprall seiner Stirn mit der metallischen Tür der Kapitänskajüte. Doch statt einen schmerzvollen Laut von sich zu geben oder sich seinen Kopf zu halten, blieb er vollends reglos. Seine Kappen-bedeckte Stirn lehnte gegen die Metalltür, sein Körper schlapp nach vorne gebeugt. Was... tut er?   Mit einer hochgezogenen Augenbraue trat ich an ihn heran. Er trug nur meine Shorts am Leib. Über seine Schulter sehend, blickte ich auf das Seitenprofil seiner Gesichtszüge, die hinter seinem Kappenschirm im spärlichen Licht erkenntlich wurden. Beinahe hätte ich bitterlich aufgelacht. Musste mich zusammenreißen, damit kein Geräusch über meine Lippen drang. Ein leises Schmunzeln schlich sich auf sie.   Der Heart-Pirat schlief felsenfest. Er schlafwandelte. Er ist fürwahr schlafgewandelt... Damit hatte ich nicht gerechnet. Und meine Berechnungen waren stets vollends durchdacht.   Warum sind sie nun fehlerhaft? Was ist ihr Fehler?   „Idiot...“, brummte er leise knurrend im Schlaf und zog erneut meinen Blick zu seinem friedlichen Gesicht. Ist... er es?   Seine Emotionalität? Seine Schwäche... die an Stärke gewinnt?   Irrsinn... Emotionen können Neutralität nicht bezwingen... Wärmefunken ersticken in des Eises Kälte...   Ich konnte ihn hier nicht stehen lassen. Wenn Kid zurückkam, würde er das gleiche wie ich vermuten. Ohne Zögern warf ich den Heart-Piraten über meine Schulter. Selbst der Ruck weckte ihn nicht auf. Sein Körper holte sich die Erholung der letzten Tage zurück. Mein heilender Rücken dankte mir das Zusatzgewicht nicht. Der Kerl war kein Leichtgewicht, seine sichtbaren Muskeln wogen Einiges. Für mich kein nennenswerter Kraftaufwand.   Sein Körper ist unterkühlt..., fühlte ich seine Haut auf der Meinen. Spürte das stetige Heben und Senken seiner freien Brust an meinem oberen Rücken. Die Lebendigkeit, die er ausstrahlte. Seine Schutzlosigkeit, die meine Schatten lebendig werden lässt...   Auf dem Weg zu meiner eigenen Kajüte schweifte mein Blick zu meiner Linken, wo ich eine interessante Aussicht hatte. Sein Hintern befand sich direkt neben meiner Maske. Hinter ihr schattierte sich mein Schmunzeln zur finsteren Gier. Die lockere Shorts war leicht hochgerutscht, sodass ich mehr Haut sehen konnte. Doch weniger, als ich wollte.     Mein Blut kochte heißer, denn je. Meine Jagd hatte gerade erst begonnen. Mein Hunger war längst nicht gestillt. Ein Jäger ließ seine Beute niemals entkommen.   Es ist an der Zeit... Meine Hände lechzen nach Reinheit...   ...Lass mich dich in meine Dunkelheit entführen...         Kapitel 5: Lebe deine Träume ---------------------------- Das Herz ist ein Einzelkämpfer; Ein unbewaffneter Soldat, der jeder in uns trägt.   Hält Leben aufrecht, bis zum letzten Schlag, kämpft ungesehen für die Existenz des Einzelnen, blutet leise, ohne zu verbluten.   ...Und ist dennoch das Zerbrechlichste.   In Stille bricht es zusammen, mit ihm die autonome Welt, Seele, wie Körper entzweiend.   Ein Stich ins Herz lässt es ersterben, dem Tod so nah und doch fern erscheinen.   Nicht durch eine Lanze, nicht durch die Spitze einer Sichel; Die tödlichste Wunde schneiden Worte.   Leben bedeutet fühlen. Das Risiko einer Herznarbe einzugehen.   Emotionen sind ein Abenteuer. Eine Mutprobe; Viel mehr die Chance zur Lebendigkeit.   Mein Käpt'n würde das Herz als muskuläres Hohlorgan beschreiben. Doch ist es wirklich von Leere erfüllt?   Niemand kennt die Leere besser, als der Mann, dessen Room stets nur er selbst betritt.   Keiner würde freiwillig seinen Operationssaal begehen... Es sei denn er steht an der Seite des Herzchirurgen.   Jeder Heart-Pirat vermag ein Einzelkämpfer sein, zusammen jedoch können wir nach dem One Piece greifen.   Unseren Jolly Roger tragen wir auf der linken Brustseite; Er gibt uns Schutz und Sicherheit, wo wir am Verletzbarsten sind.   Unsere Herzfrequenz schlägt im Einklang, kann durch nichts erschüttert werden...   ...Außer dir.   Seit ich bei dir bin, verblasst mein Herz. Ist nur noch ein dämmendes Licht.   Umdunkelt von Schatten, genährt von Zweifeln, getrübt von e-Moll-Klängen.   In Stunden der Vereinsamung wird die Schwärze finsterer, gewinnt an Macht, lässt mich verdammt einsam fühlen.   Warum hast du mich allein gelassen, Killer?   Komm zurück... Zurück zu mir...   Und sei der Schatten, der über mich herfällt.       ~ 鵬 ~       Düsternis. Verlassensein. Wehmut. Im Dämmerschlaf lag ich hier. Verwirrt. Nachdenkend. Mich dem Schwermut meines Innersten hingebend.   In Killers entseelten Kajüte war es still. So still, dass ich gar die Dunkelheit hörte. Die schattenhafte Lebensmelodie ähnelnd einem unsichtbaren Flüstern, dessen Düster-Klang immer und immer lauter wurde. Endend in einem erstickten Aufschrei.   `Geh nicht´..., vernahm ich meines Seelenbilds flehende Stimme. `Geh nicht zurück´...   Die Pinselstriche der Vergangenheit zerfließend auf seelischer Leinwand. Tupfer um Tupfer verfinsternd zur Unkenntlichkeit. Bis die dämmergraue Farbe still tränend zu Boden tropfte. Die Erinnerungen an mich selbst verzerrten bis zur Obskurität. Ein einstmals farbenprächtiges Portrait von mir, das von Schwarz entstellt einem grässlichen Monstrum glich.   Vor innerem Auge sah ich die Schattengestalt meines Selbst. Der verblassten Figur, welche ich einst war. Niemals wieder sein wollte.   Das bin nicht ich... Das bin nicht ich... Nicht mehr...   Versiegelte Augenlider waren die Schergen düsterer Dämonen. Lauernd auf die Stunden der Schwäche. Angreifend in Tücke und List. Nachts suchten sie die Zweifelnden heim. Selbst ohne die Fähigkeit des Sehens, konnte ein Blick ins Innere nicht abgewendet werden.   Ich will diese Erinnerung nicht sehen...   Gefangen zwischen Gegenwart und Vergangenheit, klammerte ich meine Hände in die Außenseiten meiner Kappe. Halt an ihr suchend, doch keinen findend. Sie verkörperte meinen untergehenden Rettungsanker. Ich mit ihr hinab in die Tiefe sinkend.   Das friedlose Dunkel war mein Begleiter. Der stumme Fährmann, welcher mich über das schwarze Meer meines Innersten brachte. Hin zur Endlosigkeit meiner farblosesten Erinnerung. Die Kälte der Holzdielen unter mir glich den leblosen Fingern der Einsamkeit. Meine Isolation sich wie eine Eis bedeckte Kuppel um mich entfaltend, die nicht die familiäre Wärme des Rooms meines Käpt'ns trug.   Ein einsamer Mann war ein gebrochener Mann. Jeder Riss eine neue Bruchstelle im gefrorenen Untergrund. Splitter um Splitter das Eis zeichnend. Bis der Boden brach. Und man ihn unter sich verlor.   Mir ist so kalt...   Ein North Bluer konnte sich nicht an die Kältezone der Verlassenheit gewöhnen. Selbst Schneeflocken waren vereinsamt des Überlebens unfähig. Das Klima des North Blue reichte nicht an die verwitternden Temperaturen der Erbarmungslosigkeit heran. Ohne seine Familie war ein Einzelner nichts. Allein schaffte er es nicht. Er brauchte Verbündete. Und wenn es nur ein Einziger war, dem er vertraute. Ein Gefährte, der ihn nicht im Stich ließ.   Wo bist du, wenn ich dich brauche? Bleichende Fragen ungehörter Gedanken, welche niemals ausgesprochen werden würden. Warum bist du es, an dem ich festhalte?   Leere Nachtrufe, hallend über den Ozean, schwindend am lichtlosen Horizont. Das Bullauge der Kajüte offenbarte den Blick ins Nichts. Ich lag unter dem Fenster. Frierend, nicht schlafen könnend. Weil er nicht hier ist...   Niemals würde ich zugeben, dass er mir fehlte. Niemals aussprechen, dass ich seine Gesellschaft ersehnte... ihn brauche. Auf ihn wartete, egal wie lange.   Selbst wenn er nicht bei mir war, verwirrte er mich. Es war ein stetiger Kampf, den ich mit mir selbst führte. Gegen ihn. Gegen das Gefühl der Machtlosigkeit, das er mich fühlen ließ. Als wir die Winterinsel erkundeten, fragte er mich, ob ich meine Antwort gefunden hätte. Ich bejahte. Und auch jetzt noch würde ich sie ihm gleich beantworten. Die Frage, ob ich begann ihm zu vertrauen.   Ich sollte es nicht tun. Jedoch verlor ich gegen mich. Habe ich denn eine Wahl? Wenn mein Herz über meinen Kopf siegt...   Verflucht seid ihr, Gefühle! Verdammt seist du, Massaker Soldat!   Solange ein letzter Funke Kampfgeist in mir steckt, werde ich dagegen ankämpfen!   Noch immer kam er nicht wieder. Weiterhin war ich allein in seiner Kajüte. Mein müder Blick schweifte von dem Bullauge über mir zu seinem leeren Bett am anderen Ende des Raums. Komm zurück- Nein, bleib mir fern! Stur schloss ich meine Augen und zwang mich zum Einschlafen. Mein letzter Gedanke galt meiner Crew. Im Jetzt gaben sie mir Stärke. Im Vergangenen beherrschte mich Trostlosigkeit.   Heute träumte ich nicht. Ich lebte die Erinnerung. Als stiller Beobachter des Schattens meines einstigen Selbst.     . . .     „Riku.“ Die erboste Stimme von Shachis Tante. Mit Gift und Verachtung zischte sie meinen Namen. Ließ meine kindliche Figur zusammenfahren, zitternd wie Espenlaub. Unter ihren zürnenden Augen legte ich die Scheibe schimmelndes Brot zurück auf den fleckigen Teller. Machte mich kleiner, senkte meinen Kopf. „Du warst ein böser Junge, Riku.“   Ihr dickbauchiger Mann griff nach seinem Spazierstock. Dem abgenutzten hölzernen, nicht dem teuren goldenen, den er nicht beschmutzen wollte. Nicht mit Ungeziefer, wie mir. Mit erhobenem Schläger stand er neben meiner verängstigten Gestalt. Ich war schwach, viel zu schwach.   „Balg. Wie oft habe ich dir gesagt, dass du nicht mit leeren Händen zurückkommen sollst?!“, brüllte er mich an und schlug seine Faust geräuschvoll auf den Tisch, sodass der Teller mit meinem Abendessen klirrend zu Boden fiel. Seine Frau schrie furios auf. „Siehst du, was du angerichtet hast? Der Teller hat uns 10 ฿erry gekostet! Mehr, als du je wert sein wirst!“   Der Mann strich sich angewidert einzelne Scherben von seinem schwarzen Tuxedo-Anzug. Seine Kleidung ähnelte gehobenen Butler-Kleidern, mit Zylinderhut und einem Schwalbenschwanz an seinem Smoking. Dazu trug er einen gruseligen Monokel. Sein Erscheinungsbild erinnerte mich an einen Pinguin. Nachts träumte ich von ihm. Dem Pinguin-Mann. Verdrängte jedoch jede Erinnerung an ihn. Redete mir ein, es wären Eisvögel, vor denen ich mich fürchtete.   „Du bist nur ein Werkzeug. Ein Nichts!“, ging sein lauter werdendes Brüllen in ein schweres Husten über. Seine Frau eilte an seine Seite, schlang sich um seinen Arm. Zeigte ihm geheuchelte Sorge, während er die vergoldete Zigarre aus ihrem Mundstück nahm, in der Mitte brach und mir entgegenwarf. „Sei einmal brauchbar. Kehr das auf.“   Vergebens kämpfte ich gegen die Tränen, die sich in meinen Kinderaugen sammelten. Tränen der Verzweiflung. Der Reue. Weil ich nicht verstand. Verstand, warum. Ergeben nickte ich, traute mich nicht meinen Kopf zu heben und kniete mich zu Boden, um die zerbrochene Zigarre aufzuheben. Im gleichen Moment trat er auf meine Hand.   „Hör auf zu flennen!“, wies er mich an und lachte mich boshaft aus. „Nur Versager haben Gefühle.“   Still schluchzend schluckte ich, ertrug den Schmerz, die Demütigung. Für Shachi. Solange es ihn nicht traf, war ich froh. Froh, einen Bruder wie ihn zu haben. Der einzige Mensch, der dem Dunkel meiner kindlichen Welt Licht gab.   „Ich frage dich nur ein einziges Mal; Warum hast du nichts gestohlen?“ Seine wütende Stimme war erbarmungslos und herrisch. Für ihn war ich bloß eine Enttäuschung. Selbst, wenn ich meinen Daseinssinn erfüllt hätte. Es war nie genug. Seine Geldgier war unstillbar.   „I-Ich“, versuchte ich meine schwache Kinderstimme zum Sprechen zu zwingen. Ein Schluchzen begleitete die brüchigen Worte. Das Zittern meines Körpers auch in meiner blassen Stimmfarbe hörbar. „D-Die Möwe. Sie w-war verletzt. Ich... wollte ihr doch bloß-“   Gnadenlos drückte er seine Schuhsohle fester auf meine Hand, sodass ich mir auf die Lippe biss, um den Schmerzenslaut zu unterdrücken. Shachis Tante fauchte mir verächtlich zu.   „Wegen einem wertlosen Vieh muss ich auf meinen Ring verzichten?! Ungeheuerlich!“ Dann schnipste sie mit ihren lackierten Fingern. Ein Signal, welches ich nur zu gut kannte. Hasste. Weit holte ihr Mann mit dem Spazierstock aus. Ich kniff meine Augen zu, kugelte mich zusammen, wartete auf den Schlag.   „Dir werd ich Gehorsam beibringen-!“   Ein Knall. Der Knall der aufgestoßenen Haustür.   „Hör auf!“ Shachis flehende Kinderstimme. „Bitte! Bitte, tu ihm nichts!“   Atemlos rannte er zwischen uns, stellte sich vor mich und breitete seine schmalen Arme aus. Er war verwahrlost von Schmutz. Seine Haut übersät mit Wunden, seine dünne Kleidung zerfetzt. Sein Gesicht entstellten Verfärbungen.   „Hier“, hielt er seinem Onkel den Sack mit Juwelen entgegen. Ihr Wert größer als jede Beute, die wir je für sie geklaut hatten. Kurz drehte er sich zu mir um, lächelte mich mit aufgeplatzter Lippe an, ehe er mit fester Stimme sagte; „Ich kaufe ihn frei. Mein Bruder soll frei sein!“   Shachi hätte sich weiter versklaven lassen, nur um mir die Freiheit zu ermöglichen. Er hätte alles für mich geopfert, um mich glücklich zu sehen. Nicht wissend, dass er es ist, der mich Glück erfahren ließ. Ohne meinen Bruder wäre ich nicht vollständig.   Ein Lächeln erhellte meine Lippen. Reue weichend. Tränen der Freude erfüllten meine Kinderaugen. Dass sie uns niemals frei ließen, war uns bewusst. Die wünschende Hoffnung verlieh uns Mut. Während Shachis Tante und Onkel die Juwelen zählten, uns ignorierten, saßen wir hier auf dem kalten Boden. Umarmten uns, weinten, gaben uns gegenseitig Halt und Kraft.   „Lass uns von hier fliehen“, flüsterte ich Shachi leise zu, der mich fester an sich drückte, „nur mit dir fühle ich mich frei.“     Wir kämpften für unsere Freiheit, wurden Piraten. Piraten mit Herz, welches wir niemals verloren.   Law gab uns ein neues Leben. Einen Sinn. Er war der beste Kapitän, den ein Pirat sich wünschen konnte.     Langsam schwand meine erste Erinnerung. Sich zur nächsten verfärbend. Ihre Bilder handelten sehr viele Jahre später.     „Du fürchtest dich vor Eustass Kid?“ „Psch!“, zischte ich Shachi zu und schaute schnell in den leeren Korridor unseres U-Boots, in dessen Maschinenraum wir uns befanden. Selbst die dröhnenden Surrlaute der Gerätschaften konnten Shachis helle Stimme nicht übertönen. Ich warf ihm einen warnenden Blick zu und lehnte mich sitzend an eines der dicken Rohre, die uns in einer Vielzahl umringten. Seufzend fuhr ich mir schwach grinsend durch mein kurzes Haar. „Willst du, dass mich die ganze Crew auslacht?“   „Aber es ist doch okay, Angst zu haben-“ „Ich habe keine Angst!“   Meine laut gewordene Stimme ließ Shachi kurz zusammenzucken. Blinzelnd sah er mich verdutzt an. Dann dachte er summend nach, griff dabei in seine Overall-Tasche und steckte sich zwei Zuckerwürfel in seinen Mund. Zucker half ihm beim Nachdenken.   „Du hast also keine Angst vor dem Treffen mit ihm und den Kid-Piraten?“, hakte er nach und richtete sich seine Sonnenbrille, die ihm ständig von seiner Nase rutschte. Er sprach von dem Sabaody Archipel, das wir alsbald erreichten. Selbstsicher schüttelte ich meinen Kopf. „Nein.“   „Was ist es dann?“, wollte er wissen und jonglierte lässig mit mehreren Zuckerstücken. „Irgendwas muss dich ja beschäftigen. Mir kannst du es ruhig sagen: Ich kann schweigen, wie ein-“   „Das kannst du nicht.“ „Stimmt, hehe“, kicherte er leise und spielte mit einer seiner losen, orangenen Haarsträhnen. Seine Sorglosigkeit war ansteckend, sodass meine verkrampften Mundwinkel sich entspannten. Ein ehrliches Grinsen zierte nun meine Lippen. Meine Worte waren die vollkommene Aufrichtigkeit. „Ich habe Respekt vor Captain Kid.“   „Ist das nicht etwas Gutes?“ „Nein. Er ist der Kapitän einer anderen Mannschaft. Ich habe niemand anderen zu respektieren, als unseren eigenen. Law ist es, dem ich die ewige Treue geschworen habe“, sagte ich todernst. Mein stolzer Blick zeigte meine bedingungslose Loyalität. „Es grenzt an Verrat, wenn ich die Stärke eines Feindes anerkenne.“   „Blödsinn“, klang Shachis Stimme fest und tadelnd, während er sich auf das Rohr gegenüber mir hockte. „Du denkst zu viel nach, Peng. Dabei übersiehst du die Einfachheit der Dinge. Schau“, zeigte er mir einen Zuckerwürfel, den er zwischen Zeigefinger und Daumen hielt. „Was ist das?“   „Ernsthaft?“, rollte ich meine Augen und verschränkte meine Arme vor meiner Brust. Ich konnte nicht glauben, dass ich eines von Shachis bescheuerten Ratespielen mitspielte. Trocken antwortete ich; „Drei Gramm Saccharose. Gewonnen aus Zuckerrohr, gepresst in eine Kantenlänge von sechzehn und elf Millimeter-“   „Falsch“, unterbrach er mich kopfschüttelnd und kreuzte seine Arme zu einem X. „Viel zu kompliziert! Das hier“, hob er den Würfel zur Verdeutlichung abermals in die Luft und schob ihn dann zwischen seine lächelnden Lippen. „Ist einfach nur Zucker. Nichts weiter.“   Meinen Kopf an das harte Metall hinter mir legend, schloss ich genervt meine Augen.   „Und das soll mir jetzt was sagen?“ „Das musst du schon selbst herausfinden“, sprang er fröhlich pfeifend auf und streckte sich. „Wir müssen zurück an die Arbeit, bevor Law uns beim Faulenzen erwischt. Erinnerst du dich an das letzte Mal? Ohne Daumen hab ich die Süßigkeiten mit Füßen essen müssen...“   „Sei froh, dass es nur deine Daumen waren.“ „Stimmt ja! Was hat er dir eigentlich-?“ „Das willst du nicht wissen, glaub mir.“   Ein Räuspern. Und wir spürten sie. Die von allen gefürchteten Silberaugen, die uns skalpierten. In Windeseile schnappten wir uns irgendein x-beliebiges Werkzeug und hämmerten willkürlich an einem der Rohre herum. Wir sahen wie zwei Vollidioten aus – was wir auch waren.   „Wir sind hart am Schuften, Käpt'n!“ „Oh, tatsächlich?“ Er glaubte uns kein Wort. Nicht einmal ein blinder Seemann im Kaufrausch hätte uns die Lüge abgekauft. Ertappt steckten wir unsere Köpfe zusammen. Synchron nuschelnd; „Nein...“   „Kann ich dies womöglich als Arbeitsverweigerung auffassen?“, knackste er leise mit seinen tätowierten Fingern, die auf den nächsten Sezierfrosch warteten. Wahlweise wären das wir oder die Staubmäuse zu unseren Stiefeln, die wir schnell zur Seite schoben, damit Law sie nicht sah. Flusen und Staub waren vergleichbar mit dem Tabu von Brotkrümeln; Das 'Ein Brotkrumen – Ein Knochen'-Prinzip.   Musternd blickte er uns streng an. „Oder möchtet ihr mir einen überzeugenden Grund eurer Bequemlichkeit nennen?“   Shachis verräterisches Lächeln gefiel mir absolut nicht. Seine Antwort tat es noch viel weniger.   „Männergespräche!“, posaunte er feierlich. Weswegen ich humorlos auflachte. Aus dem Mund meines besten Freundes klang das Wort noch dämlicher, als seine irrtümliche Bedeutung. Selbst Law machte es stutzig. Lässig lehnte er sich an den Türrahmen und hob eine Augenbraue. „So? Möchte ich daran teilhaben?“   Ich schüttelte vehement meinen Kopf. Doch Shachis redseliges Mundwerk arbeitete schneller. Entweder wurde es jetzt peinlich oder wir waren ein paar Körperteile los – beides keine wünschenswerten Optionen.   „Also.“ Das war das letzte Mal, wo Shachi Luft holte. „Da gibt es diesen einen Kerl, der jemandem einfach nicht mehr aus dem Kopf geht. Er segelt aber unter einer anderen Flagge und die ist schon ziemlich cool... aber nicht so cool, wie unsere!“   „Fasse dich kurz, Shachi-ya.“ Geduld klang anders.   „Aye! Jedenfalls ist da dieser Typ, der total stark ist und alles umhaut, was bei Eins nicht aus seiner Reichweite ist. Seine Muskeln sind so groß, wie Berge! Sooo groß“, fuchtelte Shachi mit seinen Armen herum und zeigte seine maßlos übertriebene Auffassung. Derweil fragte ich mich, ob mich nicht einfach jemand erschießen konnte. Das Trauerspiel war echt nicht mitanzusehen. Mit seinem überzuckerten Honigblick sah Shachi Law an und kam dann endlich auf den Punkt. „Ist es schlimm, wenn man einen anderen Piraten bewundert, Käpt'n? Ich frag fürn Freund – einen anderen, als Peng!“   „Definiere 'bewundern'“, forderte Law ihn auf und verschränkte seine tätowierten Arme vor seiner freien Brust. Unerwarteterweise nahm er das Thema ernster, als ich vermutet hatte. Bevor Shachi alles verschlimmerte, ergriff ich das Wort. Der Seehund war ohnehin aus dem Sack.   „Bewundern im Sinne von respektieren“, antwortete ich ohne Umschweife und erwiderte Laws kühlen Blick mit meinem ratsuchenden eigenen. Auf unseren Kapitän war immer Verlass. Jedem Heart-Piraten stand er allzeit mit Rat und Wissen zur Seite. Kurz überlegte Law intensiv, sich in Schweigen hüllend, bevor er schmunzelnd antwortete; „Solange keine Diskrepanzen entstehen und es bei Respekt bleibt, ist dies nicht verwerflich.“   Shachi musste nachfragen. Natürlich musste er das. „Was ist denn die Steigerung von Respekt?“   Laws Mundwinkel glitten nach oben. Sein Schmunzeln wurde verdammt unheimlich. In Gedanken war er längst nicht mehr bei uns. Das Silber seiner Augen blitzte wissend auf. Seine Antwort war ein einziges Wort, das er mit finsterem Stimmklang betonte.   „Obsession.“     --     Wir saßen im Auktionshaus. Die Ränge vor uns füllten sich nach und nach mit Schaulustigen und Käufern. Die betuchte Gesellschaft hielt großen Abstand zu uns. Die hintersten Sitzplätze neben uns blieben leer. Shachi und Bepo befanden sich eine Reihe hinter Law und mir. Die Heart-Piraten besetzten die Bänke ringsum. Um uns stieg der Geräuschpegel an Fremdstimmen immer weiter an. Doch die Stimmen meiner Freunde würde ich unter Tausenden erkennen.   „Ich vermisse meinen Bruder“, seufzte Bepo, ließ seinen Kopf hängen und umklammerte Laws Katana fester in seinen Pfoten. Heute war er besonders empfindsam, sensibler als sonst. Hoffte noch immer, seinen Bruder hier anzutreffen, obwohl er um dessen Tod wusste. Shachi legte seinen Arm tröstend um Bepos Schultern und schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln. „In deinem Herzen wird Zepo ewig weiterleben. Sein Andenken an dich bleibt unvergessen.“   Ich hörte ihrem Gespräch nur halb zu. Müdigkeit dämmte ihre Worte. Heute Nacht hatte ich echt beschissen geschlafen. Konnte daran liegen, dass Shachi in einer Nacht-und-Nebel-Aktion unbedingt unsere Kajüte umdekorieren musste. Nun war sie quietschbunt. Farbenfroher, als Einhornkotze und greller, als aus dem Arsch scheinende Sonne.   Während Law die eintretenden Besucher studierte, fiel mein Kopf immer weiter nach Vorne. Bis ich schließlich mit meiner Stirn hart gegen die Banklehne vor mir knallte. Der Aufprall fühlte sich echt real an. Als wenn ich gegen eine metallische Tür gestoßen wäre.   „Sind das nicht die Kid-Piraten?“, flüsterte Shachi uns zu und zeigte mit seinem Zeigefinger hinter uns. Was unser aller Köpfe Richtung Eingang drehen ließ. Auch ohne den Hinweis hätten wir sie erkannt. Die andere Crew war unverkennbar.   In Real sahen die Kerle wie eine Horde wilder Punk-Rocker aus, denen man nicht unter die Stiefel geraten wollte. Ihr Auftreten glich der personifizierten Egomanie. Sie betraten den Raum, als ob sie die Hauptgäste des heutigen Abends waren. Zogen jedes Augenpaar auf sich, ließen alle Anwesenden die Luft anhalten. Die goldenen Teufelsaugen ihres Kapitäns brannten sich durch die Zuschauerränge. Jeder wurde von seinem Blick in die Knie gezwungen, jeder sah sofort weg. Außer unser Käpt'n.   Laws Pupillen schärften sich, fokussierten den Höllenfürsten. Das Silber seiner Augen blitzte auf. In einem Funken, den niemand zu deuten wagte. Seine Mundwinkel zogen sich obskur schmunzelnd auseinander. Die Luft zwischen den Crews wurde spürbar schwerer.   Lässig lehnte Law sich mit einem Ellenbogen über die Rückenlehne. Schob den schwarzen Ärmel seines Kapuzenpullovers zurück, entblößte seine Unterarm-Tattoos. Dann hob er langsam seine Hand. Und zeigte dem anderen Kapitän das A seines Mittelfingers – das beleidigende Wort hinter dem Buchstaben wurde von seinem Gegenüber genau richtig gedeutet. Auch wir Heart-Piraten erhoben unsere Finger, imitierten Laws Geste und grinsten die andere Bande an. Eine Kriegserklärung, wie sie nur unser Käpt'n definieren konnte.   Mein freches Grinsen galt einzig dem maskierten Blonden. Zwischen uns entstand ein stummes Duell. Das war der Moment unseres Kennenlernens. Mein Mittelfinger hinterließ den besten ersten Eindruck.   Etwas war jedoch anders als damals. Die Traum-Atmosphäre änderte sich schlagartig. Meine Mundwinkel fielen in die Tiefe, als ich sah, wie der Vize sich in Bewegung setzte. Auf mich zukam. Lautlos, gefährlich, lauernd. Die Personen um mich herum verschwammen, blichen zu gesichtslosen Figuren, bis sie in einer Geistererscheinung existenzlos wurden. Es gab nur noch ihn und mich hier. Er, wie er sich mir immer weiter näherte. Ich, wie ich erstarrt auf sein Eintreffen wartete.   Letztlich stand er vor mir. Überragte meine sitzende Figur mit der größeren Seinigen. Zögerlich sah ich zu ihm auf, seine gespannten Brustmuskeln nach oben, ehe ich seine blau-weiß gestreifte Maske fixierte. Langsam beugte er sich zu mir herunter, bis sich seine Maske wenige Millimeter vor meinem Gesicht befand. Ich hörte sein schattenhaftes Flüstern nicht, sondern spürte seine düsterer werdende Stimme.   „Ich werde dich entführen...“   Mit diesen Worten griffen seine Finger nach mir. Gegenwehr zwecklos. Grob warf er mich über seine Schulter. Trug mich weg von hier, weg von meinen Freunden, weg von meiner Traumwelt. Hin zu seinem Schattenreich; Meinem wahr gewordenen Alptraum.     . . .     Unsanft legte er mich auf dem Boden seiner Kajüte ab. Bin ich etwa schlafgewandelt? Doch erst das dumpfe Schließen der Kajütentür riss mich aus meinem unruhigen Schlaf. Absichtlich schloss er sie lauter. Für gewöhnlich tat er es gar geräuschlos. Ich fühlte mich etwas erholter, aber längst nicht ausgeruht. Meine Träume verblassten, wie es mein überreizter Gemütszustand tat. So emotional, wie ich am Abend war, erkannte ich mich selbst nicht wieder.   Hat mich die kurze Zeit hier so sehr verändert? Ist die Nachwirkung von den Störungen meines Bewusstseins schuld?   Oder bin das wirklich ich? Ein Charakterzug von mir, den ich selbst nicht kenne?   Zurzeit musste es tiefste Nacht sein. Die Wache des Vizen war wohl vorbei. Mit lautlosen Schritten durchquerte er das Zimmer. Mich ließ er außen vor, schien mich nicht weiter zu beachten, gar vollkommen zu ignorieren. Habe ich mir das Gefühl des Tragens bloß eingebildet? Das leise Rascheln von ausgezogener Kleidung und bewegter Bettdecke folgte, bis die Geräuschlosigkeit einkehrte. Wenn ich nicht wüsste, dass er hier war, könnte ich meinen, dass ich noch immer allein wäre. Killers tonloses Auftreten war das, was seinem Namen Gefährlichkeit verlieh.   Es ist nicht nur seine mörderische Profession, die ihn ausmacht... Ihn allein darauf zu reduzieren ist einfach nicht fair...   Die Tage, die ich nun mit ihm verbracht hatte, gaben mir genug Zeit, um ihn zu studieren. Ich war nicht auf den Kopf gefallen und konnte mir sehr wohl eine eigene Meinung über ihn bilden – Eine, die über sein Idiot-sein hinausging. Natürlich kannte ich nicht alle seine Facetten, doch zumindest die oberflächlichen. Die dunkelsten Seiten, die jeder von uns in sich trug, blieben dort, wo sie hingehörten; Im Innersten unseres Charakters. Weil ich ohnehin vorerst nicht wieder einschlafen konnte, verbrachte ich die schleichenden Minuten damit, mir ein genaues Gedankenbild von dem Massaker Soldaten zu machen. Aus rein sachlichen Gründen, versteht sich.   Die langweiligen Fakten spare ich mir... Dass er Vize der Kid-Piraten ist, weiß jeder, der Steckbriefe lesen kann... Und sein Äußeres erkennt jeder Sehende... außer Fujitora... Der könnte es eventuell sogar mit seinem Haki erspüren...   Kann man Muskeln überhaupt mittels Haki fühlen? Meine Neugier formte die abstraktesten Fragen zu später Stunde. Ob ich es herausfinden soll?   Die wenigsten Heart-Piraten wussten etwas mit dem Begriff `Haki´ anzufangen. Noch weniger hatten die vollkommene Kontrolle über ihren Willen, der es ihnen ermöglichte, eine der drei Fähigkeiten-Formen zu erlangen. Ich befand mich mitten im Training des niedrigsten Observationshakis, noch ganz am Anfang meiner Lehre. Bei der Theorie und Seemeilen-weit von der Praxis entfernt. Law war ein guter, doch strenger Lehrmeister.   Als ich meinen Käpt'n zu jener Zeit fragte, welches Haki er mir zusprechen würde, antwortete er ohne lang nachzudenken mit: `Das Kenbunshoku.´ Seine Begründung: `Du bist ein Beobachter und agierst aus Vorsicht. Deine Handlungen basieren auf emotionaler Ebene und werden dadurch gestärkt.´   Erst nach und nach verstand ich, was er damit meinte. Ein Observationshaki ähnelte einem ausgeprägten Gefahrensinn. Schärfte die fünf Sinne und erfasste Auren, sowie Gemütszustände des Gegenübers. Da ich als Schütze ohnehin im Hintergrund stand, studierte ich meine Umgebung vor einem gezielten Schuss genauestens. Wenn ich mich in Schlachtfeldmitte befand, war ich für gewöhnlich vorsichtiger. Unwillkürlich schossen mir die Kampfszenen vor dem Auktionshaus durch den Kopf.   Wäre ich doch nur trainierter gewesen... Dann hätte ich Bepos Schussverletzung verhindern können...   Wie damals... als Shachi wegen mir verwundet worden ist...   Das Ereignis hat mich mein Haki erstmals spüren lassen... Spüren lassen, wie nutzlos ich als Freund bin...   Law hat Shachis Leben gerettet, nicht ich... Der ich meine Schuld hätte begleichen müssen...   Schuldgefühle. Das, was ich gerade wirklich nicht gebrauchen konnte. Eine Ablenkung musste her. Weswegen ich nun mein schwaches Haki konzentrierte. Mit geschlossenen Augen atmete ich tief ein und löste mich von jeglichen Gedanken. Beim Ausatmen fokussierte ich mich einzig auf den winzigen Willensfunken meines Unterbewusstseins. Geistig war das ein schwerer Kraftaufwand. Meditation war keine meiner Stärken.   Einatmen... Ausatmen...   Achte einzig auf deine Atmung... Löse dich von allem anderen...   Und verschmelze mit deinem Geist...   Schwärze. Ich befand mich im Nichts und Alles. Wie durch einen schwarzen Tunnel sah ich das flackernde Willenslicht. Eine winzig-kleine Flamme, ähnelnd einer um Leben kämpfenden Kerzenflamme. Der Schatten meines inneren Ichs musste aus eigener Kraft den schier endlosen Tunnel vor mir durchqueren. Dem Licht entgegenkommen. Es erreichen, noch bevor es erstarb. Beeile dich! Meine bleischweren Beine rannten. Sprinteten immer weiter auf das entfernte Flimmerlicht zu. Doch kamen kaum vorwärts. Als wäre ich gefangen in einer Endlosschleife, ohne das Tunnelende in Sicht. Es war mental verdammt ermüdend.   Wie eine Ewigkeit erschien es mir, bis ich das etwa handgroße Licht erreichte. Wie eine kleine Leuchtkugel schwebte es im Dunkel vor mir, sodass ich vor ihm stehen blieb und meine zusammengeschlossenen Hände locker aufhielt. Komm zu mir... Ich musste es bloß noch zu fassen bekommen.   Ist das mein Haki? Es ist so winzig...   Zweifel erschütterten meine Konzentration. Mein Haki erkannte mich nicht an. Weil ich meine Kraft anzweifelte, an mir selbst zweifelte. Meine Unentschlossenheit brachte die lichtende Kugel dazu, stark zu zittern und in alle Richtungen zu zappeln. Wild sprang sie durch den Tunnel, prallte an dessen imaginären Wänden ab und floh vor mir.   Nein, bleib hier!   Egal, wie schwach du bist... Du gehörst zu mir...   Zusammen werden wir stark sein!   Innerlich lächelte ich. Blieb reglos stehen, bewegte mich keinen Millimeter. Und wartete, bis die Kraftkugel mit mir zur Ruhe gekommen war. Stabilität erlangte. Atmen... Langsam ein und aus... Erst dann näherte sich das Licht mir erneut. Langsam, zögerlich, mit Misstrauen. Bitte... leihe mir deine Stärke...   Lass uns gemeinsam kämpfen... Und unsere Kräfte vereinen!   Plötzlich berührte es meine Handflächen. Wärme. Meine Haut, mein Innerstes wurde warm, glühend warm. Die Wärme der Energie ging auf mich über. Drang in jede Zelle meines Körpers. Ließ mich sie fühlen. Geborgenheit, Selbstsicherheit, Mut... Schließlich verschmolz das Licht mit mir. Mein Schatten erhellte sich. Schien zu leuchten, wurde selbst zum Licht.   Ein Gefühl des neu erlangten Sehens ergriff mich. Ohne meine Augen zu öffnen, sah ich leichte Schemen um mich. Verschwommen und undeutlich, doch waren sie da. Ich.. kann es sehen...   Violett. Killers Aura besaß einen intensiven Farbton zwischen warnendem Rot und mystischem Lila. Laut Seefahrer-Legenden erkannte jeder Haki-Nutzer etwas anderes, mit dem er eine Präsenz verband. Unabhängig von der Persönlichkeit konnten Auren sowohl Klänge, als auch Farben oder Zahlen besitzen. Letzteres vermutlich kalkulierende Personen, wie mein Kapitän, der Stärke in Rechnungen misste.   Lange konnte ich mein Haki nicht aufrecht halten. Nicht einmal eine Sekunde. So schnell der violette Präsenz-Schemen erschien, verschwand er auch wieder. Doch prägte sich die intensive Farbe in meine Innenwelt, in mein Gedächtnis, meine Erinnerung. Meine Frage wurde beantwortet: Ich konnte Muskeln nicht mittels Haki erkennen. Dafür aber die Kraft – erkenntlich an der Intensität der Farben – womit sich der Körperbau sehr wohl mutmaßen ließ. Killers Stärke war so hoch, dass sie meinen Willensbruch auslöste und meine Konzentration zunichte machte.   Was tue ich hier eigentlich? Statt zu schlafen, denke ich über Unsinn nach...   `Zu kompliziert!´, hörte ich gedanklich Shachis tadelnde Stimme, was mich leicht grinsen ließ. Ich gab ungern zu, dass mein bester Freund Recht hatte. Ab und an findet ein blinder Orca eben auch einen Fisch...   Neuer Versuch: Einfach Denken... Wie wär's mit Standard Klischee-Fragen?   Des Vizen Hobbys... Ich kann nicht glauben, dass ich ernsthaft darüber nachdenke...   Der perverse Casanova flirtet, kocht und metzelt... Wobei das eine das andere nicht ausschließt...   Und... was sind Killers Interessen?   „Ich interessiere mich für Männer.“   Ah... okay- Moment...   Sag... mir nicht, dass ich die Frage laut ausgesprochen habe..., riss ich meine Augen auf und starrte entsetzt zur Decke, während sich mein Körper versteifte. Viel wichtiger: Was zum Teufel hat er da gerade geantwortet?!   Haut der Kerl einfach trocken raus, dass er... Gib mir 'ne Minute... Die Info muss ich erst verarbeiten...   ...   Von wegen 'verarbeiten', dass ich nicht lache! Die unzensierten Bilder, die mein Kopf mir zeigt, sind nicht besonders hilfreich!   Ich verwette meinen Revolver, dass der Mistkerl das mit voller Absicht gemacht hat! Er hat nur darauf gelauert, dass ich einen Fehlschuss abfeuere...   Erwartet er allen Ernstes eine Antwort oder Reaktion von mir? Ha, als ob ich darauf reinfallen würde-!   Oh, wie ich meine Neugier doch verfluche...   Schwer schluckend, schwankte meine dünne Stimme zwischen erhöhter Nervosität und aufgeregter Erwartung. Als ich die Worte aussprach, verdammte ich mich für jeden einzelnen Buchstaben.   „Wie ist es... mit einem Mann?“   Dümmer hätte ich Idiot die Frage nicht stellen können... Sie klingt völlig anders, als ich sie meine!   Killers diebisches Schmunzeln malte seine Antwort in Düsternis. Der Tiefklang seiner Stimme ließ es mir heiß-kalt den Rücken herunterlaufen.   „Möchtest du dies fürwahr erfahren?“   A-Am eigenen Körper?!   Ja. „Nein!“, schoss das Wort schnell, verdächtig schnell über meine Lippen. Verlegen fuhr ich mir mit meiner flachen Hand über meinen Nacken und räusperte mich nervös lachend. „Haha... ha... Nicht nötig, meine Phantasie reicht mir völlig.“   Natürlich ließ er das Thema damit nicht ruhen. Stattdessen ließ er die Temperatur der Kajüte weiter ansteigen. Mit dunklem Amüsement in seiner Stimme fragte er unverblümt; „Was ist es, woran du denkst?“   Muss er so verdammt direkt sein?! Als ob er die Antwort nicht wüsste!   Ich wollte ihm nicht antworten. Sollte es nicht tun. Sollte... „An männliche Anatomie- ...Ich meine; rein hypothetisch, nicht bildlich-! Okay, doch bildlich. Aber nicht realistisch-! ...Ich sollte einfach aufhören zu reden.“   Nein, ich dachte nicht an Muskeln und Schwellkörper. Nur an ihre anatomische Beschaffenheit in medizinischer Hinsicht – Wirklich! Wenn ich keine Kappe tragen würde, hätte ich mir jetzt meine Hand gegen meine Stirn gehauen. Stattdessen versteckte ich meine erhitzten Wangen unter ihrem Seitenstoff. Seine geschärft dunkle Stimme vernahm ich trotz dämmendem Stoff intensiver denn je.   „Sprich weiter“, forderte er mich auf, hörbar amüsiert, sein Schmunzeln verdüsternd. „Frag mich.“   „Dich fragen?“, flüsterte ich so hauchdünn, dass mich selbst der mickrige Luftzug des winzigen Türspalts hinter mir hätte übertönen können. Eisig blies er mir in meinen Rücken, verursachte eine Gänsehaut, die einzig sein intimer Stimmton in einen Lawinen-Schauer wandeln konnte.   „Sinnenfreuden... Liebeskünste... Intimitäten... Nenne es, wie du möchtest“, betonte er jedes lüsterne Wort mit einem Hauch verbotener Leidenschaft. Als würde er es sich nicht nur vorstellen, sondern seine Lippen beim Raunen vollführen. Sein Schmunzeln schattierte zur sinnlichen Betörung. „Welche Antwort ist es, die du begehrst? Überwinde dich... und vertraue mir.“   Ihm vertrauen? I-Ich... weiß nicht...   Weiß nicht, was ich tun soll... Was ich noch glauben soll...   Wem ich noch trauen kann-   „Traue deinem Gefühl. Traue dich.“ Der betörende Klang seiner gar sanft-knebelnden Stimme betäubte meine Zweifel, hypnotisierte mich, nahm meine Sinne gefangen. Und legte schließlich den Warn-Schalter meines Inneren um, zerstörte ihn. Bei gesundem Menschenverstand hätte ich die Frage niemals ausgesprochen. Nicht mal an sie gedacht. Und dennoch flüsterte ich sie ihm mit brennendem Atem zu.   „Deine Maske... Behältst du deine Maske auch dabei auf?“ Was zum Henker?! „Beim Sex? Jop.“   Seine Direktheit macht mich wahnsinnig!   „Echt? Aber ist sie nicht hinderlich für...“ „Oralsex? Gewiss nicht.“ Hat er sich gerade über die Lippen geleckt?   „Nein. Nicht das. Ich meinte... küssen.“ Klasse, Peng, mach dich ruhig weiter zum Vollhorst... Nicht mal das eine Wort kannst du aussprechen, ohne dass es unanständig klingt... Beinahe überrascht fragte er; „Dir ist ein Kuss wichtiger, als Sex?“   „Ich- Na ja- ...Keine Ahnung. Gehört das nicht dazu? Ohne Gefühle ist das Ganze doch bedeutungslos.“ Er schwieg. Weswegen ich das Nächstbeste aus der Kappe zauberte, was mir einfiel. Wäre es doch nur ein Lapin gewesen...   „Im Kampf bin ich zwar ein Schnellschießer, aber rein, raus, fertig, ist nicht mein Stil.“   Kann mich jetzt bitte jemand erschießen? Irgendjemand? Wäre auch zu nett gewesen...   Plötzlich wurde es totenstill zwischen uns. Eine reißend angespannte Stille, die mich meiner Worte bewusst werden ließ. Das habe ich nicht wirklich gesagt... Nein, niemals... Zum gut Einreden war es längst zu spät. Es half überhaupt nicht. Tiefer konnte ich nicht in mein Loch der Peinlichkeit sinken. Echt schön hier unten... Sieh sich einer die Rottöne an! Mein Gesicht trug Scham, mein Körper verkrampfte sich, während meine Stimme noch steifer klang. Beim Sprechen überschlug sie sich fast.   „D-Danke für das Gespräch. Gute Nacht.“   Dass ich dem Thema offensichtlich auswicht, wussten wir beide. Was das Schmunzeln versteckter Lippen nur breiter werden ließ. Er hatte mich dort, wo er haben wollte. Ich war ihm in die Falle gegangen. Ihn versuchend zu ignorieren, drehte ich mich von ihm weg, in Richtung Tür. Tief zog ich meinen Kappenschirm herunter und warf dann die dünne Decke über mich, die rein zufällig – wer's glaubt – in meiner Reichweite lag.   Und wieder suchte ich vergeblich Schlaf. Mein Gedankenkreis drehte sich unaufhörlich. Weiter, immer weiter. In einer Spirale, die mich tiefer ins eigene Verderben zog. Näher zum Schattenreich der Bestie, deren Aura auf mich lauerte. Immer, wenn ich meine Augen schloss, sah ich ihn vor mir.   Warum spüre ich seine Präsenz deutlicher, denn je? Wieso ist das Violett so farbintensiv geworden?   Toxisches Violett, wie gefährliches Gift...   „Bittersüße Träume.“ Sein vergiftendes Flüstern begleitete mich in meine letzte Illusion.     . . .     Feuer. Überall Feuer. Inmitten allem Rot stand er.   Seine Mähne glich der goldenen eines Löwen. Sein Raubtier-Blick fixierte mich hungrig.   Der reißende Knall einer Peitsche. Einer doppelten, die er statt seinen Sicheln in den Händen hielt.   „Tanz für mich!“   Ein Befehl, der mich erschaudern ließ. Entkommen konnte ich ihm nicht.   Seine Gestalt wie im Nebelschatten getaucht, umhüllt von dunklem Rauch.   Als wäre er selbst die Dunkelflamme der Leidenschaft, in Kälte lodernd, ohne zu brennen.   Ich war derjenige, der verbrannte. In unerträglicher Hitze.   Peitschen-Stricke schlangen sich um mich, wickelten sich um meine Figur, die von nichts bedeckt war.   Das Schlimmste jedoch war, dass mein Körper auf ihn reagierte.   ...Eine Reaktion, wie sie nur ein Mann erfuhr...     ~*~     Ein Alptraum. Den Schock spürte ich stark nach. Meine Orientierung fand ich nur langsam wieder. Ich hatte es echt satt zu träumen. Schlaf war heute definitiv nicht mehr drin.   Noch immer war es Nachtstunde. Noch immer befand ich mich in seiner Kajüte. Wie viel Zeit verstrichen war wusste ich nicht. Einzig, was mich weckte, konnte ich vollends deuten. In der finsteren Kajüte herrschte Stille. Zersplittert durch den ausdrucksvollen Widerhall eines Klangs, welcher in meinen Ohren immer und immer lauter erschallte.   Ich hörte es. Ihn. Sein tiefes Stöhnen, welches durch die Dämmung seiner Maske beinahe unkenntlich wurde. Dazu das leise Rascheln der Bettdecke, die seine unverkennbare Handbewegung begleitete. Auf, ab, auf, ab... Sofort war ich hellwach. Verboten sündige Bilder schossen durch meinen Kopf, keines von ihnen war anständig.   Verdammt..., schluckte ich trocken und versuchte vergeblich mein Kopfkino in den Griff zu bekommen. Killer... befriedigt sich selbst... Völlig schamlos in meinem Beisein...   Glaubt er, dass ich schlafe? Oder weiß er, dass ich wach bin?   Letzteres half nicht im Geringsten, das aufkommende Gefühl von frevelhafter Ruchlosigkeit zu unterdrücken. Mein Herz raste. Mit der Raumtemperatur stieg die meines Körpers ins Unermessliche. Mir wurde verdammt heiß. Meine Hände begannen vor Rastlosigkeit zu schwitzen. Weswegen ich sie krampfhaft in das dünne Laken krallte, dessen unteres Ende sich von Sekunde zu Sekunde weiter anhob. Ich konnte es nicht leugnen: Ich war halb-hart.   Denk an was anderes... Irgendwas anderes...   Jean Bart nackt... in Strapsen und Spitzen-BH... Blackbeard in pinkem Tutu... Akainus Eruption seines Mini-Vulkans-   Ich will mir das nicht vorstellen! Das hilft einen Dreck!   „Nnnngh...“   Ist er lauter geworden...? Mein Verstand spielt mir einen miesen Streich...   Nun nahm ich Killers Lustlaute noch deutlicher wahr. Sie berauschten meine Sinne. Tauchten sie in Unmoral und Versuchung. Und raubten mir meinen Verstand. Mich ihrem Bann zu entziehen, war gar unmöglich. Meine rechte Hand wanderte langsam tiefer, meinen Körper hinab, bis ich sie frustriert ballte. Ihrem zitternden Beben Einhalt gebot. Ich darf nicht nachgeben!   Ablenken... Ich muss mich dringend abl-   „Ich weiß, dass du wach bist.“   Verfluchter Mist!, biss ich mir auf meine Unterlippe. Fühlte mich ertappt, beschämt... doch erregter denn je. Ein innerer Moralkampf mit meiner Selbstdisziplin entfachte. Ist es okay, wenn ich... Nur dieses eine Mal? Nein, das ist falsch! Meine Faust ballte und lockerte sich mehrmals, während ich meine Zähne in meine Hand bohrte. Vergebens versuchte ich sie still zu halten.   „Kämpfe nicht dagegen an“, flüsterte er mir mit kehlig-rauer Stimme zu und ließ meine Disziplin weiter splittern. „Wir sind gänzlich unter uns... Niemand wird davon erfahren...“   Ach, verdammt... Was hab ich schon zu verlieren?   Ich war alles andere als verklemmt, bloß vorsichtig. Die intime Grenze zu überschreiten, war verdammt gefährlich. Je intimer wir uns einander näherten, desto riskanter wurde es. Es verkomplizierte das, was auch immer zwischen uns war. Oder ist es einfacher, als ich glaube?   Ich muss mich nur meinem Gefühl hingeben... Nicht nachdenken, einfach fühlen...   Mein beschleunigter Herzschlag schrie danach, jagte spürbare Ekstase durch meine Adern. Das Rauschen in meinen Ohren übertönte meinen unregelmäßigen Atem. Zwischen aufeinander gepressten Zähnen knurrte ich leise und lockerte dann meinen Biss um meinen Handrücken, der einen deutlichen Abdruck zierte. Killers Reaktion war ein kehliges Brummen, welches in einen rauen Kristallklang überging.   „Dein rebellisches Schnurren macht mich fucking scharf.“   Seine tief-raunende Stimme raubte mir meine letzte Beherrschung. Das Rascheln seiner Decke verriet mir, dass er sich weiter streichelte, ohne Rücksicht. Es machte ihn verdammt an, dass ich ihm zuhörte.   Killer war ein Dieb – der Räuber meiner Unverdorbenheit. Seine Perversion wurde zu meiner Obsession. Das Verbotene war schon immer mein Magnet gewesen. Und Killer verkörperte die kriminelle Versuchung. Er übte eine stärkere Anziehung auf mich aus, als jede Teufelskraft es je konnte.   Meine Augen schließend, ließ ich mich vollkommen fallen. Löste mich von jeglichem Zweifel und tauchte ein in den ekstatischen Sinnenrausch, welcher mir die Farbe meines Sehnens offenbarte. Violett. Einbildung oder Wirklichkeit? Spielt das denn noch eine Rolle? Deutlich sah ich das fesselnde Farbspiel im geistigen Irrlicht meiner wünschenden Hoffnung. Ein Wunsch in stiller Innigkeit, der an die Oberfläche meines Herzens drang. Zu Leidenschaft geboren.   Das Violett seiner Aura schien gar zu glühen. Ihre Funken sprühten Gefahr. Wie flackernde Luftpartikel schwebten sie durch mein seelisches Dunkel. Bis ein einzelner Leuchtfunke auf meine eigene Aura traf. Womit das funkende Inferno von feuriger Hitze unhaltbar wurde.   Kannst du ihn hören? Der Ruf meines Innersten? Er ruft einzig nach dir...   Violett und Dunkelgrün ketteten sich aneinander. Nicht kämpfend, sondern verschmelzend. Ich hatte nicht die geringste Ahnung, was hier passierte. Doch fühlte es sich verdammt gut an. Auch Killer musste es spüren. Das, was ich erst jetzt erfühlte, nahm er seit längerem wahr. Seit dem Sturm, der unser beider Gefühlswelt kollidieren ließ.   Die Luft um uns stand unter funkendem Starkstrom. Jeder elektrische Atemzug ließ meinen Körper erzittern. Die Atmosphäre aus Elektrizität und Hitze wurde einzig von Killers rauem Flüsterton durchbrochen.   „Fasst du dich an?“, fragte er mich amüsiert, sein erregtes Schmunzeln unüberhörbar. Er wusste die Antwort, brauchte sie nicht. Dennoch gab ich sie ihm in Begleitung eines brennenden Atemhauchs. „Verdammt, ja!“   Das tat ich. Ohne Scham und Reue. Zwischen den Fingern meiner linken Hand drehte ich meine erhärtete Brustwarze, mit meiner rechten Hand massierte ich meine Männlichkeit durch den Stoff meiner Boxershorts. Dabei drangen atemlos-kehlige Laute über meine zusammengepressten Lippen. Mein Kopf lag seitlich auf meiner Kappe und dem kühlen Holzboden, in seine Richtung gedreht. Einige Haarsträhnen fielen über meine halb-geschlossen Augen, die in der Nacht-erhellten Finsterkeit zu ihm blickten. Mit voller Absicht ließ ich ihn mich hören. Wissend, dass er darauf stand.   „K-Killer...“ Sein Name nicht mehr, als ein keuchend-zittriger Atemstoß. Statischer Ekstase gleichend. Jeder Buchstabe betont von meinen bebenden Lippen, in die ich meine Zähne kräftig bohrte. Der elektrisierende Effekt verfehlte sein Ziel nicht. Abgehackt zog Killer scharf die Luft ein, den Stromschlag intensiv spürend, der seinen gesamten Körper durchfuhr.   „Fuck. Du legst es wahrlich darauf an, nicht?“, nahm sein Schmunzeln einen Ausdruck von düsterer Begierde an. In der Mond-lichtenden Dunkelheit blitzten seine Augen hinter den Löchern seiner Maske auf. Ihre Pupillen weiteten sich im Rausch der Erregung. Nun war sein Jagdinstinkt geweckt. Der animalische. „Fordere mich niemals heraus... wenn du dir der Gefahr nicht gewiss bist.“   Drei Sekunden. Dann war er bei mir. Mit einem blitzschnellen Sprung – kniend vom hölzernen Bettrand abgestoßen – reduzierte er die Distanz zwischen uns auf Null. Nackt, wie der Teufel ihn schuf stand er über mir. Einzig seine blau-weiße Maske tragend. Sein Körper umhüllt vom nächtlichen Silberlicht, welches die leichten Schweißperlen seiner Muskeln matt schimmern ließen. Sein drittes Schwert war auf mich gerichtet. Bis zur vollen Schärfe poliert.   Killers triebhafter Blick belauerte mich. Über mein Haki erfühlte ich seine animalische Aura. Ihre Stärke war übermächtig, ihre Intensität die pure Erotik. Ohne Ketten fesselte er mich, ließ mir keine Chance auf Befreiung. Es war seine sexuelle Dominanz, die meinen Willen steuerte und meine reibende Hand führte. Schneller, wilder, härter... Schamlos sah er mir dabei zu, wie ich mich befriedigte. Beobachtete präzise die Auf- und Ab-Bewegung meiner dünnen Decke, die für uns beide nicht existent schien.   Aus dem Augenwinkel schaute ich zu ihm auf. Mein Kopf lag seitlich auf meiner Kappe, die von meinem Haupt gerutscht war. Meine Boxershorts bis zu meinen Knien gezogen, hatte ich mehr Bewegungsfreiheit. Breitbeinig stand Killer links und rechts neben meinen locker geschlossenen Beinen. Blickte auf mich herab, als wenn ich sein Eigen war. Seinen intensiven Blick spürte ich mit jeder Pore meines Körpers.   Er löste seine verschränkten Arme. Ich verfolgte seine Bewegungen mit berauschtem Blick. Geschickt glitt seine Hand zu seinem steilen Glied, das er im Rhythmus meiner Pump-Bewegung rieb. Ein gedämmt-tiefes Stöhnen drang durch seine gelöcherte Maske. Sein heißer Atem ihre Innenseite beschlagend.   Bildlich stellte ich mir seine erregte Mimik vor. Sein Gesicht brauchte ich nicht zu sehen, meine perverse Phantasie reichte völlig. Das dunkle Geheimnis seiner Maskerade besaß einen erotischen Reiz, der meine Lust nur noch mehr anfachte. In diesem Moment symbolisierte Killers Maske den reinen Sexappeal. Seine Hüllenlosigkeit erzeugte den Kontrast, der ihr sinnliche Attraktivität verlieh.   Was ich nicht wusste: Seine Kopfbedeckung war modifiziert. Auf Geräusche spezialisiert, deren Lautstärke er nach Belieben über einen unerkennbaren Regler an der Masken-Außenseite einstellen konnte. Die Tonstärke meiner lustvollen Atemlaute war seit Anbeginn seiner Selbstberührung auf höchster Stufe. Selbst wenn ich es gewollt hätte, hätte ich keinen erregten Atemzug vor ihm verbergen können.   Langsam ging Killer in die Knie. Wodurch ich instinktiv meine Beine auseinander schob, um ihm Platz zu machen. Auf einem Knie abgestützt, rieb er sich gleichbleibend weiter. Sein raunendes Schmunzeln nahm durch die Dämmung seiner Maske einen dunklen Tiefklang an.   „Ich will dich berühren.“ „W-Was?“ „Pardon: Ich werde dich berühren.“   Noch bevor er sein Begehr ausgesprochen hatte, verschwand sein Kopf unter meiner Decke. Dass er seine sinnliche Drohung wahrmachte, war sicher. Doch die Art wie er es tat, hätte ich mir nicht in meinen verdorbensten Träumen vorstellen können.   Ich spürte ihn. Seinen feurigen Atem, der gegen meine empfindlichste Körperstelle hauchte. Nur kurz. Dann fühlte ich etwas viel heißeres: Seine Zunge. Er streckte sie durch ein Mundloch seiner Maske, sodass ihre erhitzte Spitze meine straffe Erektion berührte. Der federleichte Kontakt reichte aus, um mir alle Lichter auszupusten.   „Gottverdammte-!“ Haltlos krallte ich mich in die Unterseiten des Lakens, bäumte meinen Unterkörper auf und biss dabei in den Stoff meiner Kappe. „Grrn...“   Seine raue Hand hielt mich an meiner Hüfte unten, drückte sie bestimmend gegen den von Körper erwärmten Dielenboden. Zeitgleich platzierte er seinen Ellenbogen auf meinem Oberschenkel, um sich abzustützen und mich zu fixieren. Dann umgriffen seine Finger meine Härte. Seine andere Hand wanderte von meiner Hüfte, über dessen leicht hervorstehenden Knochen. Weiter meinen Oberkörper herauf, über meinen kurzen Haarhügel zu meinem Bauchnabel. In einer hungrigen Bewegung meine linke Seite entlang, anschließend kratzend über meine Brustmuskeln. Dabei streifte er meinen erhärteten Nippel, den er zwischen seinen Fingern spielerisch drehte. Was mich dazu brachte, ein ersticktes Keuchen zwischen meinen geöffneten Lippen auszustoßen.   Killers brennende Zunge, das kühle Metall seiner Maske, seine rauen Hände, seine dominanten Berührungen. All das erzeugte den Reiz-Kurzschluss, der meine Sinne in Wollust versetzte. Ab dem Moment gab ich mich seinem Sündenspiel vollends hin. Gab mich ihm hin, der mir jegliche Denkfähigkeit raubte.   Injektomanie – die Sucht nach der Injektion sexueller Endorphine..., schoss mir der medizinische Gedanke durch meinen überreizten Verstand. Ich war längst nicht mehr Herr über meinen Körper und Geist. Was dazu führte, dass die skurrilsten Worte meinen berauschten Kopf fluteten.   Externalisierung sexueller Wünsche – das innere Begehr nach außen zeigen... Fetischisierung – einen ungeahnten Fetisch entwickeln... Beispielsweise zu einem blau-weißen Lustobjekt... Manifestation – das Sichtbarwerden einer Wahrheit, deren Leugnung zwecklos ist:   Killer ist mein sündigster Alptraum... Er reflektiert all meine sinnlichen Frevel...   Verdammt, der Mistkerl macht mich wahnsinnig!   „Hör verdammt nochmal nicht auf, Idiot!“, knurrte ich ihm hektisch atmend zu und spürte, wie seine feuchte Zunge meiner Aufforderung nachkam. Ihre Spitze hinterließ eine brennend heiße Spur auf ihrem quälend langsamen Weg über meinen Schaft. Seine Hand an meiner Brust war verschwunden, stattdessen pumpte sie seinen steifen Penis, mitsamt dem Meinen, von dessen Kopf er eine Lustperle leckte. Dabei brummte er wohlig auf. Ließ sich meinen Geschmack in seinem Mund zergehen.   Zum Sprechen musste er die Bewegung seiner Zunge kurz unterbrechen. Zeitgleich riss er mit einer schnellen Handbewegung die Decke weg, um mich direkt anzusehen. Unsere lüsternen Blicke trafen sich, während er mir aus tiefster Brust zuraunte.   „Es erregt mich, dich zu befriedigen“, wisperte er heiser und verdeutlichte seine Worte mit einer intensiveren Pump-Bewegung, bei der sein Daumen über den geschwollenen Kopf meines Glieds strich. Unter seinem gierigen Blick erschauderte mein gesamter Körper. Die Gier ließ seine Stimme tiefer klingen. „Wie fühlt es sich an? Wie lasse ich dich fühlen?“   „Es...“, brachte ich zögernd hervor, rang nach Atem und Worten. „Es fühlt sich gut an.“   „Was?“ „Du... wie du das tust.“ „Was tue?“ „M-Mit deinen Fingern... deiner Zunge... Mir... Mir gefällt das.“   „Dies?“ Rieb er mich in einer leidenschaftlich wilden Grobheit, wie es nur Killers Finger konnten. Lustvoll keuchend nickte ich, war nicht mehr imstande zu reden. Doch wollte er meine Stimme hören. Hören, wie schmutzig sie sprechen konnte. Sich weiter zu mir vorbeugend, hauchte er mir düster schmunzelnd zu.   „Sag mir, wie versaut du bist“, forderte er mich dunkel auf. Zur Verdeutlichung den Druck seiner Reibung auf meine Härte verstärkend und verlangend über meine Spitze leckend. „Wie pervers bist du tatsächlich?“   „Ich bin-“ Rieb er mich schneller, was meine Stimme vor Lust verzerrte. „V-Verdorben“, brachte ich abgehakt atmend über meine Lippen und drückte meinen Rücken durch, „verdammt pervers!“   „Wer hat dich dazu gemacht?“ „D-Du!“ „Wem gehört diese Seite an dir?“ „Dir, Kill- ahh...“   „Fucking richtig. Nun fasse mich an und spüre mich.“   Sein dunkles Begehr hörte ich deutlich, konnte mich ihm nicht entziehen. Mein Körper folgte dem Ruf des Schattenmeisters. Angezogen durch seine düstere Dominanz. Mühsam stützte ich mich auf meinen Ellenbogen nach oben. Mich seinem dominanten Befehl nicht verweigern könnend, setzte ich mich ihm gegenüber – halb auf seinen Schoß – und umfasste seine pralle Erektion. Unsere Schweiß-benässten Brustmuskeln trafen sich. Ihre erhitzte Haut schmiegte sich eng aneinander, während er seine Hand um die Meine legte und wir unsere Glieder zusammen pumpten. Keiner von uns unterdrückte seine Lustbetonungen, welche die feuchten Geräusche übertönten.   Meine Stirn lehnte gegen die kühle Außenseite seiner Maske, durch deren schattigen Augenlöcher ich blickte. Unser Atem der Erregung vermischte sich. Meine zitternden Lippen kurz mit meiner Zunge befeuchtend, steckte ich sie zögerlos durch das linke Mundloch seiner Kopfbedeckung. Auf die Seine treffend, sodass ihre Spitzen im wilden Fechten spielerisch tanzten.   Unser erster Kuss. Ohne Lippenberührung, ohne Sanftheit. Einzig die leidenschaftliche Wildheit. In intimster Innigkeit.   „Auf die Knie“, befahl er scharf und stieß sein Glied reibend gegen das Meine. Beide zuckten, pulsierten wild in unseren Händen. „Verwöhne mich mit deiner Zunge.“   Flink zog er mir meine verrutschte Kappe vom Kopf. Strich mir bei der Bewegung meinen Pony von meinen Augen und vergrub seine Finger mit fordernder Zärtlichkeit in meinen Haaren. Doch stoppte er abrupt jegliche Bewegung, ließ seine Hand auf meinem Kopf liegen. Weil er den versteckten Funken der Unsicherheit in meinem Blick sah.   Ich weiß nicht... ob ich das kann... Ob ich gut genug für ihn bin...   Lange schauten wir uns an, intensiv, still, reglos. Er gab mir Zeit, um mich zu entscheiden. Dass seine Augen tief in die Meinigen blickten, spürte ich trotz ihrer Unkenntlichkeit. Ihr Eisblau glich tauendem Kristall, funkelnd in obsessiver Passion. Ich fühlte seine Emotionen. Wann immer er sie zuließ. Deswegen brauchte ich sein Gesicht nicht zu sehen. Wusste auch so, wie er mich ansah. Mit wie viel Gefühl mich seine Augen reflektierten.   Sie spiegelten das liebevolle Lächeln wieder, welches meine Lippen langsam formten. Auch mein Augenlicht erhellte sich zu warmen Grünfarben. Offenbarten den glühenden Herzfunken. Sanft strichen meine kühlen Finger seinen erhitzten Oberkörper nach oben, fuhren zärtlich über seine Brustmuskeln. Über seinen Nacken, von dem ich sein blondes Haar gen Rücken legte. Dann erreichten meine Fingerkuppen den Rand seiner Maske, die ich streichend umfuhr. Letztlich drückte ich mein Lächeln gefühlvoll gegen die glatte Oberfläche seiner Maskenunterseite, hinter der sich seine Lippen befanden.   Ohne ein Wort kniete ich mich langsam hernieder. Meine Hand begleitete meine Bewegung, strich seine Brust abwärts. Dabei konnte ich seine beschleunigte Atmung erfühlen, ertastete seinen wilden Herzschlag. Während ich nach hinten rutschte, stützte er sich mit seiner linken Hand am Boden hinter sich ab, seine rechte verblieb locker auf meinem Kopf. Zeitgleich nahm er eine bequemere Sitzposition an, die es mir erleichterte, an seine Mitte zu gelangen.   Meine Augen hielten noch einen Moment den versunkenen Blickkontakt aufrecht, ehe sie seinen Körper nach unten wanderten, bis sie sich auf seine intimste Körperstelle fixierten. E-Eine Anakonda?! Erst jetzt erfasste ich jedes Detail. Größe, Länge, Form. Erkannte, dass er beschnitten war. Und gepierct. Ein Frenulumpiercing... gestochen durch sein Vorhautbändchen... Als Schmuck ein gebogener Kurzstab, schwarz, mit amethystfarbenen Kugeln...   Verdammt... Es steht ihm...   Unter meinem besinnlichen Blick trat aus seiner Eichel ein Lusttropfen hervor, dessen fließende Abwärtsbewegung, seinen Schaft entlang ich verfolgte. Seine gar sanft scharfe Stimme riss mich aus meiner Starre.   „Bist du dir gewiss, dass du dies tun möch-? ...Fuck!“   Ohne Zögern leckte ich die Perle auf. Der bitter-salzige Geschmack war nicht unbedingt das, was ich mir vorgestellt hatte. Aber ertragbar. Die erste Berührung von meiner Zunge und seiner Länge war ungewohnt seltsam. Meine Zungenspitze ertastete zurückhaltend und vorsichtig die erhitzte Haut. Erfühlte das Pulsieren der Ader an der Unterseite seines Glieds und das kühle Material seines Intimpiercings. Die Federleichtigkeit meiner sinnlichen Erforschung ließ Killer leise brummend stöhnen. Er nahm mir meine Unsicherheit. Seine Lustklänge spornten mich an, ermutigten und dirigierten mich.   Immer, wenn sein Brummen tiefer wurde, wusste ich, wo meine Zunge ihn intensiver liebkosen sollte. Die Haut um sein Piercing, den Rand seiner Eichel und den Kopf... Ich merkte mir jede Stelle, hinterließ meine Spuren auf ihnen. Küsste die straffe Haut sanft. Doch traute mich nicht, währenddessen aufzusehen, ihn anzusehen. Erst, als seine Finger von meinem Kopf herab strichen, die linke Seite meines Gesichtes entlang, zu meinem Kinn, das er mit seinem Zeigefinger leicht anhob, wagte ich es meinen Blick zu heben. Seine Maske leicht schief gelegt, mir sein verborgenes Schmunzeln zeigend.   „Du siehst verdammt sexy aus, wenn du mir einen bläst.“ Rasch sah ich zur Seite. Die Hitze meiner Wangen konnte ich nicht vor ihm verbergen. Murrend knurrte ich ihm leise zu. „Halt die Klappe und lass mich einfach machen, Idiot.“   Ich wusste, wie ich ihn zum Schweigen bringen konnte. Aus Rache blickte ich ihn erst recht an. Senkte grinsend meinen Kopf und nahm seine geschwollene Eichel in meinen Mund. Als ich zärtlich an ihr saugte, stöhnte er fluchend auf und legte seinen Kopf in seinen Nacken. Ließ mich jedoch keine Sekunde aus seinen hungrigen Augen. Gierend nach mehr, nach mir. Seine unruhigen Finger, die sich in mein Haar krallten, verdeutlichten seine unersättlich werdende Gier. Dennoch drückte er meinen Kopf nicht nach unten, hielt sich für mich zurück, überließ mir die Zügel der Leidenschaft.   Ob er es eher rauer mag? Als ich seine Länge fast vollständig in meinem Mund aufnahm – soweit ich konnte, ohne zu würgen – versuchte ich etwas Neues, probierte mich an ihm aus. Bei der Aufwärtsbewegung ließ ich meine Zähne federleicht gegen seine empfindliche Haut kratzen, umgriff ihn zusätzlich fester mit meiner Hand und knurrte laut. Die Vibration, mitsamt dem animalischen Sinnesreiz jagte einen Schauer der Erregung durch seinen Körper.   Aus Reflex stieß er hart in meinen Mund. Wodurch ich den Würgereiz nur knapp unterdrücken konnte und meine Augen leicht wässrig wurden. Noch immer nahm ich sie nicht von ihm. Der Anblick meines zerstreuten Blicks, schimmernd in rebellischer Leidenschaft, und seines Glieds zwischen meinen Lippen, hätte ihn fast zum Kommen gebracht.   „Verzeih“, klang sein Flüstern nur halb entschuldigend, halb zitterte es vor Erregtheit. Das Erbeben seines Körpers konnte er nur durch Willenskraft unter Kontrolle bringen. In meinem Mund war seine Härte zur vollen Form gewachsen.   Ich wollte es zu Ende bringen, ihn oral zum Orgasmus bringen. Doch als ich meine reibende Bewegung wieder aufnahm, hielt er mich zurück, in dem er mir leicht an meinen Haaren zog. Zwischen meinen Lippen rutschte seine Größe mit einem nassen Geräusch hervor, glänzte feucht und zuckte gierig.   Unsere Blicke intensivierten sich, in flammenden Ketten aneinandergebunden. Was er mir dann zuflüsterte, war gefühlvoller als alles, was er in dieser Nacht zu mir sagte.   „Ich komme nicht ohne dich.“ Worte, welche die Monotonie seiner Stimme zur Symphonie werden ließen. Die Silben, die ich einst zu ihm sprach; 'Ich gehe nicht ohne dich.' In völlig gegensätzlichen Situationen, mit gleichwertiger Bedeutung. Dem innigen Wert der Verbundenheit.   Langsam dirigierte er meinen Kopf zu sich nach oben, richtete sich dabei selbst weiter auf. Seine Hand umgriff mein Kinn, strich mit seinem Daumen über meine Unterlippe. Als wenn er mich hätte küssen wollen. Stattdessen tat ich es, drückte meine Lippen sacht gegen seinen Daumen und lächelte ihn zärtlich an.   „Lass es uns gemeinsam beenden“, hauchte ich ihm zu, meine Stimme von Sinnlichkeit gezeichnet. In Kontrast skizzierte mein Lächeln gar hingebungsvoll; „Killer.“   Jeder Buchstabe ein spürbarer Herzschlag. Von wessen Brust erzeugt unklar.   Seine Hand wanderte zu meinem Brustkorb, gegen dessen linke Brustseite er seine Handfläche legte. Fordernd drückte er mich nach hinten, schlang seinen anderen Arm fest um meine Taille und zog mich ruckartig auf seinen Schoß. Die abrupte Bewegung raubte mir kurz den Atem. Dann raubte ihn mir seine raue Hand, die unsere Glieder umgriff und ungezähmt rieb. Dabei presste er unsere Körper mit seinem Arm in meinem Rücken eng aneinander. Killers Berührungen glichen seinem Kampfstil; präzise, wild, wirksam und doch gar anmutig.   Instinktiv umfasste meine Hand die uns reibende Seinige, meine anderen Finger krallten sich in seine lange Mähne. Mein Kopf lag seitlich in seiner Halsbeuge, meine Lippen hauchend in das Maskenloch seiner Ohrmuschel. Killer kontrollierte meinen Atem, meinen Puls, meine Herzfrequenz. Jeder Lebensimpuls stand unter seiner Macht. Der Seinen allein.   Wir gaben uns der Lust vollends hin. Dem Gefühl der Sinnlichkeit, welches er zuließ. Für mich. Mit mir. In diesem Augenblick gab es nur noch das Wir.   Gier erfüllte die Luft. Nasse Klänge, mitsamt unserem Stöhnen die schlafende Nachtstille erweckend. Das leichte Schaukeln des Schiffes untermalte unsere Lustbewegung. Das durch Bullauge dringende Mondlicht zeichnete den Schatten unserer intimen Pose an die Wand. Die Grandline war unser einziger Zeuge. Ihr Meer das unsere. Ihre Wellen schlugen einzig für uns.   Wir waren zwei Piraten, die sich holten, was sie begehrten. Ich begehrte Killer – Er begehrte mich. Selbst das One Piece besaß für uns keinen größeren Wert.   „Komm mit mir“, forderte er mich raunend auf und beschleunigte unsere reibende Handbewegung. Unsere Grenzen auf ein Maximum treibend. Der Tiefton seines Flüsterns die pure Erotik. „Folge mir in die Untiefen der Sünde, Penguin.“   Plötzlich verdüsterte sich seine Stimme zur finsteren Dominanz. Seine Worte nahm ich im Lustschleier nicht vollends wahr. Mein Unterbewusstsein gefangen in den Fesseln der Ekstase.   „Sing für mich, Heart-Pirat!“ Ein Aufschrei der Lust. Zu mehr war ich nicht imstande. „A- Aye!“   Beide fanden wir unseren Höhepunkt. Erreichten den höchsten und zugleich tiefsten Meeresgrund. Meine Finger krallten sich in seine breite Schulter, in die ich rücksichtslos biss. Seine Hand griff in meine kurzen Haare, an denen er kräftig zog. Beide rissen wir unsere Köpfe in den Nacken und stöhnten lustbetont auf; Killers Stöhnen tiefer, beinahe animalisch. Meines zischender, gar in ein Fauchen übergehend.   Gemeinsam befleckten wir unsere Hände mit den weißen Indizien unseres Delikts. Ich öffnete in dem Moment meine Augen, als mein Liebessaft seine Maske traf. Sah die weißen Flecken auf blau-weißen Untergrund sprenkeln. Und wie er seine Zunge durch das Mundloch steckte, meinen Samen ableckte. Mein Gesicht verzog sich leicht angewidert. Mit ihm tauschen wollte ich echt nicht.   ~*~   `Folge mir... Penguin.´ Dass er mir im intimsten Moment einen neuen Namen gab, registrierte ich vorerst nur unbewusst. Killer war der Erste, der mich jemals Penguin nannte. Dieser Name war für mich von ihm bestimmt worden.   Kraftlos sackte mein Kopf nach vorne, traf auf seine Schulter, gegen die meine Stirn lehnte. Hektisch und unkontrolliert atmeten wir, unsere Brust sich schnell hebend und senkend, während unsere Muskeln ihre Anspannung vollkommen verloren. Meinen Kopf seitlich drehend, sah ich ihn von seiner Schulter aus an. Wissend, dass seine Augen mich durch die Löcher seiner Maske beobachteten. Ihre verdunkelte Farbe konnte ich lediglich erahnen.   „`Penguin´?“, brachte ich mit dünner Stimme hervor. Versuchte noch immer, meinen Atem wiederzufinden. Ein zustimmendes Summen war seine Antwort. Weswegen ich in heiserem Ton weitersprach. „Warum ein Pinguin?“   Wieso ausgerechnet dieses Tier? Das, vor dem ich mich fürchte? Warum klingt es von seinen Lippen nicht furchterregend?   Schmunzelnd beugte er sich zu meinem Ohr. Sein warm gehauchter Atem verstärkte das Zittern meines Körpers. Intensivierte die Nachwirkungen meines Höhepunkts. „Weil ich dich lehren werde, wie einer zu laufen...“   Meine Wangen – die miesen Verräter – verschworen sich erneut gegen mich. Wodurch ich nun meinen Kopf von ihm wegdrehte, seinen amüsierten Blick meidend. Killer war ein Mann der sein Wort hielt. Seine Versprechen waren endgültig.     `Sing für mich, Heart-Pirat.´   Plötzlich brach es über mich ein. Die Lawine an eiskalten Emotionen. Schock. Furcht. Entsetzen. Panik. Gefror meinen Körper bis ins Innerste. Holte mich von meinem Hoch zum Abgrundtief. Und ließ mein Gesicht leichenblass werden.   Er weiß es... Weiß, dass ich mich erinnere...   Er. weiß. es.   Panisch stieß ich mich von ihm. Suchte Abstand, rutschte von ihm weg und sah ihn angsterfüllt an. Er zeigte keine sichtbare Reaktion. Was mich verdammt beunruhigte.   Seelenruhig stand er auf. Die totenstille Ruhe, die er ausstrahlte war noch viel furchteinflößender. Lautlosen Schrittes ging er zu seinem Schreibtisch und öffnete eine der Schubladen. Während ich hier weiterhin in Schockstarre saß, säuberte er sich seine Hände und warf mir dann ein feuchtes Tuch zu, ohne mich anzusehen. Unberührt blieb es vor mir liegen, meine geweiteten Augen einzig auf ihm. In meinen Gedanken herrschten Verwirrung, Unruhen und das blanke Grauen.   Seit wann weiß er es? Was wird er jetzt mit mir tun?   Warum hat er es mir gesagt? Wieso jetzt?   Ich fühlte mich schmutzig. Die erkaltende Masse an meiner Hand gar brennend, sodass ich sie schnell beseitigte. Meinen Körper bedeckte ich mit dem dünnen Laken, das ich fest um mich zog. Und doch verspürte ich keine Reue. Die geteilte Intimität beruhte auf Freiwilligkeit. Er hatte mich nicht dazu gezwungen. Bin ich zu leichtgläubig gewesen? Zu naiv? Zu unvorsichtig? Zu manipulierbar?   Unter meinem wachsamen Blick zog er sich gefasst seine Boxershorts an und setzte sich dann auf die Kante seines Bettes. Ruhig überschlug er seine Beine, drehte seine Maske in Richtung Bullauge über mir und blickte zum Nachthimmel. Seine verdeckten Augen nicht deutbar, wie seine monotone Stimme. Ihre eisige Härte überschattete die Kälte meiner gefrorenen Gefühlswelt.   „Frag mich“, klangen seine Worte wie verrostetes Metall; kalt, verwittert und rau. Ohne seinen Blick von Draußen abzuwenden, griff er nach seiner auf Kopfende liegenden Sichel, die er in seinem Schoß ablegte. Ich traute der Aufrichtigkeit hinter seinen Silben nicht. „Frag mich und ich werde dir ehrlich antworten.“   Merkbar biss ich mir auf meine Unterlippe. Versuchte meine sich überschlagenen Gedanken zu ordnen. Scheiterte. Doch blieb der erglühende Funke meines Kampfgeistes. Meine Stimme fand zur zerbrechlichen Festigkeit, als ich meine Frage stellte.   „Was hat mich verraten?“, ballte ich zeitgleich meine Finger, die sich in den Stoff des zuschnürenden Lakens krallten.   Ohne einen Hauch des Zögerns erklärte er in teilnahmslosem Ton; „Vieles. Der entscheidende Hinweis ist deine Antwort auf meine Nachfrage zu deiner Erinnerung gewesen. 'Jemand wartet auf dich.' Dabei hast du Richtung Meerestiefe gesehen, statt zum Horizont. Du dachtest an euer U-Boot. Nur ein Heart-Pirat blickt sehnsüchtig unter die Wellen.“   Ich verfluchte mich für meine Unvorsichtigkeit. Sah zur Seite, fixierte den Dielenboden neben mir. Nur kurz, dann schaute ich ihn wieder an, wollte seine nächste Reaktion in jeder Einzelheit erfassen. Verdammte den verräterischen Ton meiner brüchigen Stimme. Die Enttäuschung, die Zweifel, die Unsicherheit, welche sie ihm offenbarte.   „Hast du... mich benutzt? War das hier... alles... die Intimität... die Gefühle bloß eine Lüge?“   Stille. Anhaltend, erdrückend und Luft abschnürend. Sein Schweigen erstickte den lächerlich kleinen Vertrauensfunken, der in mir aufkeimen wollte. Überschüttete mein glühendes Herz mit Eiswasser. Erstach es mit Kälte.   Habe ich es doch gewusst... Ich hätte ihn niemals an mich heranlassen sollen...   Nicht so nah... niemals so innig... Ich wusste es... und habe es dennoch zugelassen...   Ich bin ein Narr... Eine Schande für meine Crew... Ich habe versagt... Als Heart-Pirat... und als Mensch-   Langsam drehte er seine Maske zu mir. Richtete sie direkt auf mich, sah mich an, blickte in meine Seele. Ein Wort. Buchstaben, die dem erloschenen Herzfunken neues Leben gaben.   „Nein.“ Sein kristallener Flüsterton entfachte das Feuer, dessen Wärme mich erfüllte. An dem wir uns beide zu verbrennen drohten.   Er gab zu, dass er es gefühlt hatte. Gestand sich die Niederlage seiner Vernunft ein. Gewährte mir einen Blick in sein Innerstes. Ein winziger Spalt im Eis, durch den er mich blicken ließ. Ich konnte nicht anders. Fühlte Freude. War aufrichtig glücklich.   Wenigstens für diesen einen Augenblick wollte ich es sein. Ihn wahren. Glauben, dass ich einen Wert für ihn besaß. Dass zwischen uns mehr existierte, als Lüge und Leere. Wollte kurz vergessen, welchen Titel wir trugen. Nur Mensch sein. Wollte hoffen, auch unter Reue.   Emotionen lügen nicht... Ein Herz kennt die Wahrheit...   Zu Nachtbeginn fragte er mich, ob ich es konnte. Ihm trauen. Letztendlich hatte ich meine Antwort wirklich gefunden.   Was meine Lippen schließlich hauchten, waren gefühlsbetonte Silben der vollsten Ehrlichkeit.   „Ich vertraue dir, Killer.“   Ein Widerhall des Herzens. Ein Echo des Lebens...   ...Das erstarb.     Binnen eines Herzschlags änderte sich alles. Allesamt stürzten wir ins dunkle Chaos.   Die Erschütterung des Schiffs, spürbar in unser aller Körper.   Meine Hoffnung zerbarst wie hauchdünnes Porzellan, erzeugte einen splitternden Regen aus fallenden Bruchstücken, die meine Gefühle für ihn im Sturm verstreuten.   Der Ruf des Zombies durchbrannte den winzigen Seidenfaden, der Killer und mich auf innerster Ebene verband.   „Wir werden angegriffen!“ „Es sind die Heart-Piraten!“   Lautstark wurde die Kajütentür eingetreten. Vom Kapitän höchstpersönlich, dessen Brüllen ich nicht mehr wahrnahm.   „Ich kümmer mich um unsere 'Gäste'. Erledige deine Aufgabe, Kira!“   Ohne eine Sekunde des Zögerns schlug Killer mich bewusstlos. Schmerzlich spürte ich den Schlag der stumpfen Sichel-Seite in meinem Nacken.   Das Schmerzvollste waren jedoch seine vernichtenden Worte, welche mein vertrauendes Herz in Asche legten.   „Zu Befehl, Captain.“ Kapitel 6: Kira vs Killer ------------------------- Eine Maske trägt Leben in sich, birgt Erinnerung und Mysterium.   Für die einen ist sie eine Zuflucht, für die anderen ein zweites Gesicht.   Meinige ist viel mehr als dies; Sie ist ich – Ich bin sie.   Die Dunkelheit hinter ihr, ist mein Zuhause.   Das Licht ungesehen, welches durch ihre Löcher dringt.   Ich sehe, doch erkenne nicht. Höre, doch gehorche nicht. Empfinde, doch fühle nicht.   ...Lebe. Oder nicht?   Ein Leben gezeichnet von Vergangenem, bestimmt durch Entscheidungen. Ob richtig oder falsch nichtig.   Für Reue ist kein Platz, bleibt nicht die Zeit.   Wer zögert ist sich selbst untreu. Wem treu sein, wenn nicht sich selbst?   'Du bist mein Vize', hat Kid einst entschieden.   Ohne mich zu fragen, ohne daran zu zweifeln.   Bis heute hat er niemals mein Ja erhalten. Weil es sein unanfechtbarer Wille so bestimmte.   'Werde mein Freund', ist seine eigentliche Botschaft gewesen.   Um dessen Bedeutung nicht wissend, wir als Kinder nie erfahren durften.   Aus isolierten Menschen werden Einzelkämpfer geboren.   Die Monotonie der Freiheit bis zum heutigen Tage mein Begleiter.   Es sind Stimmen, die Symphonie erzeugen. Worte, welche Lebenslyrik schreiben.   Sing für mich, Heart-Pirat... Lass mich dich hören...   Doch sobald du verstummst... zerre ich dich in meine Stille.   ...Die zu der Unseren wird.   Zusammen verschlingt uns das Dunkel, gibt dich nimmer mehr frei von mir.   Dein Herzlicht wird verblassen. Hoffnung nicht stark genug sein, um dich und mich zu retten.   Entscheide dich, Penguin... Wen von uns beiden wirst du opfern?   Kämpfe einen Kampf, der längst verloren ist.   ...Kämpfe für mich... ...um ihn...       ~ キラ ~       Ein verkommener Schrottplatz im South Blue. Zwischen Bootswracks, Schutt und Altmetall ragte ein entzweites Schiff aufrecht gen Himmel. Das Heck vollends zertrümmert, in Einzelteilen verstreut. Das Vorderteil des hölzernen Riesen überdauerte die Zeit beinahe unbeschadet. Mit seiner Größe überragte es alles andere, stand prachtvoll in der Geländemitte und zeigte Richtung Meer. 'Das verfluchte Piratengrab', so wurde es einst genannt. Alsbaldig trug es den Titel; 'Der Seesarg der Dämonen'   Hier lebten Kid und ich. Im Alter von zwölf und sechzehn Jahren.   Die Innenstruktur des Schiffs war mit schwerem Metall verstärkt, um unserem Heim mehr Stabilität zu geben. In der früheren Kapitänskajüte bezogen wir unser Quartier. Die Tür konnte nur kopfüber geöffnet werden, mittels einem Seil-Mechanismus. Über den abgebrochenen Mast – der schräg zum Geländeboden verlief – gelangten wir zu unserer Kajüte. Unseren Piratenschatz bewahrten wir an einem sicheren Ort auf, von dem nur wir beide wussten.   Nur wir beide? Nun, dies stimmte nicht gänzlich. Wir beide... und zahlreiche Augen mehr.   Kid stieß einen lauten Pfiff aus. Erhobenen Hauptes stand der teuflisch grinsende Junge auf dem waagerechten Rumpf. Helle Sommersprossen zeichneten seinen freien Oberkörper, um seinen Hals trug er eine Kette mit einem Zahnrad-Smiley. Trotz seiner schmächtigen Statur, waren leichte Muskeln zu erkennen. Seine Arme vor seiner Brust verschränkend, wartete er auf seine Gefolgschaft. Sein Pfiff hallte kurzzeitig über dem Gelände nach, in welches sofort Leben einkehrte.   Zig kleine Köpfe schauten aus ihren Verstecken. Erst nur die roten Augen. Dann sprangen sie von überall hervor. Unzählige Ratten. Springend eilten sie zu ihrem Rufer. Huschten im Zickzack über den senkrechten Holzmast. Durch ihre zahllosen Pfoten verursachten sie dabei ein trommelndes Klopfgeräusch, ehe sie sich über die Bogenförmige Reling bewegten. Wo sie Stellung bezogen. Auf ihren Hinterpfoten standen sie stramm in einer Reihe, verteilt über das gesamte Holzgeländer. Ihre Köpfe aufmerksam Richtung Kid gehoben. In unerschütterlichem Stillstand auf seinen Befehl wartend. Kid war zum Befehlsgeber geboren.   Einzig die Alpha-Ratte besaß ihren Platz auf Kids Schulter. Ihr Fell pechschwarz. Ihr rechtes Auge verlor sie vor langer Zeit; Der Preis ihres Rangtitels. Selbst sie hatte sich ihm untergeordnet, diente anfangs als Vermittler zwischen Mensch und Tier. Ihre Dienste waren längst nicht mehr von Nöten. Ratten waren sehr intelligente und reinliche Tiere. Gegen alle Vorurteile übertrugen die von Kid keine Krankheiten, lebten unter hygienischen Bedingungen und fraßen keine Abfälle.   „Sperrt eure Lauscher auf, Landratten!“, brüllte der Jugendliche im Stimmbruch den Tieren zu. Sein Stimmklang hoch, doch für sein Alter bereits überaus tiefer. Kraftvoller als die meisten Erwachsenenstimmen. „Heute sprengen wir eine Party!“   Sein diabolisches Grinsen, mitsamt seinem teuflischen Blick reflektierten seinen übermächtigen Willen. Mit einer lässigen Fingerbewegung zog er sich seine zu große Fliegerbrille über seine goldenen Augen. Das Nieten-verzierte Band bändigte seine wilden Haare. Ohne standen die roten Strähnen in alle Himmelsrichtungen ab. Ähnelnd den blonden Meinen, die mir bis über die Schultern reichten und mein gesamtes Gesicht verdeckten.   Ich saß am Fuße des Schiffswracks, auf einem Fass. Blickte zu Kid auf – nicht nur mit meinen Augen. Stumm beobachtete ich ihn, legte meine Hand rechts auf den Kopf des großen Hundes neben mir und graulte ihn hinter seinem Ohr. Er war ein Wolfsmischling mit flacher Schnauze und dunkelgrauem Fell. 'Kampfhund' wurde er von der Bevölkerung verrufen. Noch nie hatte er jemandem körperlichen Schaden zugefügt.   „Abmarsch, Kira!“, rief der Zwölfjährige mir zu und rutschte die hölzerne Schiffsverkleidung gekonnt herunter. Hinter ihm der Schwarm Ratten, die ihm gehorsam folgten. Wortlos nickte ich, erhob mich und jagte ihm in Begleitung des Wolfshundes nach.     Der Schrottplatz grenzte an ein offenes Wüstengebiet, welches ihn von der Stadt trennte. Hier im South Blue trug der Sand meist eine rötlich gestreifte Farbe. Mehrere kleine und eine große Düne dienten als Grenze, die wir überschritten. So oft es uns beliebte. Wir waren Außenseiter, die sich selbst zu Insidern machten.   Heute wurde das alljährliche Sonnenfest abgehalten. Es war ein heiliger Tag. Die Bewohner der Stadt versammelten sich auf dem Marktplatz, knieten dort und beteten zu einer Gottheit – der Sonne selbst – von der sie besessen waren. Nachts, wenn der Mond schien, durfte keiner das Haus verlassen. Sonst wurde er zum Sünder erklärt. Dunkelheit bezeichnete man hier als das Böse. Der Hölle ähnelnd, der Mond Luzifer repräsentierend.   Für uns Straßenkinder existierte kein Gott. Niemand zeigte uns Gnade. Wir blieben Frevler. Und wir wurden unserem Ruf gerecht, der uns gleichgültiger nicht sein konnte. Momentan spazierten Kid und ich durch die leeren Straßen. Unsere tierischen Begleiter dicht bei uns. Die Rattenschar hinter Häusern und anderen Verstecken verborgen. Nur die Alpha-Ratte saß auf Kids Schulter, der Wolfshund lief neben mir.   Der treue Vierbeiner half uns bei der Suche nach Schätzen, witterte Gold und Edelmetalle. Alarmierte uns über unerwünschten Besuch und teilte uns mittels Zeichen mit, ob ein Haus verlassen war oder nicht. Ein Schnaufen: Anwohner anwesend – je nach Anzahl des Schnaufens. Ein Knurren: Gefahr – je tiefer das Knurren, desto gefährlicher.   An drei Häusern gingen wir erfolglos vorbei. Oftmals blieben die Kinder Zuhause. Sogenannte 'Unwürdige', die dem Licht der Sonne noch nicht würdig waren. Manche wuchsen auf, ohne je das Sonnenlicht gesehen zu haben. Dunkel munkelte man, dass einige Kinder in dieser Nacht verschwanden. 'Durch Gottes Wille', weswegen auch niemand nach ihnen suchte. Trauer war eine Todsünde.   'Hirnverbrannt', so nannte Kid die Menschen hier. 'Matschbirnen, die ihr Hirn zu lang in der Sonne gebrutzelt haben.'   Bei Haus Vier blieb der Mischling abrupt stehen und nahm eine wachsame Haltung ein. Mit erhobener Vorderpfote zeigte er mit seiner Nase auf die Haustür und bellte einmal kurz auf. Das Haus war also leer, enthielt einen oder mehrere Kostbarkeiten, die alsbald uns gehören sollten. Kids Grinsen verdunkelte sich vorfreudig. Mit einem zweifachen Zungenschnalzen rief er die Ratten zu sich, die durch den Fensterspalt ins Gebäudeinnere drangen. Er hatte sie zu perfekten Dieben dressiert. Ihre Beute waren funkelnde Gegenstände, sowie Geldbündel und Nahrung.   Wir brauchten lediglich zu warten. An die Häuserwand gelehnt, taten wir genau dies. Einige Augenblicke später kamen die kleinen Räuber wieder, mitsamt ihrer Erbeutung. Einige Ratten trugen Ketten um ihre Körper, andere Armreife um ihre Hälse. Wieder andere Ringe in ihrem Maul oder Säckchen mit verpackten Nahrungsmitteln. Alle reichten sie ihr Diebesgut Kid, legten es ihm zu Füßen. Grinsend nahm er sich eine Packung ungesalzene Erdnüsse, riss sie auf und biss locker auf eine Nuss, ohne sie zu zerbeißen. Er drehte seinen Kopf zur Alpha-Ratte, die er fütterte. Die Beute gerecht teilte.   Die nächste Nuss warf er lässig in die Luft, fing sie mit seinem Mund auf und aß sie. Den Rest verstreute er auf dem Boden und übergab sie somit den Ratten, die sie fraßen. Ich verpackte die Beute in einen großen Sack und band ihn dem Wolf um, der ihn zu unserem Unterschlupf bringen sollte. Kurz streichelte ich ihm über den Kopf, schmunzelte ihn an und schickte ihn mit einer Handbewegung Richtung Wüste. Stolz sah ich ihm nach, hörte ihn aus der Entfernung aufheulen und schmunzelte.   „Du bist zu weich, Kira“, grinste der Jugendliche mich an und verschränkte seine Arme locker hinter seinem Kopf. „Der Streuner bedeutet dir 'ne Menge, stimmt's?“   Ein Schulterzucken meinerseits, das sein Grinsen breiter werden ließ.   „Ich hab 'n lauwarmes Blondes als zukünftigen Vize“, lachte er und legte mir seine Hand auf meine Schulter. „Du bist schwer in Ordnung – Einer muss ja das Chaos ausgleichen.“   Kid war schlau, verdammt schlau. Was ihm niemand zutraute. Mit Acht baute er einen Roboter, der ein beachtliches Waffenarsenal beherbergte. Mit Zehn hatte er die Mechanismen unserer Fallen-Systeme entwickelt. Mit Zwölf Waffen, um die sich die Regierung reißen würde. Metall und Zerstörung waren seine Elemente.   „Piratenkönig an Vize! Träumst du schon wieder vom One Piece?“, winkte er vor meinem Gesicht und holte mich aus meinen Gedanken. Lachend drehte er mir seinen Rücken zu, in Richtung Marktplatz schlendernd. „Lass uns die Matschbirnen aufmischen und ihnen zeigen, was wir drauf haben!“     Wir reservierten uns die besten Plätze. Auf einem der Häuserdächer saßen wir, sahen auf die knienden Volksleute hinab. Grinsend. Kid stieß mich mit seinem Ellenbogen in meine Rippen, ließ mich so zu ihm sehen.   „Soll'n wir sie tanzen lassen?“, fragte er mich, woraufhin ich zustimmend nickte.   Dunkel grinsend hob er seine Hand zu einem stummen Befehl und eröffnete somit den Tanz des Teufels. In Scharen sprangen die Ratten auf den totenstillen Marktplatz. Brachten mit einem Mal neues Leben in die reglose Gemeinde. So schnell hatten wir die alten Rostgestelle noch nie rennen sehen. Eine wahre Wunderheilung gegen Arthrose.   Panisch flohen die Bewohner im Galopp – um den fiepsenden Ratten auszuweichen. Retteten sich auf höhere Plätze, vorwiegend dem riesigen Brunnen, um deren Stehplätze sie sich rissen. Einige flüchteten ins Brunnwasser, zogen andere mit sich und stritten lautstark. Das Paradebeispiel einer 'Gemeinschaft'. In Panik schrien sie angsterfüllt unsere Namen.   „Die Dämonenkinder!“ „Der Rattenfänger und der Zerberus!“ „Die Ausgeburten der Hölle!“   Sie gaben uns viele Namen. Wir trugen viele Gesichter. Unsere wahren kannten sie nicht. Bis jetzt. Mit einem scharfen Pfiff machte Kid die Gemeinde auf uns aufmerksam, zog alle Augen auf uns und richtete seine befehlshaberische Stimme an sie.   „Merkt euch meinen Namen!“, rief er ihnen zu und zeigte mit seinem Daumen auf seine geschwollene Brust. Seine goldenen Augen leuchteten in Egomanie. „Ich bin Eustass Captain Kid. Der zukünftige Piratenkönig!“   Stolz grinsend legte er seinen Arm um meine Schulter.   „Und das hier ist der Vize des Königs“, stellte er mich vor, da ich nicht sprach. Niemals. Mit dunkler Stimme beendete Kid seine Ansprache. „Wir werden uns das One Piece holen und zusammen über die Grandline herrschen. Kniet nieder und fürchtet uns!“   Schweigen. Starrende Blicke. Folgend von höhnischem Gelächter.   „Natürlich werdet ihr das, Teufelskinder, haha!“ Eine dröhnende Lachsalve drang über den Marktplatz. „Zuvor wird euch des Henkers Gericht holen!“   Niemand nahm Kid ernst. Alle lachten uns aus. Doch blieb Kids Grinsen unerschütterlich.   „Ihr werdet schon sehen“, schwor er ihnen und wandte sich zum Gehen. Rief ihnen abermals lautstark zu, als er und ich vom Dach sprang. Mit uns die Rattenschar gehend. „Merkt euch meinen Namen!“     Unser Rückweg verlief wie so oft; Kid prahlte von sich selbst, erzählte mir von seinen neuesten Erfindungen und unseren zukünftigen Abenteuern auf See. Ich lief stumm neben ihm her und hörte ihm zu. Dies tat ich mit einem leichten Schmunzeln auf meinen Lippen. Wusste, dass er seine Ziele wahrmachen würde. Dieser Junge würde Piratenkönig werden. Und ich würde alles in meiner Macht stehende tun, um ihm dazu zu verhelfen.   Als wir den Schrottplatz erreichten, war der Abend längst angebrochen. Wir hatten einiges an Zeit verstreichen lassen, weil wir einen weiten Umweg zum Meer nahmen. Stunden verbrachten wir dort. Mit verheerenden Folgen. Eine unbedachte Entscheidung, die uns alles kosten sollte.   Ich ahnte es. Ahnte, dass etwas nicht stimmte. Hinter meinem blonden Pony weiteten sich meine Augen. Der Beutesack lag vor unserem Versteck. Doch der Hund war nicht hier. Nicht mehr.   Mein Blick suchte ihn. Erblickte seine verwischten Pfotenabdrücke, die vor dem Schiff im Sand endeten. Neben ihnen weitere Spuren. Fußspuren. Meine Augen verengten sich, verfolgten die blassen Fußtritte, welche zur Stadt führten. Dies war eine Falle. Dennoch rannte ich los, ohne Zögern, so schnell mich meine Beine trugen. Rapide fegte ich über den Sand. An Kid vorbei, der mir nachsah, mir nachrief. Jegliches Wort blieb ungehört.   Der Weg über die Dünen eine Ewigkeit. Am höchsten Punkt verlangsamte ich meine Bewegung, bis zum Stillstand. Sah auf die entfernte Stadt hinab. Ein Dämmerlicht am lichtlosen Horizont. Still schloss ich meine Augen, atmete tief durch und hörte es; Sein tiefes Heulen, welches im Nachhall über die Wüste schallte. Ein Ruf nach mir, welchen ich gewiss deuten konnte. ...Seinen Abschied.   Meine Beine bewegten sich in Überreaktion, angezogen durch seinen letzten Wehruf. Mein Handeln zu schnell für meine Glieder, die der Reaktion nicht mithielten. Hetzend stolperte ich durch den Sand. Fiel, stand auf, hetzte weiter. Meine Kleidung, Haut und Haar mit Sandkörnern beschmutzt. Allesamt gleichgültig. Weiter. Ich musste weiter. Musste ihn sehen. Es spüren. Den Schmerz, der von mir Besitz ergriff.   Die Welt um mich schien existenzlos. Einzig meine Innere nahm ich noch wahr. Alles wirkte surreal. War verdammt unwirklich. Fühlte sich nicht echt an. Ich merkte nicht, wie ich die Stadt erreichte. Wie ich atemlos durch die Straßen jagte. Wie meine Lunge brannte, ausgetrocknet, zugeschnürt.   Mein leidendes Herz führte mich zu ihm. Viel zu spät erreichte ich die verdunkelte Seitengasse, in der er lag. Ihre eisige Kälte umhüllte uns. Nur noch ein Schatten überdauerte einstiges Leben.   Er war verstorben. Allein. In Dunkelheit und Einsamkeit. Rattengift nahm ihn mir.   Meine Augen fanden die seinen. Eine einzelne Trauerperle schlich über meine rechte Wange. Langsam kniete ich mich zu dem leblosen Körper, blickte weiterhin in dessen seelenlosen Augen, deren Lider ich andächtig schloss. Sanft strich meine Hand über seinen Kopf, erfühlte das stumpfe, dunkle Fell. Er war eiskalt.   Etwas starb in mir. In dieser Nacht, exakt in diesem Augenblick. Gefror mein Herz, härtete es zu Stein, färbte es in Schwärze.   Still hob ich den erschlafften Hund hoch, trug ihn auf meinen Armen und schritt voran. Aus der verdunkelten Gasse, ins trübe Laternenlicht. Vorbei an den starrenden Menschen, deren gehässige Mienen mich nicht erreichen konnten. Mein blonder Pony verdeckte mein Gesicht, gleichend einem Trauerschleier. Meine Beine bewegten sich immer weiter voran, mechanisch und klanglos. Mein Kopf blieb gehoben, meinem treuen Begleiter die letzte Ehre erweisend.   „Das Ungeheuer ist bezwungen!“, jubelte jemand zu meiner Linken. Aus dem Fenster zu meiner Rechten erschallte ein schadenfrohes Hexenlachen. Zur Schau stellend zeigte sie mit ihrem Finger auf mich. „Bring den Köter zurück in die Hölle, wo er hingehört! ...Obwohl, da ist er ja jetzt endlich!“   Mehrere Altweiber stiegen in ihr Gelächter ein. Ihre Männer erhoben triumphierend ihre Krüge, stießen auf ihren 'Sieg' an. Einige Kinder warfen Steine nach mir, die an meinem leeren Körper abprallten. Ich spürte nichts mehr. Als wäre Schmerz von löcherndem Herzen verschlungen worden.   Eines fühlte ich jedoch deutlich; Seinen Blick. Die Augen des Mörders. Des 'Helden' der Nachtsonnenwende. Unsere Blicke kreuzten sich. Wie zwei Klingen, die einander schnitten.   Vollends zufrieden mit sich und seiner Heldentat ließ er sich feiern. Allesamt wussten sie es. Boshaft grinsend zog er die Kapuze seiner braunen Kutte über seine schattenhaften Augen, hielt seine Hand gehoben und fuhr mit seinem Daumen langsam über seinen Hals, in einer eindeutigen Geste. Seine Botschaft an mich: 'Du bist der Nächste.'   Ohne anzuhalten schritt ich unberührt weiter. Trug meinen Hund den weiten Weg zum Schrottplatz, wo er seine letzte Ruhe finden sollte. Jeder Schritt nährte die Leere. Erst am frühen Morgenbeginn erreichte ich das Gelände.   Stille. Die Sonne trüb, die Landschaft trist. Als ich an unserem Zuhause ankam, verdunkelte sich unsere Welt bis zur bittersten Finsternis. Der Wandel der Stille, zerschmettert, zur Agonie erlebend.   Kid, wie er mich gar irre ansah. Kid, wie er in Wut verzerrt brüllte. Kid, wie er die kleinen Leichen einzeln wegtrug, die über das gesamte Gelände verteilt im Staub lagen.   Wo einst unser Zuhause war, war nun ein Massengrab. Heute verloren wir alle unsere Kameraden.   Stumm folgte ich Kids Tun. Trug meinen Gefährten in unseren Unterschlupf. Bettete ihn auf der großen Piratenflagge, umringt von seinen kleinen Genossen. Kid griff nach einer Fackel, ich nach dem letzten Andenken meines Hundes. Zusammen standen wir vor dem 'Seesarg', welcher seinen Namen letztlich erhielt. Schweigend blickten wir auf das Schiff. Warfen einander einen alles sagenden Blick zu. Teilten verbotene Trauer. Dann entzündete er das Holz.   Flammenrot. Wärme, die kalte Körper wärmte. Die nimmersatten Flammen stiegen immer weiter gen Himmel, fraßen sich durch das Schiff, äscherten unsere Begleiter ein. Seelenvoller Rauch erfüllte den South Blue. Lange standen wir hier, bis das Feuer erstickte und nichts als aschene Erinnerungen zurückließ.     Nichts hielt uns mehr hier. Dennoch konnten wir noch nicht gehen.   Vergeltung. Sie band uns an diesen Ort.   Ich war der Ältere. Diese Pflicht war die Meinige.   Heute Nacht stieg der Blutmond auf.   Entschieden nahm ich mir den rostigen Dolch. Blickte reuelos auf das letzte Andenken meines Hundes.   Und setzte mir die blau-weiße Kopfbedeckung auf, die einst als sein Maulkorb gedacht ward. Von Kid zu einer Maske modifiziert.   „Kira-?“   „Kira ist tot“, sprach ich die ersten Worte seit Jahren, ließ mein aschenes Ich hinter mir. Meine entfremdete Stimme die Monotonie der Kälte, die in mein Herz in Ungestalt einkehrte.   „Nenn mich Killer.“     . . .     „Erledige deine Aufgabe, Kira!“   Wie oft habe ich ihm gesagt, dass er mich nicht so nennen soll? Hinter meiner Maske schmunzelte ich in bitterer Apathie. Dachte teilnahmslos zurück an all die Jahre, in denen Kid niemals aufhörte, meinen Namen zu sprechen. Mir war bewusst, dass er dies geflissentlich tat. Einzig durch ihn geriet Kira nicht in Vergessenheit.   Mit erhobener Sichel stand ich vor dem bewusstlosen Heart-Piraten, schaute jedoch zu Kid, der mich vom Türrahmen aus angrinste. Ein gar menschliches Grinsen, welches meinen wahren Namen stets begleitete. Nur eine Sekunde andauernd, ehe sich seine Mimik verfinsterte, in einen Ausdruck von diabolischer Arroganz. Seine Augen leuchteten in goldenem Stolz. Gänzlich uneingeschüchtert, gar erwartungsfreudig von dem Eintreffen der Heart-Piraten.   „Ich hab jetzt 'n Date“, grinste er dreckig, dunkle Vorfreude seine Worte stärkend. Die trampelnden Schritte der Mannschaft eine Etage über uns untermalten seinen tiefen Stimmton, ließen ihn gefährlicher klingen. „Ich werd dem Arschloch sein Katana aus seiner Öffnung ziehen und fester stopfen.“   Zur Verdeutlichung seiner Androhung hob er seine Hand, krümmte seine lackierten Finger und ließ seine Kräfte wirken, sodass purpurne Blitze über seiner Handfläche flackerten. Der unruhige Leuchtstrom hüllte sein Gesicht in teuflische Diabolik. Mit seiner anderen Hand, die den Türrahmen umgriff, stieß er sich kraftvoll ab. Lachte rau auf und begab sich in Begleitung unheilvoller Schritte Richtung Deck. Seinen Hauptgast in Empfang nehmend. Das Donnern seiner schweren Stiefel und sein wehender Mantel die letzten Vorboten des unvermeidlichen Chaos.   Ob Trafalgar Law weiß... Dass Kid nur auf den Moment gewartet hat, an dem er einen Fuß auf unser Schiff setzt?   Unser Vorhaben verläuft gänzlich nach Plan...   Nichts steht unserem Erfolg mehr im Weg- Fiel mein Blick auf den Heart-Pirat zu meinen Füßen. Teilnahmslos wandte ich mich von ihm ab. Nichts und niemand...   Mein gezielter Nackenschlag sollte ihn vorerst in Bewusstlosigkeit wiegen. Weil ich noch immer nur in Boxershorts bekleidet war, zog ich mir zunächst meine Kleidung an. Hose, Schuhe und gepunktete Bluse, deren Knopf ich offen ließ. Dann schweiften meine Augen zu der Seinigen, mitsamt Kappe die verstreut auf dem Boden lag. Der Heart-Pirat war nackt, nur das Laken bedeckte seinen liegenden Körper bedürftig. Ohne Zögern zog ich die Decke weg und kleidete ihn mit der grünen Shorts an. Ein minder beschwerlicher Akt, weil seine Muskelspannung vollends erschlafft war.   Mit wenig Kraftaufwand warf ich ihn über meine Schulter. Daraufhin trat ich mit ihm den Pfad zur Folterkammer an. Meine Schritte gefasst, mein Entschluss endgültig. Die unterste Ebene der Adventure Galley war ihr dunkelster Abschnitt. Dekoriert mit Wandlaternen, die nie entfacht wurden. Ihr Inneres, statt Licht nur Staub und Weben tragend. Das Dunkel mein Begleiter, mein Helfer, der mir den unvergessenen Weg wies.   Wie oft bin ich diesen Weg gegangen? Zu zweit... und stets allein zurückgekehrt...   Mit einem leisen Quietschen öffnete ich die eiserne Gittertür, schloss sie hinter mir und ging zielgerichtet auf den Stuhl in der Mitte des düsteren Raumes zu. Setzte den Heart-Piraten auf ihm ab, richtete seinen schlaffen Körper auf und band seine Fußgelenke und Handgelenke fest. Die soliden Seile an Stuhlbeinen und Rückenbalken fixierend.   Mithilfe eines Streichholz entzündete ich die heruntergebrannte Standkerze hinter ihm. Das spärliche Licht enthüllte den kargen Raum, an dessen Wänden rostige Eisenfesseln hingen. Die Räumlichkeit war von einem rot-fleckiger Vorgang getrennt. Eine Leichenklappe war in den Boden eingesetzt. Der beißend-süßliche Geruch der Endgültigkeit trocknete die schwere Luft aus, verlieh der Kammer eine unheildrohende und angsteinflößende Atmosphäre.   Schweigend ließ ich mich auf dem Stuhl gegenüber seinem nieder. Belauerte ihn unaufhörlich. Nun musste ich nur noch auf sein Erwachen warten.   Sehe deinem Schicksal in die Augen, Heart-Pirat...   Dein Glaube an mich wird zerbrechen... Gebe mich auf... Gebe Kira auf...   Exakt 15 Minuten und 4 Sekunden. Dann öffnete er seine Augenlider. Schwerfällig hob er seinen gesenkten Kopf, schaute flüchtig nach Links und Rechts, bis sich sein Blick auf mich fixierte. Ein Blick, den ich nicht zu deuten wusste. Welche Emotion offenbaren mir deine Augen?   Enttäuschung? Traurigkeit? Verletztheit? Nichts von alldem...   Er grinste. Grinste mich unerschrocken an.   „Hier endet es also“, sprach er mit matter Stimme, die an Festigkeit gewann. „Ich habe es gewusst... Deine Loyalität als Vize ist wirklich vorbildlich.“   Kurz lachte er auf. Sein Lachen eine Lüge.   „Du hast dir echt Zeit gelassen. Was hat dich aufgehalten?“ Eine Frage, deren Antwort wir beide wussten. Die unausgesprochen blieb.   Er verstummte. Sehr lange. Die Wahrheit holte ihn plötzlich ein, ließ seinen Blick trüb werden. Langsam senkte er seinen Kopf. Sein kurzer Seitenpony fiel ihm bei der Bewegung über sein rechtes Auge. Seine Zähne bohrten sich in seine Unterlippe, als er seine Augen schloss. Versuchend, sie vor der Realität zu verschließen.   Du hast an mich geglaubt... An den, der ich einst gewesen bin...   Traue deinen Augen; Ich bin Realität...   Stille tränkte den Raum, erbaute eine unsichtbare Mauer zwischen uns. Dies war der Augenblick, in dem wir uns entfremdeten. In welchem wir einander Fremde wurden. Eine fühlbare Sekunde, deren Auswirkung nicht rückgängig gemacht werden konnte.   Dies ist unsere Bestimmung...   Ein Heart-Pirat und ein Kid-Pirat, deren Weltbilder ein tiefe Kluft spalten...   Dort saß er nun, hilflos und mir vollends ausgeliefert. Nur konnte ich die Situation nicht gänzlich genießen. Konnte meine Hand und Stimme nicht erheben. Etwas unnennbares hinderte mich daran. Etwas namenloses, vergessenes. Jemand, der ihn in Schutz nehmen wollte. Sein Hüter, der ihm gegenüber im Auge des Sturms einen stillen Schwur leistete. Eine Aufgabe der ich nicht gerecht werden konnte. Kids Befehl überschattete sie.   Der Heart-Pirat war er es, der nach einer Endlichkeit die Stille brach. Sein Stimmton ungewöhnlich blass, befremdlich. Als würde er neben sich stehen.   „Ich kann deine Gedanken nicht lesen“, flüsterte er leise, als wenn er mit sich selbst zu sprechen schien. Sein Kopf blieb gesenkt, seine Augen geschlossen, über die sein seitlicher Pony locker lag. „Sie sind das Einzige, das ich nicht fühlen kann.“   Wortlos beobachtete ich ihn, ließ ihn aussprechen.   „Dein Haki... Du besitzt die Fähigkeit des konzentrierten Hörens, stimmt's?“ Ein Schweigen war meine Antwort. Wie hat er dies herausgefunden? Ohne eine Reaktion von mir abzuwarten fuhr er fort. „Meins umfasst das Sehen. Ich spüre die Farben der Emotionen. Doch kann es nicht deuten...“   „'Es'?“   „Die Schwärze“, wirkten die geflüsterten Worte gar ängstlich. Langsam hob er seinen Kopf, um mich anzusehen. Sein Augenlicht flackerte unruhig in blassen Grüntönen. „Warum wird das Violett immer dunkler?“   Wovon spricht er?, fragte ich mich und versuchte seine Worte zu analysieren. Was will er damit ausdrücken?   Weiterhin sprach er in Rätseln, deren Ergründung mir verwehrt blieb.   „Träumst du von Monstern, wenn du schläfst?“, klang die Frage nicht nach einer solchen. Viel mehr wie ein ausgesprochener Gedanke, dessen Antwort er suchte. Sein trüber Blick schien durch mich hindurch zu sehen. „Sind es ihre Schatten, die dich heimsuchen? Oder dein eigener?“   „Ich wüsste nicht, dass-“ Er unterbrach mich. Dies tat er bisher noch nie.   „Eine Angsttraumstörung, die zur Insomnie wurde“, erklärte er mit fester Medizinstimme. Er war sich seiner Behauptung vollends sicher. „Du hast seit ich hier bin kein einziges Mal geschlafen. Dein Geist leidet unter Erschöpfung und Übermüdung. Du bist nicht mehr du selbst.“   Fest presste ich meine Lippen aufeinander, nur kurz. Meine Stimme blieb monoton, verbarg ihre Farbe der Missstimmung.   „Dies hat dich nicht zu interessieren“, wehrte ich den Vorwurf ab, indessen meine Augen flüchtig zur Seite sahen, ehe sie sich wieder auf ihn fixierten. „Sorge dich um dich selbst, statt um andere.“   Ein schwaches Grinsen bildete sich auf seinen blassen Lippen.   „Das brauche ich nicht“, nahm sein Flüsterton einen warmen Klang an. „Meine Nakama tun es für mich.“   Als wenn seine Worte von genannten Personen erhört wurden, durchfuhr ein leichtes Beben das Schiff. Untermauerte seine Silben und ließ sein Grinsen breiter werden. Sehr weit entfernt waren die Geräusche vom Deck bis zur untersten Ebene vernehmbar. Eine Stimme jedoch war so hell und schrill, dass wir sie deutlich hörten.   „Peeeeng!“   Die Gesichtszüge des Heart-Piraten blichen in Schock. Reflexartig schaute er in Richtung Decke, öffnete seine Lippen und wollte etwas antworten. Hätte ich ihm nicht den Mund zugehalten.   „Wage es nicht“, schwärzte Gefährlichkeit meine geschärfte Stimme. Ergeben nickte er, versuchte jedoch nach meinen Fingern zu beißen. Ein stummer Protest seinerseits, der keine Wirkung erzielte. Aus eigenem Willen nahm ich meine Hand von ihm. Meine versteckten Lippen schmunzelten düster. „Wie viel bedeutet er dir, 'Peng'?“   Ohne eine Sekunde des Zögerns erwiderte er mit charakterfestem Ton; „Alles.“ Dabei sah er mich unbeirrt an. Bis Unsicherheit sein Augenlicht brach. „Wieder. Schon wieder ist es schwärzer geworden... Du- Sag mir nicht, dass es dein Herz ist-“   „Ich besitze kein Herz“, erkalteten meine Worte. „Es ist lediglich ein lebensnotwendiges Organ.“   So, wie du 'es' am Leben hältst... Die aschenen Überreste meines Innersten...   Dass er mir keinen Glauben schenkte, zeigte mir sein spöttisches halb-Grinsen. Was Groll in mir wachsen ließ.   „Kennst du den Schmerz eines Verlustes?“, fragte ich ihn in bitterer Dunkelheit, die ich nicht versteckte. Verletzender Hohn zeichnete meine kalte Stimme. „Wie überaus einfach es als Arzt ist. Tod mit Leben zu ersetzen, Negativ mit Positiv auszugleichen. Dem Tod feige aus dem Weg zu gehen. Ich begegne ihm mit seinesgleichen.“   „In dem du tötest?“, sprachen Unglaube und Zweifel aus ihm. „Das nennst du Tapferkeit?“, wurde sein Stimmton lauter, gefestigt durch Entschlossenheit. „Es ist nichts anderes als die gleiche Feigheit. Du sprichst über den Tod, als wäre er eine zu begleichende Schuld. Als wäre das Leben nichts wert, als diene es nur zur Begleichung.“   Er redete sich in Rage, knurrte mich erbost an, indessen ich die gänzliche Gleichgültigkeit blieb.   „Ich habe viele Menschen sterben sehen, verdammt viele! Liter an Blut Unschuldiger und Schuldiger floss. Und warum? Wegen nichts!“, ballte er seine verbundenen Fäuste und blickte gen Boden.   „In der Stunde des Sterbens sind wir alle gleich. Hilflos. Wenn es nicht eine Person gibt, die dir zu helfen versucht, tut es niemand!“ Mehrmals holte er hektisch Luft, beruhigte sich minder, behielt jedoch seine Stimmstärke. „Egal welche Art von Mensch meine Hilfe braucht – Ich werde ihm helfen. Ihm Hoffnung geben, und sei es nur ein ausglühender Funke. Dafür stehe ich mit meinem Leben.“   Seine Stimme wurde ruhig, zu ruhig. „Weißt du, was die Buchstaben auf den Fingern meines Käpt'ns bedeuten? Er nimmt den Tod seiner Patienten im Austausch für ihr Leben – Das ist unser Gesetz des Gebens und Nehmens.“   Kurz schien er in schmerzlichen Erinnerungen, bis Zorn seine Stimme füllte. „Sage niemals, dass das Leben wertlos sei, wenn es Menschen gibt, die dir wichtig sind!“   „Bist du nun fertig?“, erwiderte ich desinteressiert und kalt.   Niemals würde ich ihm sagen, dass er die Kälte zum Tauen bringt ... Die Truhe aus Eis, die mein Herz umschließt, splittern lässt...   Dass es seine Wärme ist, die Kiras Asche auffängt... Dem winzigen Keim einer einstigen Hoffnung Licht spendet...   Gebe mich nicht auf, Penguin...   Gar bemitleidend sah er mich an. Traurig, zugleich enttäuscht und tief gekränkt. Sein Blick durchstach meine Brust. Sein Wispern, kaum hörbar, gab mir den Gnadenstoß.   „Jemand, der innerlich tot ist, wird niemals verstehen... niemals verstehen, was lieben bedeutet.“   Ich... kann nicht lieben? So denkt er also tatsächlich über mich?   Er... hat aufgegeben an mich zu glauben...   „Nein, warte, so hab ich das nicht gemeint!“, rief er gar panisch. Weil ihm seine innersten Augen es offenbarten; Die unumkehrbare Auswirkung seiner verletzenden Worte. Den endgültigen Vorboten der Dunkelheit. Spürst du sie? ...Die Leere?   Ich tue es... Erspüre sie in ihrer Gänze...   Fühlt sich so der Tod an?, griff ich mir abwesend an meine linke Brustseite, sodass meine Finger den leblosen Stoff meiner gepunkteten Bluse berührten. Mein Herzschlag war für mich nicht wahrnehmbar, als würde er nicht mehr existieren. Etwas geschah mit mir. Veränderte mich. Verschlang mich. Die Schattenseite meines Selbst. Tränkte mein Herz in des Todes Schwärze.   'Du bist ein Narr. Bist verletzbar geworden. Hast Gefühle zugelassen.' Ein Flüstern der Finsternis. Die Saat der Bösartigkeit überwucherte die Trümmer meines Ichs. 'Er ist schuld. Ist dein Feind. Fügt dir Schmerz zu.'   'Du bist tot, hat er gesagt...', verzerrten die Worte im Dunkel meiner unkontrollierbaren Gedanken. 'Er wünscht dir den Tod.' Dornenranken, welche mein Innerstes umschlangen, tiefe Einschnitte in massivem Eis hinterließen. Die Truhe zuschnürten, ihren Inhalt erdrosselten bis zur Emotionslosigkeit. Seinen Beschützer gab es nun nicht mehr. Ein letzter Hauch von fünf Buchstaben. Die mich dem Wahn verfallen ließen.   'S.t.i.r.b.'   Langsam, wie in Zeitlupe nahm ich meine Sicheln. Montierte sie an ihre Armhalterungen. Kniete mich dann vor seine sitzende Figur. Meine Augen die eines wahren Killers. Da er meinen eiskalten Blick mied, mich nicht ansehen konnte, hob ich sein Kinn mit der Spitze meiner rechten Sichel an. Sein Augenlicht reflektierte Angst. Er fürchtete sich vor mir. Was die Schwärze nährte.   Meine Stimme war nicht wiederzuerkennen, mir vollends fremd, gänzlich desillusioniert. Mit einem gar irren Schmunzeln flüsterte ich ihm schattenhaft zu. Meine Worte reißend scharf, wie eine Guillotine.   „Du hast mich umgebracht.“ Meine Sichel strich in liebevoller Tödlichkeit über seine Haut, zu seinem Hals, langsam seine Halsschlagader entlang. „Begleiche deine Schuld.“   Statt sich von der Klinge wegzubewegen, verharrte er vollends reglos, in Angststarre. Hals und Schneide sich berührend, das hektische Pulsieren der Ader sichtbar. Meine verfluchte Sense sang nach Blut. Rief mir die Stimmen der Toten ins Gedächtnis, ließ mich ihre verzehrten Schreie hören. In ihr lebten die Verstorbenen weiter, waren auf ewig in ihrem Fluch gefangen. 'Seikatsu to Shi', der Name meiner beiden Sicheln; 'Leben und Tod'   Meine linke Sense – Seikatsu – fixierte sich auf seine andere Halsseite, sodass beide Klingen wie eine geöffnete Schere um ihn lagen, sich um ihn schlangen. Ihre Spitzen berührten sich in seinem Nacken. Meine Arme locker vor mir überkreuzt, kniete ich in gänzlicher Apathie vor ihm. Mein Kinn auf meinen kreuzenden Armhalterungen gebettet, ihn durch die Löcher meiner Maske belauernd.   Er schluckte. Sein Adamsapfel zitterte über die Schneiden. Minder verengte er seine vor Unruhe beängstigten Augen, sein Flüstern nur ein schwaches Hauchen.   „Du bist völlig geisteskrank“, flüsterte er in des Dunkel Stille, mit einem gefälschten Grinsen versuchte er sich zu beruhigen. Vergebens. Seine Angst war witterbar. Seine Stimme klang dünn und blass, gegensätzlich zu seinen ausdrucksvollen Worten. „Aber jede Krankheit ist heilbar. Ich werde dein Seelenleid heilen.“   Keine seiner Silben drang zu meinem geschwärzten Geist. Stumm sah ich ihn weiterhin an, in vollkommener Bewegungslosigkeit. Die erstickende Stille ließ ihn sichtbar nervöser werden. Lange hielt er ihre Unerträglichkeit nicht aus. Sein Stimmton schwankte stark.   „W-Wer bist du?“, fragte er in die Lautlosigkeit, die ihm Antwort gab. Was ihn weiter zerstreute. „Antworte mir, verdammt!“   Meine verzerrten Lippen bewegten sich von selbst. Sprachen in Gift und Verseuchung den Namen aus. Als würde ich ihn selbst vergiften.   „Massaker Soldat Killer.“   Verwirrt sah er mich an. So hatte ich mich noch nie genannt. Es war eine Betitlung der Marine. Der Menschen, die mich mit Ablehnung und Missgunst straften. Kurz dachte er nach, ehe er seine Frage umformulierte.   „Was bist du wirklich?“, wollte er wissen. Seine sanfter werdende Stimme überbot seine vorherrschende Nervosität. Kein einziges Mal schweifte sein Blick zu meinen Sicheln, blieb auf mich fixiert. „Bist du ein Soldat oder ein Killer?“   Stille, die ihn zum Weitersprechen veranlasste.   „Beides unterscheidet sich voneinander“, erklärte er mit fester werdendem Stimmklang; „Ein Soldat besitzt Ehrgefühl, tötet, weil er es muss. Ein Killer tut es aus eigenem Vergnügen heraus, weil er es will-“   Die Schere aus Sicheln schloss sich. Nur einen Millimeter, sodass ein winziger Schnitt Links und Rechts seinen Hals zierte. Zwei Bluttropfen fielen auf meine Sensen, rannen ihre gewellte Klinge hinab. Beide sogen sie die rote Perle auf, die in das dunkle Wellenmuster einsickerte. Meine rechte Sichel dürstete nach mehr, trachtete nach seinem Leben. Meine linke gierte einzig nach ihm. Nach ihm als Mensch, lebend.   Schmerz durchfuhr meinen Kopf. Der Kampf beider Sensen rief ihn hervor. Nie zuvor haben beide Klingen das gleiche Opfer gespürt. Sie waren Eins und dennoch entzweite Gegensätze. Ich ihr Meister, der sie vervollständigte.   Meine Waffen spürten, dass ich nicht ich selbst war. Nutzten dies aus. 'Tod', meine rechte Sense, ging plötzlich von allein los. Rotierte ohne mein Zutun. Ihren Blutdurst stillen wollend. Ihr unheilvoller Gesang surrte durch die Luft, die sie durchschnitt. Knapp, verdammt knapp, zog ich sie von seiner Kehle weg, streckte meinen Arm reflexartig nach Rechts, sodass ihre Spitze geräuschvoll in die Dielen stieß. Ihre Rotation abrupt stoppte.   Penguins Augen waren weit aufgerissen. Er verstand nichts von dem, was geschehen war. Einzig, dass er beinahe geköpft worden wäre. Angsterfüllt blickte er auf die Klinge im Boden, dann wieder zu mir. Das hier war längst kein Spiel mehr, war es niemals gewesen.   Fürchte mich... Erkenne den Dämon, welchen du erweckt hast...   Langsam beugte ich mich zu seiner linken Halsbeuge, streckte meine Zunge durch ein Mundloch meiner Maske und leckte den austretenden Blutstropfen von seinem Hals. Trotz seines befangenen Verstandes, reagiert sein Körper auf meine intime Berührung. Sein Körper gehorchte mir, nur seinen Geist musste ich noch dazu bringen.   Einst trainierte ich eine Bestie zum Gehorsam... Gleiches würde ich mit ihm tun.   Mein Befehl musste ausgeführt werden. Niemand hinderte mich mehr daran. Meine zweite Sichel nahm ich nun ebenfalls von seinem Hals, steckte sie auf die linke Seite neben seinem Stuhl in den Holzboden und löste beide Waffen von ihren Halterungen. Ruhig stand ich auf, ging lautlosen Schrittes zu dem Vorhang, der den Folterraum teilte. Mit einem leisen Rascheln schob ich ihn zur Seite, ehe ich hinter ihm verschwand.   In Unsicherheit über mein weiteres Vorgehen ließ ich ihn zurück. Stand vor der Wand an einer Vielzahl unterschiedlichster Hilfsmittel, die ich mir besah. Von Knebeln, über Hieb-Instrumente, bis hin zu den ausgefallensten Folter-Gerätschaften war alles vorzufinden. Meine Wahl fiel auf einen bestimmten Gegenstand, den ich an mich nahm.   Welch schicksalhafte Ironie...   Als ich abermals hinter dem Vorhang hervortrat, ließ ich den Gegenstand locker mit meinem Zeigefinger kreisen, schlich lauernd auf den Heart-Piraten zu. Und kniete mich vor ihn, um ihm meinen Fund zu zeigen. Seine Augen weiteten sich in Erkenntnis, als er das Objekt erkannte.   „Ein Halsb-?!“ Klick. Legte ich es ihm im gleichen Atemzug um. Das breite Lederband, schwarz mit spitzen Kurz-Nieten, welches nun seinen Hals zierte. Den Schlüssel für das Schloss in seinem Nacken steckte ich in die Tasche meiner gefransten Hose.   Schmunzelnd richtete ich mich auf, stand erhaben vor ihm, betrachtete ihn. In meiner rechten Hand die Fernbedienung haltend, auf deren Knopf mein Daumen ruhte. Meine Handfläche begann vor Unrast leicht zu schwitzen. Finstere Erregung durchfuhr mich. Beinahe ersehnte ich eine Kooperationsverweigerung seinerseits.   Ohne Zögern forderte ich die Antwort, nach welcher ich verlangte.   „Sage mir alles, was du über das Porneglyph weißt“, blieb meine Stimme eisern, kalt und unmissverständlich. Erschreckende Klarheit flackerte in seinen Augen, die den verborgenen meinen standhielten. Unglaube ließ seine Worte lauter werden.   „Darum geht es? Deswegen das alles?! Wegen dem verdammten Porneglyph!?“, knurrte er aufgelöst und verstummte abrupt. Weil er sich verraten hatte. 'Dem' statt 'einem' Porneglyph. Er wusste genau, von welchem ich sprach; Dem, in Big Moms Besitz.   Bitterlich biss er sich auf seine Unterlippe, drehte seinen Kopf weg und wandte seinen Blick zu Boden, schweigend. Lässig setzte ich mich auf den Stuhl gegenüber von seinem, überschlug meine Beine und wartete. Zwei Sekunden. Dann betätigte ich den Knopf.   „Ich habe dich zum Sprechen aufgefordert“, zeichnete dunkle Dominanz meinen Befehl, indessen sein Körper zusammenfuhr und er sein Gesicht verzog. Vor Schreck, nicht vor Schmerz, noch nicht. Der erste Stromstoß – von niedrigster Stufe – war lediglich eine Warnung.   Es vergnügte mich, ihn zu kontrollieren, ließ mich mächtig fühlen. Hätte ich Emotionen besessen. Noch immer fühlte ich mich leblos und leer. Mein Empfinden nur ein Trugbild von Menschlichkeit, welche nicht mit dem Namen Killer in Verbindung stand.   Der menschliche Teil von mir existiert nicht mehr... Asche, die im Eiswind zerstreut ist...   Mein leerer Blick blieb auf ihm, seiner mied mich. Ergeben schloss er seine Augenlider.   „Ich...“, begann er zögernd zu flüstern, rang mit sich, konnte jedoch nicht lügen. „Ich werde dir nichts sagen“, besaß seine Stimme nur halb so viel Festigkeit, indessen er seinen Kopf haltlos nach vorne fallen ließ. „Wenn ich es täte, würde ich einen Freund verraten. Verrat ist unentschuldbar.“   „Falsche Antwort.“   Ein elektrisches Zischen erfüllte die Luft, die ihm wegblieb. Noch während der Stromschlag ihn durchfuhr, sah er mich mit einem zugekniffenen Auge an, seine Stimme erzitterte unter Elektrizität.   „W-Warum... h-hast du mich verraten?“, atmete er stockend, das Grün seiner Augen splitternd. Als die elektrische Ladung abklang, verbitterte sein Stimmton. Verletztheit hörbar, sichtbar, spürbar.   „Es tut verdammt weh...“ Der Stromschlag? Der Vertrauensbruch? „...Dich leiden zu sehen.“   „Sag... ist es einsam in der Dunkelheit?“, flüsterte er gefühlvoll, seine Augen schimmernd in aufrichtigem Mitgefühl. Erstmals erkannte ich in seinem Blick so etwas wie Bedauern. Sein Flüsterton nahm den Klang von Trauer an.   „Jedes Mal, wenn ich durch deine Maske blicke, sehe ich all den Schmerz und die Einsamkeit...“ Sein grünes Seelenlicht erlosch, zerfließend im Meer der Emotionalität. Tränen in meinem Name, trauernd um mich. „Warum kann ich nicht derjenige sein... Warum kann ich dir nicht helfen?“   Stille. Die Stille des Dunkel, welches mir bösartig mit fauligem Atem zu hauchte.                                           Er lügt... höre nicht auf seine Lügen.                                         Er versucht dich zu manipulieren.   Des Finsternis Geflüster wurde von Kids illusionistischen Worten überschattet. Zeitgleich ergriff mich ein dröhnender Kopfschmerz. Was mich dazu veranlasste, mir angestrengt meinen Kopf zu halten.                      'Du weißt, was du zu tun hast.'                                                             Tu es.                    Tu es nicht.                  Zwei Stimmen, die meine eigene waren.                   Gegensätzlicher nicht sein konnten.                                                Du bist ein Killer.                                         Jemand, der nur Befehle ausführen kann.                    Nein.                  Du besitzt einen Namen.                  Eine Seele.                                                Ha! Lächerlich!                                              Eine Seele hat Gefühle.                                              Gefühle sind Schwäche.   Meine leeren Augen blickten auf den Heart-Piraten nieder. Der Blick der Leere von Eisblau zu Nachtblau wild flackernd, wie im Kampf von Licht und Dunkelheit.                                                Willst du angreifbar sein?                                              So enden, wie er?        Er hat dir vertraut.                                                Vertrauen ist trügerisch.          Du hast ihn benutzt.                                                Er hat sich ausnutzen lassen.          Du hast einen Fehler begangen.                                                Fehler müssen beseitigt werden.          Sie können korrigiert werden.                                                                       ...Mit dem Tod.   Penguins Stimme durchbrach meinen reißerischen Gedankenkreis. Sein sanfter Stimmton die Sorge selbst.   „Sag mir... Wie ich dir helfen kann. Wovor fürchtest du dich? Warum zittert dein Daumen so sehr-?“   Ein heftiger Stromschlag unterbrach ihn.   Vehement drückte mein Daumen auf den Knopf, ehe ich mit geweiteten Augen auf die Fernbedienung sah.   Reflexartig ließ ich sie fallen, als wenn ich mich an ihr verbrannt hätte. Als wäre ich es, welcher den Stromschlag abfing. Geräuschvoll kam sie auf dem Boden zwischen uns auf.        Was hast du getan?                                                   Das, was man dir befohlen hat.        Er sorgt sich um dich.      Du bist ihm wichtig.                                                     Er bemitleidet dich nur.                                                   Du brauchst sein Mitleid nicht.                                      Schweigt!                     'Uns wirst du nicht los. Wir sind du.'                           'Du bist einer von uns.'                             'Doch wer bist du...?'                              'Kira oder Killer?'                                      Ich bin...                          Bin... fucking verwirrt...                            'Was wirst du nun tun?'                'Wessen Vertrauen willst du brechen?'                      ...Penguins?              ...Kids?                    'Wen bist du bereit zu verlieren?'                     'Brich ihn! Bring es zu Ende!'                                        N e i n.                 Bevor ich einen von ihnen breche,                    zerstöre ich mich eher selbst.   Mein lebloser Blick fixierte meine rechte Sichel, die noch immer im Boden kerbte. Wie in Zeitlupe kniete ich mich zu ihr nieder, neben den Heart-Piraten. Als ich meine Hand nach der Klinge ausstreckte, stoppte ich meine Bewegung abrupt, sodass meine Finger haltlos vor ihr verharrten. Zeitgleich kehrte ein Funke Leben zurück in meine sich weitenden Augen.   „Das Porneglyph existiert. Zepo hat Bepo einen Brief hinterlassen. Niemand außer ihm und meinem Käpt'n kennt den Inhalt. Mehr weiß ich nicht. Es tut mir leid... dass ich dir nicht helfen kann.“        Er hat dir gesagt,      was du wissen wolltest.                                              E-Er weiß nichts.                                            E-Er ist nutzlos.       Lass ihn gehen.     Befreie ihn von dir.                                               D-Du brauchst ihn nicht mehr.                                             T-Töte den Heart-Piraten.   Die bösartige Stimme verzerrte zur Undeutlichkeit. Die andere verblasste ebenfalls. Sie übergaben mir die letzte Entscheidung.   Ruhig nahm ich meine rechte Sense an mich. Mein Blick schweifte von der Klinge zu dem Heart-Pirat und zurück. Zeitgleich spürte ich ein leichtes Brennen. Von dem winzigen Einschnitt in meinem Zeigefinger. Meine Sense hatte mich geschnitten, ihren Meister. Selbst meine eigene Sichel hatte sich gegen mich verschworen. Schwach schmunzelte ich sie an. Gab ihr, wonach sie verlangte und flüsterte ihr hinter meiner Maske nur für mich hörbar zu.   „Zeige mir die Wahrheit.“   Dann warf ich sie locker in die Luft, direkt über den Heart-Piraten. Der Zielpunkt war sein Kopf, den sie spalten würde. Wenn sie es wollte. 'Tod' existierte einzig zum Töten. Die Welt fand ihren Stillstand, die Zeit wie fallende Kirschblüten verstreichend. Beide verfolgten wir die fliegende Klinge, wie sie rotierte, gar in Anmut in der Luft tanzte.   Penguin blickte mich an. Lächelte. Und schloss seine Augen friedlich. „Endlich weiß ich, wie ich dir helfen kann“, wurde seine sanfte Stimme leise und andächtig. Seine lächelnden Lippen wiederholten die Worte seines Herzens, in aller Gefühlsbetontheit. Jede Silbe ein inniger Herzschlag.   „Ich vertraue dir.“   So sehr, dass du mir dein Leben anvertraust?, spürte ich den Stich in meiner schlagenden Brust. Wie kannst du dies nach allem, was ich dir angetan habe?   Woher nimmst du die Stärke, deine Gefühle zu erleben ohne sie zu verschließen?   Woher die Kraft, an mich zu glauben?   Was siehst du, was ich nicht erkenne?   Es ist ohnehin zu spät... Die Rotation des Schicksals dreht sich unaufhaltsam... Bis zum letzten Schlag...   Dumpf schlug die Klinge ein. Rotierte haarscharf an seinem Hinterkopf vorbei. Traf präzise seine Handfesseln und löste sie. Meine Todessense hatte ihn an meiner Seite akzeptiert. Lebend.   Nun stehen wir auf der gleichen Seite... Auf der Schneide zwischen Himmel und Hölle...   An der Seite des Todesengels steht das Lebensherz...   Sobald seine Arme befreit waren, stand er wackelig auf, konnte sich nicht aufrecht halten und fiel kraftlos nach vorne, zu mir. In Sanftheit legte er seine Arme langsam um mich, schlang sich um meine Brust, an der er sich festhielt.   „Lebe“, flüsterte er mir liebevoll zu. „Bitte... lebe.“ Von unten sah er zu mir auf, das Grün seiner Augen in inniger Hingabe lodernd. „Verzeih mir... und vergebe dir selbst ebenfalls.“   Er bittet mich um Verzeihung? Obwohl ich es bin, der ihm Leid zufügte...   Du Narr... Du verdammter Narr...   Penguin ließ die Stimmen in meinem Kopf verstummen. Sie verschwanden, sollten niemals wiederkehren. Ersetzt von ihm, seiner Stimme, seiner Berührung, seiner Wärme. Einzig er füllte meine Gedanken. Dunkelheit von Licht bezwungen.   Unfähig dazu, mich zu bewegen, fragte ich ihn irritiert; „Deine Beine waren frei? Die ganze Zeit über?“   Leicht nickte er gegen meine Brust. Ich spürte sein Grinsen gegen meine Muskeln.   „Als du hinter dem Vorhang warst, hab ich die Fußfesseln mithilfe der Klingen gelockert“, erklärte er und lachte. Ein Lachen von tiefster Aufrichtigkeit, mit einem Hauch rebellischem Necken. „Eigentlich hab ich dir in die Eier treten wollen, du verdammter Idiot. War echt schwer, dem Drang zu widerstehen. Bedanken kannst du dich später.“   Ein erneutes Beben ging durch das Schiff. Was mich aus meiner Starre holte. Kid! Ich entzog mich seiner Umarmung. Drehte mich um, ohne ihn anzusehen und nahm meine Sicheln an mich, ehe ich los preschte, Richtung Deck. Ohne Widerstand ließ er mich gehen. Dass er mir lächelnd nachsah, merkte ich nicht.   Einzig meinen Herzschlag, den ich in all seiner emotionalen Intensität spürte.   Hey, dies fühlt sich gar nicht mal so übel an... Daran könnte ich mich gewöhnen...           ###           Verträumt sah ich Killer lange nach, war wie in Trance. Wenige Sekunden fühlten sich wie Minuten an. Bis mein Grinsen in die Tiefe fiel und meine Augen sich weiteten.   Der Schlüssel..., traf mich die kalte Erkenntnis, während meine Finger das Nieten-Halsband berührten. Er hat den verfluchten Schlüssel mitgenommen!?   Komm zurück, Idiot!, wollte ich ihm nachrufen, handelte stattdessen reflexartig und sprintete los. Kam jedoch nicht weit, gerade aus der offenen Gittertür raus, wo ich mit jemandem zusammenprallte. Das laute Klonk unserer angestoßenen Köpfe hallte in meinen Ohren nach. Hart landeten wir auf unseren Gesäßknochen, saßen uns auf dem Boden gegenüber. Murrend rieb ich mir meinen Hinterkopf, schaute auf und wollte den Depp anfahren, ehe es mir die Sprache verschlug. Nicht aber meinem Gegenüber, der den Tränen nah war.   „P-P-P-P-“, stammelte Shachi meinen Namen. Versuchte es zumindest, aber bekam nur unverständliche Schluchz-Laute heraus. Bevor er seine Heulsirenen anschalten konnte, hob ich meine Hand in einer Stopp-Geste und sah ihn ernst an, während ich meinen Kopf schüttelte.   „Hebe dir deine Sentimentalitäten für später auf. Jetzt ist keine Zeit dafür“, erklärte ich ihm, woraufhin er schnell nickte und seine Augenflüssigkeit wegblinzelte. Grinsend fragte ich ihn; „Was machst du überhaupt hier unten? Und wie hast du mich gefunden?“   Tief holte er Luft. „Aaaalso-“ „Die Kurzfassung reicht, Danke.“   „Aye! Also-“ „Mit kurz meine ich auch kurz.“   „Bin hergelaufen.“ Sag bloß... „Bloß ist das Gruselschiff hier total riesig und-“ „Shachi.“   „Okay; Ich hab dich gesucht. Wer suchet, der findet!“, hob er seinen Zeigefinger und lächelte wissend. Dass seine Erklärung nicht ansatzweise irgendwas erklärte, war der Hohlnuss nicht klar. Entweder quasselte er zu viel oder zu wenig. „Was ich hier mache? Dir das hier bringen.“   Stolz präsentierte er mir das Kleidungsstück, das er mir lächelnd entgegenhielt. Es war einer meiner weißen Overalls. Überrascht nahm ich ihn an mich, grinste Shachi dankbar an und legte meine Hand anerkennend auf seine Schulter.   „Du bist wirklich einmalig.“ Zwei von deiner Sorte würde auch keiner aushalten...   „Bist du in Gedanken wieder gemein zu mir?“, fragte er schmollend und blies seine Backen auf. Er kannte mich einfach zu gut. Lachend klopfte ich ihm auf seine hängende Schulter.   „Jap“, gab ich offen zu, erntete ein nuschelndes; „Das sag ich alles Bepo...“, was nicht halb so beleidigt klang, wie es sollte. Zwischenzeitlich zog ich meinen Overall an, schloss den Reißverschluss in Begleitung eines Zipp-Geräuschs und schob den weißen Kragen soweit hoch, dass er das Halsband bedeckte. Freundschaftlich reichte ich Shachi die Hand, half ihm auf und wurde dann todernst. „Und jetzt erklär mir mal, was da oben los ist. Es ist verdächtig ruhig geworden...“   Shachis Gesicht wurde undeutbar. Er hüllte sich in Schweigen, schien mit ernster Miene nachzudenken, ehe seine untere Gesichtshälfte beinahe von seinem breitesten Grinsen gespalten wurde.   „Das wirst du mir nie glauben! Das musst du sehen!“, schleifte er mich an meinem Ärmel euphorisch mit sich, die Treppe hoch, sodass ich unbeholfen die Stufen hinter ihm hoch stolperte. Im Gang riss ich mich mühevoll von ihm los. „Schon gut. Warte hier. Ich muss noch kurz wohin.“   Flink rannte ich zu Killers Kajüte, stand auf der aus-Angel-getretenen Tür und sah mich suchend um. Bis ich fand, wonach ich suchte. Schnell kniete ich mich zu meiner Kappe, klopfte sie ab und setzte sie mir grinsend auf. Ohne Zeit zu verlieren, ging ich zurück zu dem Platz, an dem ich Shachi zurückließ. An dem er nicht mehr war. Seufzend zog ich den Schirm meiner Kappe herunter.   Typisch... 'Warten' existiert in Shachis Wortschatz nicht... Dass der überzuckerte Honig-Drops immer Hummeln im Hintern haben muss...   Wohin er getürmt war, war nicht schwer zu erraten; Die Spur aus Zuckerwürfeln – die bei seinem überhasteten Sprint aus seiner Tasche fielen – verrieten ihn. Er war also bereits wieder zum Deck aufgebrochen. Wo alle Besatzungsmitglieder beider Crews sich aufhalten mussten. Was mich dort wohl erwarten wird?   Meine Wissbegier war viel zu groß, als dass ich nicht nachgesehen hätte. Ich musste nur der Zucker-Spur folgen, die sich durch das gesamte Schiffsinnere zog. Mein Orientierungssinn war nicht der Beste, dafür Shachis umso mehr. Wir glichen die Schwächen des anderen mit unseren Stärken aus. Ob er mir die Wegweiser bewusst hinterlassen hat?   Blödsinn... Es ist immer noch Shachi, von dem ich hier spreche... Obwohl er immer für eine Überraschung gut ist...   Auf dem Weg nach Oben – Treppe hoch, Links, Geradeaus, an den Mannschaftsschlafräume vorbei, Rechts, Treppe hoch, Links, an Kombüse und Duschen vorbei, Rechts, letzte Treppe zum Deck – dachte ich über Laws 'Angriff' nach. Mein Käpt'n würde niemals ein anderes Schiff ohne durchdachten Plan attackieren. Geschweige denn einer anderen Mannschaft ohne Grund den Krieg erklären.   'Ohne Grund', blieben die beiden Worte in meinem Gedächtnis erhalten. Nachdenklich zog ich meine Augenbrauen hinter dem Kappenschirm zusammen und geriet dann beim Sprinten leicht ins Straucheln. Sag mir nicht... dass ich 'der Grund' bin...   Verdammt... mein Notsignal... Bin ich an alldem schuld?   Würde Law wegen mir wirklich so weit gehen und- Er würde... und wie er das würde!   Meine rennenden Schritte beschleunigten sich, wurden zu gehetzten Bewegungen. Ich wollte es mit eigenen Augen sehen. Musste sehen, dass es meinen Freunden gut ging. Aber auch um das Wohl der Kid-Piraten sorgte ich mich. Bloß ein klitzekleines bisschen...   Als ich endlich die Treppe zum Deck erreichte, schluckte ich schwer, bereitete mich innerlich auf das Schlimmste vor und behielt meine erhöhte Geschwindigkeit bei. Zwei Stufen auf einmal nehmend, ehe ich die Decktür mit meiner Schulter auf rammte. Durch die Wucht stolperte ich ans Deck, hielt abrupt an und wollte mir einen schnellen Überblick verschaffen. Die verdammte Sonne hinderte mich daran. Ihre grellen Strahlen verätzte mir fast meine Bindehäute, ließen mich kurz erblinden. Meine Augen fest zugekniffen, schirmte ich sie mit meiner Hand ab, bis mir einfiel, dass meine verrutschte Kappe dafür viel besser geeignet war. Ihr Schirm hüllte meine Augen in Schatten, sodass ich endlich etwas erkennen konnte. Aber was ich sah, ließ mich in Unglaube zu Marmor erstarren.   Stille. Trotz der Ansammlung an Menschen war es so still, dass man ein Haar hätte fallen hören können. Beide Crews standen sich in je einem Halbkreis gegenüber. Links die Heart-Piraten, Rechts die Kid-Piraten. In der ersten Reihe die Kapitäne; Law, neben ihm Shachi und Bepo. Eustass Kid und Killer auf der anderen. Hinter ihnen ihre Besatzungsmitglieder.   Ich spürte die reißende Atmosphäre. Doch fühlte ich noch etwas intensiveres, etwas sehr vertrautes; Das elektrische Prickeln auf der Haut, das Laws Room verursachte. Die matt-blaue Halbkuppel ragte über das gesamte Schiff der Kid-Piraten, hüllte allesamt in das durchsichtige Licht. Inmitten des Rooms herrschte ein Sturm; Ein Tornado aus Metall. Kleinteile, Waffen und Rüstungen wirbelten in absoluter Lautlosigkeit durch die Luft. Selbst das Chaos war in trügender Stille versunken.   Abwesend, völlig fassungslos stand ich abseits zwischen beiden Fronten. Duckte mich instinktiv unter einem heran sausenden Dolch-Schwarm weg, wich einer kompletten Rüstung mit einem 45-Grad-Winkel nach Rechts beugend aus und rührte mich dennoch nicht vom Fleck. Law erspürte meine Anwesenheit in seinem Room. Vermutlich hatte er mich seit längerem über die Radar-Funktion seiner Fähigkeiten entdeckt und das Schiff vor seinem Betreten gescannt, um sicher zu gehen, dass ich mich hier aufhielt. Seine silbernen Augen schweiften zu mir, von dem Objekt in seiner Hand weg, das ich erst jetzt bemerkte.   I-ist das...? Unmöglich... Das kann nicht sein...   Vorsichtig sah ich zweimal zu dem Kid-Piraten Captain. Besser gesagt; Zu seinem Körper, dessen Kopf fehlte. Law warf ihn mehrere Male locker in die Luft, sein Schmunzeln das unheimlichste, was ich je von ihm sah. Der andere Kapitän versuchte in Zorneswut nach seinen tätowierten Fingern zu beißen. Sein goldener Todesblick erdolchte, erwürgte und ermordete Law. Mehrfach, auf grausamste Art und Weise.   Law wandte seine Skalpell-scharfe Stimme an mich. Seine grauen Augen blieben hart wie Stahl. „Wie erfreulich, dass du an dieser... nennen wir es Festlichkeit teilnimmst“, nahm sein sarkastischer Stimmton eine kalte Farbe an, ähnelnd erkaltetem Beton. „Du hast uns warten lassen, Peng-ya.“   Sie haben auf mich gewartet?, hörte ich die sanfte Botschaft aus den kalten Worten heraus. Konnte nicht anders, als stolz zu grinsen. Laws Rache für die Verspätung hätte mir in diesem Moment egaler nicht sein können. Auch auf seinen Lippen bildete sich ein freundliches – zu seinen unheimlichen Augen sehr skurriles – Schmunzeln.   „Wir sind überaus erfreut, dich wohlbehalten wieder bei uns zu wissen. Als mein Vize-“ Was auch immer er sagen wollte, sollte niemals gehört werden. Eustass Kids Zähne bekamen Laws Zeigefinger zu beißen, was ihn unterbrach. Dann donnerte sein Brüllen durch die Reihen an Männer.   „Der Vogel ist dein Vize?! Im Klartext; Dein Vize hat meinen gevögelt!?“   ...Die plötzlich wiederkehrende Stille war greifbar. Alle Augen starrten mich an. Und wie sie mich verdammt nochmals anstarrten! Meine Wangen brannten. Doch war ich längst nicht mehr unter uns. In meinem Kopf drehte sich alles. Wäre ich in einem von Shachis Comics, hätte man sehen können, wie meine Augen sich in Spiralen drehten. Warum? Wegen der genauen Wortwahl, deren Bild mir schwindlig werden ließ.   I-Ich oben? K-Killer unten? Oben... Unten... Oben... Unten...   Niemand traute sich, etwas zu sagen. Niemand, außer Shachi – meine Rettung und mein Untergang. Unwissend, wie er war, musste er fragen. Natürlich musste er das.   „Was heißt denn 'vög'-?“   Er kam niemals dazu, seine Frage auszusprechen. Zuvor brach hier die Hölle aus. Das diabolische Grinsen roter Lippen blieb ungesehen – außer von einer einzigen Person. Killer jagte sofort los, quer durch das Mittelfeld beider Fronten. Durch die verbale Ablenkung seines Captains hatte er genügend Zeit und Raum, um den Rotschopf an sich zu nehmen. Was dann geschah, würde mir niemals jemand glauben.   Bepo stellte Killer eine Hinterpfote, sodass der blonde Vize kurzzeitig sein Gleichgewicht verlor – mitsamt dem Kopf seines Kapitäns, der im hohen Bogen übers Deck flog. Die wüsten Flüche begleiteten den rotierenden Kopf, dessen markante Gesichtszüge leicht grünlich wurden. Wie auf Kommando stürmten beide Seiten los. Die Männer rannten wie aufgescheuchte Hühner wild durcheinander. Ein jeder wollte ihn auffangen. Selbst der kopflose Körper jagte seinem fehlenden Teil hinterher.   „Ich hab ihn! Ich hab ihn!“, rief der Zombie, „...nicht.“   „Entschuldigung!“, riss Bepo den Kopf an sich, den er kopfüber in beiden Pfoten vor sich hielt. Der Todesblick des Teufels starrte ihn vernichtend an, schickte ihn gedanklich in das ewige Mink-vana. „Aaaah!“, warf Bepo ihn vor Schreck schnellstens von sich. Haltlos flog das Körperteil erneut durch die Luft. Doch statt einer grünen Farbe, hatte sein Gesicht eine tiefrote angenommen. Jetzt war Eustass Captain Kid richtig wütend. Rasend wütend.   Niemand wagte es, ihn zur Schau zu stellen und zum Gespött zu machen. Niemand machte sich über ihn lustig, ohne den Preis zu zahlen.   Der Tornado aus Metall gewann an Kraft, erreichte eine Windstärke, die das Elementar ins kleinste Kernelektron erschütterte. Die Teufelskraft des Höllenfürsten wurde unkontrollierbar und unaufhaltsam. Laws Katana wurde vom Sturm mitgerissen. Die Schiffsschrauben unter uns bebten gefährlich. Mein Nietenhalsband reagierte, schnürte mir die Luft ab und zwang mich in die Knie. Verzweifelt klammerte ich meine Finger um den Bund, bekam es nicht los. Mit zugekniffenem Auge schaute ich auf. Der Schlüssel für das Schloss musste sich irgendwo im Sturm befinden. Auch Killers Maske war von dem starken Magnetismus betroffen, wurde kraftvoll in Windrichtung gezogen. Er hatte Schwierigkeiten, sich auf den Beinen zu halten. Von seiner Maske trennen würde er sich niemals.   „Captain“, versuchte der Vize über die ansteigende Lautstärke des klirrenden Tornados zu seinem Anführer durchzudringen. „Kid-!“   Ein ohrenbetäubendes Quietschen ertönte neben dem Schiff der Kid-Piraten. Die Polar Tang schrie. Die unmenschliche Stärke des Teufelsfruchtnutzers zog selbst das gigantische U-Boot aus dem Meer. So weit, dass es beinahe über den Wellen schwebte.   „Fuck, Kid!“   Killer konnte seinen Captain nicht erreichen. Durch die metallenen Nieten seiner Fliegerbrille befand er sich selbst hoch oben im Windring. Irre lachend. Sein Verstand von Tobsucht besessen, genoss er das Gefühl der Übermacht, die er in diesem Moment hatte. Zum Leid aller anderen, Heart- und Kid-Piraten gleichermaßen, die den rasenden Flugwaffen kaum mehr ausweichen konnten. Nicht mehr lange und das hier würde in einem verdammten Blutbad enden.   Nur einer konnte es noch verhindern. Der Chirurg des Todes. Law – das Gesetz des Gebens und Nehmens.   DEATH. Die fünf Buchstaben hoch gen Himmel in Aufruhr gehoben. Blickend in den personifizierten Wahnsinn. Sturmgrau machtvoller, als das tosende Metallgewitter selbst. Law stand mit erhobener Hand mitten im Zyklon. Seine Augen den Sturm eines wahrhaftigen D.s in sich tragend. In der Reflexion von seelischem Sturmgrau Eustass Captain Kid einfangend. Der unbezwingbare Wille des D. sprach aus Laws autoritärer Stimme.   „Kid-ya.“ Ein Flüsterton mit übermächtiger Kraft. Seelenvolles Gold an sich reißend. Zeitgleich formte sich ein Windring unter seiner tätowierten Hand, ließ seinen Room intensiv pulsieren. Ähnelnd einem wilden Herzschlag. Fühlbar drang der starke Impuls in die Körper aller, die sich im Room befanden. Einige Piraten verloren dabei kurzzeitig das Bewusstsein. Andere erlangten dadurch Stärke, die in ihre Herzen einkehrte. Das Haki unseres Kapitäns. Des Kapitäns der Heart-Piraten.   Sturm kämpfte gegen Sturm. Alles fand einen Stillstand in Laws Operationsraum. Metall zitterte unruhig, in aufgewühlter Luft stillstehend. Mein Halsband sprang plötzlich auf, ließ mich wieder atmen. Blicke von Silber und Gold forderten sich heraus. Duellierten sich. Die wenigen bei Bewusstsein – Killer, Bepo, Shachi, Zombie, Fledermaus und ich – verfolgten das katastrophale Naturschauspiel intensiv. Selbst die Grandline hielt den Atem an, in Ehrfurcht vor der schlimmsten Generation.   Law fasste sich mit seiner freien Hand langsam an seine gefleckte Plüschmütze. Nahm seine Kopfbedeckung ab und hielt sie locker in seiner Handfläche. Schmunzelte. Und drehte dann die gekrümmten Finger seiner aktivierenden Hand in einer bekannten Geste.   „Shambles.“   Mütze und Kopf tauschten ihre Positionen. Der Room löste sich abrupt auf. Law hatte das Limit seiner Kräfte erreicht. Rote Lippen grinsten teuflisch. Sprachen sich den Sieg zu. Das Ende des Duells war entschieden.   „Ha! Du hast verloren, Traf-“   ...Trafen schmunzelnde Lippen auf rote. Law hielt Eustass Kids Kopf in beiden Händen, hatte dessen Lippen mit den seinen vereint. Ein Kuss des Sturms, der des Teufels Macht raubte. Inmitten des atemlosen Tornados, umringt von allen Bewusstlosen. Letztlich ging Law als Sieger hervor.   Lärmend schepperte Metall in einer unerträglichen Lautstärke Richtung Deck. Killer, Bepo, Shachi, das Grufti-Duo und ich handelten reflexartig. Unsere Heart-Trio-Formation in Karate-Haltung springend, der blonde Vize vorpreschend mit summenden Sicheln, Zombie einen Feuerwall aufbauend und Fledermaus seinen Dreizack schwingend. Zu sechst wehrten wir die fallenden Waffen ab, ehe sie unsere bewusstlosen Kameraden treffen konnten. Neben dem Schiff war ein dröhnendes Platschen hörbar, das die Polar Tang bei ihrem Aufprall mit der Meeresoberfläche begleitete. Kräftige Wellen erzeugend, die den Untergrund zu unseren Füßen stark schaukeln ließ.   Shachi klammerte sich an Bepo und umgekehrt, das Grufti-Duo tat es ihnen gleich. Killers Stand blieb unerschütterlich, während ich haltlos über das Deck taumelte und unbeholfen den liegenden Körpern auswich. Unglück, ahoi! Über einen von ihnen fallend, woraufhin ich steif Richtung Boden segelte. Doch mich in letzter Sekunde mit meiner rechten Hand abstützte und mich im Kapoera-Stil tanzend drehte. Folgend einem gekonnten Sprung, mit dem ich meinen sicheren Stand wiederfand. Pechvogel-Dasein ausgetrickst!   Grazile Schritte hallten über das Deck. Law setzte den fehlenden Kopf eigenhändig zurück auf dessen Körper. Gar entschuldigend. Hob dann sein Katana auf und lehnte es an seine Schulter, über die er zu dem noch immer sprachlosen Kapitän schaute. Ein schweigender Eustass Kid war ein seltener Anblick, den man höchstens sah, wenn die Hölle gefror. Seine haarlosen Augenbraue waren zusammengezogen, das Gold seiner Augen in besänftigtes Bernstein getränkt. Das Silber des anderen erforschend. Beide sahen sich wortlos an. Hätten jedoch nicht mehr Worte miteinander wechseln können.   'Herausforderung angenommen.'   Um uns erwachten die Männer, einer nach dem anderen. Verwirrt sahen sie sich um, verstanden das Geschehene nicht, aber waren allesamt gleich erleichtert über dessen Ausgang. Jubelnd erhoben sie sich, hielten ihre Fäuste gen Himmel und feierten den Anbeginn eines neuen Augenblicks. Ein Piratenleben war stets ein Grund zum Feiern.   Doch die Gefahr war noch nicht gebannt. Die nächste lauerte nur darauf, Schicksale zu besiegeln.   Zwischen unseren Schiffen ankerte ein kleines Boot, ungesehen und unbemerkt. Eine Flagge der Marine tragend. Lange hielt die heitere Stimmung der Männer nicht an. Eine starke Präsenz zerbarst sie. Beide Crews gingen sofort in Angriffsstellung. Mit einem hohen Sprung, dessen wuchtiges Aufkommen auf Deck den Boden zum Beben brachte, erschien er. Mitten zwischen beiden Kapitänen stehend. Der Rächer der gefallenen Soldaten der Insel. Geschickt um das biblische Gericht zu vollstrecken. Eine Stimme. Fremd und doch vertraut. Dunkel wie ein Bären-Grollen, zugleich hell wie ein Lichtstrahl.   „Wenn du an einen Ort verreisen könntest...“, begann er, sah mit ausdruckslosen, humanoiden Quadrataugen beide Kapitäne nacheinander an und zog langsam seinen schwarzen Handschuh aus. „...welchen würdest du wählen?“   Ist das nicht-?!   „Ein Pacifista!“, rief einer der Heart-Piraten panisch. Ein rufender Kid-Pirat ihn korrigierend. „Der Pacifista!“   Beide Kapitäne blieben unerschrocken und uneingeschüchtert. Die Luft durchdrungen von Anspannung. Blicke wurden nicht getauscht, sondern schnitten einander tief. Die Crewmitglieder jederzeit zum Angreifen bereit. Locker klopfte Law sein Katana gegen seine Schulter, musterte den großen Samurai akribisch, der eine Bibel vor seiner Brust hielt. Mit nüchterner Stimme ergriff unser Käpt'n das Wort.   „Bartholomäus Bär“, stellte er sachlich fest und setzte sich seine gefleckte Plüschmütze ruhig auf seinen Kopf. Schob ihre Krempe über seine verdunkelten Augen und schmunzelte düster. „Was verschafft uns diese Ehre?“   Der Pacifista schwieg. Sein Schweigen unheimlich und bedrohlich. Seine riesige Erscheinung warf einen breiten Schatten auf Deck, auf dem es totenstill war. Geduldig wartete er auf eine Antwort seine Frage. Die Eustass Kid ihm gab.   „Pah! Ein Kriecher der fucking Regierung“, spuckte er ihm abschätzig vor seine Füße, warf sich seinen Mantel um seine Schultern und grinste dann dreckig. „Wo ich hin will?“, zeigte er mit seinem lackierten Daumen auf Law. Tu es nicht! Antworte nicht! „Wie wär's mit Flickerwochen auf 'nem einsamen Schiff-?“   Und weg waren sie.   Das Ganze geschah so verdammt schnell, dass keiner etwas ausrichten konnte. Die Tatzen-Hand des Pazifista berührte sie beide beinahe zeitgleich, binnen eines einzigen Wimpernschlags. Nur unser Käpt'n reagierte schneller, erfasste die Situation in Millisekunden. Konnte ihr jedoch nicht entgegenwirken, uns lediglich seine Abschiedsworte zukommen lassen.   „Wartet hier“, hallte seine autoritäre Stimme wie durch einen Nebelschleier nach. Sein Unterton besaß einen Hauch ermutigende Freundlichkeit. „Wir kommen wieder.“   Niemand zweifelte an seinem Versprechen. So wahr wir Piraten waren; Loyalität und Glaube an unsere Kapitäne hielten bis zum Tode.   Der Pacifista verschwand so schnell, wie er auftauchte. Sein Befehl der Regierung schien von ihm ausgeführt. Der Typ war ein einziges Rätsel. Mehr sollten wir von ihm nicht erfahren. Wie ein stiller Riese begab er sich zu seinem Boot zurück und legte ab. Seine Tatzen-Hand erzeugte eine Druckwelle, die ihn in Lichtgeschwindigkeit fort katapultierte. Fassungslos starrten wir zu dem am Horizont schwindenden Boot. Einige Männer riefen ihm nach, grölten ihm Beschimpfungen zu, die von der Totenstille der antwortenden Wellen verschluckt wurde. Die Situation war vollkommen aussichtslos.   Wir konnten nur auf ihre Rückkehr warten. Betretenes Schweigen kam unter den Mannschaften auf. Die Situation zu begreifen unmöglich. Doch das Wichtigste wussten wir; Unseren Kapitänen ging es gut. Sie würden uns niemals im Stich lassen. Trübsal blasen half niemandem. Das hätten sie beide nicht gewollt. So überspielten wir Sorge mit übertrieben guter Laune. Schlagartig kehrte Leben in die Crews.     Nach dem ersten Schock folgte der Zweite, als ich unsanft aus meiner Starre geholt wurde. Shachi – der seiner Wiedersehensfreude endlich Luft machen konnte, bevor er platzte – sprang mich an, mit vollem Schwung auf meinen Rücken. Wie ein Klammeraffe schlang er seine Arme um meinen Hals, seine Beine um meine Körpermitte. Stürmisch riss er uns zu Boden, mich unter sich begrabend.   „Tu das nicht nochmal, Blödmann!“, schluchzte er mit ohrenbetäubender Lautstärke in mein Trommelfell und verstärkte seinen Klammergriff, mit dem er mir die Luft abdrückte. Leise schniefend nahm seine helle Stimme einen gedämmten Klang an, ähnelnd dem warmen Farbton seiner Honigfarbenen Augen. „Lass mich nie wieder allein, Peng.“   Shachis getönten Gläser waren zersprungen, lagen achtlos neben uns. Jeder konnte sehen, was er sonst vor der Außenwelt versteckte: Seine Emotionalität. Der flüssige Honig seiner Augen, die sein gefühlsbestimmtes Inneres offenbarten. Seine Verwundbarkeit in Verborgenheit hüllend, wollte er nicht der Schwächste unter den Heart-Piraten sein. Was er auch nicht war – Für mich war Shachi einer der Stärksten.   Wer zu seinen Gefühlen steht, kann ihre Intensität als Kraftquelle nutzen... Irgendwann wird er verstehen, dass seine Emotionen seine mächtigsten Waffen sind...   Shachis felsenfeste Umklammerung war der Beweis dafür. Langsam nahm mein Gesicht eine ungesunde Farbe an, weswegen ich nun zappelnd auf den Boden schlug.   „K-K- Hmpf- Mhpf-!“ Keine Luft! Ich krieg keine Luft, verdammt!   „Wie? Was willst du mir sagen?“, sah er mich verdutzt an und lockerte seinen Griff minder, womit er mir den Erstickungstod ersparte. Knurrend stieß ich ihn von mir herunter und boxte ihm gegen seinen Arm. „Autsch! Wofür war die denn?“   Unschuldig blickte er mich an, rieb dabei über seinen Oberarm und boxte mich dann freundschaftlich zurück. Kurz darauf rangelten wir miteinander, in Karate-Haltung spielerisch kämpfend, wie wir es im Training stets taten. Zwischen zwei Box-Angriffen antwortete ich ihm grinsend; „Weil du du bist, Shachi.“   Und genau so sollst du auch bleiben...   Plötzlich wurden wir beide in eine pelzige Umarmung gezogen. Bepo rieb sein viel zu warmes Fell lachend gegen uns. Wir konnten uns nicht gegen ihn wehren. Minks sind verdammt anhänglich, sensibel und überschütten einen Flutweise mit ihrer Liebe... Bepos gebrummte `Entschuldigung´ war sowas von erlogen!   Genervt seufzend drückte ich mich von den beiden weg. „Seid ihr jetzt fertig mit euren verdammten Peinlichkeiten?“ „Grimmig, wie eh und je! Uns kannst du nichts vormachen, Peng~! Wir freuen uns auch, dich wiederzuhaben.“ „Ach, halt doch die Klappe, Trottel.“   Ein tiefes Räuspern neben uns ließ die übertriebene Begrüßung abrupt enden. Shachi und Bepo schenkten dem Kid-Piraten Vize einen ihrer `bösen´ Blicke. Von vier Knopfaugen ließ sich wohl so ziemlich niemand einschüchtern. Hätte Bepo seine Lefzen gefletscht und Shachi seine Brille getragen, wären sie deutlich bedrohlicher gewesen. Mit verschränkten Armen stand Killer neben uns – gegen die Reling lehnend – seine teilnahmslose Stimme repräsentierte die einer wahren Autoritätsperson. Als Vize war er nun der oberste Befehlsgeber.   „Ihr gehört hier nicht hin. Geht auf euer Schiff zurück“, wies er die Heart-Piraten mit kalter Monotonie an und scheuchte sie mit seiner furchteinflößenden Erscheinung regelrecht zur Polar Tang. Bis auf Bepo, Shachi und mich, die wir noch immer im Personenkreis der Kid-Piraten verharrten.   Kompromisslos sagten wir synchron; „Wir bleiben.“   „Ohne unseren Käpt'n gehen wir nirgendwohin, ätsch!“, zeigte Shachi ihm seine Zunge und blies seine furchteinflößenden Backen auf. Wie ein Knall-Frosch kurz vorm Verpuffen... „Law hat gesagt, wir sollen hier warten“, trat Bepo mit seiner Hinterpfote auf. Ohne sich zu entschuldigen. „Mich wirst du nicht los, Rafunzel“, grinste ich Killer rebellisch an und zog den Schirm meiner Kappe über meine Augen. Sie zeigten meine wahren Emotionen. Innerlich bibberte ich vor Nervosität und Sorge. Cool bleiben, Peng... Deine Freunde sind bei dir...   Um uns brachen die Testosteron-Pakete in Gelächter aus. Gegen sie sahen wir drei echt lachhaft aus. Killers Maske blieb stumm auf uns gerichtet. Eher mich, der ich zwischen meinen beiden Freunden stand. Genau konnte niemand sagen, wo seine eindringlichen Augen hinschauten. Das schweigende Handheben ihres Vizen erstickte das Lachen der Männer sofort.   Momente des stillen Anstarren zogen übers Meer. Alle warteten auf die Entscheidung ihres stellvertretenden Anführers. Doch niemand hörte die hinter Metall geflüsterten Worte, die nur Killer selbst vernahm. „Du bist meine Unvernunft, Penguin.“   Dann drehte er sich von uns weg. Seine Maske langsam über die Reihen der Kid-Piraten schweifend, ehe er ihnen wortlos zunickte. Er erlaubte uns zu bleiben. Die Entscheidung von zweitem Kapitän war Gesetz. Shachi jubelte laut auf, seine Freude nicht im Geringsten verbergend. Keine Sekunde später kam eine Rumflasche in unsere Richtung geflogen, die mein bester Freund auffing. Fragend schaute er zu ihrem Werfer, der ihn mit Nähten-verziertem Mund breit angrinste.   „Wenn ihr's schon hier seid, könnt's ihr genauso gut einen mit uns trinken. Auf Urlaub! Auf den Boss!“, prostete der Rastaträger lachend und setzte seine eigene Flasche an. In seiner anderen Hand warf er einen Dolch lässig hoch, den er fett grinsend auffing. „Wir könnten 'ne Runde Dolch-Darts spielen-“   „Vergiss es!“, knurrte ich ihm dazwischen. Bei der Erinnerung erschaudernd. Nie wieder Darts!   Schulterzuckend – sich keiner Schuld bewusst – fielen Heats Huskyblauen Augen auf Shachis zerbrochene Brille, die zu seinen Füßen lag. Unüberlegt hob er sie auf und besah sich die Risse in dunklem Glas. An Shachi gewandt fragte er: „Ist das deine, Kurzer?“   Betrübt sah mein bester Freund zu seinem geliebten Accessoire und nickte. Was Heats Mundwinkel nach oben gleiten ließ; „Wart's nur. Das haben wir gleich.“   Tief atmete der Rastaträger ein, hielt die Brille an ihrem Gestell vor seinen Mund und pustete locker gegen sie. Ihr zersprungenes Glas begann unter der kontrollierten Flamme zu glühen. Riss für Riss schmolz langsam wieder zusammen, bis die Sonnenbrille wie neu aussah. Vor überwältigter Fassungslosigkeit brachte Shachi kein Wort hervor. Dass ich das noch erleben darf... Jemand hat die Redseligkeit in Person tatsächlich stumm geschaltet...   „Wie cool~!“, platzte es wenig später aus meinem besten Freund heraus, „ein feuerspuckender Zombie!“   Und seine Brille ist schon wieder vergessen..., grinste ich und beobachtete abwesend Bepo, der sich immer weiter vom Tumult wegschlich. Seitlich tapste er von Pfote zu Pfote in Richtung einer ruhigen Ecke, wo der Fledermaus-Umhangträger mit Dreizack stand. Das dunkle Schiff der Kid-Piraten, mitsamt Besatzung war Bepo nicht geheuer. Menschen, die er nicht kannte, empfand er als unbehaglich. Seinesgleichen – ruhig und zurückgezogen – waren ihm lieber. Bepo war ein eher schüchterner Eisbär. Einzig für Law und wegen uns blieb er hier.   Shachis neue Beschäftigung war das Bestaunen der privaten Feuershow, die ihm der Feuerspucker vorführte. Eines hatte wohl so ziemlich jeder Kid-Pirat gemeinsam: Das Polieren seines Egos, das von ihrem Captain abfärbte. Eustass Captain Kids unerschütterlicher Stolz war es, der seinen Männern ihre Charakterstärke verlieh.   Lässig stützte ich meine Ellenbogen auf die dunkel-holzige Reling, an die der schweigende Vize noch immer mit seinem Rücken lehnte. Mein Blick auf das morgendliche Blau des Ozeans gerichtet, zwischen ihm die angrenzende Winterinsel. Langsam zog ich den Schirm meiner Kappe tiefer und lauschte den Wellen. Wo Law wohl ist? Wann er wiederkommen wird? Einen so andächtigen Morgen, wie den heutigen, hatte ich lange nicht mehr erfahren. Als Heart-Pirat sah ich die Wellen sehr selten, weswegen ich ihren ruhevollen Anblick auf mich wirken ließ. Komm schnell wieder, Käpt'n... Deine Nakama brauchen dich...   Das Meer verkörperte die Freiheit. Es gab nichts, was ein Piratenherz höher schlagen ließ. Nichts, außer...   „Tief durchatmen, Penguin“, flüsterte Killers tief-raunende Stimme mir in zweideutiger Betonung zu. Es war seine einzige Warnung, diebisch schmunzelnd ausgesprochen, bevor er mich das Fliegen lehrte. Plötzlich befand ich mich im Freiflug Richtung Wasser, dem ich überrascht entgegenblickte. Mein Herzschlag setzte kurzzeitig aus, ehe er sich vor Adrenalin überschlug.   Der Mistkerl hat mich einfach über die Reling geworfen!   In Begleitung eines Platschen, mitsamt Fontäne landete ich im kühlen Nass. An der Oberfläche treibend, warf ich einen Giftblick zum amüsierten Vizen, der über Holzgeländer und seiner Schulter zu mir herunterblickte. Als hätte er sich keinen Millimeter gerührt, blieb seine lässige Position gleich. Killers Bewegungen besaßen eine Geschwindigkeit, die für Augen beinahe unkenntlich waren.   Wie die Ruhe selbst, meldete er trocken übers Deck; „Mann über Bord.“   Ernsthaft? Als ob sich irgendjemand dazu bequemen würde, ins kalte Wasser zu-   Killer selbst war es, der mir nachsprang. Sein monotones Rufen lediglich eine Finte, damit niemand Verdacht schöpfte. Er stürzte sich ohne einen zögernden Hauch zu mir in die herrschende Strömung, die mich beinahe vom Schiff weggetrieben hätte. Nur beinahe. Die Kälte des Ozeans wurde abgelöst von der Wärme, die mir sein erhitzter Körper spendete, als er seine muskulösen Arme von hinten um mich legte. Wie ein Fels inmitten der strömenden Wellen hielt er uns an Ort und Stelle. Instinktiv lehnte ich mich nach hinten, an seine Brust. Sein Kinn auf der Hinterseite meiner Kappe aufstützend, lagen seine benässten Haarsträhnen je links und rechts auf meinen Schultern. Grinsend sah ich an mir herab, zu seinen leicht verdunkelt-blonden Haarspitzen.   „Die werden Stunden brauchen, um wieder zu trocknen.“ „Dem bin ich mir bewusst. Dies ist es mir wert.“   „Wofür das Ganze?“, fragte ich ihn mit leiser werdender Stimme und schloss meine Augen. Den Moment auf mich wirken lassend. Mein gefühlvolles Grinsen verblasste nicht. „Musste es unbedingt eine Abkühlung sein?“   „Gewiss“, wurde sein amüsiertes Schmunzeln breiter, „die Alternative wäre meine Kajüte gewesen.“   Die ansteigende Wärme meines Gesichts überbot die seines Körpers. Die bildliche Erinnerung wäre wirklich nicht nötig gewesen! Leise murrend senkte ich meinen Kopf, bis mein Kinn auf Wasser traf, welches meine Wangen kühlte. Das Schweigen währte nicht lange, Killers kristallenes Wispern es durchschneidend.   „Wie ist es?“ „Wie... ist was?“ „Die Sinnlichkeit mit einem Mann.“   Seine Frage war geprägt von aufrichtigem Interesse. Ich schuldete ihm eine ehrliche Antwort.   „Es ist...“, suchte ich nach Worten. Keines von ihnen beschrieb meine Empfindung, „...unergründlich.“   Weil ich mich mit der vagen Erklärung nicht zufrieden gab, versuchte ich es erneut. Dabei drehte ich meinen Kopf zu ihm. Sein Gesicht von dem nassen Vorhang aus blondem Haar verborgen, sah ich ihn direkt an.   „Unergründlich wie die See. Ein aufregendes Abenteuer, gefährlich und unvorhersehbar. Weiter als der Horizont und tiefer als der Meeresgrund. Geheimnisvoll, besonders und lebendig... wie du es bist-“   Killer trug seine Maske nicht. Diese Erkenntnis ließen mich seine Lippen erfahren.   Zu überrascht war ich, um die Situation zu erfassen. Zu geschockt, völlig überrumpelt. Zu ergriffen von dem Augenblick, in dem er mich küsste. Das Gefühlschaos intensivierte den elektrischen Schauer, welcher mich durchfuhr.   Killer... küsst mich!, wurde mir nach mehreren Momenten bewusst. Das überwältigende Gefühl traf mich mit vollster Intensität. Alles in mir brannte. Alles erfror. Entflammte, erlosch, im Wechsel der unbezwingbaren Emotionen. Es machte mich vollkommen bewegungsunfähig. Tu was! Ich muss... irgendwas tun!   Meine Lippen wollten sich nicht bewegen, blieben verkrampft aufeinander gepresst. Mein Körper versteifte sich so sehr, dass ich ins Wasser gesunken wäre, hätte er seinen Griff um mich gelöst... Was er auch tat. Nicht... Lass mich nicht los...   Die Reflexreaktion meinerseits gab ihm irreführende Signale. Ließ ihn glauben, ich würde ihn abweisen, ihn abstoßen. Glaubt er, ich habe aufgehört, ihn zu wollen? Mein Äußeres wies ihn ab. Mein Innerstes jedoch schrie nach ihm. Ein seelenvoller Aufschrei, der mir Leben einhauchte. Die Reizüberflutung löste eine Kurzschlussreaktion aus.   Wenn du mich frei gibst... Werde ich es sein, der dich an mich bindet...   Abrupt zog ich ihn zu mir Unterwasser. Mich an ihm festhaltend, wie ein Ertrinkender. Sein blondes Haar schwebte Richtung Oberfläche, wo meine Kappe und seine Maske trieben. Blind tastetet ich Killers Oberkörper nach oben, bevor ich meine Hand in seine gepunktete Bluse krallte und seinen Kopf zu mir führte. Bis unsere Lippen ein zweites Mal aufeinandertrafen. Die Innigkeit ihrer Vereinigung war gefühlvoller, als jede Berührung, die wir je teilten.   'Dir ist ein Kuss wichtiger...? ' Fürwahr... solange du es bist, von dem ich ihn erfahre...   Winzige Luftblasen erfüllten das Meer, erzeugten ein leichtes Prickeln, welches unseren innigen Hautkontakt spürbar vervollständigte. Killers Lippen waren rau, gezeichnet von seiner Wildheit. Die Meinen glichen der unberührten Reinheit, die er mit den Seinigen gravierte. Seine rechte Hand fuhr durch mein kurzes Haar, in das er seine Finger vergrub. Sein linker Arm legte sich besitzergreifend um meinen Unterrücken. Mich nah bei sich haltend, mich nicht loslassend, während wir immer weiter von den Wellen weggetrieben wurden. Fort von dem Schiff, fort von den Vergessenen, hin zu unserer illusionistischen Irrealität.   Ruckartig schwemmten wir ans Ufer eines abgelegenen Strandabschnitts, mit uns unsere unbeachteten Kopfbedeckungen. Erst dort lösten wir uns voneinander. Hustend atmeten wir stoßweise und angestrengt. Killer über mir, ich unter ihm liegend. Das Meersalz brannte in meinen Augen, die ich nicht öffnen konnte. Ihn anzusehen blieb mir verwehrt. Sein Gesicht blieb in seinem Herzen verborgen. Die Dunkelheit dessen war vollends verschwunden. Er war mir so nah, so verdammt nah. Nicht nur körperlich.   „Küss mich, Idiot“, hauchte ich ihm zärtlich zu. „Küss mich, als wäre es unser letzter Kuss...“   Sofort fingen seine Lippen die Meinigen wieder auf. Stürmisch und leidenschaftlich, unbändig und wild. Jede seiner Berührungen war anders, doch alle waren gezeichnet von ihm. Er markierte mich als den Seinen. Ließ mich spüren, wie sehr er mich wollte und umgekehrt. Intensivierte unsere Küsse, die uns nährten.   Zungen und Lippen. Tanzten, knabberten, saugten, küssten. Unaufhörlich.   Wir schmeckten das Meersalz auf der Zunge des anderen. Der Geruch der Grandline sich mit dem unseren vermischend. Das Rauschen der Wellen eine Melodie mit unseren unrhythmischen Herzen erklingen lassend. Unsere erhitzten Körper schmolzen den dünnen Schnee, auf dem ich lag, bis ich den Sand unter mir spürte. Es war unwichtig. Vollkommen gleichgültig gegen das Gefühl von unserer innigsten Verschmelzung. Gefühle, die wir beide spürten, in all ihren Facetten.   Killer riss mich abrupt herum, wechselte unsere Positionen, sodass ich es war, der über ihm lag. Sein verdammtes Schmunzeln spürte ich deutlich an meinen Lippen. Soviel zu 'Oben und Unten'... Ich küsste Killer fordernder, wollte jede einzelne Sekunde von ihm auskosten. Wollte seine Berührungen in ihrer Einzelheit einprägen. Doch schaffte es nicht, ihre Wildheit zu bändigen. Eine Bestie war unzähmbar. Unsere Hände erfühlten jede Hautstelle des anderen, konnten nicht voneinander ablassen, während wir uns gegenseitig den Atem raubten. In der Ferne stieg die Sonne empor, umhüllte uns mit ihren ersten Strahlen. Goldblond war viel farbenprächtiger als sie.   Vergebens versuchte ich die Küsse zu zählen, die wir teilten. Versuchte sie zu erleben, in all ihrer Tiefe, mit all seinen Empfindungen. Es war mir unmöglich. Und doch wusste ich, dass ich mich immerzu an sie erinnern werde. An die emotionale Verwirrung, welche ich nun benennen konnte. Weil er mir dessen Namen nannte.   „Kira“, flüsterte er atemlos gegen meine Lippen, welche ihn wiederholten. „Kira?“, füllten vier Herzschläge die leere Frage.   Es war die letzte Antwort, die ich suchte. Der letzte Seelensplitter, welcher mein Selbst vervollständigte. Diese Erinnerung war die lebendigste von allen.   Nur wer Schmerz spürt, kann ihn lindern. Wer Angst konfrontiert, kann sie bekämpfen. Wer Liebe erfährt, kann lieben lernen.   Leere wird stets von Emotionen gefüllt. Manchmal ist es jedoch ein Mensch, der diesen Platz einnimmt.   Letztlich verstand ich es; Es war keine Bewusstseinsstörung, an der ich litt. Sondern eine Seelenstörung, die er heilte.   „Riku, angenehm.“   Leben ohne Vergessen. Erinnern ohne Bedauern.   Das war unser Neuanfang. Der Beginn unserer gemeinsamen Ära.   Zwei wiederbelebte Herzen... ...die ohne Shambles getauscht wurden. Kapitel 7: Sayōnara ------------------- Kira bedeutet namentlich 'Killer'; Meine angeborene Profession, mein Fluch; ein Segen des Teufels.   Kira ist Killer niemals begegnet. Und teilen dennoch das gleiche Schicksal.   Blicken durch die selbigen Augen, existieren in einem Körper, spüren ein Herz.   ...Ersehnen dein Alles.   Sehnsucht kann töten. Ihre Folter das missende Herz verzehren.   Dessen sind wir uns bewusst. Darum haben wir dich nicht verabschiedet.   Abschied ist endgültig, Wiedersehen eine Lüge.   Versprechen die Täuschung der Hoffnung. Wer hofft, hat sich Angst und Verzweiflung hingegeben.   Das Piratenherz gleicht einem Kompass, auf unbestimmtem Kurs Richtung Sehnsucht.   Zeit eine Guillotine; uns einander entreißend, in Spaltung zweier Menschen.   Dauer eine List; Abstand schaffend, Entfremdung erzeugend.   Distanz eine Begrenzung; je weiter die Entfernung, desto stabiler die Immunität.   Immun gegen Emotionen, infiziert von Vereinsamung.   Ein krankes Herz kann nicht geheilt werden. Warum hast du es so sehr versucht, Penguin?   ...Wenn du selbst es doch bist, der es infiziert hat.   Es ist nun fast eine Woche her, seit unsere Routen sich trennten.   Ich suche nicht nach dir. Werde dich finden. Dir auflauern und dich jagen.   Die Sieben ist die Zahl. Du hast keine Wahl...   In sieben Tagen bin ich bei dir. Dann gehörst du gänzlich mir.   Sayōnara, Penguin.       ~キラ~       Lautlosen Schrittes durchquerte ich den Gang von Kids und meiner Kajüte. In lässigen, gar schlendernden Bewegungen die Meinige aufsuchen wollend. Weit sollte ich nicht kommen. Mit einem dröhnenden Knall flog die metallische Kapitänskajüte auf. Durch die Einwirkung von Teufelskraft zusätzlichen Schwung besitzend, sodass der erzeugte Windstoß meine blonde Mähne leicht wegfegte. Kid war schlecht gelaunt. Warum? Dies wusste nicht einmal ich zu analysieren.   Einen halben Schritt beschleunigend, folgte ich dem Ruf der Stille meiner Kajüte und steuerte schneller auf sie zu. Vom Flurende erdröhnten Kids schweren Tritte seiner Springerstiefel, indessen meine Absatzschuhe ungehörte Klack-Geräusche erzeugten. Kids bernsteinfarbenen Augen waren in einen dunklen Schleier gehüllt, sein Blick stur geradeaus, an mir vorbei gerichtet. Meine türlose Räumlichkeit befand sich auf halbem Flur, den ich zeitgleich mit meinem Captain erreichte. Unsere Wege schnitten sich. Er an mir vorbei, ich in meine Kajüte abbiegend. Beinahe hätte ich es geschafft. Beinahe.   Abrupt blieb Kid neben mir stehen. Drehte seinen Kopf wie in Zeitlupe zu mir. Mehrmals blinzelnd. Seine Augen von rauem Bernstein zu geschliffenem Gold wechselnd. Der Grund? Meine blau-weiß gestreifte Maske, die ich unter meinem Arm trug.   „Bist du's... Kira?“, fragte er sinnreich und platzierte seine Hand schwer auf meiner linken Schulter. „In echt jetzt?“   Lautlos seufzend nickte ich und wandte mich ihm zu, sah ihn durch den Vorhang meines blonden Ponys an. Seinen geschockten Gesichtsausdruck wollte ich mir um keinen Preis entgehen lassen. Mehrmals glitt sein Blick prüfend über meine größtenteils verdeckte Mimik, seine geschminkten Lippen leicht geöffnet.   „Wo is'n dein Gesicht hin?“   Dies brachte mich dazu, amüsiert aufzulachen. Meine Schultern bebten dabei leicht. Auch Kids Lippen formten ein belustigtes Grinsen, indessen ein kehliges Lachen sie verließ.   „Mitkommen“, befahl er mir und zog mich mit seinem breiten Arm um meine Schultern in Richtung seiner Kajüte. „Seit fucking elf Jahren hat sich deine Visage nich' blicken lassen. Hab 'se noch nie besoffen geseh'n – das muss nachgeholt werden! Saufen. Jetzt. Befehl vom Captain.“   „Aye... Was ist mit deiner schlechten Laune?“ „Drauf geschissen. Nichts hebt die Laune besser, als deine Fratze!“ „Falls dies ein Kompliment sein sollte... war es ein lausiges.“ „Jawohl. Haha!“   Mit einem basslastigen Dröhnen fiel die Metalltür geräuschvoll hinter uns zu. Kids wegwischende Handbewegung schloss sie, ihre mehrfache Verriegelung klickend hörbar, ehe er die gesicherte Metallluke hinter seinem Königssessel öffnete. Nicht umsonst durfte niemand außer ihm sie durchqueren; Sein heiliges Reich befand sich unter ihr. Seine Werkstatt, mitsamt Schlafgemach und angrenzender Schatzkammer.   Geduldig – wie mein Captain nicht war – schleifte er mich mit sich, mit zielgerichteten Schritten durch den Raum. Sprang vor, zog mich mit und knallte die Luke zu. Welch freundliche Einladung... Wir mussten uns ducken, befanden uns in einer Art Durchgang, ähnelnd einem Schacht, der knapp eineinhalb Meter misste. In Dunkelheit, die mich meine Hand vor Augen nicht sehen ließ. Kid löste seinen Griff um meine Schulter und zog zwei ovale Steine aus seinem Stiefel; Ein Feuerstein und einen aus Feuerstahl. In einer Hand ließ er die Steine geübt aneinander reiben. Ein konstantes Klicken erklang, indessen rote Funken die kahle Umgebung erhellten. Kids Grinsen in rötliches Schattenlicht hüllend.   Drei Abzweigungen; Links, Rechts, Geradeaus. Auf je einer Seite vermutlich Werkstatt und Schatzkammer. Mit einer heran winkenden Bewegung dirigierte er mich geradeaus.   „Pass auf die Fallen auf“, warnte er mich dunkel grinsend, zeigte dabei nebensächlich auf die Spinnweben-artigen Stolperdrähte und leicht abgehobenen Holzdielen, die hier überall versteckt waren. „Ein falscher Schritt und 'ne Explosion fetzt das halbe Schiff weg.“   Wie gut zu wissen, dass ich seit Jahren neben einem halben Bombenarsenal schlafe... Wenn ich daran zurückdenke, wie oft Kid im Vollrausch zu seinen Gemächern getorkelt ist...   Er muss jeden einzelnen Mechanismus auswendig kennen... Sein exzellentes Gedächtnis ist wahrhaft anerkennenswert...   Der kurze Durchgang endete bei einer dunklen Wandluke aus Holz, die unser Jolly Roger zierte. Geräuschvoll trat Kid sie geduckt auf. Darauf bedacht, dass sein Stiefel unser Zeichen nicht traf. Das gesamte Dunkelholz um den Jolly Roger war abgenutzt und angekratzt – Nur das Symbol blieb gänzlich unbeschadet. Was mich schmunzeln ließ. Kid war ein wahrer Kapitän, der seinen Jolly Roger mit Ehre behandelte.   „Such dir 'n Platz“, wies er mich an, als er in sein Schlafzimmer voranschritt, ich ihm folgend. „Hab nich' mit Besuch gerechnet und nich' aufgeräumt- Ha, als ob ich das je tun würde!“   Mit der Wucht seiner Stahlkappenstiefel trat er mehrere, leere Flaschen aus dem Weg, die ihm klirrend Platz machten. Bahnte sich dann einen Pfad – den einzig begehbaren – durch den Raum zu seinem Doppelbett und schmiss sich darauf. Schmetterte seinen Waffenbrustgürtel – den Wire letztens zusammennähen musste – in die nächste Ecke und verschränkte einen Arm hinter seinem Kopf, wartend auf meine Gesellschaft.   Es gab keine Sitzmöglichkeiten, außer Kleider- und Flaschenberge. Infolgedessen schritt ich zu ihm und setzte mich lässig auf die Bettkante, überschlug dabei meine Beine. Meine Maske ohne Zögern locker auf einen der Kleiderhaufen werfend. Kid war der Einzige, der je mein Gesicht sah und noch lebte. Hier brauchte ich meine Vermummung nicht. Weder auf dem Flur, dessen Betreten einzig Kapitän und Vize vorbehalten war, noch in seinem oder meinem Reich.   Zielsicher griff Kid in den Zwischenraum von Wand und Bett, wo er seinen persönlichen Schnapsvorrat aufbewahrte. Zog eine leicht verstaubte Flasche hervor und hielt sie mir grinsend entgegen. Ein Edelrum des besten Jahrgangs.   „Ein goldenes Blondes fürs kühle Blonde.“ Überließ er mir die Ehre, die 'unheilige' Flasche zu öffnen und den ersten Schluck zu trinken. Mit einem lauten Plopp flog der Korken zu den etlichen anderen im Raum. Kid war neben Waffensammler wohl auch Korkensammler. Schmunzelnd setzte ich den Flaschenhals an meinen Lippen an, spürte das leichte Brennen auf meiner Zunge und roch den intensiven Rumgeruch. Als ich Kid die Flasche reichte, lachte ich leise.   „Ich hasse Rum.“ „Ich weiß. Hast ja auch kein Geschmack. Sieht man an deiner Atompilz-Friese, die mit meiner Pracht-Mähne nich' mithalten kann.“   „Dies nennt man Stil.“ „Nenn's wie de willst; Für mich bleiben's Funzeln. Aber hey, ohne sähst'e wohl aus wie das Zyklopen-Einauge der Strohbirnen-Bande.“   „Der Weiber-Antiheld?“ „Jop, der Tunten-Taucher.“   Kids hämisches Gelächter erfüllte den Raum, indessen ich eine Augenbraue hob. „Augenblick. Hast du mich soeben als Schönling bezeichnet?“ „Eher als Pussy-Prahler. Haha!“   Sein Lachen klang anders. Im starken Kontrast zu seiner sonst eher boshaften Art. Es klang ehrlich. Nun... dieses Kompliment ist gewiss kein lausiges gewesen... Ein angenehmes Schweigen kam zwischen uns auf. Ein äußerst seltener Zustand in Kids Nähe. Stumm tranken wir, genossen die ruhige Atmosphäre und gingen keinerlei Gedanken nach. Einzig das Wir zählte. Und der Alkohol. Die Reihenfolge von beidem ist unklar... Kids Augen waren zur Decke der Kajüte gerichtet, ehe sein Blick, zeitgleich mit dem Meinigen zu meiner Maske schweifte.   „Hey, Kira“, nahm seine raue Stimme eine Klangfarbe an, die er zuletzt im Jugendalter trug. Den Stimmton zu beschreiben, war mir unmöglich. Einzig dessen hervorgerufene Emotion deutbar; Sie nannte sich Freundschaft. „Hast mich warten lassen, Drecksack... Gut, dass de zurück bist.“   Langsam strich ich mir meinen Pony hinter mein Ohr, blickte ihn an und schmunzelte. Ein Schmunzeln, nicht von Killer, sondern Kira.   „Frag mich, Kid“, bat ich ihn. Dachte zurück an seine einstigen Worte vor vielen Jahren; 'Werde mein Vize, Killer.' Mein Schmunzeln verzerrte sich in bittere Trübnis. „Jedoch... habe ich deinen Befehl nicht ausgeführt... und-“   Scharf und befehlshaberisch unterbrach mich seine basslastige Stimme. „Seit wann stotterst'e wie 'n Sitzpisser? Wenn de mir was zu sagen hast, spuck's aus!“   Ein lautloses Seufzen verließ meine Lippen, mein Blick blieb unerbittlich auf Kids gerichtet. „Ich habe keine nützlichen Informationen über das Porneglyph aus P- ...dem Heart-Pirat rausbekommen.“   Locker zuckte Kid mit seinen Schultern. „Na und?“ „Dies grenzt an Befehlsverweigerung“, erklärte ich sachlich weiter. Wollte abermals zum Sprechen ansetzen, doch unterbrach er mich erneut. Ein ernster Autoritätston seine Stimme verdunkeln. „Wie lautete mein Befehl?“   Neutral und sachgemäß wiederholte ich Kids Aufgabe an mich wortwörtlich. „'Gewinne das Vertrauen des Heart-Piraten'...“, begann ich, meine kristallklare Stimme nachdenklicher und langsamer werdend. „...'und zerstöre ihn.'“   Kids Grinsen wurde breiter. „Wiederhol' den letzten Satz.“   „Und zerstöre-“ Meine Lippen konnten nicht weiter sprechen, waren nicht imstande dazu, blieben fassungslos geöffnet. Ich verstand. Verstand die Botschaft hinter Kids Worten in ihrer Gänzlichkeit. Sein raues, doch warmes Lachen nahm ich nur unbewusst wahr.   „Is' deine Leuchte endlich angegangen. Hab gedacht, wärst so'n schlaues Schlitzohr... Dass ich den Tag noch erleben darf, an dem ich deine helle Birne haushoch besieg. ...Prost!“   Zerstöre ihn... Zerstöre 'Killer'...   Ist die Entführung des Heart-Piraten nur aus diesem Grund von ihm inszeniert worden? ...Um Kira zurückzuholen?   Was hat Kid in Penguin gesehen, was meinen Augen zu jener Zeit verwehrt blieben?   „Ha! Du solltest deine Visage sehen. Dafür haben sich die elf Jahre warten gelohnt!“   Kid ist mindestens ein ebenso großes Mysterium, wie ich selbst es für andere bin...   Grinsend hielt er mir die Flasche hin. Abwesend griff ich nach ihr. Umgriff dabei jedoch seine Hand, welche das Glas nicht losließ. Tief sah er mir in die Augen, übergab mir dann die Flasche und ballte seine Hand zur lockeren Faust, welche er mir stattdessen entgegenhielt. Seine dunkle Stimme autoritär und unmissverständlich. Sein Satz die Antwort, die ich suchte.   „Du bist mein Partner, Kira.“   Keine Frage, eine Kapitänsentscheidung. Einstige Worte, die nun einen Namen trugen.   Meine Faust traf auf die Seinige.   „Aye, Captain.“           ###           „Aye, Käpt'n.“   Sprach ich in die Mini-Teleschnecke mit gefleckter Plüschmütze und kappte die Verbindung. Land in Sicht. Law informierte uns über Bepos Entdeckung und schickte uns auf unsere Posten. Bis zur Ankunft sollten wir unseren gewohnten Aufgaben nachgehen. Doch zuvor bog ich in den Gang zum Navigationsraum ein. Was ich dort wollte? Bloß eine sachliche Information einholen. In meiner Hand die schwarz-weiß gepunktete Pinguin-Feder haltend, lehnte ich mich locker gegen den Türrahmen und sprach Bepo mit desinteressierter Stimme an.   „Irgendwelche Schiffe in der Nähe?“, fragte ich unseren Navigator. Wie jeden verdammten Tag. Wie immer erhielt ich die gleiche Antwort. „Nein. Tut mir leid.“   Mit einem dankenden Nicken zog ich den Schirm meiner Kappe über meine Augen und verließ stumm seufzend den Navi-Raum. Die gepunktete Feder drehte ich unruhig zwischen meinen Fingern und steckte sie letztlich zurück in meine Overall-Brusttasche. Nahm mir stattdessen einen Schraubenschlüssel, den ich locker in meiner Hand rotieren ließ, während ich zurück zu meinem Arbeitsplatz ging, dem Maschinenraum. Ich war – neben Assistenzarzt – zudem Mechaniker und kümmerte mich um die Instandhaltung unserer Gerätschaften. Jeder Heart-Pirat übte zwei Berufungen aus, eine von ihnen im Medizinfeld.   Unser gewohnter Piratenalltag war zurückgekehrt, mit ihr die Routine. Ich hatte mein altes Leben wieder. Die Kid-Piraten waren fast vergessen... bloß fast. Materielle und geistige Erinnerungen überdauerten die Zeit.   Wenig später erreichte ich den Maschinenraum. Das Alleinsein, untermalt von den gleichbleibenden Brummgeräusche der Maschinen, verschaffte mir Ruhe. Hier war mein Rückzugsort. Der Platz, an dem ich hingehörte. Wo ich ungestört nachdenken konnte... doch nicht wollte. Sobald ich meinen Gedanken begann zuzuhören, verfluchte ich sie. Sie redeten mir Blödsinn ein.   Als ob ich jemanden vermissen würde... Pah, soweit kommt's noch!   Ablenkung war die beste Medizin. Wenn ein Heart-Pirat nicht wusste, was das optimale Medikament war, dann wusste es niemand. So schraubte ich eher lustlos an einer lockeren Sechskant-Schraube eines großen Rohrs herum, prüfte die anderen nach ihrer Richtigkeit und warf mehrere Blicke auf die Anzeigen der Motormaschinen. Das Zucken der roten Anschlagnadel verfolgte ich einige Momente mit gelangweiltem Blick. Setzte mich dann auf eines der Rohre und stützte meine Ellenbogen locker auf meine Oberschenkel, meine Hände zwischen meinen Beinen lässig herabhängend. Drei Sekunden später lüftete ich meine Kappe. Zwei weitere nahm ich sie ab und strich mir wirr durch mein kurzes Haar. Eine letzte... und ich schmiss den Schraubenschlüssel in die nächste Ecke. Wo er laut scheppernd liegen blieb.   Diese verdammte Ruhe ist nicht auszuhalten!   Knurrend sprang ich auf und lief in unruhigen Kreisen zwischen den Geräten hin und her. Ihre abgesonderte Hitze war heute noch unerträglicher. Das Oberteil meines weißen Overalls von meinen Schultern streifend, band ich mir dessen Ärmel um meine Hüfte. Egal, wie warm es war, meine Kappe behielt ich stets an.   Plötzlich wurde die Tür zum Maschinenraum mit Schwung aufgestoßen. Was mich in meiner kreisenden Bewegung anhalten ließ, ehe ich einen Giftblick Richtung des Störenfrieds warf. Die gute Laune in Person hatte mir gerade noch gefehlt.   „Huhuuu, Penguin-“ „Nenn mich nicht so!“, fauchte ich Shachi dazwischen. Der Name erinnerte mich an das, woran ich mich nicht erinnern wollte. Jedes Crew-Mitglied, das meine Kappenaufschrift laut las, tat es nur einmal. Der Schatten meines Kappenschirms war zu meiner Waffe geworden. Er verlieh meinen Augen eine ausdrucksstarke Bedrohlichkeit.   Lange konnte ich meinen besten Freund jedoch nicht wütend ansehen. Weswegen ich nun seufzend meinen Blick von seinem fragenden abwandte und meine Arme vor meiner Brust verschränkte. Leise murrte ich ihm eine Entschuldigung zu und senkte meinen Kopf. Shachi konnte nichts für meine Unausgeglichenheit. „'Tschuldige. Was gibt’s?“   Mehrere Augenblicke sah Shachi mich prüfend an. Seine Sorge um mich konnte ich selbst durch die verdunkelten Gläser seiner Sonnenbrille sehen. Dann kam er lächelnd auf mich zu. „Nichts. Ich hab dich einfach sehen wollen“, gestand er mir offen. Legte mir lachend seinen Arm um meine angespannten Schultern und hielt mir dann ein Zuckerstück vor meinen aufeinander gepressten Mund. „Iss einen Zuckerwürfel, sonst wirst du noch zum Brummbär. Einer in der Crew reicht alle Male.“   „Ich verzichte“, schob ich seine Hand weg, die den Würfel gegen meine knurrenden Lippen presste. Shachi zuckte mit seinen Schultern; „Dann eben nicht“, und steckte ihn sich selbst in seinen lächelnden Mund. Seine Stimme hellte sich auf, während sein Lächeln breiter wurde. „Ich mag dich auch, wenn du schlechte Laune hast, Peng.“   Seine überzuckerte Offenherzigkeit ist schädlich für meinen säuerlichen Säure-Haushalt.. Diabetes ist nichts gegen Shachis Honigmaul...   „Solltest du nicht im Lager sein?“, lenkte ich ab und sah seinen ertappten Gesichtsausdruck. Seine Augen schauten überall hin, nur nicht zu mir. „Eigentlich schon... Also, na ja, das war so-“   Seine phantasievollen Ausreden blieben ungehört, wurden jäh unterbrochen. Die ohrenbetäubenden Alarmsirenen. Erschallend durch das gesamte U-Boot. Orange flutete alle Räumlichkeiten. Die Deckenleuchter blinkten warnend auf. Hallo, Ablenkung! Es war das automatische Notfallsystem, das schlagartig Bewegung in die Mannschaft brachte. Die elektronische Stimme berichteten uns über die Wandlautsprecher von der Lage.   „Mehrere Beschädigungen in Sektor Acht. Rapider Wasseranstieg. Zehn Minuten verbleiben bis zur Überflutung des Sektors.“   Shachi und ich schauten uns an. Griffen uns je einen Schweißbrenner. Und rannten los.   Zeitgleich spürten wir das Beben, das unsere Rennbewegung erschwerte. Eine Außeneinwirkung musste es erzeugen. Irgendetwas griff die Polar Tang an. Auf dem schmalen Gang hörten wir die Schritte und Stimmen der anderen, die allesamt auf dem Weg zur untersten Ebene waren, wo sich der Maschinenraum befand. Shachi und ich waren somit am nächsten an Sektor Acht; Einem der Lagerräume. Dort bewahrten wir unsere Sprengladungen auf. Torpedos und andere, hochexplosive Fracht. Nun war es der gefasste Stimmklang unseres Kapitäns, der durch die Schneckensprecher ertönte.   „Bringt die Ladung ins zweite Lager und dämmt die Lecks. Bepo, leite den Turboantrieb ein.“   Ein starker Ruck ging durch die Polar Tang. Shachi und ich stießen die metallische Tür synchron mit unseren Schultern auf. Wir waren ein eingespieltes Team, bis zum letzten Muskelzucken synchronisiert.   Überall Wasser. Rauschend schoss es durch die Löcher in den Wänden ins Innere. Der Wasseranstieg so rapide, dass wir bereits bis zu unseren Knien hoch darin standen. Unsere weißen Hosenbeine waren völlig durchgeweicht. Die Gegenwirkung des nassen Elements erlahmte uns, erschwerte uns den Weg, den wir mit mühevollen Schritten durchkämpften. Immerhin blieben unsere Socken – dank der wasserfesten Stiefel – trocken.   Im Frachtlager angekommen, nahmen wir uns wortlos einen der schweren Torpedos, jeder eine Seite anpackend und ihn hochhebend. Zeitgleich stürmten weitere Männer in den flutenden Raum und taten es uns gleich. Nach und nach schafften wir im Eiltempo die explosiven Gegenstände aus dem Raum. Erst dann konnten wir damit beginnen, die Lecks zu schließen.   Mittlerweile ragte uns das Wasser bis zu unserer Brust. Die Tür wurde vorsorglich hinter Shachi und mir verschlossen, damit die gesamte Ebene nicht zu überschwemmen drohte. In absoluter Synchronisation agierten mein bester Freund und ich. Zugleich zogen wir den Sichtschutz der Schweißermaske über unsere Gesichter, ehe wir die Schweißbrenner einschalteten. Routiniert griffen wir uns jeder eine Stahlplatte, drückten sie gegen die beschädigten Wände und begannen sie dort anzuschweißen. Stichflammen glühten, Funken sprühten, Metall schmolz. Wir handelten völlig im Automatik-Modus.   Insgesamt waren es sechs Lecks. Zu unserem Glück befanden sie sich über dem ansteigenden Wasserspiegel. Andernfalls hätte das Element das Schmelzmetall brüchig werden lassen. Als wir an den letzten beiden Lecks arbeiteten, standen wir bis zu unserem Hals in Salzwasser. Shachi – der einen Kopf kleiner war, als ich – sogar fast bis zu seiner Nase, durch die er atmen musste. Rechtzeitig konnten wir unsere Arbeit beenden, womit wir den Flüssigkeitsanstieg stoppten.   Nun musste das Wasser nur noch durch einen Schlauch abgepumpt werden. Weil wir uns jedoch Unterwasser befanden, mussten wir dafür auftauchen. Den Auftauchvorgang hatte Bepo bereits mit dem Turboantrieb eingeleitet. So waren Shachi und ich vorerst hier eingesperrt. Was auch immer uns angegriffen hatte – Wir konnten ihm entkommen. Es waren wohl aggressive Meeresbewohner. Der Löcherform nach zu urteilen, vermutlich Schwertfische mit verstärkter Schnauze, die durch die Außenhülle des U-Boots stießen. Auf der Grandline hausten die seltsamsten Kreaturen. Auch diesmal gingen sie der Polar Tang am Heck vorbei.   Ein ganz normaler Tag im Leben eines Heart-Piraten...   „Und jetzt?“, blubberte mir mein bester Freund zu. Er musste sich auf Zehenspitzen stellen, um mit mir sprechen zu können und seinen Kopf über Wasser zu halten. Seufzend antwortete ich ihm; „Jetzt heißt es warten.“   „Wie langweilig...“ „Das hat Warten so an sich.“   Voller Euphorie fragte er mich; „Wie wär's mit einem Wasserkampf?“ „Nein.“ „Ein Wettschwimmen?“ „Nein.“ „Und wie wäre-?“ „Nein.“   „Menno, doofer Spielverderber...“, schmollte Shachi und sank mit seinen aufgeblasenen Backen ins Wasser. Neben ihm trieb seine Sonnenbrille, weswegen ich seinen beleidigten Blick in all seiner Trotzigkeit zu spüren bekam. Die reinste Folter... nicht. Weil ich resistent gegen seine Spaß-Erreger war und sein Ausdruck keine Wirkung erzielte, versuchte er es mit seiner Geheimwaffe: Das Ohrabkauen.   So redete er fröhlich – ohne Punkt, Komma und jegliches anderes Satzzeichen – über alles, was ihm so durch den Sinn ging; zu viel. Von seinem Frühstück, über seine patentierten Horror-Rezepte, bis zu seinen Träumen und seinen morgigen Plänen konnte ich mir alles, wirklich alles anhören. Musste traf es eher. Selbst der dicke Seitenstoff meiner Kappe konnte Shachis helles Stimmorgan nicht dämmen.   Ob ich mich selbst ertränken kann? Einen Versuch wär's wert...   „BlubbBla ...Und dann werde ich Bepo einen riesigen Fisch fangen! BlaBlubbBla ...Fünfundsiebzig. Hier sind fünfundsiebzig Schrauben in der Wand. BlaBlubb ...Oh nein, meine Zuckerwürfel sind aufgeweicht... Egal. Jetzt schwimmen wir in Zuckerwasser! Juhu~“ Eine Pause, um dem Echo seines Jubelrufs zu lauschen. Dann blickte er mich wieder in all seiner Naivität an. Ein Blick, der nichts Gutes verhieß. „Peng-Peng? Hör mal... Du bist viel grimmiger geworden, seit du mit diesem blonden Todesmäher-“   „Bin ich nicht!“, schoss meine Antwort verdächtig schnell über meine Lippen. Meinen Kappenschirm zog ich eilig über meine Augen, ihren verräterischen Wahrheitsfunken verbergend. Warum muss er ausgerechnet dieses Thema ansprechen?!   „Weißt du, ich hab euch am Strand gesehen und-“ „Hast du nicht.“ Hat er nicht... Hat er nicht... „Doch, hab ich wohel.“ Verdammt! Kann es noch schlimmer werden? „Was habt ihr da eigentlich gemacht?“ Kann es... und wie es das kann!   Shachis erwartungsvollen Augen blickten mich mit vollstem Interesse an – plötzlich völlig stumm geworden – während ich immer weiter rückwärts von ihm wegschwamm. Ich konnte meinen besten Freund nicht belügen. Schweigen war definitiv die bessere Wahl. ...Wäre Shachi nur nicht so hartnäckig.   „Sag schon, Peng. Oder vertraust du mir etwa nicht?“   Die Vertrauens-Trumpfkarte... Die hat die Flitzpiepe doch mit voller Absicht gespielt!   Ach, verflucht... Was soll's... Kappenschirm runter und durch...   Meinen Blick auf das Wasser vor mir richtend, antwortete ich zögerlich; „Wir...“ „Ihr?“ „Nun ja...“ „Ja?“ Jetzt mach's mir nicht noch schwerer!   Im Ernst: Wie halte ich das tagtäglich mit diesem Weichkeks aus? Ah, stimmt... Das nennt sich Familie...   Ein Seufzen meinerseits. Dann rückte ich mit der Sprache raus. „Keine Ahnung...“, fuhr ich mir nervös über meinen Nacken, holte Luft und zuckte dann mit meinen Schultern. „Wir haben uns bloß... geküsst“, presste ich das letzte Wort nuschelnd hervor.   „Ihr habt... WAS?!“ Erinnerung an mich selbst: In Shachis Nähe immer Marimo-Stöpsel dabeihaben...   Der Gesichtsausdruck ist's mir wert gewesen... Seine Augen sind fast Waltran-fett geworden...   „Ist doch nichts dabei“, versuchte ich das Ganze, mitsamt meiner Verlegenheit herunterzuspielen und mimte den Lässigen. Innerlich wütete ein Schwarm Stachelrochen in meiner Brust. Mein Herzschlag überschlug sich fast vor Nervosität.   Hellauf begeistert schwamm Shachi Richtung Tür. „Das muss ich sofort Bepo erzählen! Und Law-“ „Hiergeblieben!“, hielt ich ihn von hinten an seinem Overall-Kragen fest. „Das kannst du sowas von knicken!“ Wir dürfen und können hier ohnehin nicht raus...   „Shachi“, sah ich ihn nun ernst an, ihm tief in seine honigfarbenen Augen blickend. „Versprich mir, dass du es niemandem sagst.“   „Nicht mal Bepo?“ „Nein, auch nicht ihm.“ „Okay.“   So einfach?, suchte ich in seinen unschuldig leuchtenden Augen nach etwas Trügendem. Shachi log nicht. Was mich erleichtert aufatmen ließ. „Danke.“   In all seiner naiven Unschuld fragte er plötzlich mit vollstem Ernst: „Aber, Peng... bist du jetzt nicht schwanger?“ Was zum Henker, Shachi!?   Imaginär klatschte ich mir meine Handfläche gegen meine Stirn. Mein `Dein-Ernst´-Blick schwankte zwischen Fassungslosigkeit und Unglaube. Soll ich nun weinen oder lachen? Ich entschied mich für Letzteres. Ausgelassen prustend, schüttelte ich meinen Kopf, womit mir meine Kappe halb vom Kopf rutschte.   Shachi war ein Spezialist in der Krankenpflege. Er kannte sich mit allen pflegerischen Tätigkeiten bestens aus. Von Gynäkologie und Urologie hatte er jedoch nicht den blassesten Schimmer. Laws Spezialgebiet war die innere Medizin, mitsamt Chirurgie. Mein Fachgebiet; Die Allgemeinmedizin. Zwischen zwei lachenden Atemzügen legte ich meine flache Hand auf seine Ballonmütze und sagte dann in grinsender Zweideutigkeit: „Du hast von tuten und blasen echt keine Ahnung.“ „Hey, ich kann Mundharmonika spielen!“   Ja, das kannst du... Wie stolz er darauf ist...   Shachis Treuherzigkeit ließ mich zum ersten Mal seit Tagen sorglos lachen. Meine schlechte Laune wurde durch seine gute deutlich besser. Wir glichen uns stets aus. Unser bescheuertes Gespräch hatte mich allen Ernstes aufgeheitert. Hat er die dämliche Frage etwa absichtlich gestellt? Für manche mochte Shachi eine naiver Plagegeist sein... für mich ist und bleibt er mein Bruder. Seine Liebe war die reinste, die ich jemals erfahren hatte. Sie galt ganz allein seiner Familie und seinen Freunden. Shachis Empathievermögen war ausgeprägter, als bei jedem anderen Piraten – Er verkörperte einen wahren Heart-Piraten. Mein Grinsen wurde breiter, als ich auf das Jolly Roger-Symbol seiner linken Brustseite sah. Wir trugen unsere weißen Overalls mit vollstem Stolz.   Neugierig, wie Shachi nun mal war, fragte er; „Und was ist danach am Strand passiert?“ „Nichts.“ „Wie 'nichts'? Ich will wissen, wie's weitergeht!“ „Wir sind wortlos zu unseren Schiffen zurück und getrennte Routen gefahren- Warum erzähl ich dir das, du warst dabei, du Depp!“ „Stimmt, hehe...“   Wenige Zeit später durchbrach die Polar Tang die Wasseroberfläche. Kurz darauf öffnete sich die Tür, womit Shachi und ich den Raum verlassen konnten. Während die anderen sich um das Abpumpen der Überflutung kümmerten, begaben wir uns zum Deck. Die Sonne stand hoch. Das Gebiet von tropisch-heißen Temperaturen erfüllt, sollten unsere nassen Kleider binnen einer Stunde trocken sein. Eine Dusche – wegen dem kratzenden Salz auf unserer Haut – war dennoch nicht umgehbar. Wie immer war Bepo einer der Ersten an Deck. Durch sein dickes Fell schwitzte er schneller in dem viel zu warmen U-Boot. Jedes Auftauchen war für ihn eine Erlösung.   Doch nicht heute. Heute war seine Stimmung nicht aufhellbar. Auf der Polar Tang war alles beim Alten. Kaum etwas hatte sich in meiner Abwesenheit verändert. Außer eines; Ein Mink mit Liebeskummer. Bepos neuestes Hobby war der Jammergesang über sich selbst, den wir uns seit Tagen anhören mussten.   Kaum eine Veränderung, wie ich schon sagte...   Bepo, Shachi und ich standen am unteren Deck des U-Boots, weit abseits von den anderen. Unser kurzer Not-Stopp hatte uns zu einer kleinen Tropeninsel geführt. Auch heute brummte Bepo unverständliche Jammertiraden vor sich hin und lief unruhig auf dem Deck auf und ab. Damit machte er nicht nur sich selbst nervös, sondern die gesamte Crew. Die Stimmung litt merkbar unter unserem Brummbären. Mit heruntergezogenem Kappenschirm beobachtete ich ihn und stützte mich seufzend auf der Reling ab. Das Trauerspiel war echt nicht mehr mitanzusehen.   Was ist bloß los mit ihm? Wie können wir ihm nur helfen-?   Plötzlich blieb Bepo abrupt stehen. Seine dunkle Bärennase zuckte kurz. Dabei stellten sich seine weißen Ohren auf, ehe er seinen Kopf langsam zum Horizont drehte. Wie eine Salzsäule gefror er in seiner Position und starrte gar entsetzt über die Reling zur Waldinsel. Übernervös funkelten seine onyxfarbenen Knopfaugen, hin und her gerissen zwischen tierischer Angst und animalischer Innigkeit. Einen Spalt weit stand seine Schnauze offen, kein Jammerwort mehr hervorbringend. Hinter seinem weißen Fell erschien ein leichter Rotschimmer auf seinen Wangen. Shachi und ich warfen uns einen fragenden Blick zu, bevor wir an Bepos Rücken vorbei zur Insel schauten. Und synchron grinsten.   „Oho~“, pfiff Shachi summend, während ich meine Arme lässig vor meiner Brust verschränkte und Bepo wissend angrinste. „Das ist sie also... deine Bärenfrau.“   Ohne Scherz; Bepo hatte soeben seine Auserwählte erkoren. Ein Wunder ist geschehen! Dass wir das nochmal erleben!   Eine Pandabärin. Die Dame hatte uns längst entdeckt, saß am Ufer und schaute mit einem Bambusstock im Maul interessiert zu uns rüber. Shachi beugte sich flüsternd zu Bepos linkem Ohr. „Hey, sie sieht her.“   Geräuschvoll klappte Bepos Schnauze zu, bevor er sich mit seinen Tatzen seine Knopfaugen zuhielt. Als dürfte er seine Auserwählte nicht ansehen, als wäre er ihrer nicht würdig. Lächelnd legte Shachi seinen Arm um Bepos Schultern.   „Schnapp sie dir, Grizzly!“, feuerte er ihn ermutigend an. Locker legte ich meine Hand auf Bepos Schulter, meine sanfte Stimme Aufmunterung und Zuspruch tragend. „Du schaffst das. Wir glauben an dich.“   Vehement schüttelte Bepo seinen Kopf, ließ seine Ohren schlapp hängen und schaute zwischen seinen weißen Tatzen schüchtern zu ihr. Fragend legte die Pandabärin ihren Kopf schief und kaute ruhig weiter auf ihrem Bambusstock, den sie in ihrer schwarzen Pfote hielt. Langsam nahm sie den Stock aus ihrer Schnauze, ihre schwarzen Lefzen nach oben ziehend, und hielt den Bambus nach vorne. Als würde sie ihn Bepo anbieten wollen.   Shachis Lächeln wurde breiter. „Trau dich. Geh zu ihr“, lächelte er ihm aufbauend zu. „Keine Panik, wir sind bei dir. Auf uns kannst du zählen!“   Grinsend zog ich den Schirm meiner Kappe herunter. „In dir schlägt der Jolly Roger der Heart-Piraten, Bepo“, sprach Stolz aus meiner Stimme. Mit einem Auge hinter meinem schräg-liegenden Kappenschirm funkelte ich ihn in Verbundenheit an. „Wer, wenn nicht du, kann ihr Herz erobern?“   „I-Ich“, zitterte Bepos brummige Stimme, „meine Hinterpfoten wollen sich nicht bewegen...“   Mein Grinsen wurde verwegen. „Wenn das so ist...“ Schauten Shachi und ich uns wissend an, nickten uns hinter Bepos Rücken zu und sprachen synchron; „...werden wir dir liebend gern helfen.“   Zeitgleich gingen wir langsam in die Hocke, nahmen eine gespiegelte Karate-Haltung ein... „Dafür sind Freunde schließlich da!“ ...Und kickten Bepo mit einem liebevollen Doppel-Karate-Tritt über die Reling.   Mit einem abklatschenden High-Five schlugen Shachi und ich ein. Hinter uns ein lautes Platschen, mitsamt aufsteigender Wasserfontäne und Bepos ersticktem Japsen hörbar. Als er unter der Oberfläche auftauchte, schüttelte er kurz das nasse Fell seines Kopfes und blickte unsicher zu uns rauf. Seine unausgesprochene Frage beantworteten wir mit einem; „Natürlich stehen wir dir zur Seite!“   Noch während unseres Rufens sprangen wir ihm nach, hielten dabei grinsend unsere Mützen fest und landeten je links und rechts neben ihm im lauwarmen Meer. Zu dritt lächelten wir uns an. Angespornt durch unseren Beistand, fand Bepo endlich den Mut, dem Ruf seines Herzens zu folgen. Seine onyxfarbenen Knopfaugen leuchteten in Tapferkeit und Selbstbewusstsein, ehe er los schwamm, zielsicher Richtung Waldufer. Wie ein Torpedo schoss er auf seine Angebetete zu, sodass wir kaum mit ihm mithalten konnten.   Als drittes und viertes Segel am Schiff, blieben wir abseits. Feuerten ihn stumm vom Uferrand aus an und beobachten ihn von einer günstigen Position, hinter zwei Büschen. Unsere Daumen blieben für unseren Nakama gedrückt.   Klitschnass, sein Fell und Overall völlig durchnässt, stieg Bepo aus dem Meer ans Ufer, wo die Pandabärin saß. Kurz schüttelte er sich – Wasser und Nervosität gleichermaßen abschüttelnd – bevor er mutig zu ihr tapste. Selbstsicher stand er vor ihr, strich sich das feuchte Fell seines Kopfes mit seiner Pfote nach hinten und sah ihr mit dem Onyx-Funke der Entschlossenheit in ihre obsidianfarbenen Augen. Dann begann er zu sprechen, in einer tief-grollenden Bärenstimme, die überhaupt nicht zu ihm passte. Er ging in die Vollen, mimte den vorbildlichen Gentlebär.   „Bepo“, stellte er sich knapp vor, verbeugte sich vor ihr und nahm ihre schmalere Tatze in die hellere Seine. Kavaliersmäßig hauchte er einen Luftkuss auf ihren Pfotenrücken und brachte sie damit in geschmeichelte Verlegenheit. Es läuft gut... zu gut...   Als er zu ihrem Gesicht aufsah, fiel sein Blick auf ihre schwarzen Ohren – seine absolute Schwäche. Das war der Moment, in dem seine innere Unruhe gewann. In dem alles schief ging. Seine Stimme begann zu zittern, wie er selbst, sein Stimmton schwankend zwischen höchstem Piepsen und tiefstem Grollen. Aus seiner Schnauze sprudelten alle möglichen Worte, die keinen Zusammenhang besaßen.   „N-Niedlich. Du niedlich. Ohren flauschig. Entschuldigung! Ich Bepo. Ich Bepo“, hatte er einen Hänger, wiederholte seinen Namen in Dauerschleife, bis er bloß noch unverständliches Kaudawels hervorbrachte. Seine Wangen wurden mit jedem Wort röter. Plötzlich ergriff ihn die Panik. Geschockt ließ er ihre gehaltene Tatze los und drehte sich blitzschnell um. Eilends sprang er kopfüber ins Meer zurück. Was tut er?!   Ein Wellenschlag später hopste er wieder ans Ufer. Auf allen Vieren und mit gesenktem Kopf reumütig zu ihr laufend. In seiner Schnauze einen großen Fisch tragend, den er vor ihre Füße legte.   „Fisch!“, zeigte er auf seinen Fang und anschließend auf sie. „Du Fisch. F-Für dich.“ Hat er sie gerade 'Fisch' genannt?   Was er dann sagte, in aller Ernsthaftigkeit, ließ Shachi und meine Kinnlade zu Boden segeln.   „Paare dich mit mir!“ Doch damit nicht genug, musste die Fusselstrippe noch eins drauf setzen. „Die Namen unserer fünfzig Junges werden...“ Er zählte ihre Namen auf. Jeden einzelnen. Fremdscham war eine maßlose Untertreibung.   Nach Bepos Flusenflut herrschte Stille. Absolute Stille. Zu dritt hielten wir den Atem an. Angespannt auf die Reaktion der Pandabärin wartend. Kein einziges Mal hatte sie ihren Blick von Bepo abgewendet, keine einzige Regung gezeigt. Bis jetzt.   Ein weibliches Bärengrollen hallte über die Insel. Ich konnte kein Bärisch, deutete die höher werdende Stimmlage jedoch als gutes Zeichen, gar als einen Freudenruf. Euphorisch stach sie den Fisch auf ihren Bambusstock und fraß ihn glücklich. Bepo indessen kratzte sich verdutzt an seinem Hinterkopf.   „Oh...“, brachte er sinnreich hervor, „du sprichst ja gar keine Menschensprache.“   Womit ihr die fusselnde Tragödie erspart geblieben ist... Hey, das heißt; Er hat immer noch eine Chance!   Daraufhin unterhielten sich die beiden in tierischen Worten. Bepo in seiner Muttersprache reden zu hören war echt seltsam. Aber zeitgleich erinnerte es uns daran, dass er nur für uns die menschliche Sprache erlernt hatte. Um Freunde zu finden. Freundschaft kannte immer eine Route.   Zwischen all den Groll-Lauten erkannten wir nur ein einziges Wort, welches die Bärin mit lächelnden Lefzen aussprach. Es lautete; 'Bepo'   Irgendwann beschlossen wir, die beiden allein zu lassen. Shachi und ich kehrten zur Polar Tang zurück, einen letzten Blick auf das Bärenpaar werfend, welches ihre Schnauzen sanft aneinander rieb. Ist das eine Begrüßung? Eine freundschaftliche Geste? Oder... mehr? Wenig später knabberten sie beide an je einem Ende des Bambusstocks. Wie Fussel und Struppi...   Selbst Law hatte sich irgendwann zu uns an die Reling gesellt. Seine tätowierten Arme auf ihr abgestützt, ein leichtes Schmunzeln umspielte seine Lippen. Eigentlich hätten wir längst wieder ablegen müssen. Eigentlich. Unser Käpt'n war die Pünktlichkeit in Person. Verzögerungen standen auf seiner schwarzen Liste der hundert unannehmbaren Dinge. Gefolgt von seiner grauen Liste der unzumutbaren. Und allen anderen dunklen Farben, die je eine eigene Liste umfassten.   Doch heute machte er eine Ausnahme. Er würde Bepo später zu jeder Einzelheit ausfragen. Laws Beschützerinstinkt gegenüber seiner Crew ist verdammt unheimlich und grenzt an extremes Stalking...   Na ja... Der Wille zählt...   „Gute Arbeit“, lobte er uns plötzlich für unsere Reparaturarbeit. Was Shachi und mich verdammt stolz machte. Ein Lob von unserem Käpt'n war eine Seltenheit. Meist nickte er lediglich anerkennend – Die Worte zu hören, brachte uns in leichte Verlegenheit. Weswegen Shachi und ich unsere Mützen herunterzogen und peinlich berührt lachten. Breiter hätten wir nicht vor uns hin grinsen können. Ohne weitere Worte ging Law schweigend ins Schiffsinnere. Shachi und ich sahen ihm perplex nach.   Ist er etwa nur um uns das zu sagen hierher gekommen? Blödsinn... oder?   Als Bepo später wiederkam, trug er ein verträumtes Grinsen auf seinen Lefzen, als hätte er einen Jahresvorrat Edelfisch erbeutet. Bepo schwieg abwesend, gedanklich im Glücksbärenland. Langsam tauchte die Polar Tang ab. Bepo leicht betrübt werdend. Was sich schnell änderte. Über das Meer schallte ein inbrünstiges Pandarufen. Im Abschied, der nicht für immer währen sollte.   Neugierig fragte Shachi; „Was hat sie gesagt?“ Bepo lächelte wissend. Hüllte sich in Schweigen. Sein funkelnder Blick ins Nichts und Alles gerichtet. Erst nach mehreren Minuten fand er ins Hier und jetzt zurück.   „'Sie' hat einen Namen. Sie heißt Mimi“, erzählte er stolz und übersetzte dann ihre Worte für uns; „'Ich werde auf dich warten, bis die Gezeiten dich mir wiederbringen.'“ Ein tiefer Rotton umschmeichelte Bepos Wangen, als er in einer leiseren Stimmlage peinlich berührt zu Ende sprach. „...'Mein Bärchen.'“   Das hätte er uns nun wirklich nicht übersetzen müssen...   Shachi fragte ihn überschwänglich weiter aus, während ich grinsend meinen Kappenschirm herunterzog und mich zurück auf meinen Posten begab. Beim Gehen hörte ich noch einen Teil ihres Gesprächs mit, Bepos Stimme immer leiser werdend, bis die zufallende Tür sie vollends abdämmte.   Wenn ein Heart glücklich ist, sind es alle... Unsere Herzen schlagen im Einklang...   Mein Herz gefror. Mit ihm das Blut in meinen Adern und ich selbst. Zu meiner Überraschung – Schock traf es eher – begegnete ich Law, der im Maschinenraum auf mich wartete. Das tat er noch nie. Etwas stimmte hier ganz und gar nicht. Mein Nervosität-Pegel schoss sofort über die Werte-Skala. W-Was hab ich angestellt?! Oh nein, ist es wegen dem einen Mal vor einer Woche, als-   „Peng-ya“, klang seine autoritäre Stimme ernst. Viel zu ernst. Mir lief kalter Schweiß den Rücken herunter, als ich meine Kappe abnahm und meinen Käpt'n ansah. Seine silbernen Augen schnitten sich in die meinen. Piepsend brachte ich ein; „Ja?“, hervor.   Sekunden, die sich wie Tage anfühlten verstrichen. Bis Laws Augenlicht kurz aufblitzte. Ohne seinen Blick von meinem zu lassen, drückte er mir wortlos etwas in meine Hand. Weswegen ich den Blickkontakt brach, um auf die Schriftrolle zu sehen. Ich erkannte sie sofort.   „Ist das etwa-?“ „In der Tat.“   Geschockt sah ich ihn an. Dass er mir etwas von solcher Wichtigkeit anvertraute, konnte ich in Verblüffung nicht begreifen. Laws Blick blieb nüchtern und sachlich.   „Als mein Vize weißt du, was du zu tun hast.“   Ich nickte abwesend, während er bereits zum Gehen ansetzen wollte. Doch hielt ich ihn mit meiner Stimme auf. Nun war der richtige Zeitpunkt um ihn zu fragen. Auch, wenn ich damit das Thema komplett wechselte.   „Wie hast du es gemacht?“ Dass meine Frage zu undeutlich formuliert war, merkte ich an seiner hochgezogenen Augenbraue. Also versuchte ich es erneut, deutlicher. „Meine Gedächtnisstörung. Wie hast du mir meine Erinnerungen wiedergeben können?“   Law hüllte sich in Schweigen. Ein wissendes Schmunzeln tragend. Gespannt wartete ich auf seine Antwort und fügte noch einen Gedankengang hinzu; „Es war nicht dein Shambles...“   „Mitnichten“, wurde sein Schmunzeln gerissen, „sondern ein Counter-Shock.“   „Wie meinen?“, stand ich auf dem Schlauch, sodass Law ausführlicher erklärte. „Ein winziger Strom-Impuls, mit dem ich die Synapsen deiner Großhirnrinde reaktiviert habe.“   Die Großhirnrinde ist für die Speicherung des Langzeitgedächtnis' verantwortlich... Die Erkenntnis traf mich, wie ein Eimer Eiswasser. E-Er hat in meinem Kopf herum gedoktort?!   Laws Schmunzeln, als er tonlos ging, war der Inbegriff von unheimlich. Auch, wenn er genau wusste, was er tat; Der Gedanke, dass er mit seinen Teufelskräften selbst das menschliche Gehirn manipulieren konnte, war verdammt furchteinflößend.   Mein Käpt'n ist immer noch gruselig... Ist wohl wirklich alles beim Alten geblieben...   Langsam sank die Polar Tang in die Tiefen des Meeres. Tiefer, immer tiefer...           ###           „Tiefer!“, befahl Kid. „Versenkt ihn tiefer!“   Hinter meiner Maske schmunzelte ich amüsiert, mit Kids dreckigem Grinsen konkurrierend. Als beste Freunde teilten wir den gleichen Humor. Die Obszönität seiner Wortwahl sehr wohl von ihm beabsichtigt. Heat wischte sich grob den Schweiß von seiner Stirn und schnaufte.   „Tiefer geht’s nich, Boss. Sie is knochentrocken“, pustete er sich eine Rastalocke aus seinem fahlen Gesicht und knotete anschließend seine hellblauen Haare zu einem Rasta-Dutt. Nachdenklich verzog er seine Mimik. Wenn Heat nachdachte, rauchte sein Kopf – wortwörtlich. Aus seinen Ohren stiegen unlesbare Rauchzeichen in Form blass-grauer Wolken. Bis er seine vernähten Lippen zu einem unheildrohenden Grinsen verformte. Zeitgleich zog er seine weinrote Ballonhose herunter.   „Man, hab ich 'nen Mordsdruck“, nahm Heat sein schlaffes Untotem zur Hand, „ich werd se mit 'nem heißen Strahl befeuchten!“   Ehe er sich auf der trockenen Erde erleichtern konnte, rammte Wire seinen Spaten zwischen Heats Stiefel, sein untotestes Stück nur knapp verfehlend. Fauchend zischte Wire ihm zu, sein hohes Fauchen ähnelte dem einer Fledermaus.   „Wage es dich nicht, deine Klöten von Nodreck Damn unter meinen zarten Augen zu entblößen!“, war Heats Hose schneller wieder oben, als sich seine Weichteile zusammenziehen konnten. Sein bester Freund seufzte, prüfte in seinem Handspiegel sein Gesicht auf von ihm gefürchtete Sorgenfalten und atmete erleichtert auf. Folglich warf Wire seinen langen Umhang in einer arroganten Bewegung nach hinten, griff an seinen Ring-Gürtel und zückte eine seiner selbstgebrauten Tinkturen. „Bevor ich in deinem Natursekt herumstochere, opfere ich lieber eine meiner kostbaren Kreationen.“   Wire war ein Sprengstoffexperte und selbsternannter 'Naturhexer'. Sein fragwürdiges Gebräu stellte er in seiner Druidenküche her, welche direkt an Heats Reich – die Schnapsbrennerei – angrenzte. Auf der Adventure Galley munkelte man, dass des Nachts ein schaudererregendes Hexenlachen von besagter 'Küche' durch die verlassenen Schiffsflure hallte. Seemannsgarn. Zu meinem Vorteil; ruhigere Nächte und ungestörte Nachtwachen.   Mit einem angedeuteten Luftkuss verabschiedete sich Wire von seiner 'Kreation' – Heat nannte sie 'Clare', weil die Flasche eine 'klare' Flüssigkeit beinhaltete – ehe der Hexer das bauchige Glas geräuschvoll auf den Boden schmetterte. Ein wahrlich fürsorglicher Schöpfer... Das flüssige Gebräu verteilte sich weitflächig über die Erde, zischte und dampfte, indessen es ins Erdreich einsickerte. Womit die harte Oberfläche binnen eines Augenblicks vollends aufgelockert war und wir unsere Suche fortsetzen konnten.   Eine Schatzsuche genau genommen. Seit einer Stunde grub die Mannschaft mit Spaten um – Klischee ließ grüßen – die mit X-markierte Stelle. Außer meiner Wenigkeit, der einen Wachposten in der höchsten Baumkrone bezogen hatte. Sogar der Captain höchstpersönlich beteiligte sich an der körperlichen Arbeit, gänzlich ohne Hilfe seiner Teufelskräfte. Kid war gewiss als Tyrann verrufen, doch stand er mit Tat, Stolz und Leben hinter seinen Männern.   „Schneller!“, trieb er seine Mannschaft wieder voran, ihnen neue Motivation auf seine spezielle Art gebend. „Zeigt der fucking Grandline das männliche Stoßtempo eines waschechten Kid-Piraten!“   Sein Blick schnellte zu mir, der ich bequem im Schneidersitz den Wind von hier oben genoss, der leise durch meine Maskenlöcher pfiff.   „Hör auf zu grinsen, Killer!“, zogen sich meine Mundwinkel weiter auseinander, indessen ich in lautloser Schadenfreude auflachte. „Und schaukel deine Eier gefälligst leise!“   Es war in der Tat äußerst beeindruckend, wie exakt Kid meine maskierte Mimik deuten konnte. Ich saß mit dem Rücken zu ihm. Er stand mit selbigem Körperwinkel mehrere Meter hinter mir und dem Baum. Auch ich wusste seinen Gesichtsausdruck zu deuten. Trotz der Lautstärke seiner kraftvollen Stimme trugen seine Lippen ein belustigtes Grinsen. Weil es ihm Spaß bereitete, seine Muskeln zu trainieren und dabei der Welt seinen freien Oberkörper zu präsentieren.   „B-Boss?“, bebte Heats dünne Stimme. Seine Gesichtszüge zusammenkneifend, indessen er sein Gewicht tänzelnd von einem Bein auf das andere verlagerte. „I-Ich muss echt schiffen...“   Kid zog eine seiner haarlosen Augenbrauen in die Höhe. „Was soll ich mit der Info? Brauchst'e jetzt schon 'ne scheiß Erlaubnis zum Pissen?! Schieb' deinen fauligen Arsch ins Gebüsch!“   „D-Danke, Boss!“, zischte Heat schneller ab, als Kid ihm einen Befehl nachrufen konnte. „Und besorg' uns was zum Beißen, bevor der Nudel-Nudist wieder mit seiner Pasta ankommt!“   „Dies habe ich gehört“, hauchte ich seufzend in meine Maske.   „Solltest'e auch! Wenn mann jeden verfickten Tag bloß Nudeln sieht, wird selbst der geilste Kerl schwul!“   Ich schmunzelte – Er grinste. Gespräch beendet, Informationen ausgetauscht. Ein versteckter Code der Freundschaft. Eine Sprache, welche nur Kid und ich verstanden.   Kid und der Lebendenschänder Trafalgar Law? Nun, ich bin mir nicht gewiss, wen von beiden ich mehr bedauern soll... meine Schadenfreude ist beidseitig amüsierend...   Trotz dessen... Ich habe nie daran gezweifelt, dass Kid sein Vorhaben verwirklicht..., fand ein Ausdruck der Anerkennung auf meine Lippen, beinahe als 'lächelnd' beschreibbar. Zur Antwort hob ich schweigend meine Hand, Kid noch immer den Rücken gekehrt, ehe meine Finger ihm eine Teufelsgabel zeigten. 'Glückwunsch'...   Doch wären wir nicht Kid-Piraten Vize und Kapitän, wenn wir die unpassend emotionale Stimmung nicht zu zerstören wussten.   „Nichts gegen Pasta.“ „Nichts, was bei dir noch hilft!“   Unser Umgang miteinander hatte sich verändert. Seit wann, war ungewiss. Niemand störte sich daran, noch konnte ich behaupten, dass die Veränderung negativer Natur war. Beinahe fühlte es sich an, als wenn sich unser freundschaftlicher Bund noch weiter gefestigt hätte. Welch vernunftwidriger Gedanke... Unmerklich zuckte ich mit meinen Schultern. Nicht alles war mit Vernunft erklärbar.   Stumm beobachtete ich den Horizont. Ließ meine versteckten Augen aufmerksam durch die Wälder streifen, prägte mir dessen Beschaffenheit detailliert ein und achtete auf jedwede Bewegung. Die vom Wind bewegte Natur, schwebende Blätter, den Flug der Pollen, das Wanken der raschelnden Gräser. Nichts blieb meinem Blick verborgen. Für Außenstehende wirkte dies möglichenfalls als eine triste und schlichte Aufgabe. Ein Irrtum. Kid vertraute nicht umsonst meiner Wenigkeit diesen Posten an. Es war eine Verantwortung, die er einzig mir übertrug. Zurzeit hielten wir uns in feindlichem Gebiet auf. Eine Insel unter der Überwachung der Regierung. Dieses Territorium gehörte einem der vier Kaiser; Kaido höchstpersönlich.   Die Schatzsuche war nicht Kids höchste Priorität; Viel mehr wollte er dem Kaiser – Zitat Kid – 'ans Bein pissen.' Schmunzelnd erinnerte ich mich an unsere Ankunft hier. Wir begegneten den Wachen, die hier stationiert waren. Kid begrüßte sie mit seinem dreckigsten Grinsen. Und seiner Faust. „Ups. Meine Hand ist ausgerutscht“, waren seine Worte, als er sie K.O. schlug. Er tötete sie nicht. Nicht direkt zumindest. Es waren Zeugen, die beseitigt werden mussten. Das Meer übernahm für uns die Arbeit. Seebestattungen von Smilefruchtnutzern, gänzlich ohne Zementgewichte.   Karma ist eine rachsüchtige Hure. Welche Auswirkungen unser Besuch in Kaidos Revier haben würde, sollten wir erst in später Zukunft herausfinden. Dies war eine andere Geschichte, welche noch ungeschrieben war. Im Piratenleben zählte stets das Jetzt. Ob es ein Morgen geben würde, war nie gewiss. Ein Kid-Pirat ließ die Nächte zum Tag werden und feierte in den Morgen des Ungewissen. Wir würden das Ende mit erhobenem Rum begrüßen.   In der Ferne sah ich Heat aus den Wäldern auftauchen, seine Jagd von Erfolg gekrönt. Auf seinen vernähten Lippen ein dickes Grinsen, unter seinen Armen zwei Wildschweine tragend. Und so haben sich meine Pasta in Dampfnudeln aufgelöst...   Nachdem ich mich versicherte, dass keine Gefahren im Umkreis sichtbar waren, sprang ich gekonnt von der Baumkrone. Die Ferne weiterhin in einem Auge behaltend, fing ich Heat ab und übernahm die Zubereitung des Mittagessens, indes er sich um das Lagerfeuer kümmerte. Im Filetieren war ich ein Spezialist. Meine Klingensammlung umfasste nicht grundlos hochwertige Filetiermesser. Im Abgrunde könnte man meine Sichelklingen ebenfalls als solche bezeichnen...   Die Zeit verstrich, jeder ging seiner Aufgabe nach. Irgendwann saßen wir alle um das aufgebaute Lagerfeuer, um welches auf Stöcken das zubereitete Fleisch spießte. Neben Kid die Schatztruhe stehend, der triumphierende Ausdruck nicht von seinen Gesichtszügen weichend.   „Hergehört, Männer!“, begann er seine Ansprache, wie für andere das Gebet vorm Essen. Dabei seine Stiefel geräuschvoll auf die Holzkiste stellend. „Ihr wisst, wie's läuft; Die Beute wird gerecht geteilt, bis zum letzten Berry.“   Heißt; Alles für ihn, eine Goldmünze für jeden uns... Eine Bande von Zockern benötigt nicht mehr, um daraus ein Vermögen zu machen...   „Aye, aye!“, erklang es grölend im Chor. Ein jeder hob seinen Krug, folglich den Fleischspießen, ehe sie ihre Zähne darin versengten. Wer benötigt Konversationen? Schmatzen und Grunzen ist unsere Form eines tiefgründigen Dialogs...   Ruhig nahm ich mir meinen provisorischen Essensteller, auf welchem das Fleisch in winzige Stücke filetiert war. Langsam führte ich eines der Filetstücke zu den Löchern meiner Maske... Bemerkte dann die plötzliche Stille der verstörten Blicke, die mir zugeworfen wurden. Und schmunzelte.   „Was?“, fragte ich amüsiert. „Noch nie einen hungrigen Piraten essen gesehen?“   Kid lachte rau auf, indessen die restlichen Männer die Welt nicht mehr verstanden. Sie rechneten fest mit dem nahenden Weltuntergang. Weil ich ein Stück Fleisch aß.   'Ich aß nicht. Nicht mit ihnen.' Nun... irren ist menschlich, nicht wahr?           ###           „Du benötigst Koitus, Peng-ya.“   Trocken, nüchtern, absolut sachlich, sprach Law diese Worte zu mir. Wie eine klare Diagnose. Ich brauche- ...WAS?!, realisierte ich die Bedeutung eine Sekunde später und schaute ihn mit geweiteten Augen an. Das hat er nicht ernsthaft gesagt!? Stille. Doch hat er...   Bepo döste zufrieden an Deck, leise Brummgeräusche und Entschuldigungen im Schlaf murmelnd. Gegen ihn unser Käpt'n gelehnt, der mir einen flüchtigen Blick hinter seiner Mützenkrempe zuwarf. Oberkörperfrei sonnte er sich in der grellen Mittagssonne, seine charakteristischen Tattoos stachen einem deutlich ins Auge.   „Heute Abend erreichen wir die Insel“, wechselte er gekonnt das Thema. Als wenn er mir nicht vor die Kappe geknallt hätte, dass ich sexuell frustriert wäre. Pah, als ob! Law schloss seine schmunzelnden Augen, als er weitersprach. „Ihr seid bis morgen Früh, Punkt sechs Uhr von jedweden Pflichten befreit. Pünktlich zu Sonnenaufgang ist jeder wieder an Bord, ohne Ausnahme. Die Anwesenheit zur Routineuntersuchung ist Pflicht. Abwesenheit wird nicht geduldet und hart bestraft.“   'Hart bestraft'. Jean Bart saß heute noch in der Schatzkammer, die er bewachen sollte. Der Riese passte kaum in den Raum, schaute durch eine winzige Boden-Netzluke heraus. Und hatte mir den Schreck meines Lebens eingejagt, als ich seine 'Riesen'-Augen zwischen meinen Stiefeln gesehen habe. Bestes erstes Kennenlernen. Das Seltsame an der makabren Situation; Die Strafzeit war längst vorbei. Unser neuestes Mitglied blieb freiwillig dort, schien sich wohl zu fühlen und war vollends zufrieden mit seiner anvertrauten Aufgabe.   Wie hieß es noch gleich laut Gerüchten; Nur die Irrsten waren irre genug um der Crew des Todeschirurgen beizutreten. Wir waren besonders und stolz drauf. Stolz auf unsere einzigartige Familie.   „Law ist der Beste!“ Shachi jubelte laut auf, während ich mich schweigend über den Landgang freute. Immer noch angesäuert wegen seines unnötigen Kommentars. Das hätte er sich echt sparen können...   Einen halben Tag Urlaub. Für Laws Verhältnisse war das mehr, als ein Heart-Pirat sich wünschen konnte. Als Mannschaft eines Workaholic waren Urlaubsstunden eine Rarität. Uns störte es wenig, unsere Berufung war unsere Lebensaufgabe. Was nicht hieß, dass wir jemals nein zu Urlaub sagten. Wir würden jeden Moment davon auskosten. Auch die anderen Heart-Piraten bekamen freie Stunden zugesprochen, doch wir waren die Einzigen, die nicht auf Rückruf bereit stehen mussten – als Belohnung für die Abdichtungsarbeit. Unsere Mini-Teleschnecken trugen wir trotzdem immer bei uns. Auf der Grandline konnte man nie vorsichtig genug sein.   So fieberte die Crew der Ankunft auf besagter Urlaubsinsel entgegen. Der Mittag verstrich quälend langsam. Als wir endlich unser Ziel erreichten, war die Unruhe zwischen den Reihen auf ihrem Höhepunkt. Nichts konnte unsere Launen senken, niemand uns aufhalten, nichts unseren Urlaub vermiesen.   Was soll schon passieren? Oh, wie ich mein Unglück doch verfluche...     --     Shachi und ich saßen in einer heruntergekommenen Bar, an einem der hintersten Tische. Abgenutzte Möbel, schimmelnde Wände und das schäbigste Gesöff gab es hier. Wer Grog kannte, wollte ihn nicht kennen. Es war die billigste Variante von Rum; verdünnt mit achtzig Prozent heißem Wasser und viel zu viel Zucker. Eklig...   Nach einer langen Diskussion mit dem ungewaschenen Barkeeper und genug Berry als Überzeugungsargument mischte er mir einen Whiskey-Grog mit wenig Zucker. Shachi bekam Tequila-Grog – ein Tropfen Tequila, der Rest heißes Zuckerwasser. Das Schlechte an Grog: Der widerliche Geschmack. Das Gute: Der Zucker haut einem den Alkohol durch die Blutbahnen. Deswegen trank ich meinen Krug in kleineren Schlucken, während Shachi sich seine Zunge zweimal am Heißgetränk verbrannte und dann wie ein Wilder pustete, um seine tägliche Dosis Zucker zu verschlingen.   Ein Wunder, dass er noch nicht auf die Idee gekommen ist, noch mehr Zuckerwürfel in seinen Krug zu- Er ist drauf gekommen...   Angewidert verzog ich mein Gesicht, als mein bester Freund fröhlich pfeifend die überzuckerte Masse mit seinem Zeigefinger umrührte, den er dann summend in seinen Mund steckte um von seiner Kreation zu probieren. Selbst er rümpfte seine Nase, doch ließ er sich sonst nichts anmerken und trank seine Mischung lächelnd. „Nächstes Mal wird’s besser schmecken!“ Shachi war der Optimist von uns beiden, ich der Pessimist. Wie diese Gegensätze über all die Jahre harmonieren konnten, wusste niemand.   Grinsend setzte ich den hölzernen Krug an meinen Lippen an. „Vergiss nicht, dass Morgen Laws Routineuntersuchung ist... Willst du dir wieder einen acht stündigen Vortrag über Blutzucker anhören?“ Shachis Lächeln fiel mit jedem meiner Worte weiter, übergehend in ein nervöses Mundwinkelzucken. „Bloß nicht. Laws gleichbleibende Stimmlage ist total einschläfernd... Seine Weckmethoden sind so gemein.“   Unser Käpt'n meinte es nur gut mit uns. Zu gut. Akribisch achtete er auf unsere Gesundheitswerte und prüfte jede Abweichung mehrmals. Auf sich selbst – und seinen erhöhten Koffeeinkonsum – achtet er am wenigsten. Das war wohl Laws Art uns zu zeigen, dass er sich um uns sorgte und wir ihm wichtig waren.   Langsam setzte Shachis Hyperaktivität ein. Sein rechtes Bein wippte unruhig unter dem Tisch, bevor er einen Bewegungsdrang entwickelte. Weil wir nicht zu viel Aufmerksamkeit erregen durften, zischte ich ihm flüsternd zu; „Bleib in meiner Nähe und stell keine Dummheiten an.“ Nickend rannte er los, das Stillsitzen nicht mehr aushaltend. Sein Ziel war der Barkeeper, der alsbald von seiner unaufhaltsamen Redeflut überschwemmt werden sollte. Mein Beileid... aber überwiegt meine Schadenfreude... Der Kerl würde sich davor hüten, Shachi nochmal einen Zucker-Drink zu geben.   Mit Zeigefinger und Daumen zog ich den Schirm meiner Kappe nach unten und lehnte mich locker in die Sitzbank zurück. Eine Hand um den halb-leeren Krug gelegt, die andere unterm Tisch auf meinen Revolver, den ich an meinem Gürtel trug. Nun, wo ich allein war, konnte ich mich auf das konzentrieren, was mir bereits länger aufgefallen war: Die vermummte Gruppe, die uns seit Betreten der Bar beobachtete. Von ihrem Platz aus – dem vorderen Teil der Bar – sah es so aus, als würde ich dösen. Meinen versteckten Blick konnten sie nicht erahnen. Der Schatten meiner Kopfbedeckung, mitsamt der spärlichen Kerzenbeleuchtung verdeckte mein gesamtes Gesicht.   Drei Männer. Ihre Statur verriet ihr Geschlecht. Zur Unauffälligkeit spielten sie ein Pokerspiel, doch schweiften ihre Augen öfters zu Shachi und mir. Durch unsere Overalls sah jeder, zu wem wir gehörten. Das leichte Anheben ihrer Köpfe, beim Kartenblick über dessen Rand schielend, war Zeichen genug zur Vorsicht. Zudem spürte ich über mein Haki ihre doppelgesichtigen Emotionen. Die Farbe ihrer Auren Schmutz gleichend.   Was wollen die von uns? Gehören sie zur Marine?   So viel zu entspanntem Urlaub... Kann man auf einer Insel niemals seine Ruhe haben?!   Meine Revolvertrommel war geladen. Bereit zum Einsatz, falls es zur Eskalation kommen sollte. Ich ging jederzeit vom schlimmsten Szenario aus. So war ich für alles gewappnet. Wobei man niemals auf wirklich alles vorbereitet sein konnte. Mit einem großen Schluck leerte ich den Krug, den ich mit einem hohlen Klopfen auf den Holztisch vor mir abstellte. Zeitgleich brüllte einer der zwielichtigen Typen wütend los. In Rage sprang der Kerl auf und riss ihren Tisch, mitsamt Karten um.   „Du hast beschissen!“, erhob er seine zornige Stimme und zeigte auf seinen Nebenmann. Ebendieser zog eine Pistole, die sein Gegenargument darstellte. Fies grinsend richtete er ihren Lauf auf seinen erzürnten Kumpanen. „Habe ich das? Können Patronen etwa lügen?“   Nun war ich mir sicher: Es war eine Bande von Kopfgeldjägern. Selbst die Marine besaß Ehre, kriminelle Organisationen nicht. Dafür mehr Skrupellosigkeit, weswegen Shachi und ich noch vorsichtiger sein mussten. Wenn wir wirklich in ihrem Visier waren, würden sie ihr Ziel mit allen Mitteln erreichen wollen. Es war nicht das erste Mal, dass ein Heart-Pirat als Mittel zum Zweck benutzt wurde. Unser Käpt'n besaß ein ordentliches Kopfgeld von 200 Millionen Berry. Viele wollten sich daran bereichern und schreckten vor Entführung, mitsamt Erpressung nicht zurück.   Streitend verließ die Gruppe die Bar. Sie würden in der Nähe bleiben. Auf uns warten und uns im richtigen Moment abpassen. Gelassen schlenderte ich zum Tresen, warf dem Barkeeper einige Berry zu und schnappte mir den ununterbrochen redenden Shachi, den ich an seinem Kragen hinter mir herzog. Der dankende Gesichtsausdruck des Barkeepers galt nicht dem Geld. Ohne in meiner gehenden Bewegung Richtung Ausgang anzuhalten, erzählte ich Shachi in Kurzform von meiner Entdeckung.   „Kopfgeldjäger. Lockvogelmethode.“   Nun kam unsere eingeübte Taktik zum Einsatz. Wer den Lockvogel spielte, stand auf seiner Kappe. Shachi war von der Geschwindigkeit her zwar schneller als ich, doch war ich in ausdauernden Ablenkungsmanövern besser.   Vor dem Eingang der Bar flüsterte ich ihm zu; „Geh zur Polar Tang zurück. Ich komme nach.“ Lächelnd nickte er mir zu. „Pass auf dich auf, Bruder.“   Dann zog ich die Aufmerksamkeit der lauernden Schattenfiguren hinter einer nahegelegenen Häusermauer auf mich. Geübt zog ich meinen Revolver, einen unüberhörbaren Schuss Richtung Himmel abfeuernd. Das war das Signal für Shachi loszurennen. Grinsend zog ich den Schirm meiner Kappe herunter.   „Kommt und holt mich, wenn ihr euch traut!“   Jetzt wusste die Gruppe, dass wir sie bemerkt hatten. Meine Kampfansage war deutlich. Wut über ihren gescheiterten Überraschungsplan ließ sie im Affekt handeln. Anfänger... Mein bester Freund war längst verschwunden, als ich in die entgegengesetzte Richtung hetzte. Die Kopfgeldjäger mir dicht auf den Fersen. Vorerst musste ich sie vom Ankerplatz weglocken, dann konnte ich versuchen, sie abzuhängen und selbst fliehen.   Ist verdammt schwierig mit Kugeln im Rücken... Zu meinem Glück sind das echt miese Schützen...   Durch die Schussklänge hinter mir konnte ich den Abstand zwischen meinen Verfolgern und mir abschätzen. Unsere Distanz war gleichbleibend. Zu weit um mich zu treffen, zu nah um sie abzuschütteln. In die vierte Seitenstraße bog ich ein, im Zickzack zwischen umgeworfenen Mülleimern und verwelkten Blumentöpfen durch. Die Hindernisse kamen mir sehr gelegen. Einen Kopfgeldjäger – den korpulenten und unbeweglicheren – konnte ich früh loswerden. Lautstark fluchend riss er bei seinem Sturz einige Blumentöpfe um, die scheppernd zerbrachen. So waren es nur noch zwei.   Seine Komplizen dachten nicht daran, anzuhalten und nach ihm zu sehen. Aber verlangsamte sie das Nachladen ihrer Pistolen kurzzeitig. Ungeduldig hantierten sie mit den Patronen herum, von denen mehrere zu Boden fielen. Das klingende Geräusch von Metall und Bordstein hallte in der schmalen Gasse wider. Abgelöst vom dröhnenden Knall, im Doppel abgefeuert. Ihre Schüsse waren unkoordiniert. Ein Glücksspiel mit mir als bewegende Zielscheibe.   Ein unglücklicher Glückstreffer. Verdammt! Weil der Platzmangel meine Ausweichmöglichkeiten stark einschränkte, wurde ich von der Kugel getroffen. Ein Streifschuss an meinem rechten Oberarm, der höllisch brannte. Ohne langsamer zu werden, warf ich einen Seitenblick zu dem zerrissenen Armstoff, hinter dem ich die Wunde nicht genau erkennen konnte. Nur die Rotfärbung meines Overalls ließ mich den Schweregrad der Verletzung erahnen. Sie blutete, doch nicht stark. Eine Arterie wurde somit nicht direkt getroffen. Es war nur eine oberflächliche Wunde. Nichts, was mich am Weiterrennen hinderte.   Warum schießen sie willkürlich? Würden sie auf meine Beine zielen-   Mist, zu laut gedacht!, leise knurrend merkte ich die Veränderung ihrer Taktik. Jetzt visierten sie vorwiegend meinen Unterkörper an. Weswegen ich in springende Bewegungen übergehen musste. Die Enge zwischen den Wänden ermöglichte es mir, sie zu meinem Vorteil zu nutzen. In schrägen Bögen sprintete ich an der linken Wandseite entlang. Kurz, immer knapp einen Meter, bis ich die Wandseite wechselte. Langsam wurden meine Beine müde. Ich hatte die Ausdauer meiner Verfolger unterschätzt. Wie lange ich nun schon pausenlos rannte, wusste ich nicht. Eine Verschnaufpause könnte ich echt gebrauchen.   Taktische Planänderung. Statt nach Vorne, wollte ich nach Oben. Geübt zog ich meinen Revolver. Ein Zeitfenster von ungefähr zwei Minuten wäre genug Vorsprung. Wenn ich die Häuserwände hoch springen wollte, brauchte ich ungefähr drei. Ob ich mein Unglück herausfordern soll? Dann fiel mir der Grund ihrer Ungenauigkeit ein: Alkohol. Die Kerle mussten in der Bar getrunken haben. Warum ist mir das nicht vorher eingefallen? Und was bringt mir die Information jetzt?   Konzentriere dich, Peng! Lass dich nicht ablenken!   Reflexartig stieß ich einen der größeren Blechmülleimer um, seinen Inhalt weitflächig verteilend. Ablenkung Nummer Eins. Ohne anzuhalten, entriegelte ich meinen Revolver und zog aus meiner Overalltasche zwei Berry-Münzen. In meiner rechten Hand die Schusswaffe haltend, in meiner linken die Münzen. Über mein Haki erspürte ich ihre Positionen, den exakten Abstand zu mir und ihnen.   Einmal tief durchatmen. Dann flippte ich die Münzen geschickt in die Luft, eine flink nach der anderen, beinahe zeitgleich. Und schoss auf sie. Zwei Schnell-Schüsse, ihr Knall-Schall sich gar überschneidend, ehe die Kugeln in absoluter Zielgenauigkeit die rotierenden Münzen trafen. Im 35 Grad-Winkel von ihnen abprallend, sausten die Geschosse präzise zu ihrem Zielpunkt; Dem linken und rechten Schuh der beiden Verfolger. Das Schuhwerk treffend, zwei Löcher in jedem hinterlassend. Die Patronen verfehlten die beiden großen Zehen haarscharf. Vor Schreck bremsten die Kopfgeldjäger abrupt.   Zwei Minuten gewonnen... Los geht’s!   Mehrere Meter rannte ich weiter, steckte meinen Revolver weg und setzte dann zum entscheidenden Sprung an. Nach Oben. Links, Rechts, Links, Recht, immer weiter die Wände herauf. Wären die trockenen Wetterbedingungen nicht auf meiner Seite gewesen, wäre ich abgerutscht. Die rutschfeste Beschaffenheit der Wände war mein Helfer, mitsamt den festen Sohlen meiner Stiefel. Meine Hindernisse bremsten die beiden Kerle nur wenig. Natürlich folgten sie mir zum Dach, die Feuertreppe nehmend. Müssen die so hartnäckig sein?!   Langsam war ich nicht nur erschöpft, sondern auch genervt. Zu was Menschen für Geld fähig waren, war echt ekelhaft. 200 Millionen mag eine ordentliche Summe sein, aber nagen die Kerle wohl kaum am Hungerseil... Es gab nichts widerlicheres, als materielle Gier. Wie konnte jemand so tief sinken und sich von Besitztümern leiten lassen? Selbst die Habgier von Piraten war nicht so ausgeprägt, wie die von Kopfgeldjägern.   Wir sind also Abschaum? Schon mal in den Spiegel geschaut, ihr Penner?   Meine aufgewühlten Emotionen ließen mich für eine Sekunde unachtsam werden. Eine einzige Sekunde, die mir fast zum Verhängnis wurde. Als ich den letzten Meter zur Dachkante erreichte, knickte mein linker Fuß von der Wand weg. Weswegen ich mich nun mit meinem rechten abstieß und meine Hände an die Kante klammerte. Das brennende Ziehen meines verwundeten Oberarms war verdammt schmerzvoll. Doch biss ich die Zähne zusammen und zog mich schwerfällig hoch.   Geschafft!   Auf dem flachen Dach angekommen, warf ich keinen Blick zurück. Mit Sicherheit ließen die Kerle nicht locker und verfolgten mich immer noch. Als ich mit meinem linken Fuß auftrat, stellte ich erleichtert fest, dass ich ihn nach wie vor vollständig belasten konnte. Er war nicht gezerrt. Mit ein Grund, warum wir Heart-Piraten festes Schuhwerk tragen... Aber verlangten meine Beine nach einer dringenden Pause. So schweiften meine Augen hektisch über das Dach und entdeckten einen großen Luftschacht. Was mich grinsen ließ. Eilig riss ich meinen zerfetzten Ärmel von meinem Körper und befestigte den verfärbten Stoff an der Klinke der Dachtür, die sich in der gegensätzlichen Richtung zum Luftschacht befand. Damit legte ich eine falsche Fährte und hoffte, dass meine Verfolger darauf hereinfielen.   Alkohol, steh mir bei... Lass ihre Gehirnzellen in dir ertränkt sein...   Gehetzt kletterte ich in den Schacht, mitten in die Dunkelheit. Klaustrophobie wäre nun ein echtes Problem. In der Beengung kroch ich ein ganzes Stück vorwärts, von Spinnenweben umzingelt werdend. Grob wischte ich sie mir aus Gesicht und von Kappe. Nachdem ich dachte, weit genug im Inneren des Luftschachts zu sein, hielt ich meinen beschleunigten Atem ruhig und wartete. Die Stimmen vom Dach drangen gedämmt schallend zu mir durch.   „Wo ist die Giftkröte hin?“ „Ist das nicht ein Stück seiner Kleidung?“ „Gib her! Ja, ist es.“ „Meinst du, er ist die Tür-?“ „Nein. Er muss noch hier oben sein.“   Verflucht! So viel zu meinem 'tollen' Plan... Jetzt bloß keinen Ton von mir geben-   „Bölle. Bölle. Bölle.“ Meine Mini-Teleschnecke – Der miese kleine Verräter.   Shachis Timing ist wieder spitzen klasse... Kann er seine Sorgen nicht ein einziges Mal zurückschrauben?   Schnell holte ich die Teleschnecke aus meiner inneren Brusttasche heraus und nahm den Hörer ab. Ohne eine Begrüßung, zischte ich Shachi ein: „Jetzt nicht!“, zu und legte auf, bevor ich im Eiltempo den Schacht weiterkroch. Das rumpelnde Beben des Untergrunds verriet mir, dass die Kopfgeldjäger mir folgten. Schon wieder...   Mir reicht's wirklich...   Noch mehr Spinnenweben. Noch schlechtere Laune. Meinen freien Abend hatte ich mir anders vorgestellt. Stumm fluchte ich vor mich hin und erreichte nach Minuten das Ende des Schachts. Es führte mich wieder nach Draußen, hinab, zurück in die schmale Seitenstraße. Angefressen, wie ich war, ging ich nun in die Offensive über. Direkt gegenüber des Schacht-Endstücks lehnte ich mich an die Häuserwand und zog meinen Revolver. Die Trommel öffnend, sie leerend und neu ladend. Entschlossen zielte ich mit dem Revolverlauf auf den Schacht. Sobald einer der Kerle herauskam, wollte ich ihn mit einer Betäubungspatrone begrüßen. Wollte... Doch auch nach etlichen Momenten regte sich nichts. Es war verdammt still geworden.   Warum?   Und... wann hat es angefangen zu regnen? Verwirrt streckte ich meine offene Hand nach vorne. Auf meine Handfläche fiel ein einzelner Tropfen, dessen warme Berührung ich spürte. Als meine Augen ihn erfassten, weiteten sie sich. Seine Farbe war ein dunkles Rot. Es regnet- Es regnet... Blut...   Langsam hob ich meinen Kopf Richtung Dach. Völlig unbewusst, aus einem Impuls heraus. Mein Haki war es, welches mir diesen Impuls schickte. Gefahr... Violetten... Das Aufblitzen einer doppelten Sichelklinge. Von der Spitze ihrer gewellten Klinge die Lebenstropfen gen Boden fallend. Eine Rotperle traf direkt auf meine Kappe, was mich schlagartig der Situation bewusst werden ließ. Er... hat die Typen...   Killers Maske schaute vom Dachrand aus statuenhaft zu mir herunter. In vollkommene Stille gehüllt. Selbst die Nacht schien von ihm zum Schweigen gebracht worden. Ein fühlbarer Herzschlag. Dann setzte Killer sich blitzschnell in Bewegung. Ohne Zögern sprang er mit einem sich überschlagenden Salto vom fünfstöckigen Dach- Vom verdammten Dach?!   Ist der Wahnsinnige lebensmüde!?   In der Gasse hallte das finstere Surren seiner rotierenden Sicheln wider, die er geräuschvoll gegen die Häusermauer schlug. Womit er seinen Fall ausbremste, zu einer Gleitbewegung wandelnd. Mit einem lauter werdenden Kratzgeräusch näherte er sich mir. Die Spitzen seiner Waffen funkten, erhellten das Nachtdunkel mit doppelten Blitzlichtern, ähnelnd einem Sternenschauer aus zig erlöschenden Lichtfunken.   Von seinem Anblick gefangen, war ich starr vor Faszination. Doch reagierte meine rechte Hand plötzlich aus Reflex. Der Nachteil eines Observationshakis... ist die impulsive Handlung... Mein Zeigefinger lag noch immer auf dem Abzug, den ich intuitiv auslöste. Der Lauf meines Revolvers auf Killer zeigend. Ein Schuss, der alles übertönte. Ein Feuerfunke, der Lichtblitze in Schatten stellte. Eine Sekunde, bis die Kugel traf. Ihr Ziel die Mauer – einen verdammten Zentimeter neben Killer.   Ich... habe verfehlt?, wurde mir bewusst. Als Meisterschütze hatte ich seit meinem Crew-Beitritt niemals verfehlt. Es sei denn... ich habe Killer instinktiv nicht treffen wollen...   Selbst meine Emotionen sind verdammt schlechte Lügner...   Zeit zum Nachdenken blieb mir nicht. Zwei Meter über mir löste er seine Sicheln, die in zwei tiefen Rillen von unverputzten Ziegeln stecken blieben. Mit einem letzten Sprung erreichte er meine Position am Boden. Sobald Killers Schuhe den Bordstein hinter mir lautlos berührten, fiel er über mich her. Er wurde einzig von seinem Instinkt geleitet. Seine Bewegungen waren gezeichnet von Besitzergriffenheit.   Bestimmend drückte er meinen Oberkörper abrupt gegen die kühle Außenfassade. Meine Handflächen, mitsamt haltendem Revolver stützten sich reflexartig gegen die raue Oberfläche, um meinen Aufprall abzufangen. Mir blieb die Luft weg, die ich keuchend einsog. Killers Hände waren überall an mir. Ich spürte jede Berührung. Es waren zu viele, um sie in ihrer Einzelheit zu erfassen. Das leise Rascheln meines Overalls untermalte seine Fühlungen.   Von hinten tasteten seine unruhigen Finger über meine bedeckten Schulterblätter, weiter über meinen Rücken. In einer fließenden Bewegungen zu meinen Seiten, Links und Rechts meine Hüfte bis zu meinen Rippen nach oben. Letztlich bahnte er sich einen Weg zu meiner Brust, zum Reißverschluss meines Overalls, den er zwischen seine Finger nahm. Dabei drückte er seinen erhitzten Körper enger an den Meinen. Das reißende Zipp-Geräusch erklang. Doch vernahm ich etwas viel ausdrucksvolleres.   Der Klang von Killers Atem... Sein Gesicht ist meinem so nah...   Als seine Fingerkuppen unter meinem weißen Overall verschwanden und meinen Oberkörper über mein schwarzes Muskelshirt befühlten, versuchte ich gehetzte Worte über meine geöffneten Lippen zu bringen. Meine atemlose Stimme brach mehrmals.   „Hey-! Jetzt- warte- doch mal verdammt!“   Er ignorierte meine Aufforderung. Unaufhaltsam tastete er mich weiter ab. Dann ließ er seinen fieberhaften Atem sprechen. Ein Knurren aus tiefster Brust, dessen Vibration ich an meinem Rücken erfühlte.   „Haben sie dich verletzt?“, schwankte sein sonst so monotoner Stimmton zwischen Zorn und Unrast. Mit einem Mal wurde es mir bewusst: Seine Finger suchen meinen Körper nach Wunden ab... Deswegen besitzen seine Berührungen wilde Sanftheit...   Meine Mundwinkel glitten leicht nach oben. Meine Augen schimmernd in dankbarer Verbundenheit. Ich wollte ihm sagen, dass ich in Ordnung war. Wollte ihm zeigen, dass er sich nicht um mich sorgen brauchte... Doch war sein Blick auf meine verfärbte Schulter schneller, als meine Lippen.   Es ist nur ein Streifschuss..., konnte ich ihm nicht mitteilen. Stattdessen drehte er meinen Körper zu sich, sodass mein Rücken die Hauswand traf. Dann umgriff er mein Handgelenk – fester als beabsichtigt – weil er seine Kraft vor Unmut nicht unter Kontrolle hatte. Schweigend betrachtete er sich die rötliche Schramme, ehe er abermals missgestimmt knurrte.   „Fucking Bastarde...“   Der Schirm meiner Kappe saß zu tief, als dass ich zu ihm aufblicken konnte. So sah ich bloß seinen durchtrainierten Bauchbereich, den einzelnen, geschlossenen Knopf seiner gepunkteten Bluse. Und den rot-gefärbten Stoff meines zerrissenen Ärmels, der aus seiner hellblauen Hosentasche ragte. Es musste mein getrocknetes Blut gewesen sein, welches ihn rasend vor Unbeherrschtheit machte.   Ich will ihn beruhigen... Ihm seine Sorge nehmen...   Meinen Kappenschirm schob ich mit dem Lauf meines Revolvers nach oben, ehe ich ihn locker wegsteckte. Mit sanftem Blick erfasste ich Killers Maske, an dessen Seite ich meine freie Hand legte. Mein anderes Handgelenk hielt er weiterhin fest. Noch immer lag seine Aufmerksamkeit auf meiner Schulter, weswegen ich seine Kopfbedeckung langsam zu meinem Gesicht drehte. Ein liebevolles Lächeln schimmerte auf meinen Lippen, die ihm in stiller Herzenswärme zuflüsterten.   „Mir geht es gut, Kira.“ Nicht die Bedeutung meiner Worte war es, die seine Wildheit besänftigte. Sondern sein gefühlsbetonter Name, welcher die Anspannung seines Körpers verblassen ließ, zu seelenvoller Ruhe werdend. Dann wurde mein Stimmton ernster, gar trübender, während ich den Blick zu seiner Maske mied. „Warum... hast du sie umgebracht? Sie haben den Tod nicht verdient... Niemand hat es.“   Bin ich der Grund? Trage ich die Schuld an ihrer Hinrichtung?   „Die Kanalratten haben viel Grausameres verdient.“   Wie kann er so teilnahmslos darüber sprechen? Hat er noch immer nicht die Wichtigkeit eines Lebens akzeptiert?   Es machte mich traurig. Traurig, dass er meine Überzeugung nicht anerkannte. Aus dem Schatten meiner Kappe warf ich ihm einen Seitenblick zu. Schuld und Trauer in meinen Augen sichtbar. Was Killers Stimmklang milderte, beinahe übergehend zu Aufmunterung.   „Sie sind nicht tot. Sie leben... noch“, gestand er mir, Widerwille seine Worte zeichnend. Er wollte ihnen den Gnadenhieb geben, musste mit sich ringen um es nicht zu tun. Das zuzugeben, fiel ihm hörbar schwer. Die Frage nach dem Warum stand in meinen irritierten Augen geschrieben, von denen er sie ablas. Seine Antwort sprach er in schmunzelndem Flüsterton aus. „Weil du es nicht gewollt hättest.“   Mit diesem Satz ließ jegliches Schuldgefühl von mir ab. Mein Lächeln war von aufrichtiger Dankbarkeit erhellt. Killers Griff um mein Handgelenk lockerte sich, doch ließ er mich nicht los. In einer langsamen Bewegung führte er meine Hand zu der Unterseite seiner Maske, bevor meine Fingerrücken das kühle Metall berührte. Gegen meine Knöchel traf sein warmer Atemhauch, der seine liebevolle Geste verdeutlichte. Als würde er mir einen Kuss auf meinen Handrücken hauchen.   Halb neckisch, halb verlegen murrte ich ihm grinsend zu: „Verdammter Casanova...“ Was sein verstecktes Schmunzeln breiter werden ließ.   „Einzig für dich“, wurde sein Schmunzeln mit jedem gewisperten Wort hörbarer, „weil du dabei rot wirst.“   Sofort zog ich meinen Kappenschirm tiefer, sodass sein Schatten die Farbe meiner Wangen minder überdeckte. Knurrend drehte ich meinen Kopf von ihm weg. Verflucht sei seine Direktheit! Zur Ablenkung griff ich in meine innere Overalltasche, wollte ihm den Gegenstand entgegen pfeffern, griff jedoch ins Leere. Verwundert sah ich Killer an. Wusste, dass er diebisch schmunzelte.   „Sucht du die hier?“, fragte er scheinheilig und präsentierte mir die Schriftrolle. Der Langfinger hatte sie mir eiskalt geklaut!   Sarkasmus hinterließ freundliche Grüße. „Eigentlich suche ich das One Piece, das sich natürlich in meinem Overall befindet.“   Locker verschränkte ich meine Arme vor meiner Brust und grinste. Übergehend in ein leises Lächeln, weil er die Schriftrolle nicht öffnete. Nicht ohne meine Erlaubnis. Ich ließ ihn extra warten, bis ich erneut zum Sprechen ansetzte.   „Lese sie. Es ist ein Liebesbrief... von meinem Käpt'n an den deinen.“   Seinen fragenden Gesichtsausdruck konnte ich mir bildlich vorstellen. Ich wusste, was auf der Schriftrolle war. Wusste, dass Killer gleich genauso verblüfft sein würde, wie meine Wenigkeit, als Law mir das anvertraute. Langsam rollte er die Schriftrolle auf, enthüllte dessen Aufdruck und schaute mindestens so blöd aus der Wäsche, wie ich. Wie gern ich jetzt sein Gesicht gesehen hätte. Seine sonst so neutrale Stimme trug nie einen fassungsloseren Ton.   „Das Porneglyph.“ „Jop.“ „Ist die Kopie echt?“ „So wahr ich ein Heart-Pirat bin.“   Law hatte Eustass Kid in aller Echtheit eine Zweitkopie von Zepos letztem Andenken an Bepo überlassen. Big Moms Porneglyph. Die Gründe würden wir niemals erfahren. Laws Motive waren unergründlich.   Meine Aufgabe als Vize ist damit erledigt...   „Bring sie am besten gleich zu-“   Abrupt zog Killer mich an seine gestählte Brust und legte seinen Arm um meinen Rücken. Immer darauf bedacht, meine verletzte Schulter nicht zu beanspruchen. Eine innige Umarmung. Ist das sein Danke?   „Später...“, hauchte er mir zu und brachte mein Herz zum Stillstand. Ich bin ihm in diesem Moment wichtiger als seine Pflicht als Vize?   Unserem Größenunterschied wegen, lag mein Ohr an seiner linken Brustseite, sodass ich seinen kraftvollen Herzschlag vernehmen konnte. Selbst durch die Dämmung meiner Kappenseite hörte ich seinen innersten Impuls in aller Deutlichkeit. Er überstimmte den beschleunigten Meinigen. Bis Killers raunendes Flüstern ihn zum kurzzeitigen Herztod brachte.   „Hier in der Nähe gibt es ein Hotel...“, ließ er den Satz ins Leere verlaufen. Er brauchte ihn nicht zu beenden. Ich wusste, was er mich fragen wollte. 'Möchtest du die Nacht mit mir verbringen?'   Nervosität und Aufgewühltheit. Beides lieferte sich ein Kopf an Kopf Rennen mit meinem rasenden Puls. Während ich fieberhaft nachdachte – über vieles und nichts – wanderte Killers Hand langsam, doch leidenschaftlich über meinen Rücken. Weiter über meine Hüfte, bis zu meinen Oberschenkeln, deren Innenseite er seitlich zur Mitte fuhr. Was das Nachdenken verdammt schwer machte. Er konnte seine Finger nicht davon abhalten, mich zu berühren. Allein der Gedanke an Intimität ließ seine Beherrschung stark schwanken. Sein schneller werdender Herzimpuls war gezeichnet von Erregung.   In vollkommener Gegensätzlichkeit war ich es, der die Ruhe selbst blieb. Innerlich zumindest. Die Signale meines Körpers waren deutlich. Aufregung, Erwartung, Hitze... Ich wollte diesen Mann. Hier und Jetzt. Heute Nacht. Wagte es nicht, auf längere Zeit oder gar Lebzeiten zu hoffen.   Nur für eine Nacht... werde ich es mir erlauben, egoistisch zu sein...   Ein Nicken meinerseits. Eine schnelle Bewegung seinerseits. Er wollte mich hochheben. Was er sowas von vergessen kann! Reflexartig duckte ich mich unter seinen Armen weg, dabei hielt ich meine Kappe fest und rannte dann los. Dass ich Killers Reaktionsgeschwindigkeit jemals überlisten konnte, hatte ich nicht erwartet.   Ha, ausgetrickst!   Auf meinem Rückweg durch die Gasse traf ich den dritten Kopfgeldjäger. Der korpulente Kerl war durch seinen Schnecken-Sprint völlig außer Puste. Ohne seine beiden Komplizen sah er sehr verloren aus. Als ich an ihm vorbeirannte, zeigte ich mit meinem Daumen auf das Dach. „Deine Kumpel brauchen dringend medizinische Hilfe. Kümmere dich um sie. Und beeil dich!“   So schnell hatte ich die schnaufende Rum-Kugel noch nicht rennen gesehen. Seine Kollegen mussten ihm mehr bedeuten, als die Berry-Summe meines Kapitäns. Es sind wohl doch nicht alle Kopfgeldjäger gleich...   Killer hatte zwischenzeitlich seine Sicheln geholt, was mir einen kurzen Vorsprung verschaffte. Grinsend rief ich ihm über meine Schulter zu; „Deine Ausdauer ist heute Nacht nicht die beste, was?“   Keinen Herzschlag später hatte er mich überholt. „Meine Ausdauer?“, verfinsterte sich sein verstecktes Schmunzeln zur düsteren Zweideutigkeit. „Folge mir... wenn du mit mir mithalten kannst. Und du wirst sie in ihrer Gänzlichkeit erfahren.“   Damit verdreifachte er seine Geschwindigkeit. Wie er das tat, blieb mir unerklärlich. Ich musste mich verdammt anstrengen, um ihn nicht aus den Augen zu verlieren.   ...So ist der Jäger letztlich doch zum Gejagten geworden...         Kapitel 8: Adieu ---------------- 'Möchtest du die Nacht mit mir verbringen?' 'Hier in der Nähe gibt es ein Hotel...'     'Ein Hotel' hat Killer gesagt... Wie hätte ich wissen sollen, dass er so eins meint?   Fassungslos starrte ich auf das blinkende Neonschild, dessen knall-rotes Licht mich fast erblindete. Knurrend zog ich den Schirm meiner Kappe nach unten und murrte etliche Seemannsflüche vor mich hin. Ich konnte nicht glauben, wohin Killer mich gelockt hatte.   Zu einem... Liebeshotel...   Das darf nicht wahr sein! Das kann nicht sein Ernst sein!   Ich hätte laufen sollen, solange ich konnte. Weit weg. Überall anders hin nur nicht hierher. Auf dem Absatz wollte ich sofort kehrt machen, als ich die penetrante Aufschrift in all ihrem Klischee sah. 'Heaven or Hell', mit dem darunter stehenden Werbespruch: 'Es liegt in deiner Hand' - Wobei sich wohl jemand einen Scherz erlaubte und das S durch ein R überschrieb.   Unschlüssig stand ich mehrere Momente vor dem beißend dekorierten Eingang des gigantischen Hotels. Pink und Rot in allen Farbvarianten. Eine Verschwendung von Blumen und eine Beleidigung für die Natur. Im Ernst; Wer wollte schon freiwillig so einen Schnösel-Schuppen betreten? Die Antwort: Killer. Ohne Zögern war er bereits hineingegangen, überließ mir erneut die letzte Entscheidung, ob ich mit ihm... meine erste, intime Nacht verbringen wollte.   Eine Heart-Entscheidung ist endgültig...   „Ach, verdammt“, seufzte ich und zog den weiten Kragen meines Overalls so hoch, dass mein Gesicht durch ihn und meine Kappe völlig unkenntlich wurde. Wenn mich jemand erkennt, bin ich sowas von geliefert... So ging ich mit beschleunigenden Schritten zur goldenen Doppeltür, die ich geräuschvoll aufstieß. Lauter ging's nicht, was?   Warum rufe ich nicht gleich: 'Hallo, hier komme ich-!' ...'erscheine' ...Ich meinte erscheine!   Klasse... Jetzt hab ich mich wieder in Nervosität gedacht...   Mich unter meinem hohen Kragen räuspernd, blickte ich stur auf die hellen Fliesen zu meinen Füßen, während ich wie mechanisch durch den Eingangsbereich lief. In geduckter Haltung achtete ich auf nichts und niemanden, außer mich selbst und meinen erhöhten Herzschlag. Das luxuriöse Etablissement war mir verdammt unangenehm.   Jeder aus meiner Crew würde mich auslachen, wenn er das wüsste... So kann ich bloß über mich selbst lachen...   Ha-Ha, ich bin ein närrischer Idiot- Meine Gehbewegung wurde abrupt gestoppt, somit auch mein Gedankenkreis. Eine flache Hand auf meiner Kappe hielt mich am Fleck, auf dem ich weiterlief, ohne voranzukommen. Erst wenige Augenblicke später hielten meine Beine an. Blinzelnd sah ich die gefranste Hose herauf, über die gepunktete Bluse, bis zu seiner Maske, die fragend schief lag. Schau nicht so dämlich! Ich weiß selbst, wie idiotisch ich mich verhalte!   „Wir sind allein“, teilte Killer mir den Fakt mit und beantwortete meinen flüchtigen Blick durch die leere Eingangshalle. Zwischen seinen Fingern hielt er einen bezifferten Schlüssel, den er mit einem Klimpern locker rotieren ließ. Lässig lehnte er gegen den hell-holzigen Tresen und schmunzelte zu mir herunter. „Ich habe uns ein Zimmer besorgt, indessen du dich verlaufen hast.“   Ich hab mich nicht verlaufen!, würde ich den Teufel tun und zugeben, dass ich minutenlang vor der Eingangstür stand. Soll er doch glauben, was er will...   „Wo ist der Rezeptionist hin?“, fragte ich ihn stattdessen und schaute zu dem Namensschild, neben dem sich eine noch dampfende Tasse befand. Der Angestellte musste vor kurzem noch hier gewesen und in Eile verschwunden sein.   Killer zuckte teilnahmslos mit seinen Schultern. „Nun... sagen wir: Er hat seine Schicht früher beendet.“ „Du hast ihn also verjagt.“ „Ich? Niemals.“ Sein Schmunzeln hab ich genau gehört! „Will ich wissen, wie du das Zimmer bezahlt hast?“ „Habe ich nicht.“ Natürlich nicht...   In Begleitung eines tiefen Seufzens hob ich meine Kappe an und fuhr mir durch mein kurzes Haar. Dabei schüttelte ich meinen Kopf und lachte dann leise auf. Er ist unverbesserlich...   Meine nächste Frage werde ich bereuen...   „Was für ein Zimmer hast du ausgesucht?“, sah ich ihn skeptisch an, ehrliche Neugier meine Worte begleitend. Ein Blick auf die ominöse Anzeigetafel an der Wand. Und ich wusste, dass ich die Antwort nicht hören wollte.   Dort waren die verschiedensten Inselnamen verzeichnet. Themengebiete von allen Regionen der vier Blues. Bis hin zu Orten, von denen ich noch nie gehört hatte. Wer hat sich diese bescheuerten Namen ausgedacht? Die schlimmsten: 'Neptuns Perlentaucher', 'Das Sabaody Arschipel', 'Big Moms bigger Daddy' und 'Whitebeards Moby Dick'   Warum bin ich noch gleich hier? Und wieso kann ich nicht woanders sein?   Zum zweiten Mal stellte ich meine Entscheidung infrage. Nicht wegen Killer. Wegen dem Hier. Die gesamte Situation fühlte sich verdammt skurril an. Doch waren die 6er Würfel längst gefallen. Verdächtig langsam bewegten sich Killers schmunzelnde Lippen zum Sprechen.   „Welches Zimmer...?“ Sprich es nicht aus! Ich will's nicht wissen! „Dies werde ich dir mit Vergnügen zeigen.“   Meine Neugier siegte über meine Verlegenheit. Schnell wollte ich einen Blick auf die Zimmernummer von Killers Schlüssel werfen. Aber fing er ihn geschickt auf und verdeckte die Zahlen mit seiner lockeren Faust. Wortlos schritt er schlendernd voran. Seine Hände lässig in seinen Hosentaschen vergraben, steuerte er auf den vergoldeten Fahrstuhl zu. Erst beim zweiten Hinsehen wurde mir so richtig bewusst, was das hier für ein Luxus-Haus war. Die überteuerte Dekoration war mehr wert als jeder Berry, den ein Heart-Pirat über Jahre angespart hatte. Unter normalen Umständen hätten wir uns das nie leisten können. Ein Pirat kennt seine eigenen Zahlungsmethoden...   Nach dem leisen Klingeln des Fahrstuhls, öffneten sich die weißen Türen vor uns. Schweigend standen wir in dem beleuchteten Transportmittel, das mir viel enger vorkam als es war. Ich war nicht klaustrophobisch. Aber die Luft hier drin erschien mir dünner, als im tiefsten Tauchgang der Polar Tang. Warum muss es plötzlich so verdammt heiß sein?! Killer drückte einen der Knöpfe, womit sich der Fahrstuhl leicht bebend in Bewegung setzte. Zur Ablenkung schaute ich abwesend in den Spiegel hinter uns, der die gesamte Rückwand einnahm. Wir sahen aus wie zwei Straßenganoven, gar Rumtreiber. Unsere Kleider dreckig, meine zerrissen, seine zerknittert. Seine blonden Haare wild in alle Richtungen abstehend, meine notdürftig von der Kappe gebändigt.   Ein Blick zu ihrer Aufschrift, dann sah ich den roten Fleck von dem einzelnen Blutstropfen, der von Killers Sichel auf sie gefallen war. Nur bei genauem Hinschauen konnte man es erkennen: Das Rot, welches den dunklen Buchstaben I von 'PENGUIN' überdeckte. Der Tropfen ist millimetergenau die Linie herabgeronnenen. Hätte er die Schriftfarbe verfehlt, hätte ich das getrocknete Blut nie wieder vom weißen Hintergrund waschen können. Selbst Laws stärkstes Reinigungsmittel brachte jetzt nichts mehr.   Wann sind wir endlich angekommen? Auf welches Stockwerk hat Killer gedrückt? Das oberste?   Unruhig spielte ich mit dem Schirm meiner Kappe und zählte innerlich die Sekunden bis zum erlösenden Klingelton. Es dauerte viel zu lange. Aus dem Augenwinkel blickte ich zu Killers Spiegelung. Er stand mit dem Rücken zu mir. Plötzlich drehte er seine Maske wortlos und langsam, gruselig langsam in meine Richtung. Was mich eilig vom Spiegel wegsehen ließ. Kann er einmal nicht verdammt unheimlich sein?!   „Du bist nervös“, schlussfolgerte er richtig, sein Stimmklang monoton und analysierend. Er musste es mir natürlich unter die Kappe reiben. Meine Unruhe versuchend zu verbergen, lachte ich räuspernd auf und fuhr mir wirr über meinen Nacken. „Ich bin bloß noch nie in so einem Hotel gewesen, das ist alles.“   „Ich ebenfalls nicht“, gestand er mir in vollster Wahrheit. Verwundert sah ich ihn an, mich dabei direkt zu ihm drehend. Unser Gespräch wurde viel offener. „Noch nie?“ „Nein.“ „Und wo gehst du für gewöhnlich hin, wenn du...?“ „Überallhin, wo es mir beliebt und es schnell geht. Ich verabscheue Räumlichkeiten im Öffentlichen.“   Er hasst Hotels?, wurde mir zeitgleich mit der Frage die Antwort bewusst, warum er dennoch hier war. Meine Vermutung sprach ich scherzhaft aus. „Also bin ich die Ausnahme?“   Ein Schweigen. Dessen Bedeutung war unmissverständlich. Im gleichen Herzschlag ertönte der hohe Fahrstuhlklang, der mich aus meiner Starre riss. Als die Doppeltür sich vor uns öffnete, kam eine weitere Tür hinter ihr zum Vorschein. Ihre Farbe war ein klares Himmelblau. Killer holte den Schlüssel aus seiner Hosentasche hervor und schloss sie auf. Daraufhin umgriff er den Türknauf und stieß die Tür ohne Nachdruck auf. Seine breit gebaute Figur verwehrte mir die Sicht auf das Zimmer, das er mehrere Momente betrachtete. Mit einem versteckten Schmunzeln trat er einen Schritt zurück und wandte mir seine Maske zu, meine Reaktion genauestens beobachtend.   Welches Themenzimmer hat er für uns ausgesucht? Bitte lass es nicht die Hölle von Impel – hier: 'Pimpern' – Down sein...   Das Erste, was ich sah, waren Wolken. Der gesamte Raum bestand aus ihnen. Nur die Decke zierte ein gläsernes Dach, welches den strahlenden Himmel zeigte. Zurzeit herrschte Nacht, die Licht-Spiegelung wurde künstlich erzeugt. Das Rauschen eines Wasserfalls hörbar, der von den Deckenwolken – einer Ansammlung von dunkleren Regenwolken – herab prasselte und das leise Pfeifen von imitiertem Wind erfüllte meine Wahrnehmung. Der Luftzug wehte Killers blonden Haare leicht vor meine Augen, die ich nun zu ihm schweifen ließ. Sekunden starrte ich ihn an, voller Unglaube und Verblüffung. Der funkelnde Schimmer meiner Augenfarbe verriet mich. Zeigte ihm meine Freude, die ich nicht verbergen konnte. Als ich meine Stimme wiederfand, klang sie hauchdünn.   „Skypia?“, sprach ich im Flüsterton aus. Ich brauchte Gewissheit, dass meine Augen mir keinen Streich spielten. Ein Nicken seinerseits. Ein unverkennbares Grinsen meinerseits. „Woher hast du gewusst, dass meine Crew nie dort gewesen ist?“   „Ich habe geraten. Richtig, wie es scheint“, schmunzelte er und lehnte sich mit verschränkten Armen gegen den Türrahmen. Das pushte sein Ego immens. Mit einem leicht arroganten Unterton fragte er; „Gefällt dir meine Wahl?“ Woraufhin ich ohne Zögern antwortete; „Verdammt, und wie!“ Dass ich damit sein Ego noch mehr streichelte, konnte mir nicht egaler sein. Meine Freude war ehrlicher Natur. Warum sollte ich sie vor ihm verstecken?   In aufgeregter Entschlossenheit zerrte ich Killer an seinem Arm mit mir ins Zimmer. Hinter uns fiel die Tür geräuschvoll zu, ihr Riegel automatisch einrastend. Unter uns gab der weiche Wolkenboden nach – seine Beschaffenheit ein fadenähnliches Woll-Material – sodass unsere Schritte leicht gefedert wurden. Beinahe springend zog ich ihn in Richtung Wasserfall. Gegenwehrlos ließ er sich von mir leiten.   Wenige Meter vor der künstlichen Wasserquelle blieb ich stehen und beugte mich zu seinem maskierten Ohr. Weil seine modifizierte Kopfbedeckung alle Geräusche, außer den Meinen filterte, übertönte mein Raunen das laute Rauschen. Meine Rache wurde heiß serviert.   „Zieh dich aus, Kira.“ Ein dunkler Befehl, wie er ihn mir einst gab. Bei unserem ersten Kennenlernen. Seinen Effekt nicht verfehlend, gefror Killer neben mir. Von intensiver Elektrizität ergriffen, zuckten seine sich versteifenden Muskeln sichtbar. Ich verfolgte seine Muskelbewegung, griff dann nach meiner Kappe und warf sie locker Richtung Himmelsbett, das sich an der rechten Wandseite befand. Das Bett schien in der Luft zu schweben, war jedoch mit gar unsichtbaren Seilen an der Decke befestigt.   Meine Aufmerksamkeit galt ganz allein Killer. Wie er hypnotisiert meinen Handbewegungen folgte. Als ich den Reißverschluss meines Overalls hörbar öffnete, bewegte sich seine Maske mit meinen Fingern nach unten. Ich genoss den Moment der Macht, die ich über seine Sinne besaß. Lässig streifte ich mir den weißen Stoff von meinen Schultern, gefolgt von meinen Stiefeln, ohne die ich aus dem Overall steigen konnte. Direkt vor ihm stehend, zog ich mir in einer langsamen Bewegung mein Muskelshirt über den Kopf. Mit einem fiesen Grinsen warf ich es locker über seine Maske. Womit ich seine Sicht auf mich versperrte. Sofort handelte er. Als wenn ein Blitz durch seinen Körper fuhr, riss er sich seine gepunktete Bluse von seinem muskulösen Oberkörper. Ihr geschlossener Knopf flog bei der animalischen Handlung irgendwohin.   Zeige mir deine wilde Seite... Sei die unzähmbare Bestie, die mich belauert...   Nackt stand ich längst unter dem warmen Wasserfall, als Killer in all seiner Hüllenlosigkeit zu mir trat. Nur seine Maske behielt er an, unter der sein hungriger Blick mich gedanklich vernaschte. Kein Herzschlag später spürte ich seine Haut an der Meinen. Muskeln trafen auf Muskeln. Unsere Körper sich eng aneinander reibend. Wo unsere Hände den anderen berührten, merkten wir nur unbewusst. Vollkommen im Augenblick der Unersättlichkeit gefangen, wurde alles nichtig. Einzig das Verlangen nach körperlichem Kontakt beherrschte uns.   Ich habe keine Berührungsängste mehr, nicht bei ihm... Ich will ihn anfassen, jeden Zentimeter seines Körpers...   Meine unruhig zitternden Fingerkuppen strichen Killers Brustmuskeln nach unten, hin zu den straffen Erhebungen seines Bauches. Jede Muskelkontur fühlte ich nach, sie in ihrer Einzelheit ertastend. Mit meinem sinnlichen Blick verfolgte ich die hinab fließenden Wasserperlen, erfasste dabei seine gezeichnete Haut. Gar in Faszination studierte ich die verschiedenen Narben, welche sich über seinen gesamten Oberkörper verteilten. Schussverletzungen, Stichwunden und tiefe Schnitte, allesamt in blassem Kontrast zu seiner dunkleren Hautfarbe. Unbehandelt waren sie verheilt, zeugend von Killers rohen Stärke. Nur sein Rücken war vollkommen unberührt – das Merkmal eines echten Kriegers.   Killers Körper strahlt pure Männlichkeit aus... Doch ist es sein charakterliches Naturell, welches ihn für mich attraktiv macht...   Unser Äußeres stand im starken Kontrast zueinander. Nicht nur in Körpergröße, auch in Muskelmasse und Hautfarbe. Die Blässe meiner sonnenfernen Haut war natürlicher Beschaffenheit. Kein Wundmal zierte meinen Körper. Außer der winzigen Schnittnarbe meiner Augenbraue und der Verfärbung meiner angeschossenen Schulter, deren Schürfwunde durch das Regenwasser gereinigt wurde. Ihr Brennen kaum noch spürbar, verdrängt durch mein unterdrückendes Schmerzbewusstsein. Erst, als Killers Finger beinahe sanft über die gerötete Stelle fuhren, verließ ein leises Zischen meine Lippen. Dabei kniff ich kurz meine Augen zusammen, die ich dann zu seinem maskierten Gesicht aufrichtete. Befremdlicher Sanftmut lag in seinem kristallenen Stimmton, der keine Widerworte zuließ.   „Lass sie mich behandeln“, forderte er in klangfarbener Monotonie. Die seelenvolle Melodie seiner Stimme, welche mehr Emotionen besaß, als die Meine sie je hätte ausdrücken können. Nun verstand ich, was seine kraftvolle Klangfarbe erblassen ließ: Seine Maske. Sie filterte nicht nur Geräusche von Außen, sondern auch von Innen. Ohne seine Kopfbedeckung würde seine Stimme völlig anders klingen. Nicht gefühlskalt und gleichgültig, sondern... Sondern wie?   Als er mich am Strand küsste, hatte ich vor Unaufmerksamkeit nicht darauf geachtet. Jetzt wollte ich eines seiner Mysterien ergründen, um jeden Preis. Meine Verletzung war für mich nebensächlich. Mit entschlossener Zurückhaltung führte ich meine Finger zum Rand seiner Maske, über deren kaltes Material ich strich. Fest sah ich ihn an, meine Stimme jedoch keine Beharrlichkeit besitzend. Meine Worten klangen wie ein Wunsch, den ich ersehnend aussprach.   „Ich will dich hören... deine Stimme... in ihrer Echtheit.“ Den Blickkontakt – welcher einzig durch die schattigen Maskenlöcher gespalten wurde – hielt ich aufrecht, während ich die glatte Oberfläche seiner Kopfbedeckung mit meinen Fingern nach unten fuhr. Meine Augen zeigten ihm den Funke der tiefen Verbundenheit. „Erlaube mir, dich zu verstehen.... zu verstehen, wer du wirklich bist.“   Es war eine Frage des Vertrauens. Ich vertraute ihm mehr, als ich sollte. Doch aus eigenem Willen wollte. Er hingegen, öffnete sich mir nur langsam. Schritt für Schritt, dem ich ihm entgegenkam. Ich kannte Killers Geschichte nicht. Brauchte sie nicht zu kennen, um zu wissen, dass sie dunkelster Natur war. Er war wie die Nacht, ihre Farbe finster und schwarz, wachend über das Meer, welches sie beherrschte. Bei Tagesanbruch schwand sie, niemals vollständig, als Schatten neben ihrem Gegenpol stehend. Ein Vize blieb stets das Schattenlicht seines Kapitäns.   Kälte. Plötzlich wurde Killers Aura spürbar von Eiswind umgeben.   „Mein Wesen ist schwärzer, als du es dir je vorstellen könntest“, hauchte er eisig, düster und drohend. „Du begibst dich in Gefahr, wenn du dich von mir verschlingen lässt.“   Ich schenkte seinen finsteren Worten keinen Glauben. Ließ die erkaltende Finsternis nicht an mich heran. Abgewehrt von Wärme, prallte sie an meinen Herzwänden ab. Mein eigenes Empfinden war ein anderes. Geblendet vom blonden Gift, welches ich freiwillig getrunken hatte. Ich würde jederzeit wieder von Killers Lippen kosten.   Stille Wasser sind tief... sind klar und kalt... doch unrein... Wer von ihnen trinkt, wird darin verloren sein...   Killers Reaktion auf meine Bitte war deutlich. Seine Stimme umhüllt von einem Mantel aus Kälte und Missfall. Dem letztgültigen Klangton, der seinen Gegnern das Blut in den Adern gefrieren ließ. Sein Innerstes hinter einer Frostdecke aus gebrochenem Eiskristall umkleidet.   „Du möchtest, dass ich meine Maske abnehme?“ Was wie eine Frage klang, ähnelte dem aggressiven Knurren eines wilden Tieres. Emotionslose Monotonie die ausdrucksstarken Worte überschreibend. Seine Körperhaltung ging in eine abwehrende über, seine Muskeln sich sichtbar anspannend. Meine Haltung jedoch blieb offen und uneingeschüchtert. Ihn weiterhin ansehend, schüttelte ich sanft meinen Kopf. Ein liebevolles Grinsen zeichnete meine Lippen.   „Nein. Behalte sie auf“, antwortete ich ihm in absoluter Aufrichtigkeit, während meine Finger abermals über die blau-weiße Oberfläche fuhren. Langsam bewegten sich die Wassertropfen an ihr herab, von denen mein Zeigefinger eine einzelne, fallende Perle auffing. „Deine Maske ist ein Teil von dir. Sie macht dich zu demjenigen, der du bist“, sprach ich leise weiter, meine Stimme Unbeirrbarkeit reflektierend, wie es mein gefühlvoller Blick tat. „Was mich reizt ist nicht dein zweites Gesicht, sondern dein wahres Ich. Zeige mir nicht, wer du bist... Sage es mir.“   Meine Augen schließend, flüsterte ich; „Vertraust du mir, Kira?“   Die Antwort, nach der ich so lange suchte. Letztlich erhielt ich sie. Eine flinke Handbewegung zu seiner Maske. Folgend von einem kaum wahrnehmbaren Klicken. Zögerlos betätigte er den Schalter an ihrer Außenseite, zwischen dem winzigen Löcherkreis auf Ohrhöhe. Dann hörte ich sie. Ihn. In seiner Wahrhaftigkeit.   „Penguin“, war das erste Wort, welches er mit seiner richtigen Stimme aussprach. Ihr Klang tiefer, reiner, kristallklar. Nicht die Art von geschliffenem Edelkristall, sondern die von rohem, in vollkommener Unberührtheit. „Dies ist mein wahres Selbst. Was erkennst du in mir? Ein Monstrum? Ein Mörder? Eine Bestie? ...Entscheide dich.“   „Was ich sehe?“, wiederholte ich gedankenverloren, gefangen von der Melodie seiner ungefilterten Stimmmelodie. Gar in Zeitlupe legte ich meine Handfläche auf seine linke Brustseite und schaute von ihr zu ihm auf. Mit meinem Herzen sehend, blickte ich in das Seinige, dessen lebendige Impulse ich unter meiner Haut fühlte. „Einen Piraten... kein Untier, kein Killer... Einen Mann, der für das kämpft, was ihm wichtig ist.“   Nervös Luft holend, zog ich meine Hand eilig zurück und raufte mir streichend durch meine nassen Haare. Erst jetzt wurde mir bewusst, was ich hier eigentlich von mir gab. „Oder so ähnlich... Ha... Ha...“   Ich hab mich vom Moment mitreißen lassen... Verdammt, ist das peinlich...   Mein Blick fixierte unsere nackten Füße, die mir bewusst machten, dass wir hier noch immer hüllenlos unter dem Wasserfall standen. Niemandem von uns machte Freizügigkeit vor dem anderen etwas aus. Trotzdem wagte ich es nicht mehr, Killer anzusehen. Seine maskierten Augen blieben auf mich gerichtet, ihr Spiegellicht unergründlich, während ich mich unter seinem Blick klein machte. Killers gedämmtes Flüstern wurde durch das laute Wasserrauschen beinahe unkenntlich.   „Tue dies nicht. Überschreite nicht die Grenze unserer Beherrschung...“   Mit einem starken Ruck zog er mich an meinem Handgelenk zu sich, weswegen ein abrupter Atemlaut meine Lippen verließ. Eine Ablenkung. Stolpernd wurde ich von ihm mitgerissen. Vom Wasserfall weg, zum Nebenbereich, über dem eine riesige, graue Spiralmuschel hing. Was ist das?   „Ein Dial“, beantwortete er mir meinen fragenden Blick zur Decke, ehe er das Dial über einen Wandschalter aktivierte und uns eine warme Luftströmung von oben entgegen blies. Das hier war wohl die Trockenanlage. Interessiert betrachtete ich das mir fremde Gerät, das unsere Körper vollständig trocknete. Als Killers Hand durch mein Haar strich, sah ich runter zu seinem Kopf... und konnte das leise Auflachen nicht zurückhalten. Seine blonde Mähne stand in alle Richtungen ab. War aufgeplustert, wie Bepos Fell nach dem Föhn-Unfall, als wir keine Bürste an Bord hatten. Unser Navigator sah aus, wie ein riesiger Schneeball. Meine Bemerkung zu Killers abstrakten Frisur sprach ich grinsend aus.   „Soll ich dich bürsten?“ Was Killer amüsiert schmunzeln ließ. „Mich bürsten?“ So hab ich das nicht gemeint!   Schwach knurrend wandte ich meinen Blick wieder von ihm ab, was ihn nur noch mehr amüsierte. Lässig ging er an mir vorbei. Dabei strich er abermals langsam über meine kurzen Haare. Mein Kopf folgte Killers fließender Handbewegung nach hinten, ehe meine Stirn kraftlos nach vorne kippte. Mit ihr die Strähnen meines längeren Ponys, dessen Haare über meine rechte Augenseite fielen. Reglos stand ich für einen Moment dort. Die Wärme seiner Berührung blieb erhalten.   Auf dem Weg zum angrenzen Badezimmer sagte er in all seiner Lässigkeit; „Zunächst werde ich deine Wunde behandeln. Leg dich aufs Bett.“   Als ich die Tür zufallen hörte, setzte ich mich abwesend nickend in Bewegung. Schleichend, mit gesenktem Blick, ging ich Richtung Himmelsbett. Meine Knie trafen auf den Rand des Bettes, woraufhin ich mich träge nach vorne fallen ließ. Weich landete ich mit meiner Körpervorderseite in der hellen Bettwäsche. Die Matratze federte leicht unter meinem Gewicht, das schwebende Bett bewegte sich spürbar schwankend.   Warum bringt er mich so durcheinander?, fragte ich mich und seufzte leise in die Decke, in die ich mein Gesicht vergrub. Ich machte mir nicht die Mühe, meinen Körper zu bedecken. Vor Killer brauchte ich mich nicht zu verstecken. Wieso fühlt sich seine Nähe so unnatürlich natürlich an?   Das stärkere Schaukeln des Wolkenbettes, auf welches Killer sich kniete, machte mich auf seine vertraute Nähe aufmerksam. Von Hinten stieg er über meine liegende Figur, seine Knie links und rechts von meiner Hüfte abstützend. Ich durfte bloß nicht daran denken, in was für einer intimen Pose wir uns befanden. Oder was ich auf meinem Unterrücken liegen spüre...   Hat er sein Intimpiercing im Bad ausgezogen?   Denk nicht dran! Denk nicht dran-! Plötzlich nahm ich ein viel intensiveres Gefühl wahr, das alles andere in den Schatten stellte. Kühle Lippen. Killers Lippen auf meiner verwundeten Haut. Gefolgt von seiner Zunge, die sanft über meine Schulterrückseite fuhr. Wie ein Tier die Wunde des anderen leckend. Meine Erkenntnis war völliger Irrsinn. Es musste eine Einbildung sein. Wie kann er mich küssen, wenn er seine Maske trägt? Oder hat er sie abgenommen?   Die kurze Berührung verschwand. Das leichte Prickeln blieb. Killer stellte etwas neben uns ab. Weswegen ich meinen Kopf seitlich drehte und den Erste-Hilfe-Koffer entdeckte. Aus dem Augenwinkel blickte ich über meine Schulter zu ihm auf, prüfend ob er seine Maske trug. Er tat es. Seine blonde Mähne war notdürftig gekämmt, gebändigt mit seinem roten Hüfttuch, mit dem er seine wilden Haare zu einem fülligen Zopf gebunden hatte. Meine Aufmerksamkeit lag jedoch auf der Whiskeyflasche, die neben ihm ruhte. Sofort wechselte mein Blick in einen verstörten. Er will doch nicht etwa?!   Mit einem dumpfen Plopp-Geräusch öffnete er den Korken der Flasche, die er über meine rechte Schulter hielt. Bereit, ihren Inhalt über meine gereinigte Wunde zu kippen. Allein bei dem Gedanken an das schmerzende Brennen, wurde mir heiß und kalt zugleich. Bevor der erste Kupfertropfen auf meine Haut fallen konnte, zog ich meinen Arm schnell aus seiner Reichweite. Was Killer dazu brachte, seine Maske schief zu legen. Ich seufzte.   „Hast du alle deine Verletzungen mit vermischtem Alkohol desinfiziert?“, fragte ich ihn und musste belustigt grinsen, weil ich die Antwort wusste; Ja, das hatte er. Und es musste verdammt schmerzhaft gewesen sein. Dadurch, dass unreiner Schnaps meist nur um die fünfzig Prozent Alkohol besaß, war die desinfizierende Wirkung nur mittelmäßig. Nicht sicher, wie die von Hochprozentigem oder Desinfektionsmittel. Zudem hielt der brennende Schmerz viel länger an.   Killer zuckte mit seinen Schultern und trank einen Schluck aus der Flasche, wofür er die Unterseite seiner Maske kurz anhob. Erneut. Meine Frage, ob er das tun konnte, war damit beantwortet. Interessiert zog ich eine Augenbraue nach oben. „Du trinkst Whiskey?“ Schmunzelnd antwortete er; „Für gewöhnlich nicht, nein. Dein Atem roch danach. Nun tut es unser beider.“   Locker hielt er mir die Flasche entgegen, die ich nicht nahm. Dankend schüttelte ich meinen Kopf. Heute Nacht wollte ich nicht mehr trinken. Wollte jedes Gefühl in seiner Echtheit empfinden. Ich brauchte keinen Alkohol um betrunken zu werden. Durch Killers Aura wurde ich es. Mit einer leichten Kopfbewegung deutete ich auf den Medizinkasten, ablenkend.   „Einen Tupfer, Desinfektionsmittel, ein großes Pflaster und eine Mullbinde“, erklärte ich ihm knapp, „die Wunde ist nicht tief. Eigentlich braucht sie nicht einmal verbunden zu werden-“   Er tat es dennoch. Seine Handgriffe unprofessionell und laienhaft, mich dabei anfassend, als wäre ich aus zerbrechlichem Glas. Was mich missmutig knurren ließ. Ich bin ein Mann, verdammt! Der unordentlich angelegte Verband sah echt lausig aus. Schon jetzt wusste ich, dass er die Nacht nicht halten würde. Es war mir egal, vollkommen unwichtig. Die liebevolle Geste besaß den wahren Wert. Mit einem verträumten Halb-Grinsen betrachtete ich mir meine weiß umwickelte Schulter und legte mich dann gemütlicher hin. Mein Kinn auf meinen verschränkten Armen bettend, schloss ich meine Augen.   „Nicht schlecht für einen Kid-Piraten“, lobte ich ihn scherzhaft, bevor ich seine Finger wieder an meinem Körper spürte. Seine rauen Hände glitten meine Schulterblätter nach oben, kräftigen Druck ausübend. Leise stöhnte ich wohlig auf, als seine massierende Berührung durch meine gesamte Muskulatur fuhr. Killers grobe Hände fühlten sich verdammt gut an. Ihre Rohheit, schwankend zwischen Gewalt und rauer Zärtlichkeit, war ein angenehmer Kontrast. Wie Eis schmolz ich unter seinen erhitzten Fingern, mein Körper die totale Entspannung erfahrend. Jegliche Angespanntheit wich von mir, körperlich und geistig. Bei ihm konnte ich mich vollkommen fallen lassen.   In einer streichenden Druckbewegung wanderten seine Finger meinen Rücken hinab. Tiefer, immer tiefer. Sein über mir kniender Körper rutschte langsam nach hinten, sein lüsterner Blick weiter an mir herunter schweifend. Bis zu meinem abgehobenen Gesäß, auf das sich seine Augen fixierten. Mit ihnen seine Hände, die er um meine Hinternseiten legte. Schamlos knetete er sie, ohne Skrupel. Killer hatte freien Blick auf absolut alles. Weswegen die Hitze in mir aufstieg und ich mein Gesicht unter meinen verschränkten Armen vergrub, die mein wohliges Aufseufzen minder dämmten.   Noch nie hatte mich jemand dort berührt. Nicht mit dieser unmoralischen Intimität. Es fühlte sich seltsam an. Ein Gefühl der ungewohnten Art, in keinster Weise unangenehm. Killers hemmungslose Berührungen weckten eine Neugierde in mir, die ich bisher in den Untiefen meines Selbst verborgen glaubte. Die von sexueller Experimentierfreude. Wie in der Nacht in seiner Kajüte. Doch heute verlangte mein Körper mehr zu erfahren. In meiner gedämmten Stimme lag ein kaum wahrnehmbarer Klang der nervösen Erregung.   „Wie ist es mit einem Mann zu schlafen?“   Meine Frage von jener Zeit stellte ich deutlicher, in vollkommener Offenheit. Mein Wohlgefühl gab mir Mut. Killers Erfahrenheit nahm mir meine Zurückhaltung. Wenn er glaubte, die Farbe meines Overalls würde Unschuld bedeuten, hatte er sich skalpiert. Kein Pirat war frei von Unverdorbenheit. Doch schien Killer das Wort neu zu definieren. Sein Ego und seine Direktheit spielten in einer anderen Liga.   „Sollte die Frage nicht lauten: Wie ist der Sex mit mir?“, betonte er in sinnlichem Tiefklang, ein hörbares Schmunzeln begleitete seine natürlich melodische Stimmschärfe. Zur Verdeutlichung seiner Worte krallte er seine Finger fester in mein Fleisch. Dann beugte er sich zu meinem rechten Ohr, in das er verrucht hauchte. „Finde es heraus, Penguin.“   Verflucht... Seine perverse Seite macht mich schwach... Und stark zugleich...   Jetzt bin ich an der Reihe, ihm meine zu zeigen..., wurde mein Grinsen rebellisch, gezeichnet von Mut und Lust. Killers sündige Herausforderung war der Auslöser, welcher den Schalter der Hemmungslosigkeit in mir umlegte. Mit einer blitzschnellen Handlung – nach vorne kriechend, mich umdrehend und seinen Körper nach hinten stoßend – brachte ich Killer unter mich. Er schien mein Vorhaben erahnt zu haben, ließ es ohne Gegenwehr geschehen. Ein anerkennendes Schmunzeln zierte seine versteckten Gesichtszüge.   Killers maskierter Kopf lag auf dem Fußende des Bettes, wartend auf meine nächste Aktion. Erregte Erwartung ließ seine Atmung hörbar schneller werden. Seine muskulöse Brust hob und senkte sich sichtbar. Unter seiner Maske musste es unerträglich heiß werden. Vehement zwang er seine Hände dazu, ruhig zu bleiben. Zu Fäusten geballt, lagen sie neben ihm. Die Erkundung seines Körpers überließ er mir allein. Er wollte, dass ich meine lustbetonte Neugier an ihm stillte.   Entschlossen stützte ich meine rechte Hand neben seine Maske, auf die nachgebende Matratze, und beugte mich zu ihm herunter. Zärtlich drückte ich meine vor Aufregung zitternden Lippen auf eine blasse Schnittnarbe. Sie verlief diagonal über seinen Brustkorb, von seinen Rippen bis zu seinem Hals. Beginnend bei seiner rechten Brustseite ebnete ich mir eine Spur aus federleichten Küssen zu seiner linken Halsbeuge. Heiß flüsterte ich hauchend gegen seine pulsierende Haut.   „Sei mein Studienobjekt, Kira.“           ###           Penguins warmer Atem entflammte mein Blut. Seine bestimmenden Worte ließen mein Herz gegen meine Rippen preschen. Seit wann ist er so kämpferisch geworden? Fucking, macht mich dies scharf... Ein kraftvolles Muskelzucken jagte durch meinen Körper, als seine kühlen Fingerkuppen mich berührten. Meine Finger krallten sich fester in meine Handflächen. Wir bewegten uns auf der schmalen Klinge meiner letzten Selbstkontrolle. Wie lange ich mich zurückhalten konnte, war ungewiss.   Er reizt mich willentlich... Will meine Grenzen testen...   Ein Spiel mit der Kälte, die ihn verbrennen kann...   Unaufhörlich blickte er mich durch die Augenlöcher meiner Maske an. Sein intensiver Blick mir abenteuerliche Leidenschaft offenbarend. Schimmerndes Grün, umhüllt von einem verdunkelnden Schleier der Sinnlichkeit. Niemals verbarg Penguin seine Emotionen vor mir. Ließ mich jede von ihnen in ihrer Gänze erfahren. Selbst als sein Smaragdgrünes Seelenlicht Angst reflektierte, selbst als Verzweiflung seinen Lebensspiegel zerbrach. Selbst in den finstersten Schatten erlosch das Licht seiner innersten Sehnsucht nicht. Penguin folgte dem Irrlicht meiner Seele, bis in dessen Abgründe.   Ich spürte seine starken Gefühle über jede seiner Erforschungen. Im Gegensatz zu seinem Inneren ist Penguins Körper gar permanent kühl. Seine erkalteten Finger erkundeten meinen Oberkörper. Berührungen von unschuldigem Herantasten übergehend in begierigen Wagemut. Zentimeter für Zentimeter wanderten seine Hände langsam meine Bauchmuskeln herauf, unter seinem Atem leise jeden einzelnen Oberkörpermuskel benennend. In einer sanften Streichbewegung glitten seine Fingerkuppen weiter über meine rechte Schulter, meinen durchtrainierten Oberarm entlang, zu meinem aufliegenden Unterarm, dessen Handgelenk er locker umgriff. Ohne Krafteinwirkung zog er es zu sich, immer näher Richtung seinem Gesicht. Was mich dazu brachte, meine Faust aufzulockern.   Seine ruhige Aura zähmt die wilde Meinige... Penguin ist mein seelischer Ruhepol...   Innig blickte er mich an, indessen er mein Handgelenk zu seinen Lippen führte. Vorsichtig streckte er seine Zunge zwischen ihnen hervor, ehe er die kaum sichtbaren Venen meines Unterarms nach oben leckte. Ein Volltreffer. Dort, wo ich stets meine Sichelhalterungen trug, war meine Haut besonders empfindlich. Bei genauem Hinsehen konnte er die leichten Abdrücke der getragenen Metallgehäuse erkennen. In Sanftheit biss er in die Seite meines Handgelenks, dessen Hautton eine Farbnuance heller war, als mein sonnengezeichneter Körper. Trotz meiner kriegerischen Robustheit zeigten Penguins Berührungen nichts als hingebungsvolles Feingefühl.   Ich war Grobheit gewohnt, nicht aber Zärtlichkeit. Was wir hier taten war ebenso neu für mich, wie für ihn.   Wieso berührst du mich mit so viel Gefühl? Es ist unerträglich...   „Tue dies nicht, Penguin“, wiederholte ich in raunendem Flüsterton. Meine rauen Finger strichen über seine linke Wange, ehe sie sich in seinen Nacken legten. Zwiespältigkeit verfinsterten meine kristallenen Worte. „Zwing mich nicht dazu, dir weh zu tun.“   Ich kenne den Umgang mit Emotionen nicht... Weiß nicht, wie ich reagieren werde...   Ohne meinen Verstand fühle ich mich ungeschützt... Kann dich nicht vor mir beschützen... Nicht mehr...   Selbst ich kannte die Bedeutung von Furcht. Ich, der Furchtlosigkeit lebte. Der Kontrollverlust über meine eigene Stärke war das, was ich fürchtete. Meine Vernunft das Einzige, was meine Kraft beherrschen konnte. Penguin wusste um die Tödlichkeit meiner Hände. Wusste um die Zwiespältigkeit meiner Persona. Sie nahmen, was sie begehrten. Und ihr sehnlichstes Begehr war er.   Verlangen ist eine Schattenemotion... Von Egoismus und Besitzergriffenheit verfinstert...   Ich habe ihn bereits ins Dunkel gezerrt... Seine Reinheit beschmutzt...   Ich will ihn vor mir bewahren, ehe es zu spät ist...   Leicht schüttelte Penguin seinen Kopf. Erfühlte mein schattenhaftes Empfinden über sein Haki. Furchtlos blickte er mich weiterhin an. Schloss kurz seine Augen, sich mit seiner Wange gegen meine gröbere Berührung lehnend, ehe er sanft lächelte.   „Du wirst mich nicht verletzen“, sprach er leise zu mir, indessen er mich wieder ansah. Sein Blick zeigte mir bedingungsloses Vertrauen, welches er für mich empfand. „Ich treffe meine eigenen Entscheidungen. Habe längst entschieden, was richtig und falsch ist.“ Seine Lippen trafen zärtlich auf meinen vernarbten Handrücken.   „All das hier fühlt sich richtig an“, lächelte er gegen meine Haut, seine Stimme die vollkommene Selbstgewissheit. „Halte dich wegen mir nicht zurück. Sei du selbst, niemand anders. Du bist es, den ich will, Kira.“   Der Name, welcher Penguins Lippen verließ. Er klang anders. Nach Kira... als auch Killer.   Sein Herz rief nach ihnen beiden.   Hinter meiner Maske blitzte ein nachtblauer Schatten, welcher meine Augenfarbe in Gier tränkte. Reiner Gier, keine verdorbene.   Meine Lippen schmunzelten, überbrachten das Flüstern meines lodernden Innersten.   „So sei es... Wenn dies dein Wunsch ist, werden wir ihn dir nicht verwehren.“   Wie mit dem Knall einer Peitsche angetrieben, sprang die lauernde Bestie in mir hervor. Ausgehungert, sich nach ihm zehrend, über ihn herfallen wollend.   ...Es ist Jagdzeit...           ###           Killer richtete seinen Oberkörper auf, schlang seinen Arm um meine Hüfte und zog mich fordernd auf seinen Schoß. Meine Brust traf auf die seinige, seine fühlbaren Muskeln sich an die meinen schmiegend. Ich saß dicht gedrängt auf seiner Körpermitte, Haut an Haut, spürte das harte Pulsieren unter mir. Seit wann ist er...? Bei dem unzüchtigen Gedanken jagte ein Schauer über meinen Rücken. Hinab zu meiner Lendengegend, die sich erwartungsvoll zusammenzog. Mein Glied sich im Rhythmus erregter Herzschläge aufrichtend.   Zur Verdeutlichung seiner Lust rieb Killer seine Erektion in leichten Stößen zwischen meinen Arschbacken. Winzige Bewegungen, hart, mit effektiver Wirkung. Sie erweckten mein Verlangen, trieben es immer weiter, ließen das Blut durch meine Adern toben. Und lösten eine Kettenreaktion der Sünde aus.   Meine wachsende Männlichkeit, eingeklemmt zwischen unseren Körpern, presste erwidernd gegen seinen gestählten Bauch. Ich verlor die Kontrolle. Konnte meinen Unterkörper nicht davon abhalten, mich an ihm zu reiben. In kaum merklichen auf und ab Bewegungen nahm ich seinen Rhythmus an. Zeitgleich krallten sich meine Finger in seine Schulterblätter. Unser enger Hautkontakt niemals entzweiend.   Das hier war nur das Vorspiel. Nur ein Funke, der das lodernde Feuer der Leidenschaft entfesselte. Mir war verdammt heiß. Hitze stieg in mir auf, rötete meine Wangen in fiebriger Erregung, verschleierte meinen Blick in ihrem Dunstschleier. Killers Geruch. Meine Sinne fixierten sich auf ihn. Ohne Scheu vergrub ich meine Nase in seiner Halsbeuge, roch an seiner Haut, seinen Haaren, an ihm. Sein natürliches Körperaroma ließ mich gar trunken werden. Doch war er es, der meinen Gedanken mit rauchiger Stimme aussprach.   „Du riechst verführerisch“, hauchte er durch die Löcher seiner Maske gegen meine linke Ohrmuschel. Sein Atem kitzelte leicht, ließ mich leise erschaudern. Langsam und betonend flüsterte er mir zu, sein Stimmton tiefer und hungriger. „Du riechst... nach mir.“   Noch während er sprach, beschleunigte Killer seine Stoßbewegung, angefacht durch seine eigenen Worte. Das begleitende Beben ging durch unsere beiden Körper, brachte Fleisch und Blut in Wallung. Zusätzlich schlug er geräuschvoll auf meinen nackten Hintern, hob ihn, mitsamt mir an und änderte den Winkel seiner Positionierung. Ich kniete nun weiter erhöht über seiner Härte. Statt nach vorne, stieß er schräg nach oben, zwischen meine zusammengepressten Oberschenkel. Gleitend schob er sich zwischen meine Schenkel, seinen Schaft meine Hoden bei den unbeherrschten Bewegungen streifend. Stillen wollte er seine Triebe, sich zwingend zur Selbstkontrolle, aufhörend in letzter Sekunde.   „Noch nicht...“, mahnte er sich selbst und stoppte seine Bewegung abrupt. Zweimal atmete er tief ein und aus, dann fand er wieder zur vollständigen Fassung. Im Gegensatz zu mir, der ich in Gelüsten aufgelöst blieb. In neugieriger Erwartung verharrte ich reglos, wartend auf sein nächstes Handeln. Versuchte meine ungeduldige Aufregung zu zügeln, scheiterte, und gab meiner Wissbegier nach.   „Was wirst du mit mir tun?“ Meine Stimme klang zu erwartungsvoll, nicht so desinteressiert wie ich sie klingen lassen wollte. Gehorsamkeit verweigerte mir mein Körper. Einzig Killers Willen war er ergeben. Frustration mischte sich mit Ungeduld, als er mir amüsiert zuflüsterte; „Gedulde dich.“   Mein aufkommendes Knurren wurde von seiner geschärften Stimme unterbrochen. Widerstand nichtig werdend unter seinem dunklen Befehl, den mein Körper ohne Zögern ausführte.   „Kämpfe nicht dagegen an... Lass es geschehen“, löste seine finstere Sprachmelodie etwas in mir aus, gegen das ich mich nicht auflehnen konnte. Jeder Gedanke, jedes Gefühl galt ihm allein. Mein Hörsinn tauchte seine Silben in lustbetonte Dämmerung, schattenhaft und farbfinster. „Gebe dich mir hin, Penguin.“   Mit seinem Oberkörper drückte er mich nach hinten, sein Arm stützte meinen Rücken. Kampflos ließ ich mich fallen, dirigiert von ihm, bis ich die weiche Matratze unter mir fühlte. Mein Hinterkopf traf auf das Kissen. Meine halb-geschlossenen Augen blieben unbeirrbar an seiner Maske, die mir die Sicht auf seinen mir auflauernden Blick verwehrte. Seine rauen Finger wanderten meine Rippen aufwärts, fließend über meine Schultern. Links und rechts meine Arme entlang, bis zu meinen Handgelenken, die er in einer langsamen Bewegung widerstandslos zum Kopfende des Bettes führte. Dominierend pinnte er sie mit seiner Hand geräuschvoll gegen die kühle Wand, ehe er meinen von Sinnesreizen ergriffenen Körper seines Blickes unterzog. Seine intensiven Augen brannten sich in glühendem Frost auf meine Haut. Nichts blieb ihm verborgen, keine einzige Regung meiner erbebenden Muskeln unter ihm.   Rebellisch erwiderte ich seine berührungslose Erforschung. Blickte schamlos an ihm herab. Fixiert auf sein steifes Glied, an dessen Spitze ein Lusttropfen hinab perlte. Fallend auf meinen Bauch. Dann trafen sich unsere Augen erneut, seine von Metall verhüllten auf meine im klaren Nebelschleier. Mein Gier gefärbtes Augenlicht machte ihn schier wahnsinnig. Mit einem vernebelten Grinsen forderte ich seine Beherrschung abermals heraus.   „Mein Körper ist Dein. Tu es. Was auch immer du mit mir tun willst: Tu es, Kira-!“   Er küsste mich. Und mein Herz erschauderte.   Die instinktive Geste traf mich völlig unerwartet. Seine Maske über seine Lippen angehoben, versiegelte er die meinen zum Atem-, wie Herzstillstand. Ich hatte mit allem gerechnet, jeglicher Perversität. Nicht mit einem Kuss der rohen Zärtlichkeit. Und doch war er genau das; zärtlich und bestialisch, sanft und wild. Killers Lippen reflektierten all dies, trugen sein Innerstes nach Außen und ließen es mich intensiv spüren. Zu viele Reize überschwemmten meinen Körper, der seiner Gefühlsgewalt nicht standhalten konnte. Zitternd vor Hingabe lag ich unter ihm, erwiderte den Kuss mit unkontrollierbaren Lippenbewegungen, als könnten die Seinen mir mein Herz wiedergeben. Als wären sie es, die mich am Leben hielten.   Hungrig leckte er mir über meine Unterlippe, nahm sie zwischen seine Zähne und zog leicht an ihr. Willens öffnete sich mein Mund, aus dem ich hörbar Luft ausstieß. Eine angehauchte Whiskey-Note mit Minze umspielte meine schwache Atmung, die er mir sofort wieder raubte. Seine Zunge glühte im Fieber der Zuneigung, schlang sich besitzergreifend um die meine, rotierte mit ihr, als wäre sie seine dritte Klinge. Feucht, laut und alkoholisch war unser Zungenkuss. Ich schmeckte den Edel-Schnaps von ihm. Bildete mir ein, Kirschblüten und Weißlilien zu riechen. Fühlte die Hitze seiner rauen Lippen, hörte das leise Knurren seiner bebenden Brust. Es klang animalischer als das gezähmte meine.   Die Wildheit unserer innigen Zärtlichkeit klang langsam ab, doch blieb ihre Intensität in uns erhalten. Verlangsamt ebbte die Rotationsbewegung unserer Zungen ab, bis ihre Spitzen sich vor ihrer Trennung ein letztes Mal berührten. Eine dünne Speichellinie verband uns. Unsere Lippen vereinigten sich erneut, im Abschied gar tröstlich und liebevoll. Zart saugte ich an seiner Oberlippe, an der ich eine vernarbte Einkerbung erfühlte. Ein Schnitt, den ich besonders behutsam küsste. Schließlich lösten wir uns hektisch atmend voneinander. Killers hauchende Stimme klang heiser und gehetzt.   „Welche sexuellen Vorlieben hast du?“, fragte er mich plötzlich, eilig und ungeduldig. Flink schob er seine Maske über seine untere Gesichtshälfte und wartete auf meine Antwort. Mein Verstand konnte nicht aufholen, versunken bleibend in der innigen Liebkosung. Das warme Prickeln auf meinen leicht geschwollenen Lippen dauerte an. Mein Nebelfokus lag auf allem, nur nicht ihm. Weswegen Killer nun sein Knie zwischen meinen Beinen platzierte und dabei absichtlich meine vergessene Erektion streifte, um mich auf sie aufmerksam zu machen. Sofort wurde mein Körper, mitsamt meinen Gedanken von Lust geflutet.   Meine Vorlieben?, wiederholte ich seine Frage und sah ihn durch die Löcher seiner Maske an. Mein angestrengt nachdenkender Blick gab ihm Antwort; Ich kannte meine Vorlieben nicht. Selbst wenn ich welche hatte, konnte ich sie in diesem Moment der zerstreuten Gefühlswallung nicht benennen. Killers diebisches Schmunzeln nahm ich überdeutlich aus seinem Flüstern wahr.   „Lass sie uns entdecken...“   Ein leises Klappern folgte. Abwesend sah ich an meinem Körper herab, zu ihm. Dass er meine Handgelenke längst losgelassen hatte, realisierte ich nicht. Meine Arme verharrten weiterhin überkreuzt gegen die Wand hinter mir gelehnt. Halb fragend, halb interessiert entdeckte ich den Wolkenförmigen Koffer, den er neben uns auf der Matratze abstellte. Um ihn vom Boden aufzuheben, musste er sich kurz über den Bettrand beugen. Wie lange er bereits dort stand, wusste nur Killer, der ihn vorsorglich vorbereitet hatte. Ist er deswegen so lange im Bad gewesen? Seine Maske drehte sich in einer sehr langsamen Bewegung zu mir, als er den Koffer in Begleitung eines verzögerten Quietschen öffnete. Daraufhin zeigte er mir den Inhalt. Und ich wusste, dass sein Schmunzeln düsterer wurde. Spiralmuscheln in den verschiedensten Formen, Größen und Farben befanden sich darin.   Mit gehobener Augenbraue fragte ich ihn in leiserem Ton; „Diale...?“   „Erotik-Diale“, korrigierte er mich amüsiert. Dunkles Amüsement getränkt in erotischer Vorfreude. „Doch zunächst...“, ließ er seine Stimme tiefer klingen, schärfer, gefährlicher.   Lässig hob er seine Hand, ließ mich nicht aus den Augen und griff nach einer der Lianen, die in einer Vielzahl von der Zimmerdecke hingen. Locker zog er an ihr, sodass sie sich löste und teils auf seiner Handfläche, teils auf dem Bett landete. Geschickt bog er sie zu einer Art Peitsche, die er beidhändig vor sich hielt und fest spannte. Ein knallendes Geräusch durchschnitt die Luft, die von Killers Dominanz erfüllt war. Meine überreizten Sinne gaukelten mir vor, dass auch sein Geruch aggressiver wurde.   Mit dem Ende der Lianen-Peitsche strich er quälend langsam meinen Oberkörper einmal hinab und wieder herauf. Nahm meine von Malen unberührte Haut in Augenschein und beugte sich dann zu meinem Ohr, in das er erregt raunte.   „Soll ich sie zeichnen...?“, fragte er mich in einem umgarnenden Klang der finsteren Betörung. Mein Kopf nickte von selbst, mit wenig Kraft und noch weniger Willen. In diesem Moment hätte er alles mit mir anstellen können und ich hätte ihm mein Einverständnis gegeben. So war ich nicht. So kannte er mich nicht. Und so wollte er mich nicht.   „Wehr dich“, forderte er provozierend und leckte mir mit seiner Zungenspitze durch ein Maskenloch über meine empfindliche Ohrmuschel. Das intensive Gefühl jagte einen Stromschlag durch meinen Körper, wie die heftige Erschütterung einer Reanimation. Mir neues Leben einhauchend. Was mich augenblicklich handeln ließ.   Aus einem kämpferischen Impuls heraus stürzte ich mich auf ihn, riss ihn beinahe um, doch war seine Körperbeherrschung unerschütterlich. Kraftvoll biss ich ihm in seine Schulter, kurz, effektiv, brandmarkend. Das turnte ihn verdammt an. Leise summte Killer stöhnend. Dann entriss ich ihm die Liane, mit der ich ihn fesselte... Zumindest wollte. Killer war schneller, griff nach dem anderen Ende und lachte düster auf. Binnen weniger Sekunden hatte er die Liane um meine Hand geschlungen, die sie hielt, und machte sie bewegungsunfähig. Ich war auf seinen Trick der Provokation hereingefallen.   „Du solltest wissen...“, begann er und knotete meine Gelenke mit geübten Handgriffen zusammen. So schnell, dass es mir unmöglich war, mich dagegen aufzulehnen. Meinen verletzten, rechten Arm schonte er, lediglich meinen linken mit meinen Beinen fester verbindend. Mit einem letzten Griff zog er die mehrfachen Seemannsknoten felsenfest. „Ich bin ein Meister der Fesselkünste.“   Meine verschnürte Position war unangenehm, nicht aber schmerzhaft. Knurrend wandte ich mich vor ihm, mich so gut wie kaum bewegen könnend. Schließlich befestigte er das Ende der Schlingpflanze an dem mittleren Deckenseil, welches das Kopfteil des schwebenden Bettes über dem Boden hielt. Somit nahm er mir meine letzte Bewegungsmöglichkeit. Würde ich zu stark an der Fessel ziehen, würde das Wolkenbett womöglich zusammenstürzen.   Ich lag nun in einer halb auf Kopfkissen sitzenden, halb nach hinten durchgestreckten Position vor ihm. Mein rechter Arm lockerer zwischen den verschlungenen Gliedmaßen hinter meinem Rücken klemmend. Killer wusste, was er tat. Ein Laie auf dem Gebiet der Fesselung hätte die Gelenke und Wirbelsäule seines Partners überbelastet, vielleicht sogar geschädigt. Außer der leicht ziehenden Dehnung spürte ich nichts. Meine Gelenkigkeit – durch jahrelanges Karate-Training – spielte ebenfalls eine entscheidende Rolle hierbei. Wie gebannt betrachtete sich Killer sein Kunstwerk – mich – und strich mit seinen Fingerspitzen langsam über meine unmarkierte Haut, gar als wäre sie aus hauchdünnem Porzellan.   „Ich habe nie vorgehabt, sie zu verunstalten“, gestand er mir leise sprechend, sein verstecktes Schmunzeln in liebevolle Anerkennung getaucht. „Ein Pirat ohne Narben ist wahrlich außergewöhnlich. Ich besitze nicht das Recht, diese Rarität zu zerstören.“   Ist das ein Kompliment?, traf mich die Erkenntnis mit vollster, emotionaler Wucht. Killers plötzlicher Gemütswandel passte nicht zu seinem rauen Charakter. War für mich beängstigender und gefährlicher, als seine Todessensen. Er zeigte mir sein Innerstes, vor dem sich das meinige fürchtete. Davor fürchtete, das Wichtigste eines Heart -Piraten zu verlieren. Ich war verloren.   Mein fühlbarer Herzschlag jagte mein Blut durch meine Adern. In Verlegenheit drehte ich meinen Kopf zur Seite, mied seinen Blick und murrte unverständliche Worte.   „Seit wann verzichtet ein Kid-Pirat auf Zerstörung?“ Er verstand meine Frage trotz ihrer Unkenntlichkeit. Ihm entging meine peinlich berührte Reaktion nicht, schmunzelte leise über sie und unterstrich mit gefühlsbetonter Erheiterung seine gewisperte Antwort. „Ich zerstöre nicht offensichtlich. Die Kunst liegt darin, aus Trümmern sein Eigen zu erschaffen.“   Was meint er damit? Muss er gerade jetzt in Rätseln sprechen?   „Was meinst du damit?“, sprach ich meinen Gedanken flüsternd aus und sah ihn dabei nur flüchtig aus den Augenwinkeln an. Weswegen er nun mein Kinn locker umgriff und meinen Kopf kraftlos zu sich drehte. Meine Augen trafen auf seine, deren eisblauer Schimmer ich im Schatten seiner Maske kurz aufblitzen sah. „Dies weißt du selbst.“   Es stimmte. Tief in mir wusste ich die Antwort. Doch stritt sich sie vehement ab. Meine Taktik hieß Ablenkung. Jetzt war ich es, der den ersten Schritt tat. Mit mühevollem Aufwand beugte ich meinen gefesselten Oberkörper nach rechts. Ignorierte das warnende Brennen meiner verletzten Schulter und konnte mit meinem Kopf den neben uns stehenden Wolkenkoffer erreichen. Vorsichtig bettete ich mein Kinn auf dessen plüschigen Rand und grinste.   Willkürlich griff ich mit meinen Zähnen in die Dial-Box und hielt ihm eine Muschel hin, mit den gedämmt lustvollen Worten; „Aktiffiere sie.“   Ihre Form war flach, ihre Größe handgroß, ihre Farbe ein blasser Lavendel-Ton. Keiner von uns wusste, was sie bewirkte. Ein Klicken. Und wir erfuhren es. Das Dial verströmte einen seltsamen Duft, leicht nach Kirsche und Erdbeere riechend, aber auch herbere Naturgerüche besitzend, wie Zimt und Sandelholz. Beide konnten wir den Effekt genau deuten. Wir spürten ihn.   „Ein Aphrodisiakum“, sprach Killer nüchtern und sachlich aus. „Es verstärkt Begierden ohne sie zu verfälschen.“   Ich grinste herausfordernd, während ich meinen Körper wieder aufrichtete und er das aktivierte Gerät auf den schmalen Beistelltisch neben uns stellte. Meine Stimme klang kämpferisch.   „Wer von uns beiden wird wohl länger durchhalten? Jetzt kannst du mir deine Ausdauer beweisen.“           ###           Mit Vergnügen...   Der Anblick seines mir hingebenden Körpers brannte sich in meine erregten Sinne. Penguin war die Illustrierung meiner Selbstberührungen. Der der letzten Wochen und die der zukünftigen. Besitzergreifend fuhren meine rauen Finger über seinen ungezeichneten Oberkörper, indessen ich dominant in seine Augen blickte.   „Bewege dich nicht“, besaß meine scharfe Stimme kristallenen Edelschliff, „und sei gänzlich still.“   Ohne seinen Blick von meinem zu nehmen, gehorchte er. Vertrauen in ihm keinen Hauch Zweifel zulassend. Selbst wenn sein rechter Arm nur locker zwischen der Verschnürung klemmte, würde er ihn nicht bewegen. Weil mein Befehl es nicht zuließ. Dominierende Macht ließ meine Erregtheit auflodern. Glühende Lust durch meine Adern pulsieren. Meine Männlichkeit wild zucken, stolz stehen. Die berührungslose Tuchfühlung seines erotischen Blickes flammte über mein Glied.   Geschickt griff ich in meinen Instrumentenkoffer und nahm zwei kleine Rund-Diale an mich. Ihre Optik dunklen Muschel-Knöpfen ähnelnd, kleiner als ein weißer Punkt meiner nichtigen Bluse. In je einer Hand spielerisch ein Dial haltend, führte ich sie zu Penguins Brust und beugte mich schmunzelnd zu seinem Ohr. Sinnlichkeit tränkte meine gehauchten Worte in düstere Erregung.   „Ich will, dass dein Körper nach mir fleht, Penguin.“   Mit einem leise zischenden Geräusch saugten sich die beiden Diale an seine steifen Brustwarzen. Penguins Körper erbebte still unter dem intensiven Gefühl seiner empfindlichen Knospen. Den Drang sich zu winden unterbindend, meinem Befehl folge leistend. Vergeblich versuchte er das erstickte Keuchen zu unterdrücken, welches seine zitternden Lippen verließ. Eine gänzlich verführerische Melodie in meinen ausgeprägten Ohren. Jedoch...   „Ich habe dir verboten, zu stöhnen“, nahm mein Stimmton dominierende Dämmerung an. Als Bestrafung drehte ich die Nippel-Diale erbarmungslos und zog grob an ihnen, weswegen er sich fest auf die Lippe biss. Penguins Blick entschuldigend, gar wehmütig. Was mein Schmunzeln erregt umdunkelte. „Entschuldigung angenommen.“   Gar sanft strichen meine Finger über seine leicht geschwollene Brust, um seinen rötlichen Warzenhof. All mein Gefühl lag in dieser Berührung.   Ich zeige sie dir... Auf dass dein Herz sie sieht...   Erkenne meine Emotionen... Erfasse sie in all ihrer Intensität...   „Erfahre die Intimität meiner Leidenschaft“, hauchte mein erhitzter Atem gegen Penguins Halsbeuge. Langsam leckte ich seinen Hals hinunter, schmeckte ihn, seine Gänsehaut, sein zurückhaltendes Erzittern unter meiner Zunge. Genoss die Erwiderungen seines Körpers, welcher mir willens wurde. Wie heißes Wachs formten meine Finger sein gefügiges Fleisch. Hungernd nach mehr.   In einer leicht kratzenden Bewegung fuhren meine Finger seine Seiten abwärts, indessen ich mich aufrichtete. Blickte auf Penguin herab, mir sein Ebenbild meiner Sünden einprägend. Seine Augen halb-geschlossen, ihr dunkles Grün versunken im Rausch der Gelüste. Stoßartig atmend, zittrige Luftstöße hauchend, Wangen in erregtem Fieber glühend. Ergeben streckte sich sein Körper mir still entgegen, sein steifer Schwanz sich abhebend reckend.   Wie ungehorsam...   Meine Finger krallten sich grob in seinen Arsch, zogen seinen Körper kaum merklich zu mir, ihn in unbefriedigenden Stoßbewegungen gegen den Meinigen führend. Unsere Haut rieb im unrhythmischen Takt aneinander. Unsere Glieder sich lüstern treffend. Ein gieriges Raunen verließ meine Lippen, welche sich zu einem angehauchten Schmunzeln verdüsterten.   „Ich werde dich zähmen.“   Langsam ließ ich von ihm ab, sein gefesselter Körper vergebens versuchend, sich mir mit weiteren Stoßbewegungen zu nähern. Flink öffnete ich das rote Tuch, welches meine blonde Mähne zusammenhielt. Lockerte den Knoten in einer fließenden Fingerbewegung und hielt den Stoff in meinen Händen. Schmunzelnd führte ich ihn zu seinen Augen, als würde ich sie verbinden wollen. Tat es jedoch nicht. Legte ihm mein Hüfttuch stattdessen locker um seinen Hals, mit einer losen Schlinge verknotend. Tief sah ich ihm in seine Lust-schimmernden Augen, die Intensität meines versteckten Blicks spürbar.   „Schließe deine Augen“, befahl ich ihm, mein Flüstern ein Schattenhauch der Dominanz. Ohne Zögern kam er meiner Forderung nach, versiegelte seine Augenlider und wartete in nervöser Erwartung auf mein nächstes Tun.   Ein Klicken. Und der Mechanismus meiner Maske ward aufgeschlossen. Penguin würde seine Augen nicht öffnen. Würde seiner Neugier nicht nachgehen. Meinen Befehl nicht missachten. Dem war ich mir vollends gewiss.   Er vertraut mir – Ich vertraue ihm.   Unbewusst fühlte ich die kalte Luft an meinem Gesicht, welches ich enthüllte. Legte meine ausgezogene Maske auf die Matratze und tauchte hinab. Flüsterte heiß gegen Penguins Männlichkeit, ehe ich sie mit meinen Lippen umschloss und ihn meine Gier spüren ließ.   „Sei laut.“   Scharf sog er die Luft zwischen seinen Zähnen ein, kniff seine Augen fester zusammen und presste ein gedämmtes Stöhnen zwischen seinen Lippen hervor. Meinen Namen flüsterten sie atemlos zitternd, wie ein gefühlvoller Odem, jagten die Feuerbrunst der Leidenschaft durch mein Blut. Mit erregtem Atem hauchte ich gegen seine geschwollene Eichel.   „Sing ihn lauter... Lass mich meinen Namen hören, als würdest du ihn mir geben.“   Anfangs zurückhaltend, nach wenig Überzeugungsarbeit meinerseits immer lauter werdend, wiederholte er die vier Buchstaben, welche seine Herzschläge umrahmten. Geschickt liebkoste meine Zunge sein empfindlichstes Fleisch, genießerisch meine Augen schließend, indessen ich seinem gefühlsbetonten Gesang lauschte. Nie klang mein Name wahrer, nie vollständiger, als von seinen Lippen reflektiert.   Die orale Befriedigung wurde nichtig, gänzlich sekundär. An den Wert des intimen Momentes nicht heranreichend. Ein Augenblick von innigster Ekstase erfüllt. Zwei Körper, die einander sehnten. Zwei Piraten, die einander alles raubten. Reicher nicht werden konnten. Geteilte Seelen, die harmonierten. Leiber, die Eins werden wollten.   Bald... wirst du mich in dir tragen...   Ein salziger Lustvorbote auf meiner Zunge. Das unkontrollierte Zucken seiner Härte in meinem Mund und seine heiseren Rufe. Sie erfüllten mich. Nicht mehr lange und ich würde Penguin oral zum Kommen bringen. Nebensächlich griff ich nach der Gleitgeltube, welche ich öffnete. Tropfte das Gel auf meine rechte Hand und umschlang mit meinem linken Arm seine Hüfte, die ich zu mir zog. Tiefer drang er zwischen meine Lippen, indessen ich seinen Körper in einen geeigneteren Winkel brachte. Mit einem feuchten Geräusch fuhr meine Zunge ein letztes Mal vollständig über seine Länge, ehe sie zwischen meinen Lippen hervortrat.   Gier besessen blickte ich auf seinen neu positionierten Körper vor mir. Ein überaus reizender Anblick für mich. Fuck, Besinnung steh mir bei... Tief durchatmend, zwang ich meinen heftig pulsierenden Schwanz zur Geduld. Den Funken Selbstkontrolle behaltend, ehe meine Vernunft mich vollends verließ.   Penguin hat keine Erfahrung mit männlicher Intimität... Es wird schmerzhaft werden... Ich werde ihm weh tun müssen...   Werde sein Erster sein... Seine Unschuld rauben...   Es ist mir eine Ehre...   Meine lauernden Augen fokussierten sich auf sein aufgelöstes Gesicht, welches er mit noch immer geschlossenen Augen in seinen Nacken gelegt hatte. Jede kleinste Regung beobachtend, umgriff meine linke Hand seinen bereitwilligen Schwanz, ihn in grober Leidenschaft pumpend. Die angefeuchteten Finger meiner Rechten führte ich zu seinem Eingang, mein Zeigefinger langsam den Ring umkreisend und befeuchtend. Leicht verzog er sein Gesicht bei dem neuartigen Gefühl, seine Unschlüssigkeit sichtbar. Nicht sicher seiend, wo er das fremde Empfinden einordnen sollte. Selbst das Massieren seiner dezent erschlaffenden Erektion half nicht, sodass ich ihm leise zuflüsterte.   „Konzentriere dich auf meine Stimme... Lass sie dich führen“, wisperte ich ihm betörend zu, eine deutliche Reaktion erhaltend. Nickend keuchte er leise, sein Penis merkbar zwischen meinen Fingern wachsend. Kristallklar und erregend tief hauchte ich ihm gegen seine Lippen, welche ich besitzergreifend küsste. „Entspanne dich... Und nimm mich in dir auf, Penguin.“   Zeitgleich mit seinem Namen drang mein Finger beherrscht in ihn ein. Seinen erstickten Atemlaut mit meinen Lippen abfangend. Ihm mit einem aufrichtigen Schmunzeln dankend, den Kuss führend. Mit winzigen Fingerbewegungen weitete ich ihn, rieb ihn intensiv weiter und atmete den geräuschvollen seinigen ein. Wir teilten einen Atem. Nichtigkeiten gegen seine Lippen hauchend, nahm ich ihm seine Unsicherheit.   Als ich die Entspannung um meinen Finger fühlte, zog ich ihn aus ihm heraus. Nahm meine Maske, die ich mir mit einer letzten Lippenversiegelung aufsetzte und besah mir den Inhalt der Dial-Box. Meine Augen blitzten diebisch, als ich ein passendes Instrument entdeckte; Eine längliche Spiralmuschel, schmal und weißfarben, deren Spitze abgerundet war. Genügend Gel auf sie auftragend, sollte sie alsbald ihren Bestimmungsort finden.   „Sieh mich an“, befahl ich ihm dominierend, meine dunkle Erregung hörbar. „Sieh mir in die Augen, wenn du kommst.“   Penguins verschleierte Augen öffneten sich langsam, fixierten sich auf mich. Zeitgleich führte ich die kleine Muschel in ihn ein. Leicht weitete sich sein berauschter Blick, indessen die Gier des Meinigen sich intensivierte. Beinahe vollständig nahmen seine verengten Wände das Dial auf. Zögerlos drückte ich den winzigen Schalter an dessen Unterseite. Ein summendes Geräusch erzeugend, eine wirksame Vibration hervorrufend, welche er in all ihrer Intensität spürte.   Ungehemmt stöhnte er auf, reckte seinen Kopf in seinen Nacken und biss sich kraftvoll auf seine Unterlippe. Das heftige Zittern seines erschaudernden Körpers fuhr durch seine gesamten Muskeln, ließ ihn vor Lust zergehen. Fucking, ist das geil... Das brillierende Smaragdgrün seiner funkelnden Augen zerfloss beinahe in erotischer Ekstase. Fuck, fuck, fuck... Ich war derjenige, dessen Blick sich von seinem abwenden wollte. Von Lustgefühlen gar übermannt, kämpfend gegen den Kontrollverlust. Verbot mir mich selbst zu befriedigen, ehe er Befriedigung fand. Zügellos rieb ich ihn, schneller, leidenschaftlicher. Drückte zeitgleich mit dem Zeigefinger meiner anderen Hand das Dial rhythmisch in ihn. Rein und raus. In verschiedenen Winkeln.   „Killer- Nein- Warte-!“ Machtlos gegen seinen Orgasmus ergab er sich ihm. Als Penguin kam, brannte mein Herz in Inbrunst. „K- Kira... ahh!“   Er sah mir dabei direkt in meine Augen. In meine Seele.   Im Augenblick seines Höhepunkts legte ich meinen Arm impulsiv um Penguins Rücken. Drückte seinen Kopf mit meiner Hand an meine muskulöse Brust. Ihn nah bei mir haltend, ihn meinen wilden Herzschlag spüren lassend, wie er mich seinen Orgasmus. Das heftige Erzittern seines Körpers an dem Meinen unterbindend. Hektisch stieß sein heiserer Atem gegen meine Haut. Sein Liebessaft zwischen unseren engen Körpern vergessen, einzig die intime Nähe bedeutungsvoll. Minuten wie eine fühlbare Unendlichkeit vergehend, bis er seinen unstetigen Atem wiederfand.   „Verdammt- das- ich- ...Verflucht“, suchte er nach Worten, atmete hörbar durch und blickte zu mir auf. Sein Grinsen verwegen, Scham überspielend. „Wenn du jetzt aufhörst, schieß ich dir die Eier ab.“   Lautlos lachte ich auf. „Mutige Worte für jemanden, der sein Pulver soeben verschossen hat... und sich nicht bewegen kann.“ „Wo ein Wille ist, ist immer ein Weg; Mach mich los und ich zeig dir meinen Willen!“   Ein reißendes Geräusch, hervorgerufen von meiner Sichel, die präzise durch die Liane schnitt. Sichtlich überrascht über mein sofortiges Handeln, doch noch verlegener sprach seine leise Stimme mir wispernd zu. Aufrichtigkeit in seinen Augen reflektiert.   „Ich will... dich.“   „Wie ist es möglich, dass du noch erotischer bist?“ „Halt die Klappe und-“, wandte er seinen erröteten Kopf von mir ab, „... nimm mich.“   „Könntest du dies wiederholen? Ich habe dich nicht gänzlich verstanden.“ „Als ob. Du hast mich ganz genau gehört, Idiot!“   Schmunzelnd umgriff ich sein Kinn, mit welchem ich seinen Kopf zu mir drehte. „Gewiss... Dein Wunsch ist mir Befehl, Heart.“   Sein Giftblick war die pure Erotik. Meine Beherrschung fand exakt jetzt ihr Ende. Kurz strich ich ihm durch sein zerstreutes Haar und beugte mich dann zu seinem Ohr, welches mein betonter Atem streifte. Das zitternde Nachbeben seines Orgasmus an meinem Körper fühlbar.   „Ich werde dich spüren lassen, wie der Sex mit einem Killer ist.“           ###           Kira... Killer...   Erhört mich...   Ich will brennen... Auch wenn danach nur kalte Asche von mir bleibt...   Mein Körper glühte im Fieber der Ekstase. Pfade des Feuers über meine Haut züngeln. Meine Seele lodernd in Lust. Heiß. Mir war so verdammt heiß, dass ich glaubte, die flammenden Fesseln der Erotik würden sich in mich brennen. Tiefer, immer tiefer, bis zum Grund meines Innersten. Der Wunsch nach Befriedigung tobte in meinem Blut. Mehr. Ich brauchte mehr.   Wach auf!, plädierte ich an meinen schlafenden Freund. Mach jetzt bloß nicht schlapp!   Ungehemmt massierte ich mein erschlafftes Glied unter Killers lauerndem Blick. Die Hemmschwelle von Scham und Blöße längst hinter uns gelassen. Ab hier waren wir zwei Männer, die unmaskiert ihre primitivste Seite zur Schau stellten. Einander unsere menschlichen Abgründe zeigten, uns gemeinsam hinabrissen. Schmutzig und versaut. Das wird kein Sex – sondern der Gnadenstoß.   Kill mich... Bring mich dem Tod näher, als ich es je gewesen bin...   Meine Augen übermittelten ihm meinen Wunsch. Erweckten den Killer in ihm. Ich wollte nicht nur Kira; sondern einen verdammten Dreier mit beiden!   Mit einem nassen Geräusch rutschte das Dial zwischen meinen Arschbacken hervor. Landete vibrierend auf der Matratze. Das war der Auftakt der Körperkollision. Verschwitzte Muskeln prallten aufeinander, fiebrige Haut sich aneinander brennend, lechzende Finger Berührungen aufsaugend. Die Nippel-Diale auch die seinen erhärtend.   Im Fieberwahn riss ich sie von meinen geschwollenen Brustwarzen, attackierte die seinigen mit meinen befeuchteten Lippen. Lutschte, saugte, knabberte. Ein Kampf der Liebeslust. Unsere Körper unsere Waffen. Unter vollem Körpereinsatz. Kapitulation kam nicht infrage. Ich wollte ihn zum Stöhnen bringen. Stattdessen schnurrte Killer nur erregt. Was mich wütend machte, ihn nur amüsierte.   „Du bist fucking scharf, wenn du wild wirst“, reizte er mich, riss meinen linken Arm an sich, mit seinem Unterarm in meinem Rücken meinen Körper herum. Fixierte mich mit seinem Knie unter sich, raubte mir die Luft und erstickte mein knurrendes Keuchen. „Wenn deine Augen sich gegen mich wehren, will ich dich umso mehr verderben.“   Zwei abgehackte Atemzüge presste ich hervor. „Versuch's. Wenn du dich traust.“   Während er meine Beine mit seinem Knie auseinander schob, nahm seine dunkle Stimme eine tiefere Oktave an. „Du möchtest, dass ich dich ficke? Dann bitte darum.“   „Niemals.“ Noch ehe ich den gedämmten Laut hauchte, begann ich mich selbst zu fingern. Mein Finger in meinen Spalt zu tauchen und ihm zu zeigen, wie stark mein ungebrochener Widerstand ist. Selbst brachte es mir nichts. Wenn es nicht Killers Finger waren, erregte es mich nicht. Aber sein erbostes Knurren turnte mich an. Mein auf Oberschenkel liegender Penis wieder minder hart, während der pralle seinige schmerzhaft nach Erlösung sehnte.   „Zwing mich dazu, Killer.“ „Nichts lieber als das.“   Beherrschend zog er mein Handgelenk von meinem Eingang, dessen Zucken er gierend beobachtete. Das Lecken über seine Lippe hörbar. Grob zog er mein linkes Bein unter dessen Kniekehle zu sich nach oben. Fuhr mit seiner sichtbaren Zungenspitze der Länge nach die Innenseite meines Oberschenkel bis zur Kniekehle und genoss das Erschaudern meines Körpers vor ihm. Mein Bein auf seiner Schulter platzierend, nahm er sein erigiertes Fleisch in seine Hand, führte es zu meiner geweiteten Öffnung und strich provozierend mit seiner Eichel über meinen empfindlichen Lustring.   Ich spürte seinen Tropfen. Langsam zwischen meinen Backen herablaufen. War halb-hart. Rieb mich ihm entgegen. Fühlte den prickelnden Hautkontakt in all seiner Intensität. Wir keuchten. In angehauchten Stößen fickte er mich trocken. Quälend unbefriedigend.   „Mehr“, flüsterte ich stockend, „gebe mir mehr von dir.“   „Wiederhole dies.“ „Ich-“ „Laut und deutlich.“ Mein Herz stotterte. „F-Füll mich... mit dir. Bitte!“   In sexueller Unrast warf er mir die Tube zu, die ich unbeholfen auffing. Sein dunkler Befehl war unmissverständlich.   „Reib ihn ein.“   Mit zittrigen Fingern öffnete ich gehetzt den Verschluss, verteilte das Gel auf meiner Handfläche, die sein unbeherrschtes Glied umschloss. In eiligen Auf und Ab-Bewegungen bereitete ich ihn hektisch für den Einlass vor. Als es genug war, schubste er mich dominierend nach hinten, sodass mein Rücken haltlos in der Matratze aufkam. Wir konnten nicht mehr warten, wollten es. Jetzt.   Killers Stimme. Die Dominanz selbst.   „Empfange mich. Den Schmerz, die Lust, die Befriedigung.“ Seine pulsierende Eichel an meinem wartenden Gegenstück. „Schrei vor Ekstase, vor Verlangen, vor Gier.“ Spürbar durchdrang er meinen Lustring. „Und verbrenne mit mir in Leidenschaft.“ Ein Stoß. Langsam in mich eindringend. Tief. Gottverdammte Sch-!   „Beiß mich, Heart!“   Impulsiv vergrub ich meine Zähne in seinem abstützenden Handgelenk neben meinem Kopf. Unterdrückte den Aufschrei, dessen Lautstärke nicht gedämmt werden konnte. Es schmerzte. Höllisch. Zerriss mich gar innerlich. Ließ meinen Blick wässrig werden.   Er war nur halb in mir. Stoppte. Wartete. Konnte nicht mehr warten, tat es dennoch. Die Zeit stand mit ihm still. Mein wallendes Blut rauschte in meinen Ohren, mein Atem zittrig und kaum zu beruhigen.   Einatmen... Ausatmen...   Ein scheues Nicken meinerseits. Und er schob seine mächtige Länge weiter. Tiefer. Ich spürte seinen Puls in mir. Fokussierte mich darauf, während ich meine Zähne fester in seine Haut grub. Sie durchbrach, eine weitere Narbe hinterließ. Ihn markierte, den Moment für ewig festhaltend. Schmeckte sein Blut, roch unsere Lust, hörte sein dunkles Aufstöhnen. Spürte jeden Zentimeter von ihm.   Killer. ist. in. mir. Vollständig.   Der intime Gedanke löste einen heiß-kalten Schauer in mir aus. Ließ meine Wangen glühen, berauschte meinen Verstand und raubte ihn mir. Innigkeit jeglichen Schmerz ersetzend. Wir waren Eins geworden. Vervollständigt.   Laut und unkontrolliert atmeten wir. Brauchten den Moment der Besänftigung. Sanft hauchte ich schwache Küsse auf sein verletztes Handgelenk, sah ihn an, genoss den Augenblick der vollkommenen Vereinigung. Ließ alle Eindrücke auf mich wirken, fühlte sie. Fühlte... das genoppte Ring-Dial an Killers Schaft-Ende. Wann hat er...?   Dieser miese Halunke betrügt! Moment. Wenn das Dial seinen Orgasmus hinauszögert, schluckte ich schwer. Oh verdammt...   Ich war bereit für ihn, ja. Aber nicht bereit für das. Seine Potenz. Wenn ich diese Nacht überlebte, würde ich wohl das Laufen neu lernen müssen.   Erregt flüsterte er mir gar stolz zu; „Spürst du... wie tief ich in dir bin?“   Meine Wangen aufflammend, nickte ich, drehte meinen Kopf nicht weg. Schaute ihn intensiv an, blickte dann an mir herunter und sah es. Unsere innigste Verschmelzung. Langsam gewöhnte ich mich an das Gefühl der Vervollständigung. Meine Enge umschloss Killers Erektion, deren Beschaffenheit ich erfühlte, bis zur letzten Ader. Durch meinen ersten Klimax war ich überempfindlich geworden. Nahm Reize fühlbarer auf. Mein Körper war zu seinem Instrument geworden. Killer der Dirigent, welcher mich führte.   „Lehre mich die Lust...“, hauchte ich ihm im Fieber zu, „und zerstöre mich.“   Ich fühlte, dass er schmunzelte. Gar inniglich. Fühlte mich ihm auf allen Ebenen verbunden. Verbundenheit mir Sicherheit gebend, sodass ich mich vollkommen fallen ließ.   Killer musste das merkbare Zucken in mir spüren. Spüren, wie sich meine Wände um sein Glied entspannten. Ihn aus halb-geschlossenen Augen ansehend, mein funkelnder Blick im Schleier der Begierde gehüllt, grinste ich ihn benebelt an. Wollte irgendetwas sagen, was nichtiger nicht sein konnte.   Ich... spüre dich... Und du weißt es...   Weil du es selbst empfindest...   Kira stieß in mich. Gefühlvoll, gar in liebevoller Zurückhaltung. Wartete. Zog sich halb aus mir. Stieß erneut zu. Füllte mich wieder aus. Es schmerzte noch immer, doch mit jedem Stoß weniger. Den Schmerz ertrug ich für ihn. Es gibt nichts, was diesen Moment intensiver machen kann-   „Verd- ahh... mmt!“ Was...? War das meine Stimme?   Kira schmunzelte diebisch. „Gefunden...“ Und knallte abermals gegen meinen Lustpunkt, der meine Stimme vor elektrisierender Intensität verfremdete. Das Gefühl wie tausend Patronen, die meinen Körper trafen. Abrupt drückte ich meinen Rücken durch, krallte mich ins Bettlaken und verlieh meiner neu entdeckten Vorliebe schamlos Ausdruck. Bestimmend änderte er den Stoßwinkel, hielt mein linkes Bein mit sanfter Gewalt oben und belauerte mich durch seine Maske. Nichts blieb ihm verborgen. Nicht meine Mimik, nicht meine Laute, nicht der Anblick, wie er sich in mir versenkte. Zwischen zwei präzisen Stößen, raunte er mir erregt zu.   „Du machst- mich süchtig- Fuck!“ Ein Treffer, zwei feurige Stromschläge. „Sing- Nnnngh... mit mir!“   Beide waren wir gefangen in Sinnlichkeit, innig durch fleischliche Gelüste verbunden. Keiner hielt sich mehr zurück, der Raum erfüllt von unserem Duett der Lust. Immer, wenn ich aufstöhnte, folgte von ihm ein liebevolles und stolzes Grinsen in Verborgenheit. Immer wieder versank er in mir, genoss den Anblick meines zerstreuten Selbst, dessen zertrümmernde Welt er einnahm. Zerstörte und aufbaute. Mein Ich von ihm kreiert. Aus mir sein Eigen Kunstwerk erschuf.   Kira wurde merklich schneller, seine Stöße in eine fließende Bewegung übergehend. Wie die vertrauten Wellen der Grandline. Rammend in mich, gegen mich, ließ er mich den Sturm des Ozeans fühlen. Beherrschend umgriff er meine steile Männlichkeit, stimulierte sie im Rhythmus seiner Stöße. Das schaudervolle Prickeln meiner empfindlichsten Haut spürte ich intensiver denn je. Die doppelte Stimulierung war unerträglich erotisch. Trieb mich beinahe zu meinem zweiten Höhepunkt. Nur beinahe. Er hatte andere Pläne.   „Reite mich.“   Ein Befehl. Ein Wunsch. Ein Verlangen. Und ein impulsiver Stellungswechsel. Er überließ mir die Zügel der Leidenschaft. Weil Kira mein Erster war. Mein Einziger.   Er unter mir liegend, ich über ihm kniend. Ein intensiver Blick. Ehe ich mich langsam auf ihm niederließ. Ihn erneut in mir aufnahm. Das Eindringen sich in Zeitlupe verzögernd. Meine Finger krallten sich in seine Brustmuskeln, seine Finger in meinen Arsch, den er spreizte. Ein provokanter Schlag auf mein nacktes Fleisch. Das knallende Klatschen hallte viel obszöner nach.   Ich ritt ihn. Immer schneller, intensiver. Dirigierte seine Härte nach meinem Begehr. Hinterließ Kratzspuren auf seiner gezeichneten Haut, ließ meinen verschleierten Blick niemals von seiner Maske, die für mich nicht existierte. Ich sah mit meinem Herzen, fühlte mit meinem Haki, erlebte mit meiner Seele.   Kein Körperbündnis – Ein Seelenbund.   Meinen zweiten Orgasmus wollte ich so lange wie möglich hinauszögern. Den Moment gefangen halten, ihn auf meine Haut bis zu meinem Innersten einbrennen. Wurde deswegen langsamer, bewegte meine Hüfte statt auf und ab, vor und zurück. In einem Winkel, der ihn meinen Lustpunkt nicht treffen ließ. Was er sehr wohl merkte.   Noch nicht... Ich will noch nicht-   „Komm.“ Befehlende Erregung. „Und zerbreche.“   Plötzlich zog er sich aus mir. Ohne jegliche Vorwarnung änderte er erneut unsere Positionen. Richtete sich leicht auf, griff unter meinen Hintern, den er unbeherrscht anhob und entriss mir jedwede Macht. Statt zu knien, konnte ich mich nur notdürftig mit meinen Füßen stabilisieren. Stützte meine Handflächen haltsuchend auf seine Schultern, hing halb in der Luft. Er allein gab mir Halt. Und den Gnadenstoß.   Punktlandung. Ich kam erneut. Viel zu früh. Erzitterte heftig unter der übermächtigen Welle der Erlösung. Mein Atem setzte aus, mein Herzschlag schrie, mein pochender Penis bis zum letzten Tropfen leer. Abrupt knickten meine Beine weg, meine Hände klammerten sich hilflos um seinen Rücken, verfingen sich in seiner Mähne. Mein bebender Körper vornüber fallend, gegen ihn, mein Kopf an das Metall des seinen lehnend. Die Lawine der Lust entriss mich aller Sinne, fegte mich weg und begrub mich unter sich.   „Kannst du mein Verlangen spüren, Penguin?“   Erbarmungslos drang Killer weiter in mich ein, hielt mich an meiner Taille oben, krallte seine Finger fest in mein Fleisch. Ließ meinen Orgasmus immer intensiver werden, mein Erschaudern in unkontrollierte Muskelzuckungen übergehen, meine Stimme lauter werden. Flüche, sein Name, halbe Worte und Vokale mischten sich in ein Wechselgebet aus ausgedehnten Stöhnrufen.   Die Grandline drehte sich, meine Sicht vor meinen glanzerfüllten Augen unklar und verschwommen. Meine anderen Sinne dafür schärfer, fokussiert auf die nassen Geräusche, das spürbare Eindringen, seine tiefen Lustlaute. Alles verzerrt vor tiefster Erregung. Killer brachte mich an die Grenze zwischen Irrealität und Bewusstlosigkeit.   Ich- I-Ich...   „I-Ich kann n-nicht mehr“, hauchte meine heisere Stimme flehend. „Kira, ich-“   „Schweig.“ Unaufhaltsam befriedigte er sich an mir. „Und leide.“ Sein Becken erhöhte abermals die Intensität seiner zielsicheren Stöße. Wurde tiefer, aggressiver, agierend in animalischer Besitzergreifung. Killers Stimme die Dunkelheit selbst reflektierend.   „Leide unter meiner Liebe.“   L-L-L-? Mein ausgepusteter Kopf bekam keinen Gedanken mehr zustande. Ich hatte mich verhört. Definitiv. Im sexuellen Rauschzustand klangen seine Worte wie in Watte gedämmt. Und dennoch... fühlte ich ihre Bedeutung. Fühlte sie mit jedem Stoß, jeder Innigkeit, jedem Impuls. Mein Lächeln war manisch. In vollkommener Erfüllung ertrunken.   Mein von Euphorie durchströmter Körper erschlaffte. Zeitgleich legte ich meine Arme liebevoll um seinen Nacken und bettete meinen Kopf in seiner Halsbeuge. Nur noch unterschwellig nahm ich seine leidenschaftlichen Bewegungen wahr. Benebelt von seinem Geruch, der süßliche Duft seiner Haare, die meine Nase leicht kitzelten. Lauschte seinen atemlosen Klängen und seinem wilden Herzschlag. Ich wusste, dass sein Herz in diesem Moment nur für mich schlug.   Es war die sinnlichste Qual, die ich jemals erfuhr. Wie lange wir in intimer Zweisamkeit verblieben, wusste ich nicht. Es war eine greifbare Ewigkeit, welche viel zu schnell zur Zeitlichkeit wurde. Doch auch darüber hinaus blieben wir inniglich verbunden.   Als Killer Befreiung fand, in mir kam, sich schubweise ergoss, driftete ich in die lichterfüllte Dunkelheit meines Geistes. Übertrieben glücklich, lächelnd, durch ihn seelisch vervollständigt.   In diesem Augenblick war ich kein Pirat der Freiheit. Sondern ein Heart des Friedens.       ~*~       Als ich erwachte, dachte ich ich wäre im Himmel – Ha! Es war doch nur Skypia. Moment... Jeder Themenbereich hat einen zweideutigen Namen... Wie heißen eigentlich die 'Himmels Inseln'?   Okay... Ich will's nicht wissen, aber kann's mir alle Mal denken...   Ich fühlte mich wie von einem Schiff überfahren, kaum bewegungsfähig. Doch auch erholt und erfrischt. In meiner geistigen Abwesenheit hatte Kira wohl alle Indizien der Zweisamkeit beseitigt und mich ebenfalls gewaschen. Der Gedanke beschämte mich. Wir haben wirklich miteinander geschlafen... Meine Augen öffnete ich nur zögerlich und vorsichtig. Bis ich sie aufriss.   Es war bereits Morgen. Weit nach Sonnenaufgang. Stunden nach Laws Untersuchung! Wie vom Counter Shock getroffen wollte ich aufspringen, aber gehorchten mir meine Muskeln nicht. Nicht mal mich aufzurichten schaffte ich, war gezwungen liegen zu bleiben. Seufzte. Klasse... Law wird mir nicht die Hölle heiß, sondern den North Blue kalt machen...   Plötzlich hörte ich eine Stimme, die nicht Kira gehörte. „Gib mir Peng wieder!“ Shachi. Mist. Ich hatte ihn nach der Kopfgeldjäger-Sache nie zurückgerufen. Er klang erbost, doch zeitgleich leicht weinerlich, was er zu verbergen versuchte. „Nochmal lass ich ihn mir nicht von dir wegnehmen!“   Kira lag neben mir im Bett, sein Rücken lässig an das Kopfende gelehnt. Mit seinem Arm zog er mich fest an seine Brust, in seiner anderen Hand meine Mini-Teleschnecke haltend. Die honigfarbenen Augen der Schnecke waren leicht glasig. Sie trug keine getönte Brille, was bedeutete, dass Shachi sie ebenso nicht trug. Kiras Antwort war ein einfaches; „Nope.“   Was die Mini-Schnecke dazu brachte, ihren Kopf geknickt zu senken, die Gestik ihres Besitzers spiegelnd. „Aber- Aber-“, wurde Shachis schwacher Stimmklang immer leiser. „Ich brauche Peng-Peng doch...“   Oh nein... Shachi wird sentimental... Das kann kein gutes Ende nehmen...   Ich will ihn nicht traurig sehen... Stimmbänder bewegt euch, verdammt!   Kira warf mir einen Blick aus den Augenwinkeln zu. Sah mir dabei zu, wie ich vergeblich versuchte, meinen Arm zu bewegen, um nach der Schnecke zu greifen. Er hielt sie extra aus meiner Reichweite. Kiras plötzliche Wesensveränderung war spürbar.   „Penguin ist Mein“, sprach er in scharf aggressivem Stimmton, unwiderruflich, unerschütterlich. Als wäre er... eifersüchtig? Auf wen? Auf Shachi?   Sein Griff um mich verfestigte sich, drückte mich näher an sich, was mir mein malträtierter Körper nicht dankte. Unbewusst stöhnte ich leise schmerzerfüllt. Sofort lockerte er seinen Griff minder. Zu spät.   „Peng?!“ Die Sorge selbst tränkte Shachis Worte. Die Flut an Fürsorge unaufhaltsam. „Geht's dir gut? Wo bist du? Wie kann ich dir helfen? Wo soll ich dich abholen? Was hat er mit dir gemacht?“   Die letzte Frage sollte er bereuen. Killer – der miese Mistkerl – schmunzelte amüsiert, viel zu amüsiert.   „Was ich mit ihm gemacht habe?“ Wehe dir! Verkneif's dir! Wag's dich bloß nicht! „Nun... Ich habe-“   „Mich untersucht!“, schoss das Nächstbeste über meine Lippen, was mein schwammiger Kopf zusammenwürfelte. „Er hat mich untersucht und mir eine...“, nuschelte ich die letzten Worte. „...Injektion gegeben.“ Verdammt ist das peinlich... Begrab mich doch bitte jemand...   Stille auf beiden Seiten. Einmal atmete ich tief durch und redete an Shachi gewandt weiter. „Kannst du Law sagen, dass...“ Komm schon, Peng, du schaffst das. Sprich es einfach aus und bring's hinter dich. „Ich seinen Rat befolgt und... die Behandlungsmaßnahme durchgeführt habe?“   'Diagnose; sexuelle Hypoglykämie.' Laws 'Therapievorschlag' will ich nicht mal denken...   „Wie überaus erfreulich. Meinen Glückwunsch zur vollständigen Genesung, Peng-ya.“ Ich will tot umfallen- Halt. Ich liege ja schon halbtot hier...   „Trafalgar Law“, erhob nun Killer seine neutrale Stimme, die ihre monotone Unerschütterlichkeit beibehielt. Die Monotonie des Eises Kälte. Was er dann sagte, ließ meinen Mund offen stehen und mein Innerstes gefrieren. „Dein Vize wird nicht zu euch zurückkehren. Jedwede Beschwerde nimmt mein Captain entgegen. Adieu.“   Damit legte er auf. Er. legte. einfach. auf! Doch damit nicht genug. Ein lautes Knacken. Und er hatte das Schneckengehäuse in seiner Faust zerdrückt. Das Weichtier überlebte zwar, doch war die Kommunikationsfunktion hinüber.   Geschockt, völlig perplex fragte ich ihn leise; „Was... meinst du damit?“ Plötzlich nahm seine Stimme einen verzerrten Klang an. Es war nicht mehr Kira, mit dem ich hier sprach.     „Du gehörst gänzlich mir, Heart.“ Ein finsteres Flüstern der Düsternis.   Wie hypnotisiert sah ich zu ihm auf. Mein Herz erschaudernd, mein Puls flammend.   Auf seiner linken Brustseite liegend, erfühlte ich sein besessenes Herz. Besessen von mir.   Über das Grün meiner Augen flackerte der Schatten, welcher einst ihm gehörte. Der nun mich ergriff.   Plötzlich fanden seine Finger seine Maske. Ein endgültiges Klicken. Und er zog sie unter meinem Blick aus.   Langsam... enthüllte er es. Sein Geheimnis.   Sein Lächeln eiskalt. Sein Blick im starken Wesenskontrast. Seine unglaublich intensiven Augen.   Ich sah in seine Seele. Sie trug mein Licht.   ...Shambles...     Die Augen des Killers... sind das Letzte, was sein Spiegel erblickt.   Ehe das Bild zerbricht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)