Shambles von blackNunSadako ================================================================================ Kapitel 6: Kira vs Killer ------------------------- Eine Maske trägt Leben in sich, birgt Erinnerung und Mysterium.   Für die einen ist sie eine Zuflucht, für die anderen ein zweites Gesicht.   Meinige ist viel mehr als dies; Sie ist ich – Ich bin sie.   Die Dunkelheit hinter ihr, ist mein Zuhause.   Das Licht ungesehen, welches durch ihre Löcher dringt.   Ich sehe, doch erkenne nicht. Höre, doch gehorche nicht. Empfinde, doch fühle nicht.   ...Lebe. Oder nicht?   Ein Leben gezeichnet von Vergangenem, bestimmt durch Entscheidungen. Ob richtig oder falsch nichtig.   Für Reue ist kein Platz, bleibt nicht die Zeit.   Wer zögert ist sich selbst untreu. Wem treu sein, wenn nicht sich selbst?   'Du bist mein Vize', hat Kid einst entschieden.   Ohne mich zu fragen, ohne daran zu zweifeln.   Bis heute hat er niemals mein Ja erhalten. Weil es sein unanfechtbarer Wille so bestimmte.   'Werde mein Freund', ist seine eigentliche Botschaft gewesen.   Um dessen Bedeutung nicht wissend, wir als Kinder nie erfahren durften.   Aus isolierten Menschen werden Einzelkämpfer geboren.   Die Monotonie der Freiheit bis zum heutigen Tage mein Begleiter.   Es sind Stimmen, die Symphonie erzeugen. Worte, welche Lebenslyrik schreiben.   Sing für mich, Heart-Pirat... Lass mich dich hören...   Doch sobald du verstummst... zerre ich dich in meine Stille.   ...Die zu der Unseren wird.   Zusammen verschlingt uns das Dunkel, gibt dich nimmer mehr frei von mir.   Dein Herzlicht wird verblassen. Hoffnung nicht stark genug sein, um dich und mich zu retten.   Entscheide dich, Penguin... Wen von uns beiden wirst du opfern?   Kämpfe einen Kampf, der längst verloren ist.   ...Kämpfe für mich... ...um ihn...       ~ キラ ~       Ein verkommener Schrottplatz im South Blue. Zwischen Bootswracks, Schutt und Altmetall ragte ein entzweites Schiff aufrecht gen Himmel. Das Heck vollends zertrümmert, in Einzelteilen verstreut. Das Vorderteil des hölzernen Riesen überdauerte die Zeit beinahe unbeschadet. Mit seiner Größe überragte es alles andere, stand prachtvoll in der Geländemitte und zeigte Richtung Meer. 'Das verfluchte Piratengrab', so wurde es einst genannt. Alsbaldig trug es den Titel; 'Der Seesarg der Dämonen'   Hier lebten Kid und ich. Im Alter von zwölf und sechzehn Jahren.   Die Innenstruktur des Schiffs war mit schwerem Metall verstärkt, um unserem Heim mehr Stabilität zu geben. In der früheren Kapitänskajüte bezogen wir unser Quartier. Die Tür konnte nur kopfüber geöffnet werden, mittels einem Seil-Mechanismus. Über den abgebrochenen Mast – der schräg zum Geländeboden verlief – gelangten wir zu unserer Kajüte. Unseren Piratenschatz bewahrten wir an einem sicheren Ort auf, von dem nur wir beide wussten.   Nur wir beide? Nun, dies stimmte nicht gänzlich. Wir beide... und zahlreiche Augen mehr.   Kid stieß einen lauten Pfiff aus. Erhobenen Hauptes stand der teuflisch grinsende Junge auf dem waagerechten Rumpf. Helle Sommersprossen zeichneten seinen freien Oberkörper, um seinen Hals trug er eine Kette mit einem Zahnrad-Smiley. Trotz seiner schmächtigen Statur, waren leichte Muskeln zu erkennen. Seine Arme vor seiner Brust verschränkend, wartete er auf seine Gefolgschaft. Sein Pfiff hallte kurzzeitig über dem Gelände nach, in welches sofort Leben einkehrte.   Zig kleine Köpfe schauten aus ihren Verstecken. Erst nur die roten Augen. Dann sprangen sie von überall hervor. Unzählige Ratten. Springend eilten sie zu ihrem Rufer. Huschten im Zickzack über den senkrechten Holzmast. Durch ihre zahllosen Pfoten verursachten sie dabei ein trommelndes Klopfgeräusch, ehe sie sich über die Bogenförmige Reling bewegten. Wo sie Stellung bezogen. Auf ihren Hinterpfoten standen sie stramm in einer Reihe, verteilt über das gesamte Holzgeländer. Ihre Köpfe aufmerksam Richtung Kid gehoben. In unerschütterlichem Stillstand auf seinen Befehl wartend. Kid war zum Befehlsgeber geboren.   Einzig die Alpha-Ratte besaß ihren Platz auf Kids Schulter. Ihr Fell pechschwarz. Ihr rechtes Auge verlor sie vor langer Zeit; Der Preis ihres Rangtitels. Selbst sie hatte sich ihm untergeordnet, diente anfangs als Vermittler zwischen Mensch und Tier. Ihre Dienste waren längst nicht mehr von Nöten. Ratten waren sehr intelligente und reinliche Tiere. Gegen alle Vorurteile übertrugen die von Kid keine Krankheiten, lebten unter hygienischen Bedingungen und fraßen keine Abfälle.   „Sperrt eure Lauscher auf, Landratten!“, brüllte der Jugendliche im Stimmbruch den Tieren zu. Sein Stimmklang hoch, doch für sein Alter bereits überaus tiefer. Kraftvoller als die meisten Erwachsenenstimmen. „Heute sprengen wir eine Party!“   Sein diabolisches Grinsen, mitsamt seinem teuflischen Blick reflektierten seinen übermächtigen Willen. Mit einer lässigen Fingerbewegung zog er sich seine zu große Fliegerbrille über seine goldenen Augen. Das Nieten-verzierte Band bändigte seine wilden Haare. Ohne standen die roten Strähnen in alle Himmelsrichtungen ab. Ähnelnd den blonden Meinen, die mir bis über die Schultern reichten und mein gesamtes Gesicht verdeckten.   Ich saß am Fuße des Schiffswracks, auf einem Fass. Blickte zu Kid auf – nicht nur mit meinen Augen. Stumm beobachtete ich ihn, legte meine Hand rechts auf den Kopf des großen Hundes neben mir und graulte ihn hinter seinem Ohr. Er war ein Wolfsmischling mit flacher Schnauze und dunkelgrauem Fell. 'Kampfhund' wurde er von der Bevölkerung verrufen. Noch nie hatte er jemandem körperlichen Schaden zugefügt.   „Abmarsch, Kira!“, rief der Zwölfjährige mir zu und rutschte die hölzerne Schiffsverkleidung gekonnt herunter. Hinter ihm der Schwarm Ratten, die ihm gehorsam folgten. Wortlos nickte ich, erhob mich und jagte ihm in Begleitung des Wolfshundes nach.     Der Schrottplatz grenzte an ein offenes Wüstengebiet, welches ihn von der Stadt trennte. Hier im South Blue trug der Sand meist eine rötlich gestreifte Farbe. Mehrere kleine und eine große Düne dienten als Grenze, die wir überschritten. So oft es uns beliebte. Wir waren Außenseiter, die sich selbst zu Insidern machten.   Heute wurde das alljährliche Sonnenfest abgehalten. Es war ein heiliger Tag. Die Bewohner der Stadt versammelten sich auf dem Marktplatz, knieten dort und beteten zu einer Gottheit – der Sonne selbst – von der sie besessen waren. Nachts, wenn der Mond schien, durfte keiner das Haus verlassen. Sonst wurde er zum Sünder erklärt. Dunkelheit bezeichnete man hier als das Böse. Der Hölle ähnelnd, der Mond Luzifer repräsentierend.   Für uns Straßenkinder existierte kein Gott. Niemand zeigte uns Gnade. Wir blieben Frevler. Und wir wurden unserem Ruf gerecht, der uns gleichgültiger nicht sein konnte. Momentan spazierten Kid und ich durch die leeren Straßen. Unsere tierischen Begleiter dicht bei uns. Die Rattenschar hinter Häusern und anderen Verstecken verborgen. Nur die Alpha-Ratte saß auf Kids Schulter, der Wolfshund lief neben mir.   Der treue Vierbeiner half uns bei der Suche nach Schätzen, witterte Gold und Edelmetalle. Alarmierte uns über unerwünschten Besuch und teilte uns mittels Zeichen mit, ob ein Haus verlassen war oder nicht. Ein Schnaufen: Anwohner anwesend – je nach Anzahl des Schnaufens. Ein Knurren: Gefahr – je tiefer das Knurren, desto gefährlicher.   An drei Häusern gingen wir erfolglos vorbei. Oftmals blieben die Kinder Zuhause. Sogenannte 'Unwürdige', die dem Licht der Sonne noch nicht würdig waren. Manche wuchsen auf, ohne je das Sonnenlicht gesehen zu haben. Dunkel munkelte man, dass einige Kinder in dieser Nacht verschwanden. 'Durch Gottes Wille', weswegen auch niemand nach ihnen suchte. Trauer war eine Todsünde.   'Hirnverbrannt', so nannte Kid die Menschen hier. 'Matschbirnen, die ihr Hirn zu lang in der Sonne gebrutzelt haben.'   Bei Haus Vier blieb der Mischling abrupt stehen und nahm eine wachsame Haltung ein. Mit erhobener Vorderpfote zeigte er mit seiner Nase auf die Haustür und bellte einmal kurz auf. Das Haus war also leer, enthielt einen oder mehrere Kostbarkeiten, die alsbald uns gehören sollten. Kids Grinsen verdunkelte sich vorfreudig. Mit einem zweifachen Zungenschnalzen rief er die Ratten zu sich, die durch den Fensterspalt ins Gebäudeinnere drangen. Er hatte sie zu perfekten Dieben dressiert. Ihre Beute waren funkelnde Gegenstände, sowie Geldbündel und Nahrung.   Wir brauchten lediglich zu warten. An die Häuserwand gelehnt, taten wir genau dies. Einige Augenblicke später kamen die kleinen Räuber wieder, mitsamt ihrer Erbeutung. Einige Ratten trugen Ketten um ihre Körper, andere Armreife um ihre Hälse. Wieder andere Ringe in ihrem Maul oder Säckchen mit verpackten Nahrungsmitteln. Alle reichten sie ihr Diebesgut Kid, legten es ihm zu Füßen. Grinsend nahm er sich eine Packung ungesalzene Erdnüsse, riss sie auf und biss locker auf eine Nuss, ohne sie zu zerbeißen. Er drehte seinen Kopf zur Alpha-Ratte, die er fütterte. Die Beute gerecht teilte.   Die nächste Nuss warf er lässig in die Luft, fing sie mit seinem Mund auf und aß sie. Den Rest verstreute er auf dem Boden und übergab sie somit den Ratten, die sie fraßen. Ich verpackte die Beute in einen großen Sack und band ihn dem Wolf um, der ihn zu unserem Unterschlupf bringen sollte. Kurz streichelte ich ihm über den Kopf, schmunzelte ihn an und schickte ihn mit einer Handbewegung Richtung Wüste. Stolz sah ich ihm nach, hörte ihn aus der Entfernung aufheulen und schmunzelte.   „Du bist zu weich, Kira“, grinste der Jugendliche mich an und verschränkte seine Arme locker hinter seinem Kopf. „Der Streuner bedeutet dir 'ne Menge, stimmt's?“   Ein Schulterzucken meinerseits, das sein Grinsen breiter werden ließ.   „Ich hab 'n lauwarmes Blondes als zukünftigen Vize“, lachte er und legte mir seine Hand auf meine Schulter. „Du bist schwer in Ordnung – Einer muss ja das Chaos ausgleichen.“   Kid war schlau, verdammt schlau. Was ihm niemand zutraute. Mit Acht baute er einen Roboter, der ein beachtliches Waffenarsenal beherbergte. Mit Zehn hatte er die Mechanismen unserer Fallen-Systeme entwickelt. Mit Zwölf Waffen, um die sich die Regierung reißen würde. Metall und Zerstörung waren seine Elemente.   „Piratenkönig an Vize! Träumst du schon wieder vom One Piece?“, winkte er vor meinem Gesicht und holte mich aus meinen Gedanken. Lachend drehte er mir seinen Rücken zu, in Richtung Marktplatz schlendernd. „Lass uns die Matschbirnen aufmischen und ihnen zeigen, was wir drauf haben!“     Wir reservierten uns die besten Plätze. Auf einem der Häuserdächer saßen wir, sahen auf die knienden Volksleute hinab. Grinsend. Kid stieß mich mit seinem Ellenbogen in meine Rippen, ließ mich so zu ihm sehen.   „Soll'n wir sie tanzen lassen?“, fragte er mich, woraufhin ich zustimmend nickte.   Dunkel grinsend hob er seine Hand zu einem stummen Befehl und eröffnete somit den Tanz des Teufels. In Scharen sprangen die Ratten auf den totenstillen Marktplatz. Brachten mit einem Mal neues Leben in die reglose Gemeinde. So schnell hatten wir die alten Rostgestelle noch nie rennen sehen. Eine wahre Wunderheilung gegen Arthrose.   Panisch flohen die Bewohner im Galopp – um den fiepsenden Ratten auszuweichen. Retteten sich auf höhere Plätze, vorwiegend dem riesigen Brunnen, um deren Stehplätze sie sich rissen. Einige flüchteten ins Brunnwasser, zogen andere mit sich und stritten lautstark. Das Paradebeispiel einer 'Gemeinschaft'. In Panik schrien sie angsterfüllt unsere Namen.   „Die Dämonenkinder!“ „Der Rattenfänger und der Zerberus!“ „Die Ausgeburten der Hölle!“   Sie gaben uns viele Namen. Wir trugen viele Gesichter. Unsere wahren kannten sie nicht. Bis jetzt. Mit einem scharfen Pfiff machte Kid die Gemeinde auf uns aufmerksam, zog alle Augen auf uns und richtete seine befehlshaberische Stimme an sie.   „Merkt euch meinen Namen!“, rief er ihnen zu und zeigte mit seinem Daumen auf seine geschwollene Brust. Seine goldenen Augen leuchteten in Egomanie. „Ich bin Eustass Captain Kid. Der zukünftige Piratenkönig!“   Stolz grinsend legte er seinen Arm um meine Schulter.   „Und das hier ist der Vize des Königs“, stellte er mich vor, da ich nicht sprach. Niemals. Mit dunkler Stimme beendete Kid seine Ansprache. „Wir werden uns das One Piece holen und zusammen über die Grandline herrschen. Kniet nieder und fürchtet uns!“   Schweigen. Starrende Blicke. Folgend von höhnischem Gelächter.   „Natürlich werdet ihr das, Teufelskinder, haha!“ Eine dröhnende Lachsalve drang über den Marktplatz. „Zuvor wird euch des Henkers Gericht holen!“   Niemand nahm Kid ernst. Alle lachten uns aus. Doch blieb Kids Grinsen unerschütterlich.   „Ihr werdet schon sehen“, schwor er ihnen und wandte sich zum Gehen. Rief ihnen abermals lautstark zu, als er und ich vom Dach sprang. Mit uns die Rattenschar gehend. „Merkt euch meinen Namen!“     Unser Rückweg verlief wie so oft; Kid prahlte von sich selbst, erzählte mir von seinen neuesten Erfindungen und unseren zukünftigen Abenteuern auf See. Ich lief stumm neben ihm her und hörte ihm zu. Dies tat ich mit einem leichten Schmunzeln auf meinen Lippen. Wusste, dass er seine Ziele wahrmachen würde. Dieser Junge würde Piratenkönig werden. Und ich würde alles in meiner Macht stehende tun, um ihm dazu zu verhelfen.   Als wir den Schrottplatz erreichten, war der Abend längst angebrochen. Wir hatten einiges an Zeit verstreichen lassen, weil wir einen weiten Umweg zum Meer nahmen. Stunden verbrachten wir dort. Mit verheerenden Folgen. Eine unbedachte Entscheidung, die uns alles kosten sollte.   Ich ahnte es. Ahnte, dass etwas nicht stimmte. Hinter meinem blonden Pony weiteten sich meine Augen. Der Beutesack lag vor unserem Versteck. Doch der Hund war nicht hier. Nicht mehr.   Mein Blick suchte ihn. Erblickte seine verwischten Pfotenabdrücke, die vor dem Schiff im Sand endeten. Neben ihnen weitere Spuren. Fußspuren. Meine Augen verengten sich, verfolgten die blassen Fußtritte, welche zur Stadt führten. Dies war eine Falle. Dennoch rannte ich los, ohne Zögern, so schnell mich meine Beine trugen. Rapide fegte ich über den Sand. An Kid vorbei, der mir nachsah, mir nachrief. Jegliches Wort blieb ungehört.   Der Weg über die Dünen eine Ewigkeit. Am höchsten Punkt verlangsamte ich meine Bewegung, bis zum Stillstand. Sah auf die entfernte Stadt hinab. Ein Dämmerlicht am lichtlosen Horizont. Still schloss ich meine Augen, atmete tief durch und hörte es; Sein tiefes Heulen, welches im Nachhall über die Wüste schallte. Ein Ruf nach mir, welchen ich gewiss deuten konnte. ...Seinen Abschied.   Meine Beine bewegten sich in Überreaktion, angezogen durch seinen letzten Wehruf. Mein Handeln zu schnell für meine Glieder, die der Reaktion nicht mithielten. Hetzend stolperte ich durch den Sand. Fiel, stand auf, hetzte weiter. Meine Kleidung, Haut und Haar mit Sandkörnern beschmutzt. Allesamt gleichgültig. Weiter. Ich musste weiter. Musste ihn sehen. Es spüren. Den Schmerz, der von mir Besitz ergriff.   Die Welt um mich schien existenzlos. Einzig meine Innere nahm ich noch wahr. Alles wirkte surreal. War verdammt unwirklich. Fühlte sich nicht echt an. Ich merkte nicht, wie ich die Stadt erreichte. Wie ich atemlos durch die Straßen jagte. Wie meine Lunge brannte, ausgetrocknet, zugeschnürt.   Mein leidendes Herz führte mich zu ihm. Viel zu spät erreichte ich die verdunkelte Seitengasse, in der er lag. Ihre eisige Kälte umhüllte uns. Nur noch ein Schatten überdauerte einstiges Leben.   Er war verstorben. Allein. In Dunkelheit und Einsamkeit. Rattengift nahm ihn mir.   Meine Augen fanden die seinen. Eine einzelne Trauerperle schlich über meine rechte Wange. Langsam kniete ich mich zu dem leblosen Körper, blickte weiterhin in dessen seelenlosen Augen, deren Lider ich andächtig schloss. Sanft strich meine Hand über seinen Kopf, erfühlte das stumpfe, dunkle Fell. Er war eiskalt.   Etwas starb in mir. In dieser Nacht, exakt in diesem Augenblick. Gefror mein Herz, härtete es zu Stein, färbte es in Schwärze.   Still hob ich den erschlafften Hund hoch, trug ihn auf meinen Armen und schritt voran. Aus der verdunkelten Gasse, ins trübe Laternenlicht. Vorbei an den starrenden Menschen, deren gehässige Mienen mich nicht erreichen konnten. Mein blonder Pony verdeckte mein Gesicht, gleichend einem Trauerschleier. Meine Beine bewegten sich immer weiter voran, mechanisch und klanglos. Mein Kopf blieb gehoben, meinem treuen Begleiter die letzte Ehre erweisend.   „Das Ungeheuer ist bezwungen!“, jubelte jemand zu meiner Linken. Aus dem Fenster zu meiner Rechten erschallte ein schadenfrohes Hexenlachen. Zur Schau stellend zeigte sie mit ihrem Finger auf mich. „Bring den Köter zurück in die Hölle, wo er hingehört! ...Obwohl, da ist er ja jetzt endlich!“   Mehrere Altweiber stiegen in ihr Gelächter ein. Ihre Männer erhoben triumphierend ihre Krüge, stießen auf ihren 'Sieg' an. Einige Kinder warfen Steine nach mir, die an meinem leeren Körper abprallten. Ich spürte nichts mehr. Als wäre Schmerz von löcherndem Herzen verschlungen worden.   Eines fühlte ich jedoch deutlich; Seinen Blick. Die Augen des Mörders. Des 'Helden' der Nachtsonnenwende. Unsere Blicke kreuzten sich. Wie zwei Klingen, die einander schnitten.   Vollends zufrieden mit sich und seiner Heldentat ließ er sich feiern. Allesamt wussten sie es. Boshaft grinsend zog er die Kapuze seiner braunen Kutte über seine schattenhaften Augen, hielt seine Hand gehoben und fuhr mit seinem Daumen langsam über seinen Hals, in einer eindeutigen Geste. Seine Botschaft an mich: 'Du bist der Nächste.'   Ohne anzuhalten schritt ich unberührt weiter. Trug meinen Hund den weiten Weg zum Schrottplatz, wo er seine letzte Ruhe finden sollte. Jeder Schritt nährte die Leere. Erst am frühen Morgenbeginn erreichte ich das Gelände.   Stille. Die Sonne trüb, die Landschaft trist. Als ich an unserem Zuhause ankam, verdunkelte sich unsere Welt bis zur bittersten Finsternis. Der Wandel der Stille, zerschmettert, zur Agonie erlebend.   Kid, wie er mich gar irre ansah. Kid, wie er in Wut verzerrt brüllte. Kid, wie er die kleinen Leichen einzeln wegtrug, die über das gesamte Gelände verteilt im Staub lagen.   Wo einst unser Zuhause war, war nun ein Massengrab. Heute verloren wir alle unsere Kameraden.   Stumm folgte ich Kids Tun. Trug meinen Gefährten in unseren Unterschlupf. Bettete ihn auf der großen Piratenflagge, umringt von seinen kleinen Genossen. Kid griff nach einer Fackel, ich nach dem letzten Andenken meines Hundes. Zusammen standen wir vor dem 'Seesarg', welcher seinen Namen letztlich erhielt. Schweigend blickten wir auf das Schiff. Warfen einander einen alles sagenden Blick zu. Teilten verbotene Trauer. Dann entzündete er das Holz.   Flammenrot. Wärme, die kalte Körper wärmte. Die nimmersatten Flammen stiegen immer weiter gen Himmel, fraßen sich durch das Schiff, äscherten unsere Begleiter ein. Seelenvoller Rauch erfüllte den South Blue. Lange standen wir hier, bis das Feuer erstickte und nichts als aschene Erinnerungen zurückließ.     Nichts hielt uns mehr hier. Dennoch konnten wir noch nicht gehen.   Vergeltung. Sie band uns an diesen Ort.   Ich war der Ältere. Diese Pflicht war die Meinige.   Heute Nacht stieg der Blutmond auf.   Entschieden nahm ich mir den rostigen Dolch. Blickte reuelos auf das letzte Andenken meines Hundes.   Und setzte mir die blau-weiße Kopfbedeckung auf, die einst als sein Maulkorb gedacht ward. Von Kid zu einer Maske modifiziert.   „Kira-?“   „Kira ist tot“, sprach ich die ersten Worte seit Jahren, ließ mein aschenes Ich hinter mir. Meine entfremdete Stimme die Monotonie der Kälte, die in mein Herz in Ungestalt einkehrte.   „Nenn mich Killer.“     . . .     „Erledige deine Aufgabe, Kira!“   Wie oft habe ich ihm gesagt, dass er mich nicht so nennen soll? Hinter meiner Maske schmunzelte ich in bitterer Apathie. Dachte teilnahmslos zurück an all die Jahre, in denen Kid niemals aufhörte, meinen Namen zu sprechen. Mir war bewusst, dass er dies geflissentlich tat. Einzig durch ihn geriet Kira nicht in Vergessenheit.   Mit erhobener Sichel stand ich vor dem bewusstlosen Heart-Piraten, schaute jedoch zu Kid, der mich vom Türrahmen aus angrinste. Ein gar menschliches Grinsen, welches meinen wahren Namen stets begleitete. Nur eine Sekunde andauernd, ehe sich seine Mimik verfinsterte, in einen Ausdruck von diabolischer Arroganz. Seine Augen leuchteten in goldenem Stolz. Gänzlich uneingeschüchtert, gar erwartungsfreudig von dem Eintreffen der Heart-Piraten.   „Ich hab jetzt 'n Date“, grinste er dreckig, dunkle Vorfreude seine Worte stärkend. Die trampelnden Schritte der Mannschaft eine Etage über uns untermalten seinen tiefen Stimmton, ließen ihn gefährlicher klingen. „Ich werd dem Arschloch sein Katana aus seiner Öffnung ziehen und fester stopfen.“   Zur Verdeutlichung seiner Androhung hob er seine Hand, krümmte seine lackierten Finger und ließ seine Kräfte wirken, sodass purpurne Blitze über seiner Handfläche flackerten. Der unruhige Leuchtstrom hüllte sein Gesicht in teuflische Diabolik. Mit seiner anderen Hand, die den Türrahmen umgriff, stieß er sich kraftvoll ab. Lachte rau auf und begab sich in Begleitung unheilvoller Schritte Richtung Deck. Seinen Hauptgast in Empfang nehmend. Das Donnern seiner schweren Stiefel und sein wehender Mantel die letzten Vorboten des unvermeidlichen Chaos.   Ob Trafalgar Law weiß... Dass Kid nur auf den Moment gewartet hat, an dem er einen Fuß auf unser Schiff setzt?   Unser Vorhaben verläuft gänzlich nach Plan...   Nichts steht unserem Erfolg mehr im Weg- Fiel mein Blick auf den Heart-Pirat zu meinen Füßen. Teilnahmslos wandte ich mich von ihm ab. Nichts und niemand...   Mein gezielter Nackenschlag sollte ihn vorerst in Bewusstlosigkeit wiegen. Weil ich noch immer nur in Boxershorts bekleidet war, zog ich mir zunächst meine Kleidung an. Hose, Schuhe und gepunktete Bluse, deren Knopf ich offen ließ. Dann schweiften meine Augen zu der Seinigen, mitsamt Kappe die verstreut auf dem Boden lag. Der Heart-Pirat war nackt, nur das Laken bedeckte seinen liegenden Körper bedürftig. Ohne Zögern zog ich die Decke weg und kleidete ihn mit der grünen Shorts an. Ein minder beschwerlicher Akt, weil seine Muskelspannung vollends erschlafft war.   Mit wenig Kraftaufwand warf ich ihn über meine Schulter. Daraufhin trat ich mit ihm den Pfad zur Folterkammer an. Meine Schritte gefasst, mein Entschluss endgültig. Die unterste Ebene der Adventure Galley war ihr dunkelster Abschnitt. Dekoriert mit Wandlaternen, die nie entfacht wurden. Ihr Inneres, statt Licht nur Staub und Weben tragend. Das Dunkel mein Begleiter, mein Helfer, der mir den unvergessenen Weg wies.   Wie oft bin ich diesen Weg gegangen? Zu zweit... und stets allein zurückgekehrt...   Mit einem leisen Quietschen öffnete ich die eiserne Gittertür, schloss sie hinter mir und ging zielgerichtet auf den Stuhl in der Mitte des düsteren Raumes zu. Setzte den Heart-Piraten auf ihm ab, richtete seinen schlaffen Körper auf und band seine Fußgelenke und Handgelenke fest. Die soliden Seile an Stuhlbeinen und Rückenbalken fixierend.   Mithilfe eines Streichholz entzündete ich die heruntergebrannte Standkerze hinter ihm. Das spärliche Licht enthüllte den kargen Raum, an dessen Wänden rostige Eisenfesseln hingen. Die Räumlichkeit war von einem rot-fleckiger Vorgang getrennt. Eine Leichenklappe war in den Boden eingesetzt. Der beißend-süßliche Geruch der Endgültigkeit trocknete die schwere Luft aus, verlieh der Kammer eine unheildrohende und angsteinflößende Atmosphäre.   Schweigend ließ ich mich auf dem Stuhl gegenüber seinem nieder. Belauerte ihn unaufhörlich. Nun musste ich nur noch auf sein Erwachen warten.   Sehe deinem Schicksal in die Augen, Heart-Pirat...   Dein Glaube an mich wird zerbrechen... Gebe mich auf... Gebe Kira auf...   Exakt 15 Minuten und 4 Sekunden. Dann öffnete er seine Augenlider. Schwerfällig hob er seinen gesenkten Kopf, schaute flüchtig nach Links und Rechts, bis sich sein Blick auf mich fixierte. Ein Blick, den ich nicht zu deuten wusste. Welche Emotion offenbaren mir deine Augen?   Enttäuschung? Traurigkeit? Verletztheit? Nichts von alldem...   Er grinste. Grinste mich unerschrocken an.   „Hier endet es also“, sprach er mit matter Stimme, die an Festigkeit gewann. „Ich habe es gewusst... Deine Loyalität als Vize ist wirklich vorbildlich.“   Kurz lachte er auf. Sein Lachen eine Lüge.   „Du hast dir echt Zeit gelassen. Was hat dich aufgehalten?“ Eine Frage, deren Antwort wir beide wussten. Die unausgesprochen blieb.   Er verstummte. Sehr lange. Die Wahrheit holte ihn plötzlich ein, ließ seinen Blick trüb werden. Langsam senkte er seinen Kopf. Sein kurzer Seitenpony fiel ihm bei der Bewegung über sein rechtes Auge. Seine Zähne bohrten sich in seine Unterlippe, als er seine Augen schloss. Versuchend, sie vor der Realität zu verschließen.   Du hast an mich geglaubt... An den, der ich einst gewesen bin...   Traue deinen Augen; Ich bin Realität...   Stille tränkte den Raum, erbaute eine unsichtbare Mauer zwischen uns. Dies war der Augenblick, in dem wir uns entfremdeten. In welchem wir einander Fremde wurden. Eine fühlbare Sekunde, deren Auswirkung nicht rückgängig gemacht werden konnte.   Dies ist unsere Bestimmung...   Ein Heart-Pirat und ein Kid-Pirat, deren Weltbilder ein tiefe Kluft spalten...   Dort saß er nun, hilflos und mir vollends ausgeliefert. Nur konnte ich die Situation nicht gänzlich genießen. Konnte meine Hand und Stimme nicht erheben. Etwas unnennbares hinderte mich daran. Etwas namenloses, vergessenes. Jemand, der ihn in Schutz nehmen wollte. Sein Hüter, der ihm gegenüber im Auge des Sturms einen stillen Schwur leistete. Eine Aufgabe der ich nicht gerecht werden konnte. Kids Befehl überschattete sie.   Der Heart-Pirat war er es, der nach einer Endlichkeit die Stille brach. Sein Stimmton ungewöhnlich blass, befremdlich. Als würde er neben sich stehen.   „Ich kann deine Gedanken nicht lesen“, flüsterte er leise, als wenn er mit sich selbst zu sprechen schien. Sein Kopf blieb gesenkt, seine Augen geschlossen, über die sein seitlicher Pony locker lag. „Sie sind das Einzige, das ich nicht fühlen kann.“   Wortlos beobachtete ich ihn, ließ ihn aussprechen.   „Dein Haki... Du besitzt die Fähigkeit des konzentrierten Hörens, stimmt's?“ Ein Schweigen war meine Antwort. Wie hat er dies herausgefunden? Ohne eine Reaktion von mir abzuwarten fuhr er fort. „Meins umfasst das Sehen. Ich spüre die Farben der Emotionen. Doch kann es nicht deuten...“   „'Es'?“   „Die Schwärze“, wirkten die geflüsterten Worte gar ängstlich. Langsam hob er seinen Kopf, um mich anzusehen. Sein Augenlicht flackerte unruhig in blassen Grüntönen. „Warum wird das Violett immer dunkler?“   Wovon spricht er?, fragte ich mich und versuchte seine Worte zu analysieren. Was will er damit ausdrücken?   Weiterhin sprach er in Rätseln, deren Ergründung mir verwehrt blieb.   „Träumst du von Monstern, wenn du schläfst?“, klang die Frage nicht nach einer solchen. Viel mehr wie ein ausgesprochener Gedanke, dessen Antwort er suchte. Sein trüber Blick schien durch mich hindurch zu sehen. „Sind es ihre Schatten, die dich heimsuchen? Oder dein eigener?“   „Ich wüsste nicht, dass-“ Er unterbrach mich. Dies tat er bisher noch nie.   „Eine Angsttraumstörung, die zur Insomnie wurde“, erklärte er mit fester Medizinstimme. Er war sich seiner Behauptung vollends sicher. „Du hast seit ich hier bin kein einziges Mal geschlafen. Dein Geist leidet unter Erschöpfung und Übermüdung. Du bist nicht mehr du selbst.“   Fest presste ich meine Lippen aufeinander, nur kurz. Meine Stimme blieb monoton, verbarg ihre Farbe der Missstimmung.   „Dies hat dich nicht zu interessieren“, wehrte ich den Vorwurf ab, indessen meine Augen flüchtig zur Seite sahen, ehe sie sich wieder auf ihn fixierten. „Sorge dich um dich selbst, statt um andere.“   Ein schwaches Grinsen bildete sich auf seinen blassen Lippen.   „Das brauche ich nicht“, nahm sein Flüsterton einen warmen Klang an. „Meine Nakama tun es für mich.“   Als wenn seine Worte von genannten Personen erhört wurden, durchfuhr ein leichtes Beben das Schiff. Untermauerte seine Silben und ließ sein Grinsen breiter werden. Sehr weit entfernt waren die Geräusche vom Deck bis zur untersten Ebene vernehmbar. Eine Stimme jedoch war so hell und schrill, dass wir sie deutlich hörten.   „Peeeeng!“   Die Gesichtszüge des Heart-Piraten blichen in Schock. Reflexartig schaute er in Richtung Decke, öffnete seine Lippen und wollte etwas antworten. Hätte ich ihm nicht den Mund zugehalten.   „Wage es nicht“, schwärzte Gefährlichkeit meine geschärfte Stimme. Ergeben nickte er, versuchte jedoch nach meinen Fingern zu beißen. Ein stummer Protest seinerseits, der keine Wirkung erzielte. Aus eigenem Willen nahm ich meine Hand von ihm. Meine versteckten Lippen schmunzelten düster. „Wie viel bedeutet er dir, 'Peng'?“   Ohne eine Sekunde des Zögerns erwiderte er mit charakterfestem Ton; „Alles.“ Dabei sah er mich unbeirrt an. Bis Unsicherheit sein Augenlicht brach. „Wieder. Schon wieder ist es schwärzer geworden... Du- Sag mir nicht, dass es dein Herz ist-“   „Ich besitze kein Herz“, erkalteten meine Worte. „Es ist lediglich ein lebensnotwendiges Organ.“   So, wie du 'es' am Leben hältst... Die aschenen Überreste meines Innersten...   Dass er mir keinen Glauben schenkte, zeigte mir sein spöttisches halb-Grinsen. Was Groll in mir wachsen ließ.   „Kennst du den Schmerz eines Verlustes?“, fragte ich ihn in bitterer Dunkelheit, die ich nicht versteckte. Verletzender Hohn zeichnete meine kalte Stimme. „Wie überaus einfach es als Arzt ist. Tod mit Leben zu ersetzen, Negativ mit Positiv auszugleichen. Dem Tod feige aus dem Weg zu gehen. Ich begegne ihm mit seinesgleichen.“   „In dem du tötest?“, sprachen Unglaube und Zweifel aus ihm. „Das nennst du Tapferkeit?“, wurde sein Stimmton lauter, gefestigt durch Entschlossenheit. „Es ist nichts anderes als die gleiche Feigheit. Du sprichst über den Tod, als wäre er eine zu begleichende Schuld. Als wäre das Leben nichts wert, als diene es nur zur Begleichung.“   Er redete sich in Rage, knurrte mich erbost an, indessen ich die gänzliche Gleichgültigkeit blieb.   „Ich habe viele Menschen sterben sehen, verdammt viele! Liter an Blut Unschuldiger und Schuldiger floss. Und warum? Wegen nichts!“, ballte er seine verbundenen Fäuste und blickte gen Boden.   „In der Stunde des Sterbens sind wir alle gleich. Hilflos. Wenn es nicht eine Person gibt, die dir zu helfen versucht, tut es niemand!“ Mehrmals holte er hektisch Luft, beruhigte sich minder, behielt jedoch seine Stimmstärke. „Egal welche Art von Mensch meine Hilfe braucht – Ich werde ihm helfen. Ihm Hoffnung geben, und sei es nur ein ausglühender Funke. Dafür stehe ich mit meinem Leben.“   Seine Stimme wurde ruhig, zu ruhig. „Weißt du, was die Buchstaben auf den Fingern meines Käpt'ns bedeuten? Er nimmt den Tod seiner Patienten im Austausch für ihr Leben – Das ist unser Gesetz des Gebens und Nehmens.“   Kurz schien er in schmerzlichen Erinnerungen, bis Zorn seine Stimme füllte. „Sage niemals, dass das Leben wertlos sei, wenn es Menschen gibt, die dir wichtig sind!“   „Bist du nun fertig?“, erwiderte ich desinteressiert und kalt.   Niemals würde ich ihm sagen, dass er die Kälte zum Tauen bringt ... Die Truhe aus Eis, die mein Herz umschließt, splittern lässt...   Dass es seine Wärme ist, die Kiras Asche auffängt... Dem winzigen Keim einer einstigen Hoffnung Licht spendet...   Gebe mich nicht auf, Penguin...   Gar bemitleidend sah er mich an. Traurig, zugleich enttäuscht und tief gekränkt. Sein Blick durchstach meine Brust. Sein Wispern, kaum hörbar, gab mir den Gnadenstoß.   „Jemand, der innerlich tot ist, wird niemals verstehen... niemals verstehen, was lieben bedeutet.“   Ich... kann nicht lieben? So denkt er also tatsächlich über mich?   Er... hat aufgegeben an mich zu glauben...   „Nein, warte, so hab ich das nicht gemeint!“, rief er gar panisch. Weil ihm seine innersten Augen es offenbarten; Die unumkehrbare Auswirkung seiner verletzenden Worte. Den endgültigen Vorboten der Dunkelheit. Spürst du sie? ...Die Leere?   Ich tue es... Erspüre sie in ihrer Gänze...   Fühlt sich so der Tod an?, griff ich mir abwesend an meine linke Brustseite, sodass meine Finger den leblosen Stoff meiner gepunkteten Bluse berührten. Mein Herzschlag war für mich nicht wahrnehmbar, als würde er nicht mehr existieren. Etwas geschah mit mir. Veränderte mich. Verschlang mich. Die Schattenseite meines Selbst. Tränkte mein Herz in des Todes Schwärze.   'Du bist ein Narr. Bist verletzbar geworden. Hast Gefühle zugelassen.' Ein Flüstern der Finsternis. Die Saat der Bösartigkeit überwucherte die Trümmer meines Ichs. 'Er ist schuld. Ist dein Feind. Fügt dir Schmerz zu.'   'Du bist tot, hat er gesagt...', verzerrten die Worte im Dunkel meiner unkontrollierbaren Gedanken. 'Er wünscht dir den Tod.' Dornenranken, welche mein Innerstes umschlangen, tiefe Einschnitte in massivem Eis hinterließen. Die Truhe zuschnürten, ihren Inhalt erdrosselten bis zur Emotionslosigkeit. Seinen Beschützer gab es nun nicht mehr. Ein letzter Hauch von fünf Buchstaben. Die mich dem Wahn verfallen ließen.   'S.t.i.r.b.'   Langsam, wie in Zeitlupe nahm ich meine Sicheln. Montierte sie an ihre Armhalterungen. Kniete mich dann vor seine sitzende Figur. Meine Augen die eines wahren Killers. Da er meinen eiskalten Blick mied, mich nicht ansehen konnte, hob ich sein Kinn mit der Spitze meiner rechten Sichel an. Sein Augenlicht reflektierte Angst. Er fürchtete sich vor mir. Was die Schwärze nährte.   Meine Stimme war nicht wiederzuerkennen, mir vollends fremd, gänzlich desillusioniert. Mit einem gar irren Schmunzeln flüsterte ich ihm schattenhaft zu. Meine Worte reißend scharf, wie eine Guillotine.   „Du hast mich umgebracht.“ Meine Sichel strich in liebevoller Tödlichkeit über seine Haut, zu seinem Hals, langsam seine Halsschlagader entlang. „Begleiche deine Schuld.“   Statt sich von der Klinge wegzubewegen, verharrte er vollends reglos, in Angststarre. Hals und Schneide sich berührend, das hektische Pulsieren der Ader sichtbar. Meine verfluchte Sense sang nach Blut. Rief mir die Stimmen der Toten ins Gedächtnis, ließ mich ihre verzehrten Schreie hören. In ihr lebten die Verstorbenen weiter, waren auf ewig in ihrem Fluch gefangen. 'Seikatsu to Shi', der Name meiner beiden Sicheln; 'Leben und Tod'   Meine linke Sense – Seikatsu – fixierte sich auf seine andere Halsseite, sodass beide Klingen wie eine geöffnete Schere um ihn lagen, sich um ihn schlangen. Ihre Spitzen berührten sich in seinem Nacken. Meine Arme locker vor mir überkreuzt, kniete ich in gänzlicher Apathie vor ihm. Mein Kinn auf meinen kreuzenden Armhalterungen gebettet, ihn durch die Löcher meiner Maske belauernd.   Er schluckte. Sein Adamsapfel zitterte über die Schneiden. Minder verengte er seine vor Unruhe beängstigten Augen, sein Flüstern nur ein schwaches Hauchen.   „Du bist völlig geisteskrank“, flüsterte er in des Dunkel Stille, mit einem gefälschten Grinsen versuchte er sich zu beruhigen. Vergebens. Seine Angst war witterbar. Seine Stimme klang dünn und blass, gegensätzlich zu seinen ausdrucksvollen Worten. „Aber jede Krankheit ist heilbar. Ich werde dein Seelenleid heilen.“   Keine seiner Silben drang zu meinem geschwärzten Geist. Stumm sah ich ihn weiterhin an, in vollkommener Bewegungslosigkeit. Die erstickende Stille ließ ihn sichtbar nervöser werden. Lange hielt er ihre Unerträglichkeit nicht aus. Sein Stimmton schwankte stark.   „W-Wer bist du?“, fragte er in die Lautlosigkeit, die ihm Antwort gab. Was ihn weiter zerstreute. „Antworte mir, verdammt!“   Meine verzerrten Lippen bewegten sich von selbst. Sprachen in Gift und Verseuchung den Namen aus. Als würde ich ihn selbst vergiften.   „Massaker Soldat Killer.“   Verwirrt sah er mich an. So hatte ich mich noch nie genannt. Es war eine Betitlung der Marine. Der Menschen, die mich mit Ablehnung und Missgunst straften. Kurz dachte er nach, ehe er seine Frage umformulierte.   „Was bist du wirklich?“, wollte er wissen. Seine sanfter werdende Stimme überbot seine vorherrschende Nervosität. Kein einziges Mal schweifte sein Blick zu meinen Sicheln, blieb auf mich fixiert. „Bist du ein Soldat oder ein Killer?“   Stille, die ihn zum Weitersprechen veranlasste.   „Beides unterscheidet sich voneinander“, erklärte er mit fester werdendem Stimmklang; „Ein Soldat besitzt Ehrgefühl, tötet, weil er es muss. Ein Killer tut es aus eigenem Vergnügen heraus, weil er es will-“   Die Schere aus Sicheln schloss sich. Nur einen Millimeter, sodass ein winziger Schnitt Links und Rechts seinen Hals zierte. Zwei Bluttropfen fielen auf meine Sensen, rannen ihre gewellte Klinge hinab. Beide sogen sie die rote Perle auf, die in das dunkle Wellenmuster einsickerte. Meine rechte Sichel dürstete nach mehr, trachtete nach seinem Leben. Meine linke gierte einzig nach ihm. Nach ihm als Mensch, lebend.   Schmerz durchfuhr meinen Kopf. Der Kampf beider Sensen rief ihn hervor. Nie zuvor haben beide Klingen das gleiche Opfer gespürt. Sie waren Eins und dennoch entzweite Gegensätze. Ich ihr Meister, der sie vervollständigte.   Meine Waffen spürten, dass ich nicht ich selbst war. Nutzten dies aus. 'Tod', meine rechte Sense, ging plötzlich von allein los. Rotierte ohne mein Zutun. Ihren Blutdurst stillen wollend. Ihr unheilvoller Gesang surrte durch die Luft, die sie durchschnitt. Knapp, verdammt knapp, zog ich sie von seiner Kehle weg, streckte meinen Arm reflexartig nach Rechts, sodass ihre Spitze geräuschvoll in die Dielen stieß. Ihre Rotation abrupt stoppte.   Penguins Augen waren weit aufgerissen. Er verstand nichts von dem, was geschehen war. Einzig, dass er beinahe geköpft worden wäre. Angsterfüllt blickte er auf die Klinge im Boden, dann wieder zu mir. Das hier war längst kein Spiel mehr, war es niemals gewesen.   Fürchte mich... Erkenne den Dämon, welchen du erweckt hast...   Langsam beugte ich mich zu seiner linken Halsbeuge, streckte meine Zunge durch ein Mundloch meiner Maske und leckte den austretenden Blutstropfen von seinem Hals. Trotz seines befangenen Verstandes, reagiert sein Körper auf meine intime Berührung. Sein Körper gehorchte mir, nur seinen Geist musste ich noch dazu bringen.   Einst trainierte ich eine Bestie zum Gehorsam... Gleiches würde ich mit ihm tun.   Mein Befehl musste ausgeführt werden. Niemand hinderte mich mehr daran. Meine zweite Sichel nahm ich nun ebenfalls von seinem Hals, steckte sie auf die linke Seite neben seinem Stuhl in den Holzboden und löste beide Waffen von ihren Halterungen. Ruhig stand ich auf, ging lautlosen Schrittes zu dem Vorhang, der den Folterraum teilte. Mit einem leisen Rascheln schob ich ihn zur Seite, ehe ich hinter ihm verschwand.   In Unsicherheit über mein weiteres Vorgehen ließ ich ihn zurück. Stand vor der Wand an einer Vielzahl unterschiedlichster Hilfsmittel, die ich mir besah. Von Knebeln, über Hieb-Instrumente, bis hin zu den ausgefallensten Folter-Gerätschaften war alles vorzufinden. Meine Wahl fiel auf einen bestimmten Gegenstand, den ich an mich nahm.   Welch schicksalhafte Ironie...   Als ich abermals hinter dem Vorhang hervortrat, ließ ich den Gegenstand locker mit meinem Zeigefinger kreisen, schlich lauernd auf den Heart-Piraten zu. Und kniete mich vor ihn, um ihm meinen Fund zu zeigen. Seine Augen weiteten sich in Erkenntnis, als er das Objekt erkannte.   „Ein Halsb-?!“ Klick. Legte ich es ihm im gleichen Atemzug um. Das breite Lederband, schwarz mit spitzen Kurz-Nieten, welches nun seinen Hals zierte. Den Schlüssel für das Schloss in seinem Nacken steckte ich in die Tasche meiner gefransten Hose.   Schmunzelnd richtete ich mich auf, stand erhaben vor ihm, betrachtete ihn. In meiner rechten Hand die Fernbedienung haltend, auf deren Knopf mein Daumen ruhte. Meine Handfläche begann vor Unrast leicht zu schwitzen. Finstere Erregung durchfuhr mich. Beinahe ersehnte ich eine Kooperationsverweigerung seinerseits.   Ohne Zögern forderte ich die Antwort, nach welcher ich verlangte.   „Sage mir alles, was du über das Porneglyph weißt“, blieb meine Stimme eisern, kalt und unmissverständlich. Erschreckende Klarheit flackerte in seinen Augen, die den verborgenen meinen standhielten. Unglaube ließ seine Worte lauter werden.   „Darum geht es? Deswegen das alles?! Wegen dem verdammten Porneglyph!?“, knurrte er aufgelöst und verstummte abrupt. Weil er sich verraten hatte. 'Dem' statt 'einem' Porneglyph. Er wusste genau, von welchem ich sprach; Dem, in Big Moms Besitz.   Bitterlich biss er sich auf seine Unterlippe, drehte seinen Kopf weg und wandte seinen Blick zu Boden, schweigend. Lässig setzte ich mich auf den Stuhl gegenüber von seinem, überschlug meine Beine und wartete. Zwei Sekunden. Dann betätigte ich den Knopf.   „Ich habe dich zum Sprechen aufgefordert“, zeichnete dunkle Dominanz meinen Befehl, indessen sein Körper zusammenfuhr und er sein Gesicht verzog. Vor Schreck, nicht vor Schmerz, noch nicht. Der erste Stromstoß – von niedrigster Stufe – war lediglich eine Warnung.   Es vergnügte mich, ihn zu kontrollieren, ließ mich mächtig fühlen. Hätte ich Emotionen besessen. Noch immer fühlte ich mich leblos und leer. Mein Empfinden nur ein Trugbild von Menschlichkeit, welche nicht mit dem Namen Killer in Verbindung stand.   Der menschliche Teil von mir existiert nicht mehr... Asche, die im Eiswind zerstreut ist...   Mein leerer Blick blieb auf ihm, seiner mied mich. Ergeben schloss er seine Augenlider.   „Ich...“, begann er zögernd zu flüstern, rang mit sich, konnte jedoch nicht lügen. „Ich werde dir nichts sagen“, besaß seine Stimme nur halb so viel Festigkeit, indessen er seinen Kopf haltlos nach vorne fallen ließ. „Wenn ich es täte, würde ich einen Freund verraten. Verrat ist unentschuldbar.“   „Falsche Antwort.“   Ein elektrisches Zischen erfüllte die Luft, die ihm wegblieb. Noch während der Stromschlag ihn durchfuhr, sah er mich mit einem zugekniffenen Auge an, seine Stimme erzitterte unter Elektrizität.   „W-Warum... h-hast du mich verraten?“, atmete er stockend, das Grün seiner Augen splitternd. Als die elektrische Ladung abklang, verbitterte sein Stimmton. Verletztheit hörbar, sichtbar, spürbar.   „Es tut verdammt weh...“ Der Stromschlag? Der Vertrauensbruch? „...Dich leiden zu sehen.“   „Sag... ist es einsam in der Dunkelheit?“, flüsterte er gefühlvoll, seine Augen schimmernd in aufrichtigem Mitgefühl. Erstmals erkannte ich in seinem Blick so etwas wie Bedauern. Sein Flüsterton nahm den Klang von Trauer an.   „Jedes Mal, wenn ich durch deine Maske blicke, sehe ich all den Schmerz und die Einsamkeit...“ Sein grünes Seelenlicht erlosch, zerfließend im Meer der Emotionalität. Tränen in meinem Name, trauernd um mich. „Warum kann ich nicht derjenige sein... Warum kann ich dir nicht helfen?“   Stille. Die Stille des Dunkel, welches mir bösartig mit fauligem Atem zu hauchte.                                           Er lügt... höre nicht auf seine Lügen.                                         Er versucht dich zu manipulieren.   Des Finsternis Geflüster wurde von Kids illusionistischen Worten überschattet. Zeitgleich ergriff mich ein dröhnender Kopfschmerz. Was mich dazu veranlasste, mir angestrengt meinen Kopf zu halten.                      'Du weißt, was du zu tun hast.'                                                             Tu es.                    Tu es nicht.                  Zwei Stimmen, die meine eigene waren.                   Gegensätzlicher nicht sein konnten.                                                Du bist ein Killer.                                         Jemand, der nur Befehle ausführen kann.                    Nein.                  Du besitzt einen Namen.                  Eine Seele.                                                Ha! Lächerlich!                                              Eine Seele hat Gefühle.                                              Gefühle sind Schwäche.   Meine leeren Augen blickten auf den Heart-Piraten nieder. Der Blick der Leere von Eisblau zu Nachtblau wild flackernd, wie im Kampf von Licht und Dunkelheit.                                                Willst du angreifbar sein?                                              So enden, wie er?        Er hat dir vertraut.                                                Vertrauen ist trügerisch.          Du hast ihn benutzt.                                                Er hat sich ausnutzen lassen.          Du hast einen Fehler begangen.                                                Fehler müssen beseitigt werden.          Sie können korrigiert werden.                                                                       ...Mit dem Tod.   Penguins Stimme durchbrach meinen reißerischen Gedankenkreis. Sein sanfter Stimmton die Sorge selbst.   „Sag mir... Wie ich dir helfen kann. Wovor fürchtest du dich? Warum zittert dein Daumen so sehr-?“   Ein heftiger Stromschlag unterbrach ihn.   Vehement drückte mein Daumen auf den Knopf, ehe ich mit geweiteten Augen auf die Fernbedienung sah.   Reflexartig ließ ich sie fallen, als wenn ich mich an ihr verbrannt hätte. Als wäre ich es, welcher den Stromschlag abfing. Geräuschvoll kam sie auf dem Boden zwischen uns auf.        Was hast du getan?                                                   Das, was man dir befohlen hat.        Er sorgt sich um dich.      Du bist ihm wichtig.                                                     Er bemitleidet dich nur.                                                   Du brauchst sein Mitleid nicht.                                      Schweigt!                     'Uns wirst du nicht los. Wir sind du.'                           'Du bist einer von uns.'                             'Doch wer bist du...?'                              'Kira oder Killer?'                                      Ich bin...                          Bin... fucking verwirrt...                            'Was wirst du nun tun?'                'Wessen Vertrauen willst du brechen?'                      ...Penguins?              ...Kids?                    'Wen bist du bereit zu verlieren?'                     'Brich ihn! Bring es zu Ende!'                                        N e i n.                 Bevor ich einen von ihnen breche,                    zerstöre ich mich eher selbst.   Mein lebloser Blick fixierte meine rechte Sichel, die noch immer im Boden kerbte. Wie in Zeitlupe kniete ich mich zu ihr nieder, neben den Heart-Piraten. Als ich meine Hand nach der Klinge ausstreckte, stoppte ich meine Bewegung abrupt, sodass meine Finger haltlos vor ihr verharrten. Zeitgleich kehrte ein Funke Leben zurück in meine sich weitenden Augen.   „Das Porneglyph existiert. Zepo hat Bepo einen Brief hinterlassen. Niemand außer ihm und meinem Käpt'n kennt den Inhalt. Mehr weiß ich nicht. Es tut mir leid... dass ich dir nicht helfen kann.“        Er hat dir gesagt,      was du wissen wolltest.                                              E-Er weiß nichts.                                            E-Er ist nutzlos.       Lass ihn gehen.     Befreie ihn von dir.                                               D-Du brauchst ihn nicht mehr.                                             T-Töte den Heart-Piraten.   Die bösartige Stimme verzerrte zur Undeutlichkeit. Die andere verblasste ebenfalls. Sie übergaben mir die letzte Entscheidung.   Ruhig nahm ich meine rechte Sense an mich. Mein Blick schweifte von der Klinge zu dem Heart-Pirat und zurück. Zeitgleich spürte ich ein leichtes Brennen. Von dem winzigen Einschnitt in meinem Zeigefinger. Meine Sense hatte mich geschnitten, ihren Meister. Selbst meine eigene Sichel hatte sich gegen mich verschworen. Schwach schmunzelte ich sie an. Gab ihr, wonach sie verlangte und flüsterte ihr hinter meiner Maske nur für mich hörbar zu.   „Zeige mir die Wahrheit.“   Dann warf ich sie locker in die Luft, direkt über den Heart-Piraten. Der Zielpunkt war sein Kopf, den sie spalten würde. Wenn sie es wollte. 'Tod' existierte einzig zum Töten. Die Welt fand ihren Stillstand, die Zeit wie fallende Kirschblüten verstreichend. Beide verfolgten wir die fliegende Klinge, wie sie rotierte, gar in Anmut in der Luft tanzte.   Penguin blickte mich an. Lächelte. Und schloss seine Augen friedlich. „Endlich weiß ich, wie ich dir helfen kann“, wurde seine sanfte Stimme leise und andächtig. Seine lächelnden Lippen wiederholten die Worte seines Herzens, in aller Gefühlsbetontheit. Jede Silbe ein inniger Herzschlag.   „Ich vertraue dir.“   So sehr, dass du mir dein Leben anvertraust?, spürte ich den Stich in meiner schlagenden Brust. Wie kannst du dies nach allem, was ich dir angetan habe?   Woher nimmst du die Stärke, deine Gefühle zu erleben ohne sie zu verschließen?   Woher die Kraft, an mich zu glauben?   Was siehst du, was ich nicht erkenne?   Es ist ohnehin zu spät... Die Rotation des Schicksals dreht sich unaufhaltsam... Bis zum letzten Schlag...   Dumpf schlug die Klinge ein. Rotierte haarscharf an seinem Hinterkopf vorbei. Traf präzise seine Handfesseln und löste sie. Meine Todessense hatte ihn an meiner Seite akzeptiert. Lebend.   Nun stehen wir auf der gleichen Seite... Auf der Schneide zwischen Himmel und Hölle...   An der Seite des Todesengels steht das Lebensherz...   Sobald seine Arme befreit waren, stand er wackelig auf, konnte sich nicht aufrecht halten und fiel kraftlos nach vorne, zu mir. In Sanftheit legte er seine Arme langsam um mich, schlang sich um meine Brust, an der er sich festhielt.   „Lebe“, flüsterte er mir liebevoll zu. „Bitte... lebe.“ Von unten sah er zu mir auf, das Grün seiner Augen in inniger Hingabe lodernd. „Verzeih mir... und vergebe dir selbst ebenfalls.“   Er bittet mich um Verzeihung? Obwohl ich es bin, der ihm Leid zufügte...   Du Narr... Du verdammter Narr...   Penguin ließ die Stimmen in meinem Kopf verstummen. Sie verschwanden, sollten niemals wiederkehren. Ersetzt von ihm, seiner Stimme, seiner Berührung, seiner Wärme. Einzig er füllte meine Gedanken. Dunkelheit von Licht bezwungen.   Unfähig dazu, mich zu bewegen, fragte ich ihn irritiert; „Deine Beine waren frei? Die ganze Zeit über?“   Leicht nickte er gegen meine Brust. Ich spürte sein Grinsen gegen meine Muskeln.   „Als du hinter dem Vorhang warst, hab ich die Fußfesseln mithilfe der Klingen gelockert“, erklärte er und lachte. Ein Lachen von tiefster Aufrichtigkeit, mit einem Hauch rebellischem Necken. „Eigentlich hab ich dir in die Eier treten wollen, du verdammter Idiot. War echt schwer, dem Drang zu widerstehen. Bedanken kannst du dich später.“   Ein erneutes Beben ging durch das Schiff. Was mich aus meiner Starre holte. Kid! Ich entzog mich seiner Umarmung. Drehte mich um, ohne ihn anzusehen und nahm meine Sicheln an mich, ehe ich los preschte, Richtung Deck. Ohne Widerstand ließ er mich gehen. Dass er mir lächelnd nachsah, merkte ich nicht.   Einzig meinen Herzschlag, den ich in all seiner emotionalen Intensität spürte.   Hey, dies fühlt sich gar nicht mal so übel an... Daran könnte ich mich gewöhnen...           ###           Verträumt sah ich Killer lange nach, war wie in Trance. Wenige Sekunden fühlten sich wie Minuten an. Bis mein Grinsen in die Tiefe fiel und meine Augen sich weiteten.   Der Schlüssel..., traf mich die kalte Erkenntnis, während meine Finger das Nieten-Halsband berührten. Er hat den verfluchten Schlüssel mitgenommen!?   Komm zurück, Idiot!, wollte ich ihm nachrufen, handelte stattdessen reflexartig und sprintete los. Kam jedoch nicht weit, gerade aus der offenen Gittertür raus, wo ich mit jemandem zusammenprallte. Das laute Klonk unserer angestoßenen Köpfe hallte in meinen Ohren nach. Hart landeten wir auf unseren Gesäßknochen, saßen uns auf dem Boden gegenüber. Murrend rieb ich mir meinen Hinterkopf, schaute auf und wollte den Depp anfahren, ehe es mir die Sprache verschlug. Nicht aber meinem Gegenüber, der den Tränen nah war.   „P-P-P-P-“, stammelte Shachi meinen Namen. Versuchte es zumindest, aber bekam nur unverständliche Schluchz-Laute heraus. Bevor er seine Heulsirenen anschalten konnte, hob ich meine Hand in einer Stopp-Geste und sah ihn ernst an, während ich meinen Kopf schüttelte.   „Hebe dir deine Sentimentalitäten für später auf. Jetzt ist keine Zeit dafür“, erklärte ich ihm, woraufhin er schnell nickte und seine Augenflüssigkeit wegblinzelte. Grinsend fragte ich ihn; „Was machst du überhaupt hier unten? Und wie hast du mich gefunden?“   Tief holte er Luft. „Aaaalso-“ „Die Kurzfassung reicht, Danke.“   „Aye! Also-“ „Mit kurz meine ich auch kurz.“   „Bin hergelaufen.“ Sag bloß... „Bloß ist das Gruselschiff hier total riesig und-“ „Shachi.“   „Okay; Ich hab dich gesucht. Wer suchet, der findet!“, hob er seinen Zeigefinger und lächelte wissend. Dass seine Erklärung nicht ansatzweise irgendwas erklärte, war der Hohlnuss nicht klar. Entweder quasselte er zu viel oder zu wenig. „Was ich hier mache? Dir das hier bringen.“   Stolz präsentierte er mir das Kleidungsstück, das er mir lächelnd entgegenhielt. Es war einer meiner weißen Overalls. Überrascht nahm ich ihn an mich, grinste Shachi dankbar an und legte meine Hand anerkennend auf seine Schulter.   „Du bist wirklich einmalig.“ Zwei von deiner Sorte würde auch keiner aushalten...   „Bist du in Gedanken wieder gemein zu mir?“, fragte er schmollend und blies seine Backen auf. Er kannte mich einfach zu gut. Lachend klopfte ich ihm auf seine hängende Schulter.   „Jap“, gab ich offen zu, erntete ein nuschelndes; „Das sag ich alles Bepo...“, was nicht halb so beleidigt klang, wie es sollte. Zwischenzeitlich zog ich meinen Overall an, schloss den Reißverschluss in Begleitung eines Zipp-Geräuschs und schob den weißen Kragen soweit hoch, dass er das Halsband bedeckte. Freundschaftlich reichte ich Shachi die Hand, half ihm auf und wurde dann todernst. „Und jetzt erklär mir mal, was da oben los ist. Es ist verdächtig ruhig geworden...“   Shachis Gesicht wurde undeutbar. Er hüllte sich in Schweigen, schien mit ernster Miene nachzudenken, ehe seine untere Gesichtshälfte beinahe von seinem breitesten Grinsen gespalten wurde.   „Das wirst du mir nie glauben! Das musst du sehen!“, schleifte er mich an meinem Ärmel euphorisch mit sich, die Treppe hoch, sodass ich unbeholfen die Stufen hinter ihm hoch stolperte. Im Gang riss ich mich mühevoll von ihm los. „Schon gut. Warte hier. Ich muss noch kurz wohin.“   Flink rannte ich zu Killers Kajüte, stand auf der aus-Angel-getretenen Tür und sah mich suchend um. Bis ich fand, wonach ich suchte. Schnell kniete ich mich zu meiner Kappe, klopfte sie ab und setzte sie mir grinsend auf. Ohne Zeit zu verlieren, ging ich zurück zu dem Platz, an dem ich Shachi zurückließ. An dem er nicht mehr war. Seufzend zog ich den Schirm meiner Kappe herunter.   Typisch... 'Warten' existiert in Shachis Wortschatz nicht... Dass der überzuckerte Honig-Drops immer Hummeln im Hintern haben muss...   Wohin er getürmt war, war nicht schwer zu erraten; Die Spur aus Zuckerwürfeln – die bei seinem überhasteten Sprint aus seiner Tasche fielen – verrieten ihn. Er war also bereits wieder zum Deck aufgebrochen. Wo alle Besatzungsmitglieder beider Crews sich aufhalten mussten. Was mich dort wohl erwarten wird?   Meine Wissbegier war viel zu groß, als dass ich nicht nachgesehen hätte. Ich musste nur der Zucker-Spur folgen, die sich durch das gesamte Schiffsinnere zog. Mein Orientierungssinn war nicht der Beste, dafür Shachis umso mehr. Wir glichen die Schwächen des anderen mit unseren Stärken aus. Ob er mir die Wegweiser bewusst hinterlassen hat?   Blödsinn... Es ist immer noch Shachi, von dem ich hier spreche... Obwohl er immer für eine Überraschung gut ist...   Auf dem Weg nach Oben – Treppe hoch, Links, Geradeaus, an den Mannschaftsschlafräume vorbei, Rechts, Treppe hoch, Links, an Kombüse und Duschen vorbei, Rechts, letzte Treppe zum Deck – dachte ich über Laws 'Angriff' nach. Mein Käpt'n würde niemals ein anderes Schiff ohne durchdachten Plan attackieren. Geschweige denn einer anderen Mannschaft ohne Grund den Krieg erklären.   'Ohne Grund', blieben die beiden Worte in meinem Gedächtnis erhalten. Nachdenklich zog ich meine Augenbrauen hinter dem Kappenschirm zusammen und geriet dann beim Sprinten leicht ins Straucheln. Sag mir nicht... dass ich 'der Grund' bin...   Verdammt... mein Notsignal... Bin ich an alldem schuld?   Würde Law wegen mir wirklich so weit gehen und- Er würde... und wie er das würde!   Meine rennenden Schritte beschleunigten sich, wurden zu gehetzten Bewegungen. Ich wollte es mit eigenen Augen sehen. Musste sehen, dass es meinen Freunden gut ging. Aber auch um das Wohl der Kid-Piraten sorgte ich mich. Bloß ein klitzekleines bisschen...   Als ich endlich die Treppe zum Deck erreichte, schluckte ich schwer, bereitete mich innerlich auf das Schlimmste vor und behielt meine erhöhte Geschwindigkeit bei. Zwei Stufen auf einmal nehmend, ehe ich die Decktür mit meiner Schulter auf rammte. Durch die Wucht stolperte ich ans Deck, hielt abrupt an und wollte mir einen schnellen Überblick verschaffen. Die verdammte Sonne hinderte mich daran. Ihre grellen Strahlen verätzte mir fast meine Bindehäute, ließen mich kurz erblinden. Meine Augen fest zugekniffen, schirmte ich sie mit meiner Hand ab, bis mir einfiel, dass meine verrutschte Kappe dafür viel besser geeignet war. Ihr Schirm hüllte meine Augen in Schatten, sodass ich endlich etwas erkennen konnte. Aber was ich sah, ließ mich in Unglaube zu Marmor erstarren.   Stille. Trotz der Ansammlung an Menschen war es so still, dass man ein Haar hätte fallen hören können. Beide Crews standen sich in je einem Halbkreis gegenüber. Links die Heart-Piraten, Rechts die Kid-Piraten. In der ersten Reihe die Kapitäne; Law, neben ihm Shachi und Bepo. Eustass Kid und Killer auf der anderen. Hinter ihnen ihre Besatzungsmitglieder.   Ich spürte die reißende Atmosphäre. Doch fühlte ich noch etwas intensiveres, etwas sehr vertrautes; Das elektrische Prickeln auf der Haut, das Laws Room verursachte. Die matt-blaue Halbkuppel ragte über das gesamte Schiff der Kid-Piraten, hüllte allesamt in das durchsichtige Licht. Inmitten des Rooms herrschte ein Sturm; Ein Tornado aus Metall. Kleinteile, Waffen und Rüstungen wirbelten in absoluter Lautlosigkeit durch die Luft. Selbst das Chaos war in trügender Stille versunken.   Abwesend, völlig fassungslos stand ich abseits zwischen beiden Fronten. Duckte mich instinktiv unter einem heran sausenden Dolch-Schwarm weg, wich einer kompletten Rüstung mit einem 45-Grad-Winkel nach Rechts beugend aus und rührte mich dennoch nicht vom Fleck. Law erspürte meine Anwesenheit in seinem Room. Vermutlich hatte er mich seit längerem über die Radar-Funktion seiner Fähigkeiten entdeckt und das Schiff vor seinem Betreten gescannt, um sicher zu gehen, dass ich mich hier aufhielt. Seine silbernen Augen schweiften zu mir, von dem Objekt in seiner Hand weg, das ich erst jetzt bemerkte.   I-ist das...? Unmöglich... Das kann nicht sein...   Vorsichtig sah ich zweimal zu dem Kid-Piraten Captain. Besser gesagt; Zu seinem Körper, dessen Kopf fehlte. Law warf ihn mehrere Male locker in die Luft, sein Schmunzeln das unheimlichste, was ich je von ihm sah. Der andere Kapitän versuchte in Zorneswut nach seinen tätowierten Fingern zu beißen. Sein goldener Todesblick erdolchte, erwürgte und ermordete Law. Mehrfach, auf grausamste Art und Weise.   Law wandte seine Skalpell-scharfe Stimme an mich. Seine grauen Augen blieben hart wie Stahl. „Wie erfreulich, dass du an dieser... nennen wir es Festlichkeit teilnimmst“, nahm sein sarkastischer Stimmton eine kalte Farbe an, ähnelnd erkaltetem Beton. „Du hast uns warten lassen, Peng-ya.“   Sie haben auf mich gewartet?, hörte ich die sanfte Botschaft aus den kalten Worten heraus. Konnte nicht anders, als stolz zu grinsen. Laws Rache für die Verspätung hätte mir in diesem Moment egaler nicht sein können. Auch auf seinen Lippen bildete sich ein freundliches – zu seinen unheimlichen Augen sehr skurriles – Schmunzeln.   „Wir sind überaus erfreut, dich wohlbehalten wieder bei uns zu wissen. Als mein Vize-“ Was auch immer er sagen wollte, sollte niemals gehört werden. Eustass Kids Zähne bekamen Laws Zeigefinger zu beißen, was ihn unterbrach. Dann donnerte sein Brüllen durch die Reihen an Männer.   „Der Vogel ist dein Vize?! Im Klartext; Dein Vize hat meinen gevögelt!?“   ...Die plötzlich wiederkehrende Stille war greifbar. Alle Augen starrten mich an. Und wie sie mich verdammt nochmals anstarrten! Meine Wangen brannten. Doch war ich längst nicht mehr unter uns. In meinem Kopf drehte sich alles. Wäre ich in einem von Shachis Comics, hätte man sehen können, wie meine Augen sich in Spiralen drehten. Warum? Wegen der genauen Wortwahl, deren Bild mir schwindlig werden ließ.   I-Ich oben? K-Killer unten? Oben... Unten... Oben... Unten...   Niemand traute sich, etwas zu sagen. Niemand, außer Shachi – meine Rettung und mein Untergang. Unwissend, wie er war, musste er fragen. Natürlich musste er das.   „Was heißt denn 'vög'-?“   Er kam niemals dazu, seine Frage auszusprechen. Zuvor brach hier die Hölle aus. Das diabolische Grinsen roter Lippen blieb ungesehen – außer von einer einzigen Person. Killer jagte sofort los, quer durch das Mittelfeld beider Fronten. Durch die verbale Ablenkung seines Captains hatte er genügend Zeit und Raum, um den Rotschopf an sich zu nehmen. Was dann geschah, würde mir niemals jemand glauben.   Bepo stellte Killer eine Hinterpfote, sodass der blonde Vize kurzzeitig sein Gleichgewicht verlor – mitsamt dem Kopf seines Kapitäns, der im hohen Bogen übers Deck flog. Die wüsten Flüche begleiteten den rotierenden Kopf, dessen markante Gesichtszüge leicht grünlich wurden. Wie auf Kommando stürmten beide Seiten los. Die Männer rannten wie aufgescheuchte Hühner wild durcheinander. Ein jeder wollte ihn auffangen. Selbst der kopflose Körper jagte seinem fehlenden Teil hinterher.   „Ich hab ihn! Ich hab ihn!“, rief der Zombie, „...nicht.“   „Entschuldigung!“, riss Bepo den Kopf an sich, den er kopfüber in beiden Pfoten vor sich hielt. Der Todesblick des Teufels starrte ihn vernichtend an, schickte ihn gedanklich in das ewige Mink-vana. „Aaaah!“, warf Bepo ihn vor Schreck schnellstens von sich. Haltlos flog das Körperteil erneut durch die Luft. Doch statt einer grünen Farbe, hatte sein Gesicht eine tiefrote angenommen. Jetzt war Eustass Captain Kid richtig wütend. Rasend wütend.   Niemand wagte es, ihn zur Schau zu stellen und zum Gespött zu machen. Niemand machte sich über ihn lustig, ohne den Preis zu zahlen.   Der Tornado aus Metall gewann an Kraft, erreichte eine Windstärke, die das Elementar ins kleinste Kernelektron erschütterte. Die Teufelskraft des Höllenfürsten wurde unkontrollierbar und unaufhaltsam. Laws Katana wurde vom Sturm mitgerissen. Die Schiffsschrauben unter uns bebten gefährlich. Mein Nietenhalsband reagierte, schnürte mir die Luft ab und zwang mich in die Knie. Verzweifelt klammerte ich meine Finger um den Bund, bekam es nicht los. Mit zugekniffenem Auge schaute ich auf. Der Schlüssel für das Schloss musste sich irgendwo im Sturm befinden. Auch Killers Maske war von dem starken Magnetismus betroffen, wurde kraftvoll in Windrichtung gezogen. Er hatte Schwierigkeiten, sich auf den Beinen zu halten. Von seiner Maske trennen würde er sich niemals.   „Captain“, versuchte der Vize über die ansteigende Lautstärke des klirrenden Tornados zu seinem Anführer durchzudringen. „Kid-!“   Ein ohrenbetäubendes Quietschen ertönte neben dem Schiff der Kid-Piraten. Die Polar Tang schrie. Die unmenschliche Stärke des Teufelsfruchtnutzers zog selbst das gigantische U-Boot aus dem Meer. So weit, dass es beinahe über den Wellen schwebte.   „Fuck, Kid!“   Killer konnte seinen Captain nicht erreichen. Durch die metallenen Nieten seiner Fliegerbrille befand er sich selbst hoch oben im Windring. Irre lachend. Sein Verstand von Tobsucht besessen, genoss er das Gefühl der Übermacht, die er in diesem Moment hatte. Zum Leid aller anderen, Heart- und Kid-Piraten gleichermaßen, die den rasenden Flugwaffen kaum mehr ausweichen konnten. Nicht mehr lange und das hier würde in einem verdammten Blutbad enden.   Nur einer konnte es noch verhindern. Der Chirurg des Todes. Law – das Gesetz des Gebens und Nehmens.   DEATH. Die fünf Buchstaben hoch gen Himmel in Aufruhr gehoben. Blickend in den personifizierten Wahnsinn. Sturmgrau machtvoller, als das tosende Metallgewitter selbst. Law stand mit erhobener Hand mitten im Zyklon. Seine Augen den Sturm eines wahrhaftigen D.s in sich tragend. In der Reflexion von seelischem Sturmgrau Eustass Captain Kid einfangend. Der unbezwingbare Wille des D. sprach aus Laws autoritärer Stimme.   „Kid-ya.“ Ein Flüsterton mit übermächtiger Kraft. Seelenvolles Gold an sich reißend. Zeitgleich formte sich ein Windring unter seiner tätowierten Hand, ließ seinen Room intensiv pulsieren. Ähnelnd einem wilden Herzschlag. Fühlbar drang der starke Impuls in die Körper aller, die sich im Room befanden. Einige Piraten verloren dabei kurzzeitig das Bewusstsein. Andere erlangten dadurch Stärke, die in ihre Herzen einkehrte. Das Haki unseres Kapitäns. Des Kapitäns der Heart-Piraten.   Sturm kämpfte gegen Sturm. Alles fand einen Stillstand in Laws Operationsraum. Metall zitterte unruhig, in aufgewühlter Luft stillstehend. Mein Halsband sprang plötzlich auf, ließ mich wieder atmen. Blicke von Silber und Gold forderten sich heraus. Duellierten sich. Die wenigen bei Bewusstsein – Killer, Bepo, Shachi, Zombie, Fledermaus und ich – verfolgten das katastrophale Naturschauspiel intensiv. Selbst die Grandline hielt den Atem an, in Ehrfurcht vor der schlimmsten Generation.   Law fasste sich mit seiner freien Hand langsam an seine gefleckte Plüschmütze. Nahm seine Kopfbedeckung ab und hielt sie locker in seiner Handfläche. Schmunzelte. Und drehte dann die gekrümmten Finger seiner aktivierenden Hand in einer bekannten Geste.   „Shambles.“   Mütze und Kopf tauschten ihre Positionen. Der Room löste sich abrupt auf. Law hatte das Limit seiner Kräfte erreicht. Rote Lippen grinsten teuflisch. Sprachen sich den Sieg zu. Das Ende des Duells war entschieden.   „Ha! Du hast verloren, Traf-“   ...Trafen schmunzelnde Lippen auf rote. Law hielt Eustass Kids Kopf in beiden Händen, hatte dessen Lippen mit den seinen vereint. Ein Kuss des Sturms, der des Teufels Macht raubte. Inmitten des atemlosen Tornados, umringt von allen Bewusstlosen. Letztlich ging Law als Sieger hervor.   Lärmend schepperte Metall in einer unerträglichen Lautstärke Richtung Deck. Killer, Bepo, Shachi, das Grufti-Duo und ich handelten reflexartig. Unsere Heart-Trio-Formation in Karate-Haltung springend, der blonde Vize vorpreschend mit summenden Sicheln, Zombie einen Feuerwall aufbauend und Fledermaus seinen Dreizack schwingend. Zu sechst wehrten wir die fallenden Waffen ab, ehe sie unsere bewusstlosen Kameraden treffen konnten. Neben dem Schiff war ein dröhnendes Platschen hörbar, das die Polar Tang bei ihrem Aufprall mit der Meeresoberfläche begleitete. Kräftige Wellen erzeugend, die den Untergrund zu unseren Füßen stark schaukeln ließ.   Shachi klammerte sich an Bepo und umgekehrt, das Grufti-Duo tat es ihnen gleich. Killers Stand blieb unerschütterlich, während ich haltlos über das Deck taumelte und unbeholfen den liegenden Körpern auswich. Unglück, ahoi! Über einen von ihnen fallend, woraufhin ich steif Richtung Boden segelte. Doch mich in letzter Sekunde mit meiner rechten Hand abstützte und mich im Kapoera-Stil tanzend drehte. Folgend einem gekonnten Sprung, mit dem ich meinen sicheren Stand wiederfand. Pechvogel-Dasein ausgetrickst!   Grazile Schritte hallten über das Deck. Law setzte den fehlenden Kopf eigenhändig zurück auf dessen Körper. Gar entschuldigend. Hob dann sein Katana auf und lehnte es an seine Schulter, über die er zu dem noch immer sprachlosen Kapitän schaute. Ein schweigender Eustass Kid war ein seltener Anblick, den man höchstens sah, wenn die Hölle gefror. Seine haarlosen Augenbraue waren zusammengezogen, das Gold seiner Augen in besänftigtes Bernstein getränkt. Das Silber des anderen erforschend. Beide sahen sich wortlos an. Hätten jedoch nicht mehr Worte miteinander wechseln können.   'Herausforderung angenommen.'   Um uns erwachten die Männer, einer nach dem anderen. Verwirrt sahen sie sich um, verstanden das Geschehene nicht, aber waren allesamt gleich erleichtert über dessen Ausgang. Jubelnd erhoben sie sich, hielten ihre Fäuste gen Himmel und feierten den Anbeginn eines neuen Augenblicks. Ein Piratenleben war stets ein Grund zum Feiern.   Doch die Gefahr war noch nicht gebannt. Die nächste lauerte nur darauf, Schicksale zu besiegeln.   Zwischen unseren Schiffen ankerte ein kleines Boot, ungesehen und unbemerkt. Eine Flagge der Marine tragend. Lange hielt die heitere Stimmung der Männer nicht an. Eine starke Präsenz zerbarst sie. Beide Crews gingen sofort in Angriffsstellung. Mit einem hohen Sprung, dessen wuchtiges Aufkommen auf Deck den Boden zum Beben brachte, erschien er. Mitten zwischen beiden Kapitänen stehend. Der Rächer der gefallenen Soldaten der Insel. Geschickt um das biblische Gericht zu vollstrecken. Eine Stimme. Fremd und doch vertraut. Dunkel wie ein Bären-Grollen, zugleich hell wie ein Lichtstrahl.   „Wenn du an einen Ort verreisen könntest...“, begann er, sah mit ausdruckslosen, humanoiden Quadrataugen beide Kapitäne nacheinander an und zog langsam seinen schwarzen Handschuh aus. „...welchen würdest du wählen?“   Ist das nicht-?!   „Ein Pacifista!“, rief einer der Heart-Piraten panisch. Ein rufender Kid-Pirat ihn korrigierend. „Der Pacifista!“   Beide Kapitäne blieben unerschrocken und uneingeschüchtert. Die Luft durchdrungen von Anspannung. Blicke wurden nicht getauscht, sondern schnitten einander tief. Die Crewmitglieder jederzeit zum Angreifen bereit. Locker klopfte Law sein Katana gegen seine Schulter, musterte den großen Samurai akribisch, der eine Bibel vor seiner Brust hielt. Mit nüchterner Stimme ergriff unser Käpt'n das Wort.   „Bartholomäus Bär“, stellte er sachlich fest und setzte sich seine gefleckte Plüschmütze ruhig auf seinen Kopf. Schob ihre Krempe über seine verdunkelten Augen und schmunzelte düster. „Was verschafft uns diese Ehre?“   Der Pacifista schwieg. Sein Schweigen unheimlich und bedrohlich. Seine riesige Erscheinung warf einen breiten Schatten auf Deck, auf dem es totenstill war. Geduldig wartete er auf eine Antwort seine Frage. Die Eustass Kid ihm gab.   „Pah! Ein Kriecher der fucking Regierung“, spuckte er ihm abschätzig vor seine Füße, warf sich seinen Mantel um seine Schultern und grinste dann dreckig. „Wo ich hin will?“, zeigte er mit seinem lackierten Daumen auf Law. Tu es nicht! Antworte nicht! „Wie wär's mit Flickerwochen auf 'nem einsamen Schiff-?“   Und weg waren sie.   Das Ganze geschah so verdammt schnell, dass keiner etwas ausrichten konnte. Die Tatzen-Hand des Pazifista berührte sie beide beinahe zeitgleich, binnen eines einzigen Wimpernschlags. Nur unser Käpt'n reagierte schneller, erfasste die Situation in Millisekunden. Konnte ihr jedoch nicht entgegenwirken, uns lediglich seine Abschiedsworte zukommen lassen.   „Wartet hier“, hallte seine autoritäre Stimme wie durch einen Nebelschleier nach. Sein Unterton besaß einen Hauch ermutigende Freundlichkeit. „Wir kommen wieder.“   Niemand zweifelte an seinem Versprechen. So wahr wir Piraten waren; Loyalität und Glaube an unsere Kapitäne hielten bis zum Tode.   Der Pacifista verschwand so schnell, wie er auftauchte. Sein Befehl der Regierung schien von ihm ausgeführt. Der Typ war ein einziges Rätsel. Mehr sollten wir von ihm nicht erfahren. Wie ein stiller Riese begab er sich zu seinem Boot zurück und legte ab. Seine Tatzen-Hand erzeugte eine Druckwelle, die ihn in Lichtgeschwindigkeit fort katapultierte. Fassungslos starrten wir zu dem am Horizont schwindenden Boot. Einige Männer riefen ihm nach, grölten ihm Beschimpfungen zu, die von der Totenstille der antwortenden Wellen verschluckt wurde. Die Situation war vollkommen aussichtslos.   Wir konnten nur auf ihre Rückkehr warten. Betretenes Schweigen kam unter den Mannschaften auf. Die Situation zu begreifen unmöglich. Doch das Wichtigste wussten wir; Unseren Kapitänen ging es gut. Sie würden uns niemals im Stich lassen. Trübsal blasen half niemandem. Das hätten sie beide nicht gewollt. So überspielten wir Sorge mit übertrieben guter Laune. Schlagartig kehrte Leben in die Crews.     Nach dem ersten Schock folgte der Zweite, als ich unsanft aus meiner Starre geholt wurde. Shachi – der seiner Wiedersehensfreude endlich Luft machen konnte, bevor er platzte – sprang mich an, mit vollem Schwung auf meinen Rücken. Wie ein Klammeraffe schlang er seine Arme um meinen Hals, seine Beine um meine Körpermitte. Stürmisch riss er uns zu Boden, mich unter sich begrabend.   „Tu das nicht nochmal, Blödmann!“, schluchzte er mit ohrenbetäubender Lautstärke in mein Trommelfell und verstärkte seinen Klammergriff, mit dem er mir die Luft abdrückte. Leise schniefend nahm seine helle Stimme einen gedämmten Klang an, ähnelnd dem warmen Farbton seiner Honigfarbenen Augen. „Lass mich nie wieder allein, Peng.“   Shachis getönten Gläser waren zersprungen, lagen achtlos neben uns. Jeder konnte sehen, was er sonst vor der Außenwelt versteckte: Seine Emotionalität. Der flüssige Honig seiner Augen, die sein gefühlsbestimmtes Inneres offenbarten. Seine Verwundbarkeit in Verborgenheit hüllend, wollte er nicht der Schwächste unter den Heart-Piraten sein. Was er auch nicht war – Für mich war Shachi einer der Stärksten.   Wer zu seinen Gefühlen steht, kann ihre Intensität als Kraftquelle nutzen... Irgendwann wird er verstehen, dass seine Emotionen seine mächtigsten Waffen sind...   Shachis felsenfeste Umklammerung war der Beweis dafür. Langsam nahm mein Gesicht eine ungesunde Farbe an, weswegen ich nun zappelnd auf den Boden schlug.   „K-K- Hmpf- Mhpf-!“ Keine Luft! Ich krieg keine Luft, verdammt!   „Wie? Was willst du mir sagen?“, sah er mich verdutzt an und lockerte seinen Griff minder, womit er mir den Erstickungstod ersparte. Knurrend stieß ich ihn von mir herunter und boxte ihm gegen seinen Arm. „Autsch! Wofür war die denn?“   Unschuldig blickte er mich an, rieb dabei über seinen Oberarm und boxte mich dann freundschaftlich zurück. Kurz darauf rangelten wir miteinander, in Karate-Haltung spielerisch kämpfend, wie wir es im Training stets taten. Zwischen zwei Box-Angriffen antwortete ich ihm grinsend; „Weil du du bist, Shachi.“   Und genau so sollst du auch bleiben...   Plötzlich wurden wir beide in eine pelzige Umarmung gezogen. Bepo rieb sein viel zu warmes Fell lachend gegen uns. Wir konnten uns nicht gegen ihn wehren. Minks sind verdammt anhänglich, sensibel und überschütten einen Flutweise mit ihrer Liebe... Bepos gebrummte `Entschuldigung´ war sowas von erlogen!   Genervt seufzend drückte ich mich von den beiden weg. „Seid ihr jetzt fertig mit euren verdammten Peinlichkeiten?“ „Grimmig, wie eh und je! Uns kannst du nichts vormachen, Peng~! Wir freuen uns auch, dich wiederzuhaben.“ „Ach, halt doch die Klappe, Trottel.“   Ein tiefes Räuspern neben uns ließ die übertriebene Begrüßung abrupt enden. Shachi und Bepo schenkten dem Kid-Piraten Vize einen ihrer `bösen´ Blicke. Von vier Knopfaugen ließ sich wohl so ziemlich niemand einschüchtern. Hätte Bepo seine Lefzen gefletscht und Shachi seine Brille getragen, wären sie deutlich bedrohlicher gewesen. Mit verschränkten Armen stand Killer neben uns – gegen die Reling lehnend – seine teilnahmslose Stimme repräsentierte die einer wahren Autoritätsperson. Als Vize war er nun der oberste Befehlsgeber.   „Ihr gehört hier nicht hin. Geht auf euer Schiff zurück“, wies er die Heart-Piraten mit kalter Monotonie an und scheuchte sie mit seiner furchteinflößenden Erscheinung regelrecht zur Polar Tang. Bis auf Bepo, Shachi und mich, die wir noch immer im Personenkreis der Kid-Piraten verharrten.   Kompromisslos sagten wir synchron; „Wir bleiben.“   „Ohne unseren Käpt'n gehen wir nirgendwohin, ätsch!“, zeigte Shachi ihm seine Zunge und blies seine furchteinflößenden Backen auf. Wie ein Knall-Frosch kurz vorm Verpuffen... „Law hat gesagt, wir sollen hier warten“, trat Bepo mit seiner Hinterpfote auf. Ohne sich zu entschuldigen. „Mich wirst du nicht los, Rafunzel“, grinste ich Killer rebellisch an und zog den Schirm meiner Kappe über meine Augen. Sie zeigten meine wahren Emotionen. Innerlich bibberte ich vor Nervosität und Sorge. Cool bleiben, Peng... Deine Freunde sind bei dir...   Um uns brachen die Testosteron-Pakete in Gelächter aus. Gegen sie sahen wir drei echt lachhaft aus. Killers Maske blieb stumm auf uns gerichtet. Eher mich, der ich zwischen meinen beiden Freunden stand. Genau konnte niemand sagen, wo seine eindringlichen Augen hinschauten. Das schweigende Handheben ihres Vizen erstickte das Lachen der Männer sofort.   Momente des stillen Anstarren zogen übers Meer. Alle warteten auf die Entscheidung ihres stellvertretenden Anführers. Doch niemand hörte die hinter Metall geflüsterten Worte, die nur Killer selbst vernahm. „Du bist meine Unvernunft, Penguin.“   Dann drehte er sich von uns weg. Seine Maske langsam über die Reihen der Kid-Piraten schweifend, ehe er ihnen wortlos zunickte. Er erlaubte uns zu bleiben. Die Entscheidung von zweitem Kapitän war Gesetz. Shachi jubelte laut auf, seine Freude nicht im Geringsten verbergend. Keine Sekunde später kam eine Rumflasche in unsere Richtung geflogen, die mein bester Freund auffing. Fragend schaute er zu ihrem Werfer, der ihn mit Nähten-verziertem Mund breit angrinste.   „Wenn ihr's schon hier seid, könnt's ihr genauso gut einen mit uns trinken. Auf Urlaub! Auf den Boss!“, prostete der Rastaträger lachend und setzte seine eigene Flasche an. In seiner anderen Hand warf er einen Dolch lässig hoch, den er fett grinsend auffing. „Wir könnten 'ne Runde Dolch-Darts spielen-“   „Vergiss es!“, knurrte ich ihm dazwischen. Bei der Erinnerung erschaudernd. Nie wieder Darts!   Schulterzuckend – sich keiner Schuld bewusst – fielen Heats Huskyblauen Augen auf Shachis zerbrochene Brille, die zu seinen Füßen lag. Unüberlegt hob er sie auf und besah sich die Risse in dunklem Glas. An Shachi gewandt fragte er: „Ist das deine, Kurzer?“   Betrübt sah mein bester Freund zu seinem geliebten Accessoire und nickte. Was Heats Mundwinkel nach oben gleiten ließ; „Wart's nur. Das haben wir gleich.“   Tief atmete der Rastaträger ein, hielt die Brille an ihrem Gestell vor seinen Mund und pustete locker gegen sie. Ihr zersprungenes Glas begann unter der kontrollierten Flamme zu glühen. Riss für Riss schmolz langsam wieder zusammen, bis die Sonnenbrille wie neu aussah. Vor überwältigter Fassungslosigkeit brachte Shachi kein Wort hervor. Dass ich das noch erleben darf... Jemand hat die Redseligkeit in Person tatsächlich stumm geschaltet...   „Wie cool~!“, platzte es wenig später aus meinem besten Freund heraus, „ein feuerspuckender Zombie!“   Und seine Brille ist schon wieder vergessen..., grinste ich und beobachtete abwesend Bepo, der sich immer weiter vom Tumult wegschlich. Seitlich tapste er von Pfote zu Pfote in Richtung einer ruhigen Ecke, wo der Fledermaus-Umhangträger mit Dreizack stand. Das dunkle Schiff der Kid-Piraten, mitsamt Besatzung war Bepo nicht geheuer. Menschen, die er nicht kannte, empfand er als unbehaglich. Seinesgleichen – ruhig und zurückgezogen – waren ihm lieber. Bepo war ein eher schüchterner Eisbär. Einzig für Law und wegen uns blieb er hier.   Shachis neue Beschäftigung war das Bestaunen der privaten Feuershow, die ihm der Feuerspucker vorführte. Eines hatte wohl so ziemlich jeder Kid-Pirat gemeinsam: Das Polieren seines Egos, das von ihrem Captain abfärbte. Eustass Captain Kids unerschütterlicher Stolz war es, der seinen Männern ihre Charakterstärke verlieh.   Lässig stützte ich meine Ellenbogen auf die dunkel-holzige Reling, an die der schweigende Vize noch immer mit seinem Rücken lehnte. Mein Blick auf das morgendliche Blau des Ozeans gerichtet, zwischen ihm die angrenzende Winterinsel. Langsam zog ich den Schirm meiner Kappe tiefer und lauschte den Wellen. Wo Law wohl ist? Wann er wiederkommen wird? Einen so andächtigen Morgen, wie den heutigen, hatte ich lange nicht mehr erfahren. Als Heart-Pirat sah ich die Wellen sehr selten, weswegen ich ihren ruhevollen Anblick auf mich wirken ließ. Komm schnell wieder, Käpt'n... Deine Nakama brauchen dich...   Das Meer verkörperte die Freiheit. Es gab nichts, was ein Piratenherz höher schlagen ließ. Nichts, außer...   „Tief durchatmen, Penguin“, flüsterte Killers tief-raunende Stimme mir in zweideutiger Betonung zu. Es war seine einzige Warnung, diebisch schmunzelnd ausgesprochen, bevor er mich das Fliegen lehrte. Plötzlich befand ich mich im Freiflug Richtung Wasser, dem ich überrascht entgegenblickte. Mein Herzschlag setzte kurzzeitig aus, ehe er sich vor Adrenalin überschlug.   Der Mistkerl hat mich einfach über die Reling geworfen!   In Begleitung eines Platschen, mitsamt Fontäne landete ich im kühlen Nass. An der Oberfläche treibend, warf ich einen Giftblick zum amüsierten Vizen, der über Holzgeländer und seiner Schulter zu mir herunterblickte. Als hätte er sich keinen Millimeter gerührt, blieb seine lässige Position gleich. Killers Bewegungen besaßen eine Geschwindigkeit, die für Augen beinahe unkenntlich waren.   Wie die Ruhe selbst, meldete er trocken übers Deck; „Mann über Bord.“   Ernsthaft? Als ob sich irgendjemand dazu bequemen würde, ins kalte Wasser zu-   Killer selbst war es, der mir nachsprang. Sein monotones Rufen lediglich eine Finte, damit niemand Verdacht schöpfte. Er stürzte sich ohne einen zögernden Hauch zu mir in die herrschende Strömung, die mich beinahe vom Schiff weggetrieben hätte. Nur beinahe. Die Kälte des Ozeans wurde abgelöst von der Wärme, die mir sein erhitzter Körper spendete, als er seine muskulösen Arme von hinten um mich legte. Wie ein Fels inmitten der strömenden Wellen hielt er uns an Ort und Stelle. Instinktiv lehnte ich mich nach hinten, an seine Brust. Sein Kinn auf der Hinterseite meiner Kappe aufstützend, lagen seine benässten Haarsträhnen je links und rechts auf meinen Schultern. Grinsend sah ich an mir herab, zu seinen leicht verdunkelt-blonden Haarspitzen.   „Die werden Stunden brauchen, um wieder zu trocknen.“ „Dem bin ich mir bewusst. Dies ist es mir wert.“   „Wofür das Ganze?“, fragte ich ihn mit leiser werdender Stimme und schloss meine Augen. Den Moment auf mich wirken lassend. Mein gefühlvolles Grinsen verblasste nicht. „Musste es unbedingt eine Abkühlung sein?“   „Gewiss“, wurde sein amüsiertes Schmunzeln breiter, „die Alternative wäre meine Kajüte gewesen.“   Die ansteigende Wärme meines Gesichts überbot die seines Körpers. Die bildliche Erinnerung wäre wirklich nicht nötig gewesen! Leise murrend senkte ich meinen Kopf, bis mein Kinn auf Wasser traf, welches meine Wangen kühlte. Das Schweigen währte nicht lange, Killers kristallenes Wispern es durchschneidend.   „Wie ist es?“ „Wie... ist was?“ „Die Sinnlichkeit mit einem Mann.“   Seine Frage war geprägt von aufrichtigem Interesse. Ich schuldete ihm eine ehrliche Antwort.   „Es ist...“, suchte ich nach Worten. Keines von ihnen beschrieb meine Empfindung, „...unergründlich.“   Weil ich mich mit der vagen Erklärung nicht zufrieden gab, versuchte ich es erneut. Dabei drehte ich meinen Kopf zu ihm. Sein Gesicht von dem nassen Vorhang aus blondem Haar verborgen, sah ich ihn direkt an.   „Unergründlich wie die See. Ein aufregendes Abenteuer, gefährlich und unvorhersehbar. Weiter als der Horizont und tiefer als der Meeresgrund. Geheimnisvoll, besonders und lebendig... wie du es bist-“   Killer trug seine Maske nicht. Diese Erkenntnis ließen mich seine Lippen erfahren.   Zu überrascht war ich, um die Situation zu erfassen. Zu geschockt, völlig überrumpelt. Zu ergriffen von dem Augenblick, in dem er mich küsste. Das Gefühlschaos intensivierte den elektrischen Schauer, welcher mich durchfuhr.   Killer... küsst mich!, wurde mir nach mehreren Momenten bewusst. Das überwältigende Gefühl traf mich mit vollster Intensität. Alles in mir brannte. Alles erfror. Entflammte, erlosch, im Wechsel der unbezwingbaren Emotionen. Es machte mich vollkommen bewegungsunfähig. Tu was! Ich muss... irgendwas tun!   Meine Lippen wollten sich nicht bewegen, blieben verkrampft aufeinander gepresst. Mein Körper versteifte sich so sehr, dass ich ins Wasser gesunken wäre, hätte er seinen Griff um mich gelöst... Was er auch tat. Nicht... Lass mich nicht los...   Die Reflexreaktion meinerseits gab ihm irreführende Signale. Ließ ihn glauben, ich würde ihn abweisen, ihn abstoßen. Glaubt er, ich habe aufgehört, ihn zu wollen? Mein Äußeres wies ihn ab. Mein Innerstes jedoch schrie nach ihm. Ein seelenvoller Aufschrei, der mir Leben einhauchte. Die Reizüberflutung löste eine Kurzschlussreaktion aus.   Wenn du mich frei gibst... Werde ich es sein, der dich an mich bindet...   Abrupt zog ich ihn zu mir Unterwasser. Mich an ihm festhaltend, wie ein Ertrinkender. Sein blondes Haar schwebte Richtung Oberfläche, wo meine Kappe und seine Maske trieben. Blind tastetet ich Killers Oberkörper nach oben, bevor ich meine Hand in seine gepunktete Bluse krallte und seinen Kopf zu mir führte. Bis unsere Lippen ein zweites Mal aufeinandertrafen. Die Innigkeit ihrer Vereinigung war gefühlvoller, als jede Berührung, die wir je teilten.   'Dir ist ein Kuss wichtiger...? ' Fürwahr... solange du es bist, von dem ich ihn erfahre...   Winzige Luftblasen erfüllten das Meer, erzeugten ein leichtes Prickeln, welches unseren innigen Hautkontakt spürbar vervollständigte. Killers Lippen waren rau, gezeichnet von seiner Wildheit. Die Meinen glichen der unberührten Reinheit, die er mit den Seinigen gravierte. Seine rechte Hand fuhr durch mein kurzes Haar, in das er seine Finger vergrub. Sein linker Arm legte sich besitzergreifend um meinen Unterrücken. Mich nah bei sich haltend, mich nicht loslassend, während wir immer weiter von den Wellen weggetrieben wurden. Fort von dem Schiff, fort von den Vergessenen, hin zu unserer illusionistischen Irrealität.   Ruckartig schwemmten wir ans Ufer eines abgelegenen Strandabschnitts, mit uns unsere unbeachteten Kopfbedeckungen. Erst dort lösten wir uns voneinander. Hustend atmeten wir stoßweise und angestrengt. Killer über mir, ich unter ihm liegend. Das Meersalz brannte in meinen Augen, die ich nicht öffnen konnte. Ihn anzusehen blieb mir verwehrt. Sein Gesicht blieb in seinem Herzen verborgen. Die Dunkelheit dessen war vollends verschwunden. Er war mir so nah, so verdammt nah. Nicht nur körperlich.   „Küss mich, Idiot“, hauchte ich ihm zärtlich zu. „Küss mich, als wäre es unser letzter Kuss...“   Sofort fingen seine Lippen die Meinigen wieder auf. Stürmisch und leidenschaftlich, unbändig und wild. Jede seiner Berührungen war anders, doch alle waren gezeichnet von ihm. Er markierte mich als den Seinen. Ließ mich spüren, wie sehr er mich wollte und umgekehrt. Intensivierte unsere Küsse, die uns nährten.   Zungen und Lippen. Tanzten, knabberten, saugten, küssten. Unaufhörlich.   Wir schmeckten das Meersalz auf der Zunge des anderen. Der Geruch der Grandline sich mit dem unseren vermischend. Das Rauschen der Wellen eine Melodie mit unseren unrhythmischen Herzen erklingen lassend. Unsere erhitzten Körper schmolzen den dünnen Schnee, auf dem ich lag, bis ich den Sand unter mir spürte. Es war unwichtig. Vollkommen gleichgültig gegen das Gefühl von unserer innigsten Verschmelzung. Gefühle, die wir beide spürten, in all ihren Facetten.   Killer riss mich abrupt herum, wechselte unsere Positionen, sodass ich es war, der über ihm lag. Sein verdammtes Schmunzeln spürte ich deutlich an meinen Lippen. Soviel zu 'Oben und Unten'... Ich küsste Killer fordernder, wollte jede einzelne Sekunde von ihm auskosten. Wollte seine Berührungen in ihrer Einzelheit einprägen. Doch schaffte es nicht, ihre Wildheit zu bändigen. Eine Bestie war unzähmbar. Unsere Hände erfühlten jede Hautstelle des anderen, konnten nicht voneinander ablassen, während wir uns gegenseitig den Atem raubten. In der Ferne stieg die Sonne empor, umhüllte uns mit ihren ersten Strahlen. Goldblond war viel farbenprächtiger als sie.   Vergebens versuchte ich die Küsse zu zählen, die wir teilten. Versuchte sie zu erleben, in all ihrer Tiefe, mit all seinen Empfindungen. Es war mir unmöglich. Und doch wusste ich, dass ich mich immerzu an sie erinnern werde. An die emotionale Verwirrung, welche ich nun benennen konnte. Weil er mir dessen Namen nannte.   „Kira“, flüsterte er atemlos gegen meine Lippen, welche ihn wiederholten. „Kira?“, füllten vier Herzschläge die leere Frage.   Es war die letzte Antwort, die ich suchte. Der letzte Seelensplitter, welcher mein Selbst vervollständigte. Diese Erinnerung war die lebendigste von allen.   Nur wer Schmerz spürt, kann ihn lindern. Wer Angst konfrontiert, kann sie bekämpfen. Wer Liebe erfährt, kann lieben lernen.   Leere wird stets von Emotionen gefüllt. Manchmal ist es jedoch ein Mensch, der diesen Platz einnimmt.   Letztlich verstand ich es; Es war keine Bewusstseinsstörung, an der ich litt. Sondern eine Seelenstörung, die er heilte.   „Riku, angenehm.“   Leben ohne Vergessen. Erinnern ohne Bedauern.   Das war unser Neuanfang. Der Beginn unserer gemeinsamen Ära.   Zwei wiederbelebte Herzen... ...die ohne Shambles getauscht wurden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)