Shambles von blackNunSadako ================================================================================ Kapitel 1: Die Hölle trägt den Namen Adventure Galley ----------------------------------------------------- Schüsse. Explosionen. Schmerzensschreie. Wir befanden uns mitten im Kampf gegen die Marine. Drei Piratencrews verteilt auf dem Schlachtfeld vor dem Auktionshaus stehend. Zwischen uns die uniformierten Halbstarken, die wie Blätter im Sturm der D.'s weggefegt wurden.   „Gear Drei... Knochen-Ballon!“ Mit Wucht flog die riesige Gummifaust des Strohhuts über unsere Köpfe hinweg, mehrere Soldaten mit sich reißend. „Room.“ Binnen eines Herzschlags umringte uns die matt-hellblaue Halbkuppel, die über den gesamten Kampfplatz ragte. Körperteile wirbelten haltlos durch die Luft. Wie Puzzleteile in einem obskuren Körperkunstwerk setzte unser Kapitän die Gliedmaßen seiner Feinde wieder zusammen. Seine schmunzelnde Mimik war verdammt unheimlich.   „Hyaaa!“ Shachi, Bepo und ich kickten mit einem synchronen Karate-Tritt unsere drei Gegner zu Boden. Unsere Trio-Formation – Rücken an Rücken stehend – war die effektivste Verteidigung und zugleich der stärkste Angriff.   „Repel!“ Ein irres Lachen begleitete den Schlachtruf. Zum blutrünstigen Wahn verzogene, rote Lippen ihn aussprechend. Seine lackierten Finger dabei in Richtung der schwebenden Geschosse gestreckt. „Fresst Blei. Wohl bekommts!“   Eustass Captain Kids Kampfgebrüll donnerte über den gesamten Platz. Keiner konnte es überhören, jeder Gegner bekam es zu spüren. Schmerz. Das war es, was der Berserker ihnen mit freundlichen Grüßen in Form von Metall schickte.   Kugeln und Klingen durchlöcherten Fleisch. Feindesblut unsere weißen Overalls befleckend. Die Kid-Piraten wurden ihrem berüchtigten Ruf von dämonischen Bestien gerecht. Für uns Heart-Piraten waren sie geistesgestörte Psychopathen.   Neben uns surrte das bedrohliche Rotations-Geräusch zweier Todessensen vorbei. In tödlicher Stille jagte der Vize mit unmenschlichem Tempo auf seine Gegner zu, zwischen ihren Reihen hindurch, ihre Gliedmaßen abtrennend ohne anzuhalten. Ohne zu zögern. Ohne seine blonden Haare rot zu färben. Seine Bewegungen so schnell, dass er gar den schmerzverzerrten Schrei mit sich in die Stille zog.   „Das ist der Irrste von ihnen“, flüsterte mir Shachi hinter vorgehaltener Hand zu und zeigte mit seinem Zeigefinger auf den blonden Todesmäher, dessen präzise Angriffe ich mit meinen Augen verfolgte. Sein maskierter Kopf drehte sich sofort zu uns. Er hatte das Flüstern gehört. Ließ uns den Killer-Blick spüren, mit dem er uns durch die Löcher seiner Maske zum Schweigen brachte. Die platzende Sabaody-Blase dort oben war dann doch interessanter geworden.   „Entschuldigung“, brummte Bepo neben uns und ließ seinen Kopf hängen. „Du sollst dich nicht immer für uns entschuldigen!“, grinsten wir synchron, ihm eine doppelte Faust der Freundschaft verpassend, die ein hohles Klopfgeräusch verursachte. Woraufhin Bepo seine schwarzen Lefzen ebenfalls zu einem Grinsen verzog. Mit einem Karate-Kick trat er einen Feind lässig aus unserer Reichweite und schaute ihm unschuldig hinterher. Das nächste Wort sprach er mit voller Absicht aus; „Entschuldigung.“   „Der Marineadmiral ist eingetroffen!“, ließ der Ruf alle auf dem Schlachtfeld gefrieren. Marine und Piraten stoppten abrupt in ihrer Kampfbewegung. Erhobene Schwerter, zielende Pistolen und geballte Fäuste gleichermaßen in der Luft zum Stillstand kommend. Drei Sekunden. Dann brach hier die Hölle aus.   „Eröffnet das Feuer auf die Piraten! Lasst sie nicht entkommen!“   Das Blatt wendete sich zu Gunsten der Marine. Neue Entschlossenheit trieb die Möwen-Anhänger zum Äußersten. `Tot oder lebendig´ spielte nun keine Rolle mehr. Ein Hagelsturm an dröhnenden Schüssen kam auf. Kugel um Kugel flog uns um die Ohren. Viele verfehlten, einige trafen.   Trampelnde Schritte von allen Seiten. Wild rannten die Kämpfer durcheinander, wie aufgescheuchte Hornissen das Feld stürmend. Bepo, Shachi und ich mittendrin. Mühevoll versuchten wir den Kugeln auszuweichen. Dann färbte sich Bepos weißes Fell rot. Und silberne Augen blitzten in unzähmbarem Zorn auf.   Law zog sein Katana – seinen größten Skalpell, welcher dem Namen `Todeschirurg´ alle Ehre machte. Unser Kapitän tötete nicht. Nein, er kannte viel grausamere Methoden, als den Tod. Wer nun in seinem Room-Radius war, wünschte sich niemals dort gewesen zu sein. Laws Augen blieben jederzeit auf Bepo, den Shachi und ich mit je einer Tatze um unsere Schultern stützten. Rennend schnitt er sich einen Weg zu uns durch, der ihm jedoch viel zu lange dauerte.   „Shambles!“, tauschte unser Käpt'n mit mir die Positionen. Wir trafen uns für den Bruchteil einer Sekunde in der Room-Sphere, ähnlich einer anderen Dimension, die wir beim Teleport durchschritten. Laws durchsichtige Stimme war bloß für mich im Nachhall hörbar. „Ich vertraue auf dich.“   Plötzlich stand ich zwischen mir völlig unbekannten Gesichtern. Kampflärm, Schreie und Stimmen brachen von allen Seiten über mich herein. Doch Laws autoritären Befehl nahm jeder Heart-Pirat deutlich wahr. Seine Skalpell-scharfe Stimme spaltete die bedrohliche Luft in unzählige Einzelteile. „Rückzug! Verteilt euch! Wir treffen uns auf der Polar Tang!“   „Aye, Käpt'n!“, stürmten die Heart-Pirat los. Jeder in eine andere Richtung. Ich direkt auf die Kanonier-Reihe der Marine zu. Ein lauter Knall begleitete die große Kanonenkugel, die mir entgegenflog. Mit einem blitzschnellen Sprung wich ich ihr aus, sofort weiter rennend, sobald meine Stiefel den Boden wieder berührten.   Jedoch rechnete ich nicht damit, dass die Kugel zurückkam... „Repel!“ ...und mich so hart am Hinterkopf traf, dass ich sofort die Besinnung verlor.   . . .   „Is' das nicht ein Heart-Lamm?“ „In der Tat, Captain.“   „Bring ihn auf die Adventure Galley, Killer.“ „Was hast du mit ihm vor, Kid?“   Das Schweigen des personifizierten Bösen war absolut kein gutes Zeichen. Das irre Grinsen seiner roten Lippen ebenso wenig.   Doch wenn ich glaubte, das Schlimmste gesehen zu haben, hatte ich mich bitter getäuscht.   . . .   „Zieh ihn aus, Kira. Der hässliche Lumpen ist Gift für meine Augen.“ „Zu Befehl.“ Der reißende Schnitt einer Sichel. Gefolgt von rauen Hände, die mir meinen Overall grob vom Körper zerrten. „Schmeiß den Fetzen über Bord und binde die Made fest.“   Mein Unterbewusstsein konnte die Informationen nicht verarbeiten. Die Worte drangen nicht zu mir durch. Ich kannte diese Stimmen nicht. Einzig mein Unwohlsein teilte mir mit, dass etwas nicht stimmte. Mein Körper fühlte sich wie gelähmt an, mein Hinterkopf tat verdammt weh. Aber waren die pochenden Schmerzen mein geringstes Problem.   Wo bin ich? Wie lange bin ich weg gewesen?   Das harte Holz in meinem Rücken spürte ich deutlich. So, wie die engen Seile um meinen Körper. Ich hörte ein dumpfes Klopfen, welches in unregelmäßigen Abständen ertönte. Je näher ich meiner Besinnung kam, desto lauter wurde es. Mit einem stöhnenden Schmerzenslaut öffnete ich meine schweren Augen... die sich sofort vor Schreck weiteten, als ich den blitzenden Dolch auf mich zurasen sah.   „Getroffen, Captain!“, grölte der blasse Zombie und hob hicksend seine Rumflasche. Eine leichte Feuerschwade stieg dabei aus seinen Nähten-verzierten Mundwinkeln. Daraufhin griff er selbst nach einem der Dolche, die auf einem Haufen zwischen der trinkenden Gruppe lagen. Die Männer saßen mir im Abstand von etwa zwanzig Metern gegenüber. Alle glasigen Augen auf die große Dartscheibe am Hauptmast über meinem Kopf gerichtet.   Ich schluckte schwer, mein Mund staubtrocken. Der Rasta-Typ war längst hacke-dicht. Seine Hand, die den Dolchgriff hielt, schwankte stark, während er mit einem zugekniffenen Auge zu zielen versuchte. Wenn ich jetzt auch nur einen Muskel bewegte, verfehlte er die Dartscheibe definitiv. Die Anfeuerungen seiner Kumpel machten mich nervöser, ihn nur noch unvorsichtiger. Angetrieben durch die lallenden Zurufe warf der Zombie letztlich. Nicht geradeaus, sondern schief nach oben. Im hohen Bogen flog der Dolch übers Deck, unmittelbar auf mich zu. Der Zielpunkt war mein Kopf.   Oh, du verdammte-!   Mein Atem setzte mitsamt meinem Herzschlag aus. Fluchend wollte ich meine Augen zukneifen, doch blieben sie in Schockstarre geöffnet. Wie in Zeitlupe verfolgte ich die Flugbahn des rapide nähernden Dolches. Der Stichschmerz blieb aus. Selbst als die Dolchspitze direkt zwischen meinen Augen stoppte, konnte ich meinen Blick nicht von ihr abwenden. Haltlos schwebte der Dolch in der Luft, wie in der Zeit eingefroren.   Erst, als plötzlich ein blonder Kerl vor mir auftauchte – vom Krähennest zu mir herunter gesprungen – und den schwebenden Dolch an sich nahm, wagte ich es wieder zu atmen. Hörbar stieß ich die angehaltene Luft zwischen zusammengepressten Zähnen aus. Dann gab ich kein Geräusch mehr von mir. Totgeschwiegen von der erhabenen Figur, die vor mir stand.   Sein maskierter Blick ließ mich nicht aus den Augen. Worte schenkte er mir keine. Stattdessen richtete er sie an den rothaarigen Hünen, der mit seinen Kräften mein Leben verschont hatte. Mehrmals. Wer weiß, was ich sonst hätte einbüßen müssen, während ich bewusstlos war. Die teilnahmslose Stimme des Maskenträgers hätte kälter nicht sein können.   „Er ist aufgewacht“, berichtete er monoton und rammte den Dolch geräuschvoll in die rote Mitte der Dartscheibe. Wodurch der Mast in meinem Rücken stark bebte. Ich konnte nicht ruhig atmen. Konnte ihn nicht ansehen. Konnte nicht zu seiner gelöcherten Maske aufschauen, durch die ich seinen eisigen Blick spürte. Mein Kopf blieb gesenkt, meine Augen auf seine schwarzen Absatzschuhe gerichtet. Seine einschüchternde Aura schrie nach Gefahr.   So, wie es die schweren Schritte taten, die sich mir näherten. Ihre Stärke ließ das gesamte Deck erzittern. Dann stand der Teufel der See höchstpersönlich vor mir, neben seiner rechten Hand dem Sensenmann. Beide sahen sie auf mich herab. Wartend auf eine Reaktion meinerseits. Zu nichts konnte ich meinen erstarrten Körper bringen. Und meine stille Paralyse reizte die Ungeduld des Höllenfürsten zum Äußersten. Seine lackierten Finger packten meinen Hals, ehe er mir animalisch zuknurrte.   „Sieh mich an“, war sein dunkler Befehl unmissverständlich. In der Sekunde meines Zögerns verfestige sich sein gnadenloser Griff. Ich musste ihm gehorchen. Zwang meine Augen dazu, in die goldenen Seinen zu sehen und ihrem unerschütterlichen Blick standzuhalten. „Du bist auf meinem Schiff. Hier gelten meine Regeln. Ist das klar?“   Sein Würgegriff machte es mir verdammt schwer, zu nicken. „Gut für dich. Du wirst mir jetzt antworten; Wie ist dein Name?“ Mein... Name?   „Antworte!“, forderte er in endgültigem Ton und zog mit seiner freien Hand seine Pistole, die in seinem Brustgürtel steckte. Er richtete ihren trichterförmigen Lauf auf mich und entriegelte sie ohne Zögern. „Du hast zwei Sekunden, bevor ich dir Schrot um die Ohren puste.“   „Eins...“   Ich- Ich- Ich-   „Ich weiß ihn nicht!“, brachte ich panisch hervor und verstummte sofort wieder. Atemlos auf den Knall wartend... der niemals kam. Sein Griff um meinen Hals lockerte sich minder, als er mich mit hochgezogener Rasur-Braue skeptisch musterte. „Du weißt ihn nicht?“   „Nein“, antwortete ich ihm prompt. Ihn weiterhin fest ansehend. Meine Augen zeigten ihm die vollkommene Aufrichtigkeit. Er glaubte mir kein Wort.   „Erzähl keinen Scheiß! Wenn du mich veraschst, dann-!“   „Bewusstseinsstörungen“, erklang die farblose Stimme des Maskierten. Dem einzigen Mann, der ihn unterbrechen durfte, ohne mit seinem Leben zu zahlen. Sein maskierter Kopf lag schief, nachdenklich wirkend. Sein prüfender Blick schien direkt in meine Seele zu schauen. Angespannte Sekunden verstrichen, ehe er mein Urteil verkündete. „Captain, er spricht die Wahrheit.“   „Echt?“, schweifte der stechend goldene Blick zwischen der Maske und mir hin und her. Vertrauen zu seinem Vize ihm Glauben gebend. Weswegen er seine lackierten Finger von meinem Hals löste und seine Pistole zurücksteckte. Dann begann er zu lachen. Wahnsinnig zu lachen.   „Fuck, ich glaub's nicht! Heute ist unser Glückstag, Männer!“   Glückstag...?   Als er sich abermals zu mir umdrehte und mich mit seinem irren Blick fixierte, sprachen seine grinsenden Lippen meine Vollstreckung aus.   „Willkommen in der Hölle“, verzogen sich seine roten Mundwinkel bis zur obskuren Verzerrung. Locker hob er seine Hand, zog mit ihr einen gefüllten Rum-Krug an und hielt ihn in Richtung seiner Mannschaft. „Jetzt wird gesoffen, bis keiner mehr stehen kann!“   Wenn der Teufel gute Laune hat, ist er noch viel unheimlicher...   Den Inhalt des Krugs zog er mit einem Zug ab, wischte sich mit seinem Handrücken über seine Lippen und richtete dann das letzte Wort an seinen Vizen.   „Kümmer dich um ihn, Killer. Er gehört dir. Mach mit ihm, was du willst.“   Hätte ich das diabolische Schmunzeln hinter der Maske gesehen, wäre ich freiwillig über die Planke gesprungen. Stattdessen starrte ich ihn einfach nur an. Im Schatten der oberen Maskenlöcher blitzte der kurzlebige Funke von Eisblau auf. Die wahre Kälte besaß nicht seine Stimme, sondern seine Augen. Wer sie sah, lebte heute nicht mehr. Außer einer einzigen Person.   Auf einem Bein kniete er sich langsam, verdächtig langsam zu mir herunter. Seine Sichel hebend, mit der er blitzschnell die engen Seile an meinem Körper durchschnitt. Dann sprach er mich an. Was mir einen frostigen Schauer über meine Arme jagte.   „Hey“, nahm seine kristallklare Stimme einen Ton an, der alle meine inneren Alarmglocken aufschrillen ließ. Befremdliche Vertrautheit lag in seinen Worten, die Vorsicht und Misstrauen weckten. „Komm mit mir. Ich zeige dir deinen Platz.“   Locker hielt er mir seine Hand hin, die ich nicht annahm. Hätte ich die Kraft dazu gehabt, hätte ich sie weggeschlagen. Stattdessen rappelte ich mich unter Anstrengung auf und ging knurrend auf Abstand. Mein schwaches Knurren glich dem eines in die Ecke gedrängten Tieres. Die Reaktion gefiel ihm nicht. Was sein Stimmton vor Kälte verfinsterte.   „Falls du auch nur daran denken solltest, abzuhauen...“, ließ er seine alles sagende Warnung ins leere Dunkel verlaufen und strich mit seinen Fingern langsam über die geschwungene Wellenklinge seiner Sichel. Mein Blick verfolgte die Bewegung seiner Hand, ehe ich ihn entschlossen ansah. „Ich habe verstanden; Ich gehöre dir.“   Vorerst..., grinste ich innerlich und merkte, wie mein Verstand zurückkehrte. Nur meine Persönlichkeit, ohne Knüpfungen der Vergangenheit. Meine Erinnerungen waren zum Greifen nah, im Nebel meines regenerierenden Geistes verborgen. Doch konnte ich sie nicht erfassen. Noch nicht.   Meinen Stolz kannst du mir nicht nehmen... Er wird immer ein Teil von mir sein...   Ich bin nicht närrisch... Und weiß, wann ich verloren habe...   Die Runde geht an dich... Aber die Partie ist noch nicht entschieden...   Ich muss nur einen Weg finden, um sie zu gewinnen... Wäre doch gelacht, wenn ich-   Eisige Worte unterbrachen meinen Gedankenkreis. „Denke nicht mal daran.“ Er wiederholte sich nur einmal. Was seine Drohung noch ausdrucksstärker machte.   Verdammt, der Kerl ist gut... Verrät mich meine Mimik?   Ich muss aufpassen. Höllisch aufpassen...   In diesem Moment wünschte ich mir, dass ich eine Mütze oder ähnliches hätte. Obwohl sein Schmunzeln von seiner Maske verdeckt wurde, hörte ich es deutlich.   „Du glaubst, eine Kopfbedeckung würde dir helfen?“, konnte er mich genau durchschauen. Wie macht er das?! Seine Beobachtungsgabe ist doch nicht mehr normal! „Beeindruckt? Gegen einen Scharfsinn, wie den Meinen ist selbst eine Vermummung gänzlich nutzlos.“   Willst du wetten? Das werden wir noch sehen! Nur... wo soll ich denn hier eine Mütze herkriegen?   „Nirgendwo.“ Hör auf, meine Gedanken zu lesen, du Psychopath!   Seine nächsten Worte sprach er flüsternd aus. Sein Atem hauchte durch die untersten Löcher seiner Maske in mein rechtes Ohr. Sein Stimmton so tief, wie die dunkelste Tiefe des Meeres.   „Deine Augen... sind deine Verräter.“   Meine Augen?, wiederholte ich gedanklich und gestand mir meine nächste Niederlage ein. Kontrolle über meine Blicke zu erlangen, war in so kurzer Zeit gar unmöglich. Er hat es mir gesagt, um mich zu verunsichern... Es vergnügt ihn, mit mir zu spielen...   Den Teufel werd ich tun und ihm Schwäche zeigen!, wurde mein Blick giftig. Seine Maske befand sich wieder vor meinem Gesicht. Selbst wenn mich meine Augen verrieten, nahm ich sie nicht von ihm. Er sollte sehen, was ich von seinem Psycho-Spiel hielt. Mein kämpferisches Augenlicht erklärte ihm den Krieg. Aus einem inneren Impuls heraus wusste ich, dass ich ein Kämpfer war. Und er mein Feind.   „Du möchtest es auf die harte Tour? So sei es“, drehte er sich lässig von mir weg und deutete mir in stiller Aufforderung an, ihm zu folgen. Etwas anderes blieb mir nicht übrig. Er hatte die Würfel ins Rollen gebracht, deren Ziffern die dreifache Sechs zeigten.   So lief ich widerstandslos hinter ihm her, in Richtung Unterdeck. Mein Körper blieb angespannt und alarmiert, meine Sinne geschärft im Nebel der Erinnerungslosigkeit. Wäre ich nicht so nah hinter ihm gewesen, hätte ich sein düsteres Wispern nicht verstanden. Von seiner Maske wurden seine Worte minder gedämmt, doch klangen sie dadurch noch finsterer. „Dein Ungehorsam weckt den Jäger in mir...“   Seine schattenhafte Kampfansage ließ es mir kalt den Rücken herunterlaufen. Doch verbannte ich meine Unsicherheit aus meinem Geist, zwang ihn zum Kämpfen und meinen Körper zum Laufen. Unsere Schritte hallten über die knarzenden Dielen des Ganges, bloß meine langsameren das Geräusch erzeugend. Killers Bewegungen waren völlig lautlos. Was ihn viel bedrohlicher werden ließ.   Ein Jäger also... Wenn der Jäger mal nicht zum Gejagten wird...   Ich musste grinsen. In mir steckte noch immer ein Hauch Selbstvertrauen. Aber freute ich mich zu früh. Mein winziger Freudenfunke erstickte, fiel in sich zusammen, wie ein Kartenhaus. Killers plötzlicher Befehl war der Atemhauch, der es zum Einsturz brachte.   „Ausziehen.“ Abrupt erstarrte ich in meiner Bewegung. A- Ausziehen?! Geräuschvoll stieß er eine Holztür auf und wartete nicht auf mein Eintreten. Ich hatte keine Wahl, als ihm zögerlich zu folgen. Wenn ich überleben wollte, musste ich mitspielen.   Ich hasse Unglücksspiele... Die kann man bloß verlieren...   Ein großer Duschraum. Keine Trennwände, nur nebeneinander gereihte Duschköpfe. Was er von mir wollte, war eindeutig. Ein Blick an mir herab – zu schwarzem Muskelshirt, blauen Boxershorts und braunen Stiefeln – und ich sah den Schmutz auf der Kleidung und meiner Haut. Die Dusche hatte ich dringend nötig.   Killer lehnte sich mit verschränkten Armen lässig an die Wand. Wartend. Seine Maske zu mir gedreht, belauerten mich seine Augen unaufhörlich. Vom Jäger zum Spanner, was für eine Laufbahn...   Wenn er meinen Willen brechen will, muss er sich schon etwas Besseres einfallen lassen!   Mit einem leisen Knurren zog ich mir mein Hemd über den Kopf. Dabei ging ich geradewegs durch den großen Raum, zu der gegenüberliegenden Duschreihe. Meinen Beobachter ignorierend, entledigte ich mich beim Laufen all meiner Kleidung, bis ich unverhüllt vor einem der Duschhähne stand. Seltsamerweise machte mir Nacktheit nichts aus, wie ich unbewusst feststellte. Ohne Zögern drehte ich das Ventil auf und schreckte dann bis auf die Knochen zusammen.   „Übrigens... haben wir nur kaltes Wasser an Bord.“ Danke für die frühe Warnung! Sein verdammtes Schmunzeln hab ich genau gehört! „Außer im Bad des Captains, versteht sich.“   Oh, wie ich mein vorschnelles Mundwerk doch verfluche... „Tch, was für ein Warmduscher.“   Mein Kommentar bereute ich noch ehe ich es ausgesprochen hatte. Das erklingende Ziehen einer Sense, folgend von einer pfeilschnellen Bewegung. Und ich spürte die tödlich-scharfe Klinge, die er gegen meinen Nacken hielt. Nicht ein Millimeter trennte Haut und Schneide.   Mein Kopf war gesenkt, meine Augen auf meine Füße gerichtet. Seine einschüchternde Figur stand direkt neben meinem unbedeckten Körper. Locker hielt er seine Todessense von sich weg, sein Arm lässig angewinkelt, doch seine offensive Körperhaltung feindlicher Natur. Würde er jetzt die Rotation seiner Waffe einschalten, wäre ich noch einen Kopf kürzer als er.   Sein langsam betontes Flüstern war gezeichnet von Kälte und Bedrohlichkeit. „Wie hast du meinen Captain genannt?“, fragte er mich, die Antwort wissend. Doch wollte er sie von mir hören. Sein Stimmton blieb emotionslos, unerbittlich und kaltblütig. „Wiederhole dies.“   Der eisige Wasserstrahl, der auf mich herab prasselte, fühlte sich an wie tausende Eiszapfen, die sich in meine Haut bohrten. Die geräuschvoll auf Boden klopfenden Tropfen zählten meine verbleibende Zeit zum Antworten. Es waren weniger als fünf Sekunden, die er mir ließ. Schwer schluckend, formten meine trockenen Lippen ein nervöses Grinsen. Sprachstörungen waren mein geringstes Problem.   „D-Dein Kapitän ist...“ Ein Arsch? Ein Soziopath? Reif für Impel Down? „...rothaarig. Dein Kapitän ist rothaarig. Ha-Ha... ha.“   Seinen `Was-zum?´-Blick konnte ich mir bildlich vorstellen – Meine Augen schauten genauso irritiert. Eine Lobpreisung über den geschminkten Irren konnte ich einfach nicht über meine Lippen bringen. So entschied ich mich für das Nächstbeste, was mir einfiel. Meine beschränkte Auswahl war echt nicht die Beste. Erneut versuchte ich trocken zu schlucken, ohne Speichel war das verflucht schwer.   Meine letzte Stunde hat geschlagen... Dafür wird er mich köpfen-   Moment... lacht er?! Die Todeskälte in Person kann lachen?   Ich glaub's nicht... Der Kerl lacht mich allen Ernstes aus!   So schnell, wie das tief-monotone Auflachen erklang, verschwand es auch wieder. Mit ihm die Klinge in meinem Nacken, der mittlerweile steifer war, als meine schockgefrorenen Finger.   „Beeil dich, das Abendessen wartet“, sagte er unberührt, während ich nach neuer Fassung rang. Meinen Hals streckte ich knackend durch und griff dann geistesabwesend nach der Seife. Sie war Freund und Feind zugleich. Klischee, Ahoi! So krampfhaft, wie ich sie zwischen meinen versteiften Fingern hielt, brauchte ich um nichts zu fürchten.   Selbst billige Scherze lenken mich nicht wirklich ab... Die Situation herunterzuspielen ist echt nicht leicht...   Eilig seifte ich mich ein und spülte dann den Schaum ab. Jetzt roch ich nach Schnaps. Vermutlich war die Seife eine Eigenherstellung. Jeden anderen Gedanken – woher sie den Geruch angenommen haben könnte – verdrängte ich geflissentlich. Nach mir selbst waren meine wenigen Klamotten dran, die ich schnell auswusch. Zum Trocknen hängte ich sie an den Haken eines kaputten Duschkopfs. Dann nahm ich mir eines der löchrigen Handtücher, mit dem ich mich abtrocknete, ehe ich es um meine Hüfte band.   „Bin bereit“, teilte ich ihm das Offensichtliche mit. Weswegen er mir den Rücken kehrte und ich zu ihm aufholte – immer auf mindestens einen halben Meter Abstand bedacht. Mein Unwohlsein wollte ich mit Smalltalk vertuschen. „Was gibt’s zum Abendessen?“   „Pasta.“ „Muss es unbedingt Pasta sein?“ „Jop. Nichts ist besser als Pasta.“   Hat der Kerl einen Nudelfetisch-? Okay, das klingt falsch... so verdammt falsch...   Wenigstens hatte ich meinen Humor nicht verloren. Vielleicht versuchte ich mich auch einfach nur damit zu beruhigen. Es ging doch nichts über eine Prise Sarkasmus zu seiner Pasta.   „Dein Grinsen gefällt mir.“ Meine doppeldeutig grinsenden Mundwinkel fielen sofort nach unten. „Lässt du mich an deinen Gedanken teilhaben?“   Nur über meine Leiche-! Halt. Streich' das; Ich hänge an meinem Leben!   „Ich hab über die Herstellung von Pasta nachgedacht.“ Eine halbe Wahrheit ist immer noch besser, als eine Lüge... „Im Kochen bin ich eine Niete. Wie macht man Pasta?“   Trocken, in absoluter Ernsthaftigkeit erklärte er; „Zunächst rührst du den weichen Teig, bevor du ihn knetest und formst. Dann rollst du ihn aus und bearbeitest ihn, bis er sich letztlich unter nasser Hitze härtet- Was ist so amüsant?“   „N-Nichts“, konnte ich mir ein Auflachen hinter vorgehaltener Faust nicht verkneifen. Ich war ein echt schlechter Lügner. Warum klingt das aus seinem Mund auch so zweideutig? Anscheinend konnte ich mich doch normal mit ihm unterhalten, wenn es um seine Pasta-Vorliebe ging. Das gab zwei Sympathiepunkte auf der Skala von minus hundert. Wenn ich schon ein Gefangener war, konnte ich auch das Beste daraus machen. Ein kläglicher Versuch war es allemal wert. `Verdrängung´ hieß dein Freund und Helfer in misslichen Lagen.   „Für wie viel Mann müssen wir kochen?“ „Zu viele.“   Danke für die ausführliche Antwort... , seufzte ich stumm und folgte ihm in die Kombüse. Wo mich die nächste Überraschung erwartete. Hier sah es aus, als hätte der Teufel Pogo getanzt. Der Dielenboden und die Wände klebten, als hätte man hier keine Essensschlacht abgehalten, sondern einen Krieg geführt. Zerstörte Tische und Stühle versperrten den Weg zur Küchentheke – das Einzige, was nicht hoch-bakteriell aussah.   Der starke Geruch nach Alkohol verätzt einem die Nase... Rum ist doch kein Desinfektionsmittel!   Killer – wer den Namen einmal hört, vergisst ihn niemals wieder – bahnte sich im Zickzack springend einen sicheren Weg zum gegenüberliegenden Küchenbereich. Der Hindernisparcour war nichts Neues für ihn. Wohingegen ich beinahe über einen zerbrochenen Stuhl stolperte und anschließend in etwas Undefinierbares trat. Stiefel sei Dank! Seufzend betrachtete ich mir das Chaos und sah Killer dann halb-grinsend an.   „Was dagegen, wenn ich hier aufräume?“, fragte ich ihn und versuchte mich vorm Kochen zu drücken. Meine Kochkünste waren echt miserabel. Sogar noch schlimmer als die von Sha- ...Wer? Abrupt hielt ich mir meinen Kopf, dessen rechte Seite verdammt schmerzhaft pochte. Nur kurz, dann war der brennende Stich wieder verschwunden. Der hämmernde meines Hinterkopfs blieb konstant bestehen.   Warum will mir der Name nicht einfallen? Ein Lächeln... das ist alles, woran ich mich erinnere...   Skeptisch musterte der Maskenträger mich eindringlich, ehe er meine Frage beantwortete; „Versuch dein Glück“, zuckte er mit seinen Schultern und nahm sich eine riesige Rührschüssel und diverse Zutaten, die er für den Nudelteig brauchte. Kurz drehte er sich noch zu mir um – mein ungewöhnliches Verhalten abermals prüfend – und band dann seine blonde Mähne mit einem schwarz-weiß gepunkteten Haargummi zu einem fülligen Zopf. Anschließend wandte er sich seiner Arbeit an der Küchentheke zu. „Spätestens morgen früh wird es hier genauso aussehen. Im Grunde kannst du dir die Mühe sparen.“   Er ist zu kooperativ..., wurde mir bewusst, was meine inneren Alarmfluter aufblinken ließ. Er will mich in trügerischer Sicherheit wiegen...   Ich darf meine Deckung nicht fallen lassen... Und muss mich für den Notfall bewaffnen...   Komme ich an eines der Messer heran-? Sauste im gleichen Herzschlag das spitze Küchenmesser direkt an meinem linken Ohr vorbei und blieb mit einem dumpfen Klopfen in der Tür hinter mir stecken. Wie hat er...? Mit geweiteten Augen sah ich zu dem Blonden, der in aller Seelenruhe den Teig knetete.   „Ich wiederhole mich nicht.“ Ja, ja: `Versuch's erst gar nicht´ – schon kapiert!   „Ich hätte es mir bloß kurz ausleihen wollen...“, seufzte ich ergeben, in Ehrlichkeit mit ihm sprechend, weil er mich sowieso vollkommen durchschaute. Meine Finger um den Griff des noch schwankenden Messers legend, zog ich es mit wenig Kraft heraus, ehe ich es ihm locker zurückwarf. Geübt fing er die Küchenklinge auf. Ohne Zögern, ohne hinzusehen und ohne seine rechte Hand aus der Teigmasse zu nehmen. Spätestens jetzt wäre mir der Kerl unheimlich.   „Du bist verdammt unheimlich, weißt du das?“ „Bin ich dies?“ Ja, ja und nochmals ja! Hör auf, so arrogant zu schmunzeln! „Mache ich dir Angst?“ „Träum weiter.“ Bloß ein bisschen...   „Ich träume nicht“, sprach er mit so viel Ernsthaftigkeit, dass ich mit dem abgenutzten Besen in der Hand fragend zu ihm sah. „Wie, `du träumst nicht´? Jeder, der schläft, träumt doch automatisch.“   „Ich bin nicht `jeder´“, war seine farblose Stimme von Kälte gefroren. Das Messer, mit dem er den ausgerollten Teig zerkleinerte, rammte er geräuschvoller ins Holz des Schneidebretts. Dabei warf er mir einen warnenden Blick durch die Löcher seiner Maske zu. „Deine Neugier wird dich eines Tages dein Leben kosten.“   Seine bitterkalte Warnung saß. Sie jagte mir einen eisigen Frostschauer über meine Haut. Die Botschaft war deutlich: Ich sollte mich aus seinem Leben heraushalten und keine weiteren Fragen stellen. Die kalte Anspannung drückte die Luft zwischen uns zum Tiefpunkt. Stille ihn begleitend. In seiner Nähe fühlte ich mich ganz und gar nicht mehr wohl. Ich brauchte Ablenkung. So machte ich mich unbehaglich an die langweilige Arbeit.   Wortlos ging ich zum Waschbecken, den zerbeulten Putzeimer mit Wasser füllend, ehe ich die zerfransten Borsten des Besens eintunkte und schweigend die Dielen schrubbte. Dabei stellte ich hin und wieder einen umgeworfenen Stuhl auf. Die zerstörten und unbrauchbaren räumte ich aus dem Weg und schob sie zusammen, in eine Raumecke.   Ich kann nicht glauben, dass ich hier halb-nackt für irgendwelche Barbaren putze..., wurde mir meine Situation bewusst, während ich mir mit meinem Unterarm einzelne Schweißperlen von meiner Stirn wischte. Über den Boden musste ich nochmal drüber, eine Runde beseitigte bloß den oberflächlichen Schmutz. Der hartnäckige hatte sich längst in die Dielen gefressen. Sind das Blutflecken?! Zunächst waren aber die Wände dran, für die ich das Wasser wechselte und mir dann einen fleckigen Lumpen nahm. Ich scheuerte die Wand wie ein Irrer, bis ich wenigstens das Holz hinter dem Dreck sehen konnte.   Jedoch kam ich nicht an die oberen Abschnitte heran. Zur Hilfe nahm ich mir zwei Stühle, die ich übereinander stapelte. Auf Zehenspitzen stand ich auf ihnen. Das provisorische Gerüst wackelte stark unter mir, während ich meinen Arm, mitsamt Lappen weit nach oben streckte. Es kam, wie es kommen musste. Natürlich fiel genau in dem Moment eine Spinnenwebe in mein Gesicht und brachte mich zum Niesen.   Die Stühle unter mir krachten laut zusammen. Womit ich mein Gleichgewicht verlor. Wenn ich jetzt hoffte, wie in einer billigen Seifenoper aufgefangen zu werden, hatte ich mich geschnitten. Der blonde Psychopath würde mich höchstens auslachen – was mein Stolz zu verhindern wusste. Mit einem Salto-Sprung rückwärts stieß ich mich rechtzeitig von dem zusammenstürzenden Gerüst ab, landete gekonnt auf meinen Stiefeln... und verlor dabei mein Handtuch.   „Nette Aussicht“, konnte er sich den überflüssigen Kommentar ja doch nicht verkneifen und lehnte sich lässig mit verschränkten Armen an die Küchenzeile. Als ob er nicht längst jede Hautstelle von mir gesehen hätte! Knurrend versuchte ich meine verräterischen Wangen zu überspielen und griff grob nach dem Handtuch, das ich erst nach dem zweiten Versuch zu packen bekam. „Halt die Klappe und koch deine verfluchte Pasta!“   Verdammt... Ich bin laut geworden... Fühlt er sich jetzt angegriffen? Wird er mich strafen?   Er tat es nicht. Was mich wunderte, doch erleichterte. Immerhin musste ich mich nicht vor ihm verstellen. Amüsiert erwiderte er;   „Das Abendessen ist fertig. Oh, und: Du hast dort einen Fleck auf dem Boden vergessen.“ Es vergnügt ihn, mich aufzuziehen... Mieser Sadist! „Hast du nichts Besseres zu tun, als mich anzugaffen?“ „Derzeit nicht, nein.“   `Nein´, äffte ich ihn in Gedanken nach und nahm mir murrend den Besen, dessen Stiel ich vor Krafteinwirkung fast zerbrach. Ruhig bleiben... zeig ihm nicht, wie sehr er dich aufwühlt... Das hier wollte ich so schnell, wie möglich hinter mich bringen. Die Gesellschaft meines Wächters war unerträglich. Und er sollte mir fortan keine Sekunde von der Seite weichen. Was hat er eigentlich davon? Außer sein Vergnügen...   Ist ihm so langweilig? Oder hat er irgendetwas vor? Und wie er das hat... Ich trau dem Kerl kein Stück-!   Grüner Stoff landete vor meinen Füßen. Blinzelnd blickte ich darauf – eine dünne Shorts? – und dann zu dem blonden Stillleben, das sich augenscheinlich keinen Millimeter gerührt hatte. „Du könntest die Männer ablenken“, war seine knappe Erklärung, während ich das Kleidungsstück aufhob und eilig anzog. Das feuchte Handtuch schlang ich locker um meinen Hals. Ein dankbares Nicken war ich meinem Kleiderspender schuldig.   Das gehört alles zu seinem diabolischen Plan... Ich halte an meiner Verschwörungstheorie fest!   Bewaffnet mit Besen und Wassereimer begab ich mich ein letztes Mal in den Kampf mit dem schmutzigen Boden. Diesmal kamen sogar die Dielen zum Vorschein. Als ich fast fertig war, hörte ich plötzlich das Klingeln der kleinen Glocke, die der Maskierte läuten ließ. Gefolgt von dem trampelnden Ansturm, der vom Deck aus durch das Schiff schallte. Wie eine Horde Büffel näherten sich die ausgehungerten Trunkenen der Kombüse in Höllentempo. Mit einem Ausweichsprung nach Links konnte ich mich gerade noch davor retten, von Stiefeln niedergetrampelt zu werden. Den Stiefeln, die den gewischten Boden sofort wieder mit Abdrücken verdreckten.   Du willst mich doch verarschen!, schmiss ich den Besenstiel in die nächste Ecke. Sein `Was habe ich dir gesagt?´, konnte ich förmlich von seiner ausdruckslosen Maske ablesen. Die Meute des Teufels fiel über den gigantischen Pasta-Teller her, den Killer auf den großen Gruppentisch stellte. Niemand beachtete mich, was mir sehr gelegen kam. Ich hasste Aufmerksamkeit. Der Raum wurde mit einem Mal lebendig. Überflutet von Grölen, Schmatzen und Rülpsen.   Essensmanieren? Was ist das?   Dann fiel es mir auf: Der Anführer der Vandalen fehlte. Genau in dem Augenblick lief seine rechte Hand mit einem gefüllten Teller an mir vorbei.   „Du bleibst bei mir. Auf Abstand“, wies er mich an und schritt durch die Tür. Ich wenige Meter hinter ihm her, eine Treppe herunter und anschließend einen langen, dunklen Gang entlang. Er führte wohl zur Kapitänskajüte. Die schwere Metalltür sah ich schon aus der Entfernung. Sie war die Einzige, die nicht hölzern war. Nur ein Teufelsfruchtnutzer konnte sie öffnen. „Warte hier.“   Ich tat, wie mir geheißen. Beobachtete den Blonden, der im Schatten des Flurendes unkenntlich wurde und dann anklopfte. Irgendein Klopfzeichen benutzend, das ich von hier aus nicht verstand. Die schwere Tür öffnete sich in Begleitung eines kraftvollen Bebens. Der Essensteller verschwand in der Untiefe der Räuberhöhle und Killer kam wieder zurück. Stattdessen steuerte er das Zimmer gegenüber meiner Warte-Position an. Mittlerweile war ich es gewohnt, ihm zu folgen, deswegen tat ich es unaufgefordert.   Mit gehobener Augenbraue fragte ich ihn: „Willst du selbst nichts essen?“   „Ich esse nicht.“ Damit war das Thema für ihn beendet. `Warum isst du nichts?´, brannte mir die Frage auf der Zunge, auf die ich mir leicht biss. Ich durfte mein Glück nicht ausreizen. Es ging mich nichts an. Und es war mir egal. Sollte es sein. Sollte...   Doch je mehr Fragen das Mysterium mit Maske aufwarf, desto neugieriger wurde ich. `Deine Neugier wird dich eines Tages dein Leben kosten´, hallte seine dunkle Stimme in meinen Gedanken wider, ehe ich seufzte. Bin ich schon immer so wissbegierig gewesen? Von wem habe ich diesen Charakterzug angenommen?   Erneut das Stechen in meiner rechten Schläfe. Ein unheimliches Schmunzeln. Das war es, was ich für eine Millisekunde vor meinem inneren Auge sah.   Um mich von dem pochenden Schmerz abzulenken, sah ich mich in dem spärlichen Raum um. Die schlichte Möblierung bestand aus einem Bett, einem Schreibtisch und einer Werkzeugecke, mit großem Schleifgerät für seine Klingen. Im Gegensatz zu den anderen Räumlichkeiten war es hier sauber und ordentlich.   „Dies ist meine Kajüte. Was für dich heißt: Fasst du etwas an, bist du deine Finger los.“ Wie nett... Freundlicher hätte er es nicht ausdrücken können... „Du schläfst auf dem Boden. Wenn du Glück hast, wirst du erfrieren.“ Ich korrigiere: Das ist nun wirklich Nettigkeit auf höchstem Niveau gewesen...   Der nächste Satz kam mir schneller über die Lippen, als dass ich dessen Bedeutung erfassen konnte. „Das Glück wird mir wohl nicht vergönnt sein: In meiner Heimat ist es kälter, als jede Nacht es sein könnte-“   Meine Heimat..., weiteten sich meine Augen vor Erkenntnis. Der North Blue... Ich komme aus dem North Blue...   Doch wurde mein Hochgefühl über die gefüllte Gedächtnislücke sofort zerstört. Wie eine Klinge aus Eis schnitt Killers Stimme durch die stille Kajüte. „Erinnere dich nicht. Wenn du es tust, muss ich dich umbringen.“   U-Umbringen?!   Wie soll ich denn verhindern, dass ich mich erinnere? Als ob ich das beeinflussen könnte...   Das Rascheln von Kleidung, der er sich entledigte. Nur in Boxershorts und Maske bekleidet, begab er sich schweigend ins Bett und ließ mich links – eher gesagt rechts – liegen. Weswegen ich mit den kalten Holzdielen Vorlieb nahm und es mir in Nähe der abgeschlossenen Tür bequem machte. Seitlich zu ihr liegend, bettete ich meinen Kopf auf meinen Händen und deckte mich mit dem trocken gewordenen Handtuch zu, sodass wenigstens mein Unterkörper halbwegs bedeckt war. Dass ich in dieser Nacht keinen Schlaf fand, war mir von Anfang an klar gewesen.   Heimweh. Ich vermisste etwas, dessen Gedankenbild ich nicht einmal formen konnte. Das Einzige, was ich noch wusste war, dass ich für gewöhnlich nicht allein schlief. So beruhigte mich die Anwesenheit meines Feindes auf groteske Art. Auch die laute Geräuschkulisse des belebten Schiffes und dessen Schwanken verschaffte mir befremdliche Ruhe. Sie reichte aus, um zumindest meinem Körper Erholung zu verschaffen. Das Hämmern meines Hinterkopfes nahm langsam, aber stetig ab. Mein Geist wurde in Wach-Trance versetzt. Die Leere füllte meine nichtssagenden Gedanken.     Ich will hier nicht sein... Ich muss zurück... dorthin, wo ich hingehöre...   Ohne einen Platz im Leben... Ist die Leere des Innersten mein einziger Rückzugsort...   `Ich zeige dir deinen Platz´, hat Killer gesagt... Zu ihm hat er mich geführt...   In seine Stille, die mich mein wisperndes Herz hören lässt...   Leise flüstert es mir Mut zu... Hält mich am Leben...   Mein Herz ist das Einzige, was nicht durch die Kälte seiner Lippen gefrieren kann...   ...Denn ein Kuss des Todes besitzt stets trügende Wärme. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)