Date oder Deal? von MariLuna ================================================================================ Kapitel 44: Montag ------------------ Kapitel 44 Montag   Victor weiß, was er will und er war selten so entschlossen, das auch durchzuziehen. Ein besonnenerer Mann als er würde nicht so handeln, sondern erst jedes Für und Wider gründlich gegeneinander abwägen und ihn daran erinnern, dass ihm genau diese Art von Voreiligkeit nicht bekam, als er bei seinem Ex einzog. Dann würde Victor ihm entgegensetzen, dass es auch eine spontane Idee war, zur Army zu gehen und diese ein paar Jahre später zu verlassen und sich bei der Bank zu bewerben, bei der er dann immerhin sieben erfolgreiche Jahre gut und gerne gearbeitet hat. Und war es nicht auch eine spontane Eingebung, die ihm Shredder diesen Deal vorschlagen ließ? Eben. Hat er sich das gut überlegt? - Nein. Macht es ihn glücklich? - Ja. Wird er von verschiedenen Seiten auf Widerstand treffen? - Bestimmt. Fühlt es sich richtig an? - Ja, absolut. „Überrenne ich dich?“ fragt er Shredder, während er auf dem Sofa am kleinen Couchtisch sitzt und seine Unterschrift unter seine Kündigung setzt, bevor er den Briefumschlag dann zuklebt. „Ist es zu viel? Zu schnell?“ Shredder kniet vor ihm auf höchst japanische Weise auf dem Teppich, schüttelt lächelnd den Kopf und pappt die Briefmarke aufs Kuvert. „Nein“, erwidert er dann und strahlt ihn an, wird dann aber jedoch wieder ernst. „Ich habe ja gemerkt, dass dir, seit wir von unserem kleinen Urlaub zurück sind, etwas im Kopf herumgeht. Nur habe ich befürchtet, dass es etwas anderes ist. Dass du es dir anders überlegt hättest. Und ich wäre dir deswegen nicht mal böse gewesen. Das Technodrome liegt in einer anderen Dimension, das ist etwas ganz anderes, als würdest du nur in einen anderen Bundesstaat ziehen.“ Und als Victor ihm daraufhin nur einen vorwurfsvollen Blick zuwirft, hebt er schnell beschwichtigend die Hände. „Tut mir leid, so meinte ich das nicht. Ich zweifle nicht an dir. Und ein Rückzieher hätte doch auch nicht zwangsläufig bedeutet, dass wir uns trennen.“ An dieser Stelle hält Victor mitten in der nächsten Unterschrift inne und runzelt unwillig die Stirn. „Ich bin verdammt froh über deine Entscheidung“, beeilt sich Shredder ihm zu versichern. „Aber?" hakt Victor mit hochgezogener rechter Augenbraue nach. „Aber? Es gibt kein aber!" Doch unter Victors stahlblauem Blick gibt er sich schnell geschlagen. Er seufzt einmal schwer auf und schenkt ihm ein schiefes Lächeln. „Ich weiß, dass ich eigentlich versuchen sollte, dir das auszureden und wahrscheinlich wartest du darauf, aber ich habe keine Lust, dich anzulügen. Ich bin ein furchtbarer Egoist, ich will dich bei mir haben und dafür sollte ich mich schämen, aber auch das tue ich nicht." Er lacht verlegen. „Ich glaube, die haben alle Recht. Ich bin ein böser Mann." „Ich steh auf böse Männer." Victor rutscht von der Couch und umarmt ihn fest. Für ihn war das eben eine der schönsten Liebeserklärungen, die er je bekommen hat. Shredder gibt nur ein Geräusch von sich, das wie ein unterdrücktes Auflachen klingt und vergräbt sein Gesicht an Victors Hals. Der schmunzelt unwillkürlich vor sich hin. Ja, natürlich. Das ist ja auch lustig, schließlich sind sie beide böse Jungs. Nach ein paar kostbaren Sekunden, die er unendlich genießt, packt er ihn an den Schultern und schiebt ihn auf eine halbe Armlänge Abstand. „Hey, Saki. Weißt du was?" Er hält inne, sieht ihm tief in die Augen und erklärt dann, jedes Wort deutlich betonend: „Ich. Liebe. Dich." Er wartet gar nicht erst auf eine Antwort oder Einladung und nimmt Shredders Lippen schon in Beschlag, kaum dass er ausgesprochen hat. Der zögert auch nicht eine Sekunde und kommt ihm sofort entgegen, heißt Victors Zunge in seinem Mund mehr als willkommen. Begeistert schlingt er ihm die Arme um Schultern und Nacken und Victor tut es ihm gleich. Sie versinken in einem langen Kuss, der sanft und träumerisch beginnt und stürmisch endet. Irgendwann findet sich Shredder auf dem Rücken liegend wieder, Victor über und auf ihm. Mit ungebrochener Begeisterung, denn das wird auch nach fast zwei Wochen nicht langweilig, küssen sie einander atemlos, und als sie sich dann nach Luft schnappend doch voneinander trennen müssen, geht Victor sofort dazu über, Shredders Shirt so weit wie möglich nach oben zu schieben, um sich über dieses schöne, beeindruckende Sixpack zu küssen. Seine Zunge taucht kurz in Shredders Bauchnabel, was diesem ein zitterndes Glucksen entlockt – er ist dort kitzlig – um sich dann wieder nach oben zu diesem ausladenden Brustkorb und die verlockenden Brustwarzen hoch zu arbeiten. Während sich Victor also über diesen muskulösen Oberkörper küsst, leckt und knabbert, sind seine Finger schon mit Knopf und Reißverschluß von Shredders dunkler Jeans beschäftigt. Shredders Finger sind allerdings auch nicht gerade untätig. Als sie dann beide nackt da liegen, gibt es einen kurzen Moment, in dem sie beide wie auf ein stummes Kommando hin innehalten, um sich tief in die Augen zu sehen, bevor sie wieder in einem leidenschaftlichen Kuss versinken, während auch der Rest ihrer Körper routiniert zusammenfindet.       Zum ersten Mal, seit er hier unten ist, kommt ihm die alte Subway-Station richtiggehend düster vor, beinahe unheimlich. Shredder schluckt einmal schwer und versucht, das leichte Zittern seiner Hände damit zu überspielen, indem er sie leicht zu Fäusten ballt. Unwillkürlich rutscht er etwas näher an den neben ihm stehenden Rat King heran, ertappt sich dann dabei und rückt wieder ein paar Zentimeter zur Seite. Der Rattenkönig steht breitbeinig vor seinem Thron, die Arme locker hinter dem Rücken verschränkt und nie trat seine militärische Vergangenheit deutlicher zu Tage als in dieser Haltung. Den Kopf erhoben, die Augen geschlossen, so konzentriert er sich darauf, seinem Volk die Neuigkeit beizubringen, dass er als ihr König abdankt und sie erstmal nicht mehr wieder sehen wird. Shredder bezweifelt stark, dass das so einfach ablaufen wird wie Mrs Sawyer das Kündigungschreiben für die Souterrainwohnung in die Hand zu drücken. Sie hat ja noch den Zweitschlüssel und versprach, sich um alles zu kümmern, auch um den Verkauf der Einrichtung. Victor besitzt erstaunlich wenig, an dem er hängt und was er mitnehmen will, und das meiste davon sind Erinnerungsstücke von seinen Eltern oder aus seiner Army-Zeit. Und Shredder kann sich auch nicht vorstellen, dass er hier so gnädig davon kommt wie bei der netten Hausmeisterin, denn die hat nur einen Blick auf ihn geworfen und Victor aus vollstem Herzen zu seiner Wahl gratuliert. „Sie sehen jung aus“, meinte sie dann tatsächlich auch noch an Shredder direkt gewandt. „Aber ich kenne Victor gut genug, um zu wissen, dass er nicht auf Minderjährige steht. Er ist ein anständiger Mann. Und Ihre Augen verraten mir, dass Sie viel älter sind, als Sie aussehen. Passen Sie gut auf meinen Lieblingsnachbarn auf, okay, junger Mann? Weiß Gott, er hat es verdient.“ Und Shredder ist sich sicher, dass die Ratten ihn nicht zum Abschied umarmen werden wie diese Frau. Es sind nur Tiere, aber auch Tiere können in ihren Gefühlen verletzt werden und Rattenbisse sind, wie er aus leidvoller Erfahrung weiß, sehr, sehr unangenehm. Um mögliche übertragene Krankheiten macht er sich da weniger Gedanken, gegen Tollwut ist er Krang sei Dank geimpft, aber er ist nicht unverwundbar. Auch bei ihm entzünden sich manchmal Wunden nach einer Infektion. Krangs Krankenstation sollte jetzt zwar wieder voll funktionstüchtig sein, aber der Gedanke hat wenig Tröstliches. Er hasst Schmerzen. Für einen kurzen Augenblick fährt ihm der Gedanke durch den Kopf, daß die Ratten so sauer werden könnten, dass sie sogar ihren König angreifen, aber dann schüttelt er nur innerlich den Kopf. Niemals. Rat King würde nie so ungeschützt hier stehen, wenn er seinem Volk nicht restlos vertrauen könnte. Sinnend betrachtet Shredder den Mann neben sich. Die Gesichtsbandagen, der lange Ledermantel, die Lederkleidung darunter und die knöchelhohen Schnürstiefel – nie war er mehr Rat King als jetzt, in seinen letzten Minuten. Seine gerade, aufrechte Haltung, der klare, wache Blick seiner blauen Augen... oh. Rat King hat seine Zwiesprache mit seinem Volk beendet und natürlich bemerkt, dass er angestarrt wurde. Shredder weiß nicht, ob es an den schlechten Lichtverhältnissen hier liegt oder an etwas anderem, dass er Rat Kings Miene plötzlich nicht mehr zu deuten vermag, aber ehe er gründlicher darüber nachdenken oder ihn gar fragen kann, kommt in die Ratten vor ihnen Bewegung. Beinahe synchron setzen sie sich alle auf ihre Hinterläufe und starren ihn an. Dutzende von Ratten. Hunderte! Er fühlt sich ... unbehaglich. Und das ist noch untertrieben. Er fühlt sich schuldig, und das zurecht, wie er weiß, schließlich nimmt er ihnen ihren König weg. Gerade in dem Moment, wo er sich entschieden hat, sich bei ihnen zu entschuldigen - wie auch immer er das anstellen soll, aber so ein tiefer Kniefall wie ein Dogeza kann doch nie schaden und er wäre dann mit ihnen fast auf Augenhöhe – geschieht es. Es beginnt mit seiner Sicht. Das Bild, das ihm seine Augen melden, wird plötzlich von einem anderen überlagert, und als er instinktiv die Augen schließt, ist dieses fremde Bild immer noch vorhanden. Er sieht … sich selbst und den Rattenkönig, aber aus der Frosch- … nein, der Rattenperspektive. Die Farben sind falsch und irgendwie ist alles verschwommen. Dafür steigt ihm plötzlich ein Geruch in die Nase, bei dem er den Eindruck hat, er würde dieses Bild vor seinen geschlossenen Augen vervollständigen. Und das, was er da riecht, ist ihm so fremd, dass er keinen Namen dafür findet. Aber er mag es. In seinen Ohren beginnt es zu rauschen und dann spürt und sieht er sich selbst schwanken, spürt und sieht Rat Kings stützenden Arm um seine Taille. Noch während er versucht, diese Überflutung seiner Sinne irgendwie zu ordnen und zu verkraften, fühlt er so etwas wie eine warme, goldene Welle auf sich herabstürzen und einen ganzen Atemzug lang schwimmt er darin. Und dann … nichts mehr. Es ist so schnell vorbei, wie es begonnen hat. Er findet sich in Rat Kings Armen wieder, leise schluchzend, das Gesicht gegen Rat Kings Schulter gepresst, die Finger haltsuchend in seinem Mantel verkrallt und am ganzen Körper zitternd. Er spürt, wie ihm Rat Kings Fingers durchs Haar streichen, riecht dessen After Shave und allmählich beruhigt sich sein heftig klopfendes Herz wieder. „Beim ersten Mal ist es immer überwältigend.“ Tröstend drückt Rat King ihn ganz fest an sich und wirft seinen Ratten dabei einen tadelnden Blick zu. Einige, nicht alle, aber allen voran Dora, scheinen nur frech zu grinsen. Shredder fällt es erstaunlich leicht, das Erlebte zu interpretieren. „Sie freuen sich für uns“, stellt er überrascht fest. „Und – sie wünschen uns … viele Nachkommen?“ Rat King lacht einmal verlegen auf. „Na ja, es sind Ratten.“ Shredder nickt nur und drückt sein Gesicht so fest an Rat Kings Schulter, bis ihm das Leder seines Mantels schmerzhaft gegen die Wange scheuert. Er ist so erleichtert, er könnte heulen vor Glück.     Rat King hat sich entschieden, aber das Herz wird ihm trotzdem schwer, als er und Shredder zusammen zurück in seine kleine Souterrainwohnung gehen. Er dreht sich nicht um, denn das würde ihm den Abschied nur noch schwerer machen. Auch wenn es kein Abschied für immer ist, er hat vor, so bald wie möglich zurück zu kehren und nach dem Rechten zu sehen, aber dann als Victor Falco und nicht als der Rattenkönig. Und er weiß nicht, wann das sein wird. Es kann schon übermorgen sein oder nächste Woche. Vielleicht aber auch erst in einem Jahr, das liegt nicht in seiner Macht. Seine Stimmung ist gedrückt, als sie durch den Wanddurchbruch zurück in seine Wohnung klettern. Für einen Moment bleibt er stehen und starrt das Loch einfach nur an. Schmerzhaft wird ihm bewusst, dass sein Nachmieter dieses „Tor“ in sein Königreich verschließen wird ohne je zu wissen, was sich so Bedeutendes dahinter verbirgt. Und in diesem Moment wird es ihm erst so richtig bewusst. Ich stehe an einem Scheideweg und ich habe mich für eine Richtung entschieden. Ich lasse mein gewohntes Leben zurück, um etwas gänzlich Neues zu beginnen. Schon wieder. Langsam hebt er die rechte Hand, um sich von seinen Gesichtsbandagen zu befreien – das letzte Mal! - da spürt er warme, kräftige Finger, die sich um sein Handgelenk legen. „Lass mich das machen.“ Shredders Stimme ist sanft. Rat King zögert verdutzt, aber ein Blick in diese dunklen, verständnisvollen Augen und er lässt seine eigene Hand gehorsam sinken. Doch anstatt sich um seine Maskierung zu kümmern, hilft ihm Shredder erst einmal aus dem schweren Ledermantel und hängt ihn ordentlich auf einem Bügel an die Garderobe. Seine Bewegungen sind ruhig und irgendwie würdevoll. Beinahe zeremoniell. Auf dieselbe Art streift er ihm die Bandagen vom Gesicht, rollt sie ordentlich zusammen und legt sie dann auf ihren Platz auf dem Wandregal ab. Victor hat die ganze Zeit über stillgehalten, mit einem merkwürdigen Kloß in der Kehle und Schmetterlingen in seinem Bauch. Und als Shredder dann ganz dicht an ihn herantritt, mit diesem seltsamen Lächeln und ihn dann sanft ein paar verirrte rotblonde Haarsträhnen zurückstreicht, um ihm dann hauchzart über die rechte Wange zu streicheln, mit diesem Glanz in den Augen, als wäre er das kostbarste auf dieser Welt, da verschlägt es ihm glatt den Atem. Shredder sagt nichts, er reckt sich ihm nur entgegen und versiegelt Victors Lippen mit einem Kuss, so zart und liebevoll, dass Victor zum ersten Mal seit Langem die Knie weich werden. Es ist nicht irgend ein Kuss. Er ist die Zukunft.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)