Zum Inhalt der Seite

Date oder Deal?

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Samstag III

Kapitel 40

Samstag III

 

Es ist genau, wie Shredder es prophezeit hat: Splinter gibt sich gar keine Mühe, sein Kommen zu verbergen – sie hören das Rascheln der Blätter unter seinen Schritten schon von Weitem, und als er dann zwischen den Bäumen hervortritt, ist das auch keine Überraschung mehr.

Er bleibt stehen und lächelt sie freundlich an.

„Darf ich näherkommen?"

Und als Shredder und Victor nur nicken, schlendert er bis auf anderthalb Meter zu ihnen heran.

„Danke für die Karte", meint er an Shredder gewandt.

Der blinzelt verdutzt.

„Das...“, beginnt er, senkt dann aber verlegen den Blick beiseite. „Oh."

Schon wieder etwas, weswegen er keinen Dank erwartet hat. Vorsichtig rückt Victor bis auf Armlänge an ihn heran, um ihn notfalls an Hand, Arm oder Schulter berühren zu können. Wenn es jemanden gibt, den man mit purer, ehrlicher Freundlichkeit schocken kann, dann seinen Shredder.

„April hat sie mir noch am selben Abend gegeben“, fährt Splinter fort. Es ist ihm eindeutig ein Bedürfnis, die Zuverlässigkeit der Starreporterin zu unterstreichen. „Sie hat mich ständig gelöchert, was dort stand. Ich habe ihr nichts gesagt."

„Das hättest du ruhig machen können. Es war nur ein 08/15 Gruß."

Splinter sieht ihn an, als hole er in Gedanken mit seinem Knüppel aus, um seinen nächsten Worten damit die gewünschte Nachdrücklichkeit zu geben.

„Für mich bedeutet es viel mehr."

„Bilde dir ja nicht ein, daß du jetzt immer eine bekommst", kommt es brüsk zurück. Es wäre überzeugender, wenn Shredders Wangen nicht wieder so rot leuchten würden.

Splinter schmunzelt nur.

„Wie steht es um das Technodrome?" erkundigt er sich im selben sanften Tonfall.

„Wieso willst du das wissen? Damit ihr es gleich wieder zerstören könnt?"

Über soviel Starrsinn stößt Splinter nur einen tiefen Seufzer aus und wirft ihm einen müden, traurigen Blick zu.

„Ach, Saki-kun..."

Die beiden eiern vielleicht herum! Ist ja nicht zum Mitansehen. Victor beschließt, hilfreich einzuspringen.

„Wie war denn Casey so als Schüler?“ schneidet er ein neues, unverfänglicheres Thema an, damit sich sein Shredder wieder etwas fangen kann. „Wie hat er sich bei den Meditationsübungen geschlagen?"

Splinter verliert kein Wort darüber, daß er ausspioniert wurde, und allein das rechnet ihm Victor schon hoch an. Victor liest ihn nicht, aber jeder, der ein wenig von Ratten versteht, erkennt an seinen aufgerichteten Ohren, dem glatten Fell und dem entspannten Schwanz, daß er ein sehr zufriedenes Exemplar vor sich hat.

„Zuerst war er sehr abgelenkt, irgend etwas muß kurz vorher passiert sein, aber er wollte nicht mit mir darüber reden. Letztendlich hat er sich beruhigt und ab da hat er tatsächlich Fortschritte gemacht", erklärt er dann auch und ja, er klingt auch sehr zufrieden.

„Ich kann nicht glauben, dass du dich dazu hast überreden lassen“, grummelt Shredder und es klingt fast vorwurfsvoll. Und – ein kleines bißchen eifersüchtig? „Hast du mit deinen Turtles nicht genug zu tun, musst du dir jetzt auch noch diesen Chaoten ans Bein binden?"

Splinter reckt nur den Kopf in die Höhe und schafft es tatsächlich, ihn unter halbgeschlossenen Lidern gefühlt von oben herab anzuglimmen, obwohl er ihm gerade mal bis zur Schulter reicht.

„Je schwieriger der Schüler, desto größer die Herausforderung und später der Erfolg."

„Anwesende ausgeschlossen", stellt Shredder scharf klar. Er zählt sich nicht zu Splinters Erfolgen.

Doch er hat wie so oft die Rechnung ohne den Wirt gemacht.

„Du warst nie ein schwieriger Schüler“, entgegnet Splinter ruhig und lächelnd.

Er und Shredder starren sich so lange an, bis Splinter den Funken der Erkenntnis über das Gesicht seines ehemaligen Schülers huschen sieht, dann entspannt sich seine gesamte Haltung wieder und er wechselt das Thema.

„Wie geht es Krang, Bebop und Rocksteady?"

„Gut. Soll ich sie von dir grüßen?" kommt es spitz zurück.

„Das wäre nett." Völlig ernst und mit einem entwaffnenden Lächeln.

Shredder starrt ihn nur komplett sprachlos an. Es ist nicht allein Splinters ehrliche Freundlichkeit, die ihn irritiert, sondern auch die Selbstverständlichkeit, mit der er sie vor sich herträgt. Als wären sie niemals Feinde gewesen.

Das hier ist nicht der erste Olivenzweig, den Splinter nach ihm ausstreckt, aber noch niemals war Shredder so dicht davor, ihn tatsächlich anzunehmen.

Er braucht Zeit, das emotional zu verarbeiten, sonst rutscht er wieder in sein altes Muster zurück.

„Übrigens waren wir wohl daran schuld, dass Casey so durcheinander war“, mischt sich Victor daher ablenkend und in betont munterem Plauderton ein. „Erst ist er uns fast reingefahren und dann sind wir ins Gespräch gekommen. Zuerst war er eine richtige Plaudertasche, aber als er mitbekam, daß wir ein Paar sind, hat ihn das ziemlich geschockt. Ich schätze mal, das passte nicht in sein Weltbild.“

Splinter richtet seine Aufmerksamkeit sofort von Shredder auf ihn.

„Casey meint es nicht böse. Er denkt nur langsamer als er handelt. Und sein Weltbild ist tatsächlich etwas starr. Er ist ein erwachsener Mann, aber ihm fehlt einfach noch die nötige Lebenserfahrung.“ Er zögert einen Moment und wirft einen vorsichtigen Blick zu Shredder hinüber. „Nicht jeder von uns führt so ein gutes Leben wie Casey Jones. Er hat gute Absichten und das Herz am rechten Fleck, aber manchmal kommt er selbst mir vor wie der Prinz aus dem Elfenbeinturm, der auszieht, um die Welt zu retten.“

„Keine Sorge, wir tragen ihm nichts nach“, erwidert Victor beruhigend und plötzlich zieht sich ein breites, verschmitztes Grinsen über sein Gesicht. „Wir sind es gewohnt, dass man vor uns davonrennt. Auf die eine oder andere Art.“

Dabei sieht er zu Shredder hinüber und stößt ihm kumpelhaft mit dem Ellbogen in die Seite. Der stupst zurück und lacht herzlich und es dauert nicht lange, da fällt Victor mit seinem rollenden, tiefen Gelächter ein.

Splinter beobachtet das Ganze und kann sich dabei ein feines Lächeln nicht verkneifen.

„Ich gebe zu, ich hatte meine Vorbehalte“, gibt er leise zu, als sich die zwei wieder halbwegs beruhigt haben und hebt sofort besänftigend die Hand, als Shredder protestierend den Mund öffnet. „Ich weiß, es geht mich nichts an, aber ich kann nichts für meine Gefühle. Ich fühle mich immer noch für dich verantwortlich und möchte nicht, daß du unglücklich bist, Saki-kun. Aber je öfter ich euch so zusammensehe, desto überzeugter bin ich davon, daß ihr euch gegenseitig gut tut. Ich weiß, ihr braucht meinen Segen nicht, aber ich wünsche euch, dass ihr sehr, sehr lange miteinander glücklich werdet. Und...“, um seine Mundwinkel zuckt es verräterisch, „... ich spreche bestimmt auch im Namen meiner Söhne, wenn ich sage, daß wir uns schon darauf freuen, wenn wir beim nächsten Mal auf eure geballte Superschurken-Power treffen.“

„Vielleicht lassen wir uns einen Kampfschrei einfallen“, scherzt Victor mit einem Augenzwinkern.

Shredder sagt nichts. Er starrt seinen ehemaligen Sensei nur sehr, sehr nachdenklich an.

„Warum bist du so großmütig, alter Mann?“ will er schließlich leise wissen. „Ich habe versucht, dich und deine Turtles umzubringen. Mehr als einmal. Wie kannst du mir das verzeihen? Wieso hast du...“ er schluckt einmal schwer und stößt dann beinahe widerwillig hervor: „... mir damals geholfen? Du hast zu Rock und Beeps gesagt, sie hätten dich nicht entführen brauchen, du wärst freiwillig mitgekommen, um mir zu helfen. Wenn ich dir etwas bedeute, wie du immer sagst – wieso hast du mich in Japan so behandelt? Wieso hast du mich hintergangen?“

„Ach, Saki-kun...“, wieder seufzt Splinter ganz tief auf. „Sag mir bitte ehrlich: diese Stelle als Dojo-Meister – wieso wolltest du sie unbedingt? Du warst damals schon auf dem besten Weg zum Anführer des Footclans und das in deinem jungen Alter – wieso wolltest du unbedingt noch mein Nachfolger werden? Was war dir an diesem kleinen Dojo so wichtig? Es wurde nach meiner Flucht zu einem Trainingslager für Diebe – war es das, wieso du es unbedingt haben wolltest?“

Er klingt, als würde er die Antwort schon kennen.

„Nein“, erwidert Shredder ungehalten. „Das Dojo und der Titel waren mir da schon völlig egal. Ich wollte es, weil du es mir versprochen hattest, Sensei.“ Die schneidende Bitterkeit in dieser Anrede lässt Splinter regelrecht zusammenzucken. „Du hattest es mir jahrelang versprochen. Wenn ich mich dir beweise, hast du gesagt, wenn ich es mir verdiene, dann wird es eines Tages mir gehören. Und dann willst du es jemanden geben, der nicht halb so viele Turniere gewonnen hat wie ich? Wenn du mir wenigstens einen anständigen Grund dafür genannt hättest...“ Auch nach der langen Zeit ist noch so viel Wut, Kränkung und Enttäuschung in ihm, dass ihm am Ende seines Satzes die Stimme wegbricht.

„Ach, Saki-kun“, wiederholt Splinter betrübt. „Es tut mir leid, ich habe schon lange verstanden, daß ich mich damals dir gegenüber wohl falsch ausgedrückt habe. Laß es mich dir noch einmal erklären: du wolltest weder den Titel noch das Dojo jemals wirklich haben. All deine Anstrengungen hatten nur ein Ziel: du wolltest mir beweisen, dass du etwas wert bist. Und das ist der denkbar schlechteste Grund, um ein Dojo zu leiten. Vor allem“, er macht einen Schritt nach vorne, nimmt Shredders Hand und drückt sie fest, „weil mein Lieblingsschüler mir das doch niemals beweisen musste.“

Für einen Moment starrt Shredder nur auf diese Hand, die seine hält, dann entzieht er sich Splinters Griff. Aber er weicht keinen Schritt zurück und zeigt auch kein Anzeichen von Wut, und Splinter deutet das als ein gutes Omen.

„Du hast mich betrogen“, stellt Shredder stattdessen völlig ruhig klar fest und sein ehemaliger Sensei senkt daraufhin in stiller Demut den Kopf.

„Ja, daß dir das so vorkommen musste, weiß ich jetzt. Ich habe einen Fehler gemacht. Aber“, hier hebt er den Kopf und seine Augen funkeln vergnügt, „ich kann ihn nicht bereuen, denn dann müsste ich auch alles andere bereuen. Meine Turtles, meine Freunde und … diesen Moment hier. Und du darfst das auch nicht bereuen, denn sieh nur, was du erreicht hast: in Bebop, Rocksteady und Krang hast du eine neue Familie gefunden, mit den Fröschen hast du vier ganz wunderbare, loyale Freunde und du hast jetzt Victor an deiner Seite.“

Das ist sein Stichwort! Grinsend legt Victor seinem Ninja einen Arm um die Schultern und zieht ihn zu sich heran. Shredder, froh über diese Ablenkung, lässt sich das nur zu gerne gefallen.

Sie wissen alle, daß Splinter einen Namen bei dieser Aufzählung vergessen hat, aber es gibt Dinge, die sind so offensichtlich, dass man sie nicht aussprechen muß.

Für die Dauer einiger Herzschläge stehen sie sich nur gegenüber, jeder auf seine ganz eigene Art verlegen und ergriffen zugleich, und niemand traut sich wirklich, die Stille zwischen ihnen zu brechen, aus Angst, diesen heiligen Moment zu zerstören.

Das erledigt jemand anderes für sie.

„Huhu, Splinter! Hallo, bist du hier irgendwo?“ Hinter der Biegung des Baches schält sich eine Gestalt aus den länger werdenden Schatten. Dort, sich immer am Ufer haltend, kommt Casey Jones in Sicht. Er stockt kurz, als er sie sieht und kommt dann näher, nur, um in zwanzig Meter Entfernung von ihnen stehenzubleiben. Er hat sie wiedererkannt und scheint unsicher, wie er nun reagieren soll.

Splinter nimmt ihm die Entscheidung ab.

„Ich komme gleich, Casey!“ ruft er zu ihm hinüber und wendet sich dann wieder an die beiden Männer vor sich. „Ich dachte nicht, daß er mir folgen wird. Bitte entschuldigt. Ich nahm an, er wartet auf dem Parkplatz auf mich. Er nimmt mich mit dem Auto mit zurück.“

„Oh, diesmal nimmst du nicht den langen Weg durch die herrliche Natur? Wirst du faul, alter Mann?“ Doch Shredders Sarkasmus will diesmal die richtige Schärfe fehlen. Sein „alter Mann“ klingt beinahe sanft.

„Ich will nur überprüfen, ob sich die Meditationsübungen schon auf Caseys Fahrstil auswirken“, entgegnet Splinter daraufhin scherzend, und dann wird sein Lächeln sehr, sehr herzlich. „Es war schön, euch wiederzusehen.“

Er wendet sich zum Gehen, doch er hat keine fünf Schritte gemacht, da stürzt ihm Shredder hinterher und hält ihm am Ärmel seines roten Gis zurück.

„Splinter, warte. Hör zu, wir haben …“, er holt einmal tief Luft und wagt ein kleines, unsicheres Lächeln, „also, wenn du irgendwann mal...“, er hält kurz inne, wirft einen sichernden Blick zu Casey hinüber und fährt dann im gedämpften Tonfall fort: „...das Rattendasein leid bist, wenn du wieder ein Mensch sein willst ...wir haben eine Waffe, die das bewerkstelligen kann. Ich … du mußt nur fragen, okay?“

Splinter zieht die Luft einmal scharf ein und blinzelt gerührt.

„Danke, Saki-kun.“

Der nickt nur einmal kurz auf sehr japanische Art und Weise und tritt wieder einen Schritt zurück, wo Victor auf ihn wartet, um stolz seine Arme um ihn zu legen.

Gemeinsam sehen sie zu, wie Splinter zu dem wartenden Casey geht und dann weht der Wind ihre Worte zu ihnen hinüber.

„Kennst du die beiden, Splinter?“

„Ja, natürlich, Casey. Das sind Rat King und Shredder.“

Splinter dreht sich noch einmal um, winkt ihnen grüßend mit seinem knüppelartigen Stock zu und zieht dann den sichtlich schockierten Casey mit sich fort.

Das letzte, was sie hören, ist Caseys quietschendes, entgeistertes „What the fuck?“, bevor die beiden sowohl aus ihrer Sicht- wie Hörweite verschwunden sind.

 

 



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Dollface-Quinn
2019-04-26T13:08:20+00:00 26.04.2019 15:08
Das ist wirklich schön gesagt! Die Fehler nicht bereuen, weil sie einen weiter gebracht haben. Dort hin wo man hin gehört. Das ist unheimlich rührend. 😊

Und Casey ist so ein Hohlbrot! Ich glaube, das sagte ich schon. 😂
Antwort von:  MariLuna
26.04.2019 23:04
Ja nun, eine Lebensweisheit von Meister Splinter eben. Und zufällig meine eigene. Trifft auf die meisten, wirklich guten und wichtigen Dinge im Leben ja auch wirklich zu. Also, ist bei mir jedenfalls so... und jepp, Casey ist ein Hohlbrot. Ich mag ihn nicht... in keiner Version ^^
Antwort von:  Dollface-Quinn
26.04.2019 23:08
Gehört auf jeden Fall auch zu meinen Lebensweisheiten.
Antwort von:  MariLuna
26.04.2019 23:34
ja, das macht die Lebenserfahrung mit einem... ^^


Zurück