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Date oder Deal?

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Donnerstag I

Kapitel 35

Donnerstag

 

„Kann ich Ihnen behilflich sein?"

Victor schüttelt den Kopf und scheucht die aufdringliche Verkäuferin mit einer Handbewegung wieder davon. Er verschränkt die Arme vor der Brust und beobachtet weiter seinen Shredder und wie dieser durch die Regale und Auslagen stöbert.

Ehrlich - Shredder als Souvenirjäger? Wer hätte das gedacht?

Er jedenfalls ganz bestimmt nicht.

Dabei wollten sie doch eigentlich nur ins Aquarium. Heute ist der letzte Tag der Quallen-und Tintenfisch-Ausstellung und Victor wollte da schon seit Wochen hin. Aber soweit sind sie noch gar nicht gekommen, weil der dazugehörige Souvenirladen im Weg steht. Da war dieser Plüsch-Tintenfisch, den Shredder unbedingt für seine Mutanten kaufen will. Und für Krang gibt es die Doku-Reihe „Wunder der Meere" und überhaupt gibt es hier so viele tolle Sachen - erst recht, nachdem sie festgestellt haben, dass die Kreditkarte, die Victor in seiner Brieftasche gefunden hat und die auf Rogers Namen läuft, immer noch nicht gesperrt ist. Seitdem befindet sich Shredder in einem regelrechten Kaufrausch und das Allermerkwürdigste: alles, worüber er in Entzückung gerät, gefällt Victor ebenfalls. Was Kitsch und unnütze Dinge betrifft, haben sie eindeutig denselben Geschmack.

Und wäre da diese alles andere als unbedeutende Tatsache mit Rogers Kreditkarte nicht, wäre Shredder über das preiswertere Studententicket hier hereingekommen, aber weil es für sie beide quasi gratis ist, hat er nur wieder seinen Pass gezückt und damit mal wieder eine Ticketverkäuferin in Verlegenheit gebracht.

In Erinnerung daran kann sich Victor ein kleines Grinsen nicht verkneifen. Ihm fällt es ja gar nicht mehr so sehr auf, wie jung Shredder aussieht. Für ihn ist es quasi nur noch abhängig von der jeweiligen Situation. Zum Beispiel, wenn Shredder wieder so schön verlegen errötet, wenn er schläft oder etwas ausheckt. So wie gerade jetzt...

Shredder steht vor ihm, strahlt ihn an und zeigt ihm zwei Sweatshirts samt dazugehörigen Caps. Sie sind weiß, mit dem Aufdruck eines pink- und blauschimmernden Tintenfisches und zum Teufel, irgendwie erinnert er an Krang. Und dann steht da auch noch „Team Tentakel" und ja, klar, natürlich müssen sie das kaufen. Für sich und Bebop und Rocksteady. Und für Krang gibt es ein entsprechendes Plüschkissen, damit er es in seinem Androidenkörper bequemer hat.

Und nicht nur, dass Victor irgendwann selbst nicht mehr widerstehen kann und sich Dinge kauft, die er eigentlich gar nicht braucht - am Ende haben sie soviel, dass sie dafür noch einen großen Rucksack kaufen müssen, um das alles irgendwie verstauen zu können. Die Caps allerdings behalten sie gleich auf.

Als sie dann endlich in die Ausstellung gehen, sehen sie aus wie typische Touristen und es ist ihnen nicht im geringsten peinlich.

 

 

Sie haben etwas Beruhigendes an sich, diese Medusen. Wie sie so majestätisch und elegant durch das Wasser gleiten, das ist schon fast märchenhaft. Vielleicht gilt es als Tierquälerei, sie in diesen Röhren und Säulen zu halten, aber sie machen einen sehr munteren Eindruck.

Sie sind schön.

Victor kann sich nicht helfen - er ist ganz fasziniert davon. Die Tintenfische sind auch cool, aber die scheinen eher Shredders Interesse geweckt zu haben.

Er hockt vor einem anderen in die Wand eingelassenes Bassin. Neben sich den Rucksack und spielt mit einem Tintenfisch. Irgendwie hat er das Tier dazu gebracht, dass es mit einem Tentakel der Bewegung seiner Hand folgt.

Um Shredders Lippen zuckt dabei dieses kleine, gedankenverlorene Lächeln, das Victor so an ihm liebt.

Victor verabschiedet sich im Stillen von den Quallen und schlendert dann zu Shredder hinüber. Doch anstatt sich hinzuhocken wie dieser – seine Knie protestieren schon allein bei diesem Anblick - bleibt er nur neben ihm stehen und legt ihm eine Hand auf die Schulter.

Für die Dauer einiger Herzschläge starren sie nur stumm in das Wasserbecken und der Tintenfisch starrt zurück.

„Es ist schön hier, nicht wahr?" meint Victor schließlich.

Shredder nickt nur und nimmt dankend Victors ausgestreckte Hand an, um sich von ihm in die Höhe ziehen zu lassen.

„Wir hätten nachts kommen sollen“, murmelt er dann leise und fügt, mit einem vielsagenden Blick zu den anderen Besuchern hinzu: „Da wäre es ruhiger und vor allem leerer."

„Können wir ja nachholen." Schmunzelnd packt Victor ihn um die Hüften und drückt ihn an sich. Aber leider nur sehr kurz und möglichst unauffällig, um keine unnötige Aufmerksamkeit zu erregen.

„Nein, danke.“ Für den Bruchteil einer Sekunde berühren Shredders Lippen diese kleine, empfindliche Stelle unter Victors linkem Ohr, doch schon ein Augenblinzeln später hält er wieder den angemessenen Abstand von dreißig Zentimetern ein. „Ich hab Urlaub, da breche ich nicht irgendwo ein."

„Außer in Alfa Romeos", bemerkt Victor trocken.

„Außer in Alfa Romeos", bestätigt Shredder im selben Tonfall.

Eine Bewegung im Bassin lässt sie die Blicke senken. Jetzt klebt der Tintenfisch mit allen saugnapfbeschwerten Fangarmen am Glas. Er starrt sie direkt an und das sieht irgendwie... vorwurfsvoll aus.

„Der mag dich", stellt Victor amüsiert fest.

„Er ist niedlich“, gibt Shredder leise zu, klopft noch ein letztes Mal zum Abschied an das Glas und schultert dann seinen Rucksack.

Für einen kleinen Moment huscht so etwas wie Bedauern über seine Miene, als er sich abwendet, aber wenig später lächelt er schon wieder.

Wie selbstverständlich hakt er sich bei Victor unter und der erstarrt auch nur den Bruchteil einer Sekunde vor Schreck, doch das ist nur das Echo einer uralten Gewohnheit. Derart untergehakt schlendern sie weiter, von Wassertank zu Wassertank und bewundern ausgiebig die bunte, lebendige Welt, die sich ihnen dort offenbart.

„Ich gestehe dir jetzt mal was“, flüstert Shredder ihm plötzlich verschwörerisch zu, als sie vor dem Becken mit den Kompassquallen stehen. Sie haben wirklich eine sehr deutliche, klare Zeichnung. Sie sind wunderschön – und hochgiftig. „Aber sag es niemandem weiter. Ich mag auch Schildkröten. Die Tiere. Die normalen."

Im ersten Moment weiß Victor nicht, wie er gerade jetzt darauf kommt, aber dann fällt sein Blick auf einen der Wegweiser an der Wand. „Schildkröten und Frösche“ steht dort und daneben der entsprechende Pfeil, der die Richtung angibt.

„Wollen wir uns die auch noch ansehen?“

Shredder zuckt nur mit den Schultern und brummt ein „wenn wir schon mal hier sind“. Victor hat auch genug Quallen und Tintenfische gesehen und so lassen sie sich mit der Masse treiben und folgen dem Pfeil.

Die Abteilung „Frösche" steht denen der Meeresbewohner in Licht- und Farbeffekten in nichts nach und all die bunten Geschöpfe sind in ihrem kleinen, in sich geschlossenem Biotop gut in Szene gesetzt. Vor dem Terrarium mit den Sumpffröschen bleibt Shredder besonders lange stehen. In seine Miene schleicht sich ein wehmütiger Ausdruck und sein Blick wird ganz abwesend. Victor beobachtet das eine Weile und stupst ihn dann sachte an.

„Woran denkst du?"

Blinzelnd schreckt Shredder auf.

„Die Froggies. Meine Froggies." Er schenkt Victor ein schiefes Lächeln. Er zögert kurz, entschließt sich dann aber, dass Victor es verdient hat, alles zu erfahren. Auch die peinlichen Einzelheiten.

„Als ich zu einem Kleinkind schrumpfte, bin ich weggelaufen und hab mich prompt in den Everglades verirrt", erzählt er ihm, noch immer mit diesem schiefen Lächeln, während er seine Fingerspitzen gegen das Glas presst. Es ist verboten, an die Glasscheiben der Terrarien zu fassen, aber das war es bei den Tintenfischen auch und genau wie dort schert er sich nicht um so etwas. Den Bewohnern, den Fröschen, ist es ebenfalls egal.

„Rocksteady und Bebop haben mich gesucht und die Froggies auch. Ich war da ganz allein in den Sümpfen und hatte eine Scheißangst. Rasputin, einer der Frösche, hat mich gefunden und zurückgebracht. Ich war noch nie so froh, ihn zu sehen. Oder Rock und Beeps. Und ... Krang."

Das ist einer dieser Momente, in denen Victor ihn gerne in seine Arme nehmen würde, aber hier und jetzt muss er sich damit begnügen, ihm einen Arm um die Schultern zu legen.

„Wieso bist du weggelaufen?" will er leise wissen. Er ahnt die Antwort, aber er will ... er muss sie hören.

Wieder spielt da dieses schiefe Lächeln um Shredders Lippen, als er kleinlaut mit den Schultern zuckt.

„Ich war überzeugt davon, dass Krang mich so schnell wie möglich loswerden will, und dem wollte ich zuvorkommen."

„Wieso sollte Krang dich loswerden wollen?"

„Weil ich ein kleines, unnützes Gör war?" kommt es unnötig schroff zurück.

Victor rollt nur mit den Augen und schüttelt dann den Kopf.

„Da hattest du aber eine sehr schlechte Meinung von deinen Freunden."

Zu seiner großen Erleichterung stimmt Shredder ihm da zu. Er klingt sogar angemessen zerknirscht.

„Ja. Und das war dumm von mir."

Victor drückt ihn einmal kurz an sich und mustert ihn dann nachdenklich.

„Hätte es einen deiner Freunde getroffen - Bebop, Rocksteady oder Krang, dann hättest du dich doch auch nicht von ihnen abgewandt, oder?"

„Hör auf, ja?" peinlich berührt und mit rötlich verfärbten Wangen windet sich Shredder unter seinem Arm hervor und tritt einen Schritt beiseite. „Natürlich hätte ich das nicht, aber woher sollte ich wissen, dass sie auch so denken? Am Ende haben mir alle geholfen, sogar Splinter. Ich habe meine Lektion gelernt. Ich habe kapiert, dass unsere Werte unterm Strich gar nicht so verschieden sind."

„Und dass sie dich mögen", fasst Victor das Wesentliche unbarmherzig zusammen. „Wenn", raunt er ihm dann mit seidenweicher Stimme ins Ohr, „sie dich auch bestimmt nicht so sehr lieben wie ich."

Shredder erschauert unwillkürlich. Ob das an seinen Worten liegt oder seinem Atem, der über Shredders empfindliches Ohr geistert, weiß Victor nicht genau, aber es ist ihm auch egal.

„Auf mich kannst du dich auch verlassen, Oroku Saki. Ich hoffe, das weißt du? Und vergiss es ja nicht."

„Victor..." Shredder wird hochrot und vergräbt das Gesicht in seiner rechten Hand.

Uh, das ist schon so lange nicht mehr passiert, Victor hat fast vergessen, wie rührend das aussieht. Für einen kurzen Augenblick denkt er daran, ihn Richtung Waschräume zu zerren und ihn dort in einer Kabine zu vernaschen, aber dann verwirft er diese Idee wieder und begnügt sich damit, ihn einfach nur in eine bärenstarke, herzliche Umarmung zu ziehen.

 

 

Als sie später dem Ausgang zustreben, sind zwei Stunden vergangen. Es kam ihnen weitaus kürzer vor. Es ist wirklich immer wieder erstaunlich, wie tief sie in eine fremde Welt abtauchen können, so lange sie nur zusammen sind. Victor liebt solche Ausstellungen, aber ohne Shredder wäre ihm schnell langweilig geworden.

Am Ausgang kaufen sie sich noch ein paar schöne Postkarten – Victor, weil man da drin nicht fotografieren durfte, er aber ein paar Andenken haben möchte und Shredder aus fast denselben Gründen. Er will Krang, Bebop und Rocksteady damit überraschen. Und dann kauft er noch eine für seinen Bruder. Und für seine Mutter. Für die Frösche und, nach kurzem Zögern, auch für Splinter.

Dafür schämt er sich fast, und beinahe hätte er sie wieder zurückgelegt, doch Victor schenkt ihm nur ein aufmunterndes Lächeln und winkt dann mit einer identischen Karte.

„Und ich schick eine an meine Kollegen“, grinst er und zwinkert ihm dabei spitzbübisch zu.

Er kann förmlich zusehen, wie daraufhin alle Zweifel von Shredder abfallen.

Victor sieht ihm zu, wie er an die Kasse tritt und die Ansichtskarten bezahlt und fühlt, wie dabei ein Gefühl der Wärme von ihm Besitz ergreift. Tief in seinem Magen tanzen wieder Schmetterlinge. Unwillkürlich fährt er sich mit der rechten Hand hoch zur Brust, kann jedoch glücklicherweise den ergriffenen Seufzer, der ihm auf den Lippen liegt, gerade noch rechtzeitig zurückdrängen.

Das höfliche Lächeln, das Shredder mit der Verkäuferin tauscht, erinnert ihn fatal an dieses Lächeln, mit dem er ihm sagte, dass er mit ihrem Deal einverstanden wäre. Höflich, nichtssagend, aber mit so viel Potential, dass es Victors Jagdinstinkt weckte.

Mit einem gewissen Gefühl des Besitzerstolzes lässt Victor seine Blicke über die Gestalt dieses Mannes wandern, den er kennen und schätzen und vor allem lieben gelernt hat, und tief in ihm wächst ein Entschluss heran. Noch ist er zu vage, um ihn in Worte zu kleiden. Noch ist die Zeit nicht gekommen. Aber wenn es soweit ist, wird es kein Zurück mehr geben.

Er ist so tief in Gedanken versunken, dass er regelrecht aufschreckt, als Shredder wieder vor ihm steht und kaschiert es damit, dass er sich sofort lächelnd bei ihm unterhakt.

„War da nicht ein kleines Café? Was hältst du von einer heißen Schokolade?“

 

 



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Dollface-Quinn
2019-04-25T22:01:46+00:00 26.04.2019 00:01
Diese Sweatshirts! Noch eindeutiger kann man sich nicht "Gay" auf die Stirn schreiben. X'D
Antwort von:  MariLuna
26.04.2019 22:59
Ha? Wieso? Quallen sind pink-violett ... echt, immer diese Vorurteile.. da kann ich mir ja mal auf die Brust klopfen, denn bei pink-violetter Qualle auf weißem Grund inkl. lustigem Spruch würde ich nicht sofort auf gay - tippen. Das tue ich meist eher vom Schnitt der Kleidung und der Kombi her... XD


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