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Date oder Deal?

von

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Freitag I

Kapitel 20

Freitag

 

Er erwacht, weil irgendetwas an seinen Haaren zupft. Nur sehr unwillig löst er sich aus den letzten Resten eines tiefen, traumlosen Schlafes. Aber die Welt, in die er zurückkommt, ist auch nicht schlecht: sie ist kuschelig und warm. Wieder ist da etwas an seinem Hinterkopf, und als er es instinktiv wegwischen will, berührt er etwas Weiches.

Huh.

Fell?

Vorsichtig, um Victor nicht aufzuwecken, rückt er etwas von dessen Rücken ab und stemmt sich in die Höhe.

„Victor?" vorsichtig rüttelt er den neben ihm Liegenden an der Schulter. „Victor!"

„Hm?" grunzt dieser unwillig und dreht sich noch unwilliger von der Seite auf den Rücken, um ihn unter zerzausten, rotblonden Haaren verschlafen anzublinzeln. Er ist müde und es war gerade alles so gemütlich!

„Entschuldige Victor, aber da sind Ratten auf meinem Kopfkissen. Ist das normal oder gibt es Probleme in deiner Kolonie?"

Noch nicht ganz wach, starrt Victor auf die vier Ratten, die es sich auf dem Kopfkissen bequem gemacht haben. Zwei andere sitzen auf dem Nachttisch und drei weitere hocken auf dem Betthaupt. Sie tun nichts. Sie sitzen nur da und beobachten sie.

Victor stemmt sich in eine sitzende Position und kratzt sich verlegen im Nacken.

„Oh. Nein. Das ist meine Schuld." Er lächelt zerknirscht. „Ich war zu lange nicht mehr unten. So benehmen sie sich immer, wenn ich vergessen habe, die Kolonie zu besuchen. Sie machen sich dann Sorgen und schicken eine Delegation hoch, um nach dem Rechten zu sehen."

Shredder gibt ein undefinierbares Brummen von sich und beäugt die Tierchen kritisch.

„Deine Lieblingsratte scheint nicht darunter zu sein", meint er schließlich nachdenklich. „Wie heißt sie doch gleich? Dora?"

Beeindruckt starrt Victor ihn an. Erstens fällt es den meisten schwer, Ratten voneinander zu unterscheiden und zweitens hat er Doras Namen bisher doch erst einmal erwähnt, oder?

„Du hast dir ihren Namen gemerkt?"

Shredder starrt zurück, zuckt mit den Schultern und gibt ein gedehntes „jaaa?" von sich. Mit einem großen Fragezeichen, als verstünde er nicht, was daran so besonders wäre. Dafür könnte Victor ihn küssen! Aber er unterlässt es. Vorerst.

„Dora mag die Oberwelt nicht. Sie zieht es vor, in der Kanalisation zu bleiben."

Shredder gibt nur wieder dieses unbestimmte „hm" von sich. Sein Blick ruht auf den Ratten, aber er macht keine Anstalten, sie zu verscheuchen. In seiner Miene spiegelt sich nur mildes Interesse.

„Stören sie dich?" fragt Victor ihn leise.

„Sie besetzen mein Kopfkissen", kommt es nur vorwurfsvoll zurück.

Victor ist angenehm überrascht. Die meisten Menschen ekeln sich vor Ratten und die wenigsten wollen sie in ihrem Bett wissen. Shredder dagegen sieht eher aus, als wüßte er nicht, ob er sich wieder hinlegen soll, weil er Angst hat, die Tiere zu zerquetschen.

Mit einem breiten Grinsen packt Victor ihn am Unterarm, zieht ihn zu sich und drückt ihn auf seine Bettseite, während er sich gleichzeitig mit einer einzigen fließenden Bewegung über ihn kniet. Zuerst gibt Shredder einen protestierenden Laut von sich, doch dann zuckt dieses kleine, herausfordernde Lächeln um seine Lippen.

„Was hast du vor, Victor?"

Als ob er sich das nicht denken könnte!

Grinsend presst er Shredders Hände links und rechts neben seinem Kopf ins Kissen und beugt sich so tief zu ihm hinab, bis sich ihre Nasenspitzen fast berühren.

„Ich hoffe, es stört dich nicht, wenn die Abgesandten meines Volkes uns dabei zusehen?" Seine Stimme ist ein tiefes, dunkles Grollen.

Shredder erschauert unwillkürlich und dann zischt er leise auf, als Victor sich mit seinem gesamten Körpergewicht auf ihn sinken lässt - so schwer und geradezu unverschämt präsent. Und dann rollt Victor nur einmal mit den Hüften und aus dem Zischen wird ein wolllüstiges Seufzen.

Victor grinst nur in sich hinein.

Oh ja, so gefällt er ihm.

So will er ihn haben.

Genau so.

 

 

Fertig.

Total am Ende.

Nicht mehr als ein zitternder, nach Luft schnappender Haufen Mensch.

Vielleicht ist an ihm doch ein Sadist verloren gegangen.

Genüßlich streichelt Victor über diese breite, schweißnasse Brust, die sich in heftigen Atemzügen senkt und hebt. Einem Impuls folgend senkt Victor seinen Kopf und leckt und küsst sich über diese schöne goldbraune Haut. Tief in seinem Rachen kann er ihn immer noch schmecken und das Salz seiner Haut ist ein anregender Kontrast dazu.

„Vic..." schwach zupft Shredder an Victors Haaren und der zieht ihn als Antwort darauf nur fest in seine Arme. Es dauert lange, sehr lange, bis sich Shredders Atem wieder etwas normalisiert hat und fast genauso lange, bis er zu zittern aufhört. Fast bekommt Victor ein schlechtes Gewissen. Vielleicht war es wirklich etwas viel: erst der Blow Job und dann einmal langsam und genüsslich in die Matratze vögeln ... Aber immerhin war es diesmal nur halb so klebrig und schmutzig wie sonst.

„Alles in Ordnung?" will Victor schließlich besorgt wissen und als Shredder daraufhin stumm nickt, beugt sich Victor zu einem sanften Kuss zu ihm hinab. Shredder entgegnet den Kuss träge und lässt sich noch träger gegen ihn sinken.

„Deine Entourage ist immer noch da", bemerkt er dann nach einer Weile. Schmunzelnd schiebt Victor mit dem Fuß einen allzu frechen Nager beiseite.

„Ich werde heute mal wieder zu ihnen runter müssen", meint er nachdenklich und auch ein wenig schuldbewusst.

„Aber nicht jetzt gleich", protestiert Shredder. „Können wir bitte damit warten, bis ich mich nicht mehr wie Gelatine fühle?"

Er hat schon wieder „wir" gesagt! Und er will ihn freiwillig begleiten! Dafür belohnt Victor ihn mit einer extra festen Umarmung und einem besonders zärtlichen Kuss.

 

 

Ein Nickerchen, eine Dusche und ein kleines Frühstück später stellt Rat King fest, dass er faul geworden ist. Es ist schon fast zwölf Uhr, als sie sich endlich dazu bereit machen, hinunter in die verlassene Subway-Station zu gehen. Die kleine Rattendelegation nimmt es gelassen und drängelt nicht. Wieso auch nicht? Sie wissen, dass es ihrem König gut geht, haben dies ihren Verwandten in der Kanalisation mitgeteilt und nun können sie auch abwarten, bis Ihre Hoheit ihren Hintern zu ihnen nach unten bewegt, um mal Präsenz zu zeigen. Rat King kennt die Denkweise seines Volkes und nicht einmal, als er mit seinem Ex zusammen war, fiel es ihm schwer, alle zwei oder drei Tage hinunter in die Kolonie zu steigen, diese Pflicht hat ihn niemals gestört, aber jetzt ist er unheimlich froh, dass Shredder ihn von sich aus begleiten will. Es ist peinlich, aber Rat King will keine Sekunde von ihm getrennt sein. Und er hofft, dass es Shredder genauso geht.

„Du bist ein richtiger Verwandlungskünstler", stellt Shredder bewundernd fest, als er darauf wartet, dass sich Victor Falco auch äußerlich wieder in den Rattenkönig verwandelt. „Bankier, Rat King und ganz normaler Typ von nebenan - ich staune immer wieder."

Verlegen lächelnd tastet Rat King noch einmal prüfend über seine Gesichtsbandagen.

„Du musst grad reden", gibt Rat King den Ball zurück, während er seinen Blick anerkennend über den Mann neben sich wandern lässt. „Du bist hier der Ninja."

Der vergräbt nur die Hände in den Taschen der alten Collegejacke, die ihm Rat King geliehen hat und zuckt mit den Schultern. Unter dieser Jacke trägt er sein graues Kampfshirt, dazu die schwarze Hose und seine Kampfstiefel. In der Kanalisation ist es schmutzig und es stinkt und abgesehen von seiner Kampfausrüstung hat er nur gute Klamotten dabei, die man nicht mit dem Odeur der Kanalisation ruinieren sollte. Also hat ihm Rat King seine ausrangierte Collegejacke geliehen und er muss sagen: sie steht ihm wirklich gut. Es liegt bestimmt nicht nur am College-Look, dass Shredder aussieht wie ein Student. Im ersten Semester.

„Ich werfe mir nur eine Rüstung über", meint Shredder. „Das ist nicht mal 'ne Verkleidung. Du dagegen veränderst dich tatsächlich."

Unwillkürlich muss Rat King an ein anderes Gespräch denken, das sie vor drei Tagen im Zug geführt haben.

„Ich fürchte, meine Persönlichkeit ändert sich auch jedes Mal", seufzt Rat King und starrt betrübt in den Wandspiegel vor sich.

„Nein", widerspricht ihm Shredder. „Du bist immer Victor Falco. Nur nach außen erweckst du ein anderes Bild, und das gelingt dir mit einem minimalen Aufwand. Du wärst beim Theater oder Film viel besser aufgehoben. Hast du mal daran gedacht, nach Hollywood zu gehen?"

„Nein", grinst Rat King geschmeichelt, „denn dann müsste ich Rollen spielen, die ich nicht mag. Den selbstlosen Helden zum Beispiel."

Bei dieser Vorstellung müssen sie beide lachen. In heiterer und ausgelassener Stimmung verlassen sie Rat Kings Souterrainwohnung durch das Loch in der Wand, begleitet von neun munteren Ratten.

 

 

Dora begrüßt ihn an der Spitze Hunderter Ratten, kaum dass er die Grenze zu ihrem Territorium betreten hat. Und dann macht sie etwas ganz Erstaunliches: zuerst klettert sie wie gewohnt an ihrem König hinauf auf seine Schulter, wo sie einmal kurz begrüßend an seinem Hals schnuppert, aber dann wendet sie sich ab und springt mit einem großen Satz direkt auf Shredder. Sie landet in seinem Haar, hangelt sich daran herunter, und als Shredder instinktiv die Hand hebt, um sie notfalls aufzufangen, klettert sie in seine Handfläche, wo sie kurz an seinen Fingern leckt, bevor sie blitzschnell wieder an seiner Kleidung hinab zu den anderen Ratten klettert.

„Sie hat dich adoptiert", übersetzt Rat King erfreut und stolz zugleich.

„Ich rieche wohl nach dir", versucht Shredder abzuwiegeln.

„Beleidige nicht die Intelligenz meines Volkes", widerspricht ihm Rat King grinsend. „Sie können uns sehr wohl auseinander halten. Dora mag dich. Hm-", setzt er dann mit einem verschmitzten Seitenblick hinzu, „wenn ich sie richtig deute, ist sie sehr zufrieden mit meiner Partnerwahl."

Shredder stutzt kurz und lacht dann leise. „Das freut mich. Ich weiß doch, wie wichtig dir die Meinung deiner Untertanen ist. Und Dora ist doch immerhin so etwas ähnliches wie deine Statthalterin, oder?"

Rat King nickt nur und versucht, ihn nicht allzu verblüfft anzustarren. Ehrlich, Shredder ist so ... Wow.

 

 

Später, als sie zusammen auf seinem Thron sitzen - Shredder quer auf seinem Schoss, teils gegen ihn, teils gegen die Armstütze gelehnt - und sich vor ihnen die Masse seines Volkes versammelt, um ihnen kleine Geschenke in Form von Futterresten zu überreichen, stellt Rat King fest, dass Shredder tatsächlich der erste und einzige ist, der ihn und seine Ratten wirklich ernst nimmt.

„Wieso nicht?" erwidert Shredder auf Rat Kings Nachfrage. „Deine Ratten wissen schon, was sie an dir haben." Er zögert und fügt dann mit einem bühnenreifen, absolut übertriebenen Augenaufschlag und viel zu süßen Stimme hinzu: „Genau wie ich, Majestät."

Seine Hand auf Rat Kings Brust macht Anstalten, nicht nur unter den Mantel, sondern gleich unters Shirt zu krabbeln. Rat King fängt sie schnell ab und verschlingt lächelnd ihre Finger miteinander. Ihm gefällt Shredders Gewicht auf seinem Schoß, seine Nähe, seine Wärme und ja, er streichelt sich gerne über Shredders Oberschenkel und Knie, aber wenn Shredder auch noch damit anfängt, befürchtet er, dass aus der leichten Anspannung in seinem Unterleib schnell etwas anderes werden kann - aber nein, nicht hier. Nicht an diesem Ort. Andererseits kann er aber auch nicht gehen, bevor ihm nicht alle Ratten ihre Aufwartung gemacht haben. Da es ihm aber naturgemäß schwer fällt, Shredders verlockenden Lippen zu widerstehen, stiehlt er sich bald den einen oder anderen Kuss.

Es ist gemütlich.

Und auch Shredder scheint das so zu empfinden, weil er sich immer enger an ihn schmiegt.

Vor ihnen wächst der Haufen von „Geschenken" zu einem ansehnlichen Berg heran.

„Sie sind sehr eifrig", flüstert Shredder irgendwann in Rat Kings Ohr und leckt neckisch über seine Ohrmuschel. „Was machst du mit dem ganzen Zeug? Du isst das doch nicht wirklich, oder?"

Rat King erschauert kurz unter dieser feuchten Liebkosung und wispert dann ebenso leise zurück: „Ich mache dasselbe, was ein Katzenbesitzer macht, wenn ihm Mieze einen Vogel bringt."

Also: das Tier wird gelobt und das „Geschenk" klammheimlich entsorgt. Shredder nickt ernst, schlingt Rat King einen Arm um den Nacken und rückt sich etwas bequemer auf ihm zurecht. Das ist viel zu viel Reibung an einer besonders empfindlichen Stelle, aber Rat King hält sich tapfer mit jeder Lautäußerung zurück. Auch wenn ihm Shredders dunkelglühender Blick verrät, dass er das absichtlich gemacht hat.

Eine Zeitlang sehen sie nur weiterhin zu, wie Ratte um Ratte ein kleines Geschenk ablegt und sich dann fröhlich wieder zu den anderen gesellt.

„Sag mal..." wieder ein Flüstern, dicht an Rat Kings Ohr, „glaubst du wirklich an das, was du immer sagst? Dass den Ratten die Welt gehört?"

„Glaubst du daran, dass du die Welt erobern kannst?"

Sekundenlang herrscht Stille, nur unterbrochen vom Kratzen kleiner Rattenfüßchen auf Stein.

Krang glaubt daran", erwidert Shredder schließlich leise.

„Und meine Ratten glauben an meine Worte." Rat King zögert und fügt dann weiterhin im Flüsterton hinzu: „Sie brauchen ein Ziel, um sich weiter zu entwickeln. Ratten haben eine kurze Lebensspanne, es muß mehr für sie geben als Fressen und Sex. Dafür sind sie viel zu intelligent."

Shredder nickt langsam, den Blick dabei unablässig auf die Masse kleiner, pelziger Körper vor ihnen gerichtet.

„Krang ist manchmal mehr Wissenschaftler als Kriegsherr", beginnt er dann, den Kopf bequem an Rat Kings Schulter gelehnt. „Dieser Planet fasziniert ihn. Wäre das Technodrome funktionstüchtig, hätte die Menschheit keine Chance gegen ihn. So aber versuchen wir uns nur irgendwie über Wasser zu halten." Er zögert einen Moment und fährt dann leise, beinahe verschämt fort: „Welteroberung? Zur Zeit denke ich gar nicht mehr so weit. Jetzt zählt einfach nur, dass die Lebenserhaltung wieder funktioniert. Oh, da fällt mir ein..." Hastig kramt er seinen Kommunikator hervor und hält ihn mit ausgestrecktem Arm von sich, das Auge der eingebauten Kamera auf sie beide gerichtet. „Sag cheeeeese."

Rat King kann nicht widerstehen. Kurz bevor Shredder den Auslöser betätigt, dreht Rat King den Kopf und drückt seinem Ninja einen Kuss auf die Wange. Dafür kassiert er von Shredder zwar einen ungnädigen Stoß zwischen die Rippen, aber dann wird es doch genau so ins Technodrome gesendet.

 

 

„Das ist verrückt", meint Shredder, als Rat King das alte Grammophon einschaltet.

Du bist verrückt", präzisiert er, sobald die ersten Töne durch die Luft wehen.

Rat King deutet nur grinsend eine Verbeugung an und hält ihm auffordernd die Hand entgegen.

„Total verrückt", bestätigt Shredder, als er die ausgestreckte Hand ergreift.

„Jemand wie du wird doch wohl noch einen flotten Walzer aufs Parkett legen können, oder?" neckt ihn Rat King. In seinen stahlblauen Augen blitzt es übermütig.

Shredder zögert plötzlich und lässt seine Blicke nervös über den dunklen, verlassenen Bahnsteig wandern. Hinter ihnen, aus dem, was mal ein Kiosk war, dringen die beschwingten Töne eines bekannten Walzers, untermalt von gelegentlichem Kratzen und Rauschen wie es für eine alte Schellackplatte üblich ist.

„Niemand sieht uns hier", beruhigt ihn Rat King. Zwei Männer wie sie, die zusammen Walzer tanzen? Er versteht, dass sich Shredder erst an diesen Gedanken gewöhnen muss.

„Dein Rattenvolk sieht uns zu", wendet Shredder ein und deutet mit einem Kopfnicken nach links. Dort, auf der stillgelegten Rolltreppe, hat sich eine neugierige Gruppe von Ratten versammelt.

„Die petzen und tratschen nicht", verspricht ihm Rat King. „Komm schon. Du kannst doch tanzen, oder? Wenn nicht, macht das nichts, ich führe."

„Ich kann tanzen." Entschlossen funkelt Shredder ihn an und fasst ihn fest an der Hüfte. „Gehörte zur Ninja-Ausbildung." Er zögert und fügt dann widerstrebend hinzu: „So lange es beim Walzer bleibt. Mit dem Tango stehe ich auf Kriegsfuß und dieses neumodische Herumgezappel erinnert mich nur an einen Veitstanz."

Es gibt einen kurzen Moment, wo sie sich darüber uneinig sind, wer die Führung übernimmt, aber das endet schnell, weil Rat King nicht darauf besteht. Er lässt sich gerne von Shredder über die „Tanzfläche" führen.

 

 

Rat King liebt es, zu tanzen. Nur ist es schon eine Ewigkeit her, dass er die Gelegenheit dazu hatte. Sein Ex war ein furchtbarer Tänzer. Shredder dagegen - präzise Tanzschritte, geschmeidige Bewegungen ... Vielleicht etwas ernst. Er sollte mehr lächeln.

„Saki... Sag, abgesehen von ein paar Ratten, die uns dabei zusehen, ist es dir unangenehm, mit einem Mann zu tanzen?"

Shredder denkt kurz darüber nach, während er sie in eine kleine Drehung entführt und schüttelt dann den Kopf.

„Es ist mir nicht unangenehm. Es ... gehört sich nur einfach nicht. Einerseits. Und andererseits ... Ich bin nicht sehr gut im Tanzen und bei Dingen, die ich nicht gut kann, werde ich nicht gerne beobachtet. Auch nicht von Ratten. Aber das hat alles nichts mit dir zu tun. Ich tanze sehr gerne mit dir. Vielleicht", fügt er nachdenklich hinzu, „nicht gerne mit anderen Männern, aber gerne mit dir."

Rat King spürt, wie sich ein breites Grinsen auf seinen Zügen ausbreitet. Oh Mann, er liebt diese erfrischend ehrliche, offene Seite an ihm!

„Sei nicht so bescheiden. Du bist ein exzellenter Tänzer."

Daraufhin schleicht sich ein entzückendes Rot auf Shredders Wangen. Und bei diesem Anblick kann sich Rat King nicht mehr beherrschen. Begeistert zieht er Shredder an sich heran und küsst ihn.

 

 

Die Platte dreht sich immer noch und die stimmungsvollen Klänge wehen weiterhin durch die Station, aber sie haben schon längst aufgehört, sich dazu zu bewegen. Engumschlungen stehen sie da, in einen zärtlichen Kuss vertieft. Rat King schwebt auf Wolke Sieben. Und nur deshalb erreicht ihn die Warnung seines Rattenvolkes nicht. Aber dann ist es auch schon zu spät. Aus den dunklen Tiefen des stillgelegten Tunnels schält sich eine anderthalb Meter große, pelzige Gestalt.

„Oh", macht Splinter leise und bleibt überrascht stehen, als er die beiden Männer auf dem Bahnsteig sieht.

 

 

Es ist das mentale Äquivalent zu einem beleidigten „das hast du jetzt davon“, gefolgt von einem schadenfrohen Zwicken in die Wade (selbst durch die Jeans hindurch sehr schmerzhaft), das Rat King aus seiner rosaroten Blase holt.

Instinktiv schielt er zuerst nach unten, zu dem kleinen Übeltäter – niemand geringeres als Dora – doch dann wird er sich endlich der anderen Präsenz eines rattenscharfen Verstandes gewahr. Eine Ratte, mehr als eine Ratte, die er sehr gut kennt.

Er dreht den Kopf und zur selben Zeit dreht auch Shredder seinen Kopf.

„Splinter!“ hört er ihn überrascht keuchen und er spürt, wie sich Shredders Finger für einen Moment fester in seinen Mantelkragen krallen.

Und dann fangen sie alle an, gleichzeitig zu reden.

„Was machst du hier?“ will Rat King ungnädig wissen.

„Das ist ein Zufall, ehrlich!“ erklärt Splinter im selben Moment. „Ich war nur spazieren! Ich war ganz in Gedanken und hatte kein Ziel und schon gar nicht diese Richtung! Aber irgendwie bin ich wohl hier gelandet. Es tut mir leid.“

„Wieso haben dich deine Ratten nicht gewarnt?“ will Shredder bei Splinters „hatte kein Ziel“ vorwurfsvoll von Rat King wissen.

„Es tut mir leid, wirklich!“ kommt Splinters Stimme aus dem Hintergrund, aber weder Rat King noch Shredder achten auf ihn.

„Sie haben mich gewarnt“, erklärt Rat King seinem verlegenen und zugleich erbosten Ninja. Die Hand, die eben noch Shredders Frisur zerzaust hatte, liegt jetzt auf dessen linker Schulter, dicht genug am Hals, um mit den Fingerspitzen besänftigend darüber streicheln zu können.

„Ich war nur gerade mit etwas anderem beschäftigt.“

Daraufhin errötet Shredder leicht und verbeißt sich die Schimpftirade, die ihm schon auf der Zunge lag. Er ist nicht wütend. Und schon gar nicht auf Victor. Wenn, dann sollte er es auf sich selbst sein, aber auch das gelingt ihm nicht. Dazu ist die Verlegenheit, ausgerechnet von Splinter in flagranti erwischt worden sein, zu groß.

„Es tut mir wirklich sehr, sehr leid.“ Endlich dringt Splinters ernst gemeinte Entschuldigung zu ihnen durch. Tatsächlich bietet die große Ratte das Sinnbild des zerknirschten Sünders mit hängenden Schultern, gesenktem Kopf und unsicher vor sich gefalteten Händen. Und dann, als er die Aufmerksamkeit der beiden jungen Männer auf sich gerichtet sieht, entschuldigt er sich zusätzlich mit einer tiefen, typisch japanischen Verbeugung vor ihnen.

Shredder starrt ihn erst überrascht und dann so offensichtlich ratlos an, dass Rat King sich gezwungen sieht, dem Drama ein Ende zu bereiten, bevor es wirklich eines wird.

„Wo du schon mal hier bist: kann ich dir etwas anbieten? Ich habe bestimmt irgendwo noch ein paar Kekse. Aber an Getränken habe ich leider nur Bier und Mineralwasser da...“

Splinter zögert deutlich.

„Das ist ein nettes Angebot...“ Er spricht das „aber“ nicht aus, doch es hängt sehr deutlich in der Luft und seine Blicke wandern unsicher zwischen Shredder und Rat King hin und her.

Shredders Miene verdüstert sich. „Kann ich dich mal kurz sprechen?“ Er packt Rat King am Arm und zieht ihn ein paar Meter weiter weg aus Splinters Hörweite. „Du lädst ihn doch jetzt nicht ernsthaft zum Kaffeeklatsch ein?“ zischt er aufgebracht.

Rat King bewundert das Funkeln in diesen schönen Mandelaugen und hat wirklich Mühe, beim Thema zu bleiben. Seine rechte Hand ist da weniger streng – beinahe ohne sein eigenes Zutun streicht sie Shredder eine Haarsträhne zurück hinters Ohr und bleibt dann sanft an seiner Wange liegen.

„Nicht, wenn du es nicht willst, Cutie.“ Rat King schenkt ihm ein besänftigendes Lächeln. „Aber vielleicht solltet ihr doch mal darüber reden.“ Er denkt kurz an Splinters mentale Frage vor ein paar Tagen im Wald zurück und setzt daher leise hinzu: „Dein Wohl ist ihm immer noch wichtig.“

Shredder gibt ein kleines Schnauben von sich und dreht unbehaglich den Kopf beiseite. Doch sein Blick huscht dabei zu Splinter hinüber, der immer noch da unten auf den verrosteten Gleisen steht und sie still beobachtet. Als sich ihre Blicke kurz begegnen, macht Splinter etwas total untypisches: er weicht ihm aus und tut so, als würde er sich für die Ratten interessieren, die ihn neugierig von der Bahnsteigkante aus beschnuppern.

„Er war lange Zeit dein Sensei“, beginnt Rat King vorsichtig, ergreift seine Hände und drückt sie. „Du warst sein bester Schüler, sogar sein Lieblingsschüler. Das verbindet euch, ob dir das gefällt oder nicht. Und ich glaube nicht, dass er wirklich nur zufällig hierher gekommen ist. Es war ihm vielleicht nicht bewusst, aber etwas in ihm hat ihn hierher geführt. Zu dir. Weil ihm unser Deal zu schaffen macht. Er muss sich davon überzeugen, dass es dir gut geht. Genauso, wie du dich immer davon überzeugen musst, dass es deiner Familie im Technodrome gut geht.“

Shredders genervtes Schnaufen verrät ihm, dass Shredder das alles weiß, aber nicht gerne zugibt.

„Es schert ihn nicht, wenn seine blöden Turtles unser Technodrome in einen Haufen Schrott verwandeln, aber in mein Liebesleben will er seine neugierige Nase stecken?“

„Dann sag ihm das.“

Shredder zögert einen Moment, doch dann strafft er die Schultern, schüttelt Rat Kings Hände ab und geht entschlossenen Schrittes zu dem geduldig wartenden Splinter hinüber. Kurz bevor er ihn erreicht, springt er zu ihm hinunter auf die Bahngleise, damit sie wenigstens ansatzweise auf gleicher Höhe sind.

Rat King folgt ihm etwas langsamer und hört ihnen neugierig zu. Ohne jede Scham. Wieso auch nicht? Wenn Shredder nicht wollte, dass er jedes Wort versteht, würde er japanisch reden, nicht wahr?

„Wenn es darum geht, uns aufzuhalten, ist dir jedes Mittel recht und es ist dir scheißegal, wieviel von meinem Zuhause dabei zu Bruch geht. Aber meine Beziehung mit Victor beunruhigt dich so sehr, dass dich dein sechster Sinn hierher führt? Was stimmt nicht mit dir, alter Mann?“

Splinter ist zu klug und selbstreflektierend, um weiter auf einem „Zufall“ zu beharren. Und alles andere kann er auch nicht abstreiten, also seufzt er einmal tief.

„Ich gebe zu, ich habe nie darüber nachgedacht, welche Folgen unsere Kämpfe für dich haben können, außer dem Offensichtlichen. Ich versichere dir, meine Turtles waren darüber genauso entsetzt wie ich und sie werden in Zukunft etwas vorsichtiger sein. Und was dich und Victor betrifft...“ Splinter holt einmal tief Luft, sieht kurz zu Rat King und richtet seine Aufmerksamkeit dann wieder auf Shredder vor sich. „Ich weiß, dass es mich nichts angeht, Shredder, aber du musst doch selbst zugeben, dass dieser Deal eine beunruhigende Ausgangslage für dieses Etwas ist, was du eine Beziehung nennst.“

„Du bist nicht meine Mutter!“

„Stimmt“, kontert Splinter zurück, „denn mir liegt dein Wohl am Herzen. Trotz allem. Und das weißt du auch ganz genau, Saki-kun.“

„Ich bin erwachsen, Splinter. Ich entscheide selbst, mit wem ich in die Kiste springe. Das geht niemanden etwas an. Und dich schon mal gar nicht!“

„Und doch mache ich mir Sorgen um dich. Das kannst du mir nicht verbieten.“

„Das ist unnötig. Victor sieht nicht nur gut aus, er ist auch ein intelligenter, vielschichtiger Mann und ein sehr rücksichtsvoller, einfühlsamer Liebhaber. Seine Gegenwart lässt wirklich keine Wünsche offen.“ Es scheint, als wollte Shredder noch mehr sagen, aber an dieser Stelle wird ihm bewusst, wie schwärmerisch das klingt, und so hält er errötend inne.

„Ich – ich meine...“ stottert er ausweichend, „es ist alles in Ordnung. Es geht mir gut, Danke der Nachfrage.“

Rat King, der inzwischen neben ihnen inmitten seiner Ratten an der Bahnsteigkante hockt, lacht leise und vor allem geschmeichelt.

„So etwas Schönes hat noch nie jemand über mich gesagt. Ich liebe dich auch, Saki.“

„Ich habe nicht-“ beginnt dieser, stockt dann aber und verflucht im Stillen seine verräterisch brennenden Wangen. „Na, jedenfalls sind deine Sorgen völlig überflüssig, Splinter. Du kannst beruhigt nach Hause gehen.“

Und das macht Splinter tatsächlich – nach einer freundlichen Verabschiedung – und mit einem kleinen, erleichterten Lächeln.

 



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