Date oder Deal? von MariLuna ================================================================================ Kapitel 2: Dienstag II ----------------------   Kapitel 2   Dienstag   „Wer seid ihr? Warum beobachtet ihr uns?“ Die scharfe, fordernde Stimme eines Turtles reißt sie unbarmherzig zurück in die Gegenwart. Shredder zuckt zusammen und reißt erschrocken die Augen auf, doch Rat King hebt nur langsam den Kopf ohne seine derzeitige Position auch nur um einen Zentimeter zu verändern. „Ihr seid unhöflich“, funkelt er erst Raphael und dann dessen Brüder strafend an, als diese sich um sie scharen. „Seht ihr nicht, dass wir beschäftigt sind?“ „Die Turtles!" entfährt es Shredder unter ihm da. Sekundenlang herrscht eine geradezu gespenstische Stille. Langsam senkt Rat King den Blick und starrt ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Kann es sein", will er langsam wissen, „dass das bei dir schon zu einem Reflex geworden ist?" Sich seines Fehlers beschämt bewusst werdend, beißt sich Shredder auf die Lippen und wispert eine leise Entschuldigung. Rat King aber lächelt nur und zieht ihn mit sich erst in eine sitzende Position und dann gänzlich auf die Füße. „Shredder!" keuchen die Turtles da auch schon im Chor, denn mehr als durch seinen erschrockenen Ausruf hätte sich Shredder nun wirklich nicht verraten können. „Oroku Saki!" strahlt Splinter zur selben Zeit, der gerade, gestützt von Donatello, bei ihnen eintrifft. Er hinkt tatsächlich etwas. Es war eben wirklich ein langer Fußmarsch bis hierher. Shredder räuspert sich, bückt sich nach seinem Cap und stülpt es sich hastig wieder aufs Haupt. „Was hast du mit Sensei Splinter gemacht?" donnert Leonardo da auch schon los. Der stets sehr aufmerksame Donatello hat derweil die Querflöte entdeckt, die teilweise aus Rat Kings Manteltasche lugt und zählt sehr schnell eins und eins zusammen. „Der Rattenkönig! Was hast du mit unserem Sensei gemacht?" Drohend baut er sich vor Rat King auf und zückt seinen Bo. „Nichts", gibt dieser schnippisch zurück. „Er lebt doch noch und ist wohlauf. Und jetzt zischt ab, ihr stört!" Besitzergreifend schlingt er seinen rechten Arm um Shredders Taille und zieht diesen an seine Seite. Der völlig überrumpelte Shredder vergisst glatt, sich zu wehren. Letztendlich grinst er nur verlegen und klammert sich an Rat Kings Mantelaufschlag fest. „Dieses Mal habe ich gewonnen", feixt er dabei triumphierend. „Während ihr eurem Sensei nachgerannt seid, haben wir seelenruhig unsere Besorgungen erledigt. Dieses Mal kommt ihr zu spät, Panzerrücken." „Nicht zu spät, um dir den Hintern zu versohlen", knirscht Raphael und zieht seine Sai. „Kommt doch!" Lachend löst sich Shredder aus Rat Kings Griff und nimmt Kampfhaltung ein. Auch Rat King macht sich - zumindest mental - schon mal bereit. Große Lust dazu hat er nicht, aber wenn man ihm einen Kampf aufdrängt, lässt er sich nicht lumpen. „Keiner kämpft hier gegen irgendwen!" durchschneidet plötzlich Splinters scharfe Stimme die angespannte Atmosphäre. Obwohl er ziemlich leise spricht, erstarren die Turtles sofort und sogar Shredder lässt die Fäuste wieder sinken. „Aber Sensei", wagt es Raphael einzuwenden, doch ein tadelndes Zungenschnalzen seitens seines Senseis und der Turtle zieht beschämt den Kopf ein. Die Ratte mustert Raphael, Leonardo, Donatello, Michelangelo und sogar Shredder eindringlich, bevor er seinen Blick auf Rat King richtet. Er scheint ein wenig zu ... schmunzeln? „Das hier ist ein wirklich schönes Plätzchen", erklärt Splinter dann mit einem wohlwollenden Blick auf die Natur um sie herum. „Ich habe schon lange nach einem Ort gesucht, wohin ich mich zum Meditieren zurück ziehen kann. Ich werde wohl öfter hierher kommen. Vielen Dank, Rattenkönig." Mit diesen Worten verbeugt er sich in Rat Kings Richtung. Der verbeißt sich ein Grinsen. „Gern geschehen. Ich vertrete die Ansicht, wenn man aus meiner Hypnose erwacht, so sollte das an einem friedlichen Flecken Erde geschehen." Er hätte ihn während der Trance ganz leicht dazu bringen können, sich umzubringen, aber das will er hier nicht so deutlich betonen. Er ist kein Mörder und das sollten sie in den letzten Jahren alle kapiert haben und wenn nicht, ist es nicht seine Schuld. „Es ist auch nett von euch, dass ihr auf mich aufgepasst habt, bis mich meine Turtles fanden. Ich wäre ungern Futter für Wölfe und Bären geworden." „Ja, sicher", Shredders Stimme trieft nur so vor Ironie. „Daran haben wir auch ganz bestimmt gedacht, als wir dich im Auge behielten." Rat King hat ungelogen noch nie einen solch verschmitzten Gesichtsausdruck bei einer Ratte gesehen wie jetzt, als sich Splinter ganz seinem ehemaligen Schüler und jetzigem „Feind“ zuwendet. „Du musst dich vor mir doch nicht verstellen, ich kenne dich." Shredder starrt ihn für einen Moment einfach nur verdattert an, dann greift er sich mit der linken Hand an die Stirn und schüttelt fassungslos den Kopf. Innerlich ganz breit grinsend legt ihm Rat King eine Hand auf die Schulter. Diese Ratte. Also wirklich. Ganz schön durchtrieben. Aber es funktioniert - niemand hier hat mehr Lust auf einen Kampf. Nicht einmal die Turtles. „Aber Sensei", klagen diese trotzdem noch einmal enttäuscht und verwirrt, „die haben dich entführt und hier ausgesetzt. Wie kannst du das einfach so ignorieren?" „Habe ich euch beigebracht, so nachtragend zu sein?“ entgegnet Splinter vorwurfsvoll. „An einem so schönen Tag? Genießt lieber diese wilde Natur um uns herum." Nach seinen Worten herrscht so etwas wie kollektive, ungläubige Stille. Rat King findet es faszinierend, wie sehr sich der Ausdruck auf den Mienen der Turtles und der auf Shredders doch ähneln. „Man muss auch mal anerkennen können, wenn man verloren hat“, erklärt Splinter seinen Turtles in einem sehr belehrenden Tonfall. „Diese Runde geht eindeutig an Shredder und Rat King. So sehr es mir auch missfällt, wenn mir ein fremder Willen aufgezwungen wird, so war ich doch keinen Augenblick in Gefahr und das weiß ich zu schätzen. Es war ein gut durchdachter Plan. Völlig gewaltlos.“ Lächelnd dreht er sich zu Shredder um: „Eines wahren Ninjas würdig.“ Der blinzelt ihn im ersten Moment einfach nur fassungslos an, dann kickt die gute Erziehung wieder ein. „Domo arigato, Sensei.“ Und dann kann man ihm deutlich ansehen, dass er sich vor allem für diese respektvolle Anrede am liebsten sofort die Zunge abgebissen hätte. Für den Bruchteil einer Sekunde hatte er sich wieder in Hamato Yoshis Lieblingsschüler zurückverwandelt. Dieser Respekt, diese Verbindung stirbt nie. Rat King kennt das aus seiner Zeit bei der Army. Wahre Führungspersönlichkeiten haben diese Wirkung auf diejenigen, die sie befehligen – vor allem, wenn sie ihnen unerwartet ein Lob aussprechen. Splinters Lächeln wird ein wenig herzlicher, als er Shredders Worte hört, doch er hackt nicht weiter darauf herum. Und auch seine Turtles nicht – auch, wenn diese sich ziemlich verdutzte Blicke zuwerfen. Während Shredder nur mal wieder die Hand vor die Augen schlägt. Er seufzt einmal tief auf und erklärt dann, sehr zur Überraschung aller: „Es war nicht meine Idee, sondern Krangs. Und Vic... Rat King hat diesen Platz hier ausgewählt. Ich war nur der Vermittler.“ Er nimmt die Hand herunter und starrt Splinter grimmig an. „Ich werde Krang dein Lob ausrichten. Aber bilde dir bloß nichts ein. Das hier war eine totale Ausnahme. Das nächste Mal stehen wir uns wieder in einem richtigen Kampf gegenüber.“ Splinter nickt nur wortlos. Aber seine Vibrissen und Ohren zucken vergnügt. Rat King kann sich allmählich des Gefühls nicht erwehren, dass irgendwann zwischen dem letzten Mal, wo er Zeuge wurde, wie sie aufeinandertrafen und heute, zwischen dieser Ratte und Shredder irgend etwas passiert ist, was ihr Verhältnis zueinander grundlegend änderte. Er jedenfalls kann da keinen Hass mehr erkennen. Die Turtles dagegen scheinen ziemlich verwirrt zu sein, wagen es aber nicht, ihrem Sensei zu widersprechen. Und so entsteht zwischen ihnen wieder eine merkwürdige Stille. Als ein Teil der neuen Informationen gesackt ist, kann man förmlich zusehen, wie sich etwas anderes an die Oberfläche schleicht. Rat King erkennt es an den Blicken, die die Turtles ihm und Shredder plötzlich zuwerfen, an der Art wie sie zwischen ihnen beiden hin und her pendeln. Er wartet auf das Unvermeidliche. „Ihr", stößt Michelangelo dann auch plötzlich hervor und deutet anklagend mit dem Finger auf Shredder und Rat King, „habt euch eben doch geknutscht, oder?" Aufstöhnend vergräbt Shredder das Gesicht in den Händen, während Rat King nur vergnügt auflacht. Er sieht keinen Grund dafür, das zu leugnen oder sich gar dessen zu schämen. Außerdem hatte er es ja provoziert, dabei ertappt zu werden. „Allerdings", bestätigt er daher belustigt. Doch dann runzelt er die Stirn und mustert sie herausfordernd. „Habt ihr etwa was dagegen?" Sie beeilen sich hastig, ihn vom Gegenteil zu überzeugen, machen abwehrende Gesten und schütteln unter lauten „nein, niemals, nicht doch"-Rufen die Köpfe. Shredder ist das eindeutig unsäglich peinlich und allmählich befürchtet Rat King, dass er sein Gesicht ewig hinter seinen Händen verstecken und er dieses hübsche Antlitz nie wieder sehen wird. Aber diese Art der Provokation macht ihm einfach viel zu sehr Spaß. Andererseits weiß er auch, wann er damit aufhören sollte. Und das nicht nur, damit Shredder wieder hinter seinen Händen hervorkommt. „Sowas passiert eben", erklärt er daher großmütig und dem ist einfach nichts mehr hinzu zu fügen. Denkt er. Die Turtles sind da aber ganz anderer Meinung. „Sowas passiert doch nicht einfach so!“ protestiert Michelangelo. „Seit wann könnt ihr euch überhaupt so gut leiden? Und seid ihr jetzt wirklich zusammen oder ist das nur reine Spielerei?“ „Michelangelo“, weist ihn Splinter streng zurecht, „das geht uns nichts an. Bitte entschuldigt ihn“, wendet er sich an die beiden Männer, „er ist jung und ungestüm und“, ab hier wirft er Michelangelo einen ausgesprochen tadelnden Blick zu, „sieht eindeutig viel zu viele schlechte Serien.“ Schmollend verschränkt der jüngste der Turtles die Arme vor dem Brustpanzer. „Ich hab doch nur gefragt“, murrt er dabei. „und ist ja nicht so, als wäre ich hier der einzige, den das interessiert.“ Dabei wirft er seinen Brüdern auffordernde Blicke zu, die diese jedoch gekonnt ignorieren. „Echt jetzt?“ enttäuscht funkelt er sie der Reihe nach an. „Kommt schon, Jungs, ich meine, wir reden hier von Shredder. Der kann doch Candlelight-Dinner und Romantik noch nicht einmal buchstabieren. Und wenn, hätte ich dem eher eine Romanze mit April zugetraut, so oft, wie der sie entführt. Aber er und der Rattenkönig? Dass der Rattenfan schwul ist, überrascht mich jetzt nicht sonderlich, welcher normale Kerl spielt schon Querflöte - aber Shredder?“ „Michelangelo, es reicht!“ Splinter schwingt nicht oft seinen knorrigen Spazierstock gegen einen seiner Schüler, aber diesmal hält er es für angebracht. Erschrocken zuckt Michelangelo zusammen und reibt sich den schmerzenden Hinterkopf, während sich Splinter wieder wortreich für ihn entschuldigt. Aber Rat King winkt nur ab, schließlich hat der Turtle nichts gesagt, was nicht der Wahrheit entspricht. Viel mehr interessiert ihn Shredders Reaktion. Der winkt auf Splinters Entschuldigung hin nämlich auch nur ab, wirft Rat King einen kurzen Blick zu und strafft dann entschlossen die Schultern. „Es geht euch zwar wirklich nichts an, aber ich habe auch kein Problem damit, es euch zu erzählen. Wenn du nichts dagegen hast?“ wendet er sich an Rat King. Der starrt ihn einen Moment lang nur fassungslos an und mustert ihn dann nachdenklich. Irrt er sich, oder hat Shredder tatsächlich diesen ganz bestimmten Glanz in seinen Augen, dem Rat King schon so lange nicht mehr begegnet ist, den er aber so gerne an anderen sieht, besonders an jenen, die er gerne als Partner hätte? Kann es möglich sein, dass Shredder ihm doch mehr als bloße Zuneigung entgegenbringt? Dass er glücklich ist und das einfach mit jedem teilen möchte, selbst mit seinen Feinden? Vielleicht, grübelnd richtet Rat King seinen Blick auf Splinter, der einfach nur geduldig dasteht und so rätselhaft lächelt, will er aber auch nur, dass ihn sein ehemaliger Sensei versteht? Was auch immer ihn antreibt – alleine die Tatsache, dass er sich nicht in fadenscheinigen Rechtfertigungen flüchtet und zu ihm und diesem Kuss steht, lässt hoffen. Rat King ist gespannt, wie weit Shredder gehen will und daher stimmt er zu. Unter einer Bedingung: „Das geht aber nicht von unserer Zeit ab.“ „Nein“, beruhigt ihn Shredder sofort, „die Uhr läuft erst, sobald wir in deiner Wohnung sind.“ Rat King weiß diese Großzügigkeit wirklich zu schätzen. Immerhin haben sie noch eine halbstündige Zugfahrt vor sich und wie er diese dreißig Minuten nutzen wird, weiß Rat King auch schon ganz genau. Er hat schon lange nicht mehr in einem Zugabteil so richtig herumgeknutscht und herumgefummelt. Aber selbst für danach hat er noch Pläne. „Klingt gut für mich“, nickt er daher. „Ich wollte nämlich vorher noch mit dir in eine Bar gehen.“ „Ich lass mich nicht abfüllen.“ „Hab ich nicht vor.“ Rat Kings Lippen verziehen sich zu einem sehr, sehr breiten Grinsen. „Hab ich auch nicht nötig. Und das weißt du.“ Auf Shredders Wangen bildet sich ein leichter Rotschimmer und er räuspert sich einmal verlegen, bevor er es mit einem betont lässigen Schulterzucken überspielt. „Okay. Es sind deine Spielregeln.“ Eine Minute später sitzen sie alle einträchtig im Kreis im Gras und hören Shredder und Rat King zu, und das ist so friedlich, dass es bizarr und surreal anmutet, aber wie Splinter es ständig betonte: es ist ein schöner Tag mit blauem Himmel und Sonnenschein und die Luft ist hier so rein und klar, da kann man sich ruhig eine Stunde des Waffenstillstandes gönnen. Natürlich erzählen sie ihnen nicht alles...   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)