Detective Di von Tombstone ================================================================================ Kapitel 6: Société Rouge Teil 4 ------------------------------- Letztes Mal bei Detective Di: Nach einem Treffen mit Agent Smith, Conan, Ai und Shatuo Zhong wird Ren-jie Lebensgefährlich verletzt. In diesem Kapitel wird nun der Umstand ihres Überlebens aufgeklärt. Ein piepen. Ein Piepen in Intervallen. Es kam ihr bekannt vor… wie damals, als sie konditioniert wurde… Es war das Geräusch eines EKG. In ihrem Arm bemerkte sie einen Druck, etwas leicht Brennendes. Langsam öffnete Ren-jie die Augen, hoffte sie würde nicht wieder in einem Labor der alten Gesellschaft liegen, doch als sie die sterile Decke des Zimmers sah, zumindest was sie ohne Brille erkennen konnte, wusste sie dass sie im Krankenhaus lag. „Scheiße… ich hasse Krankenhäuser…“ stöhnte sie und setzte sich ein Wenig auf, spürte sofort den Schmerz in ihrer linken Brust. Anscheinend wurde dies von jemandem in ihrem Zimmer bemerkt, denn schon war jemand zur Stelle. „Renjie! Du bist wieder wach!“ irritiert sah sich die dunkelhäutige Rosahaarige um, erblickte einen verschwommenen schwarzen Haarschopf, der offensichtlich etwas tiefer gelegt war. „Mariko? Bist du das Süße?“ fragte sie und tastete nach einer Hand, griff aber ins Leere. „Alles in Ordnung? Du hast dir den Hinterkopf aufgeschlagen und einen glatten Brustdurchschuss. Warte, ich komme näher.“ Meinte Mariko und rollte etwas näher, ergriff die Hand ihrer Freundin. „Ich sehe noch verschwommener als sonst ohne Brille! Ein Arzt! Ich will sofort einen Arzt reden!“ rief Ren-jie in einem Anflug von Panik. Das erübrigte sich, denn durch ihre Aufregung ging der Alarm des EKG los und schon stürmte ein Arzt mit einigen Schwestern herein. „Beruhigen sie sich! Schwester, ziehen sie mir 0,2 Ketanest Dormikum auf! Beruhigen sie sich Fräulein Di!“ „Sagen sie mir was passiert ist!“ fuhr die Halbchinesin den Arzt an und packte seine Kravatte, hatte sie nur durch Glück erwischt, zog ihn gefährlich nahe zu sich heran. „Lassen sie mich los und legen sie sich zurück. Sie können froh sein dass sie noch leben, Fräulein Di. Bitte, jetzt!“ Nur widerwillig ließ sich Ren-jie zurücksinken und atmete tief durch. „Sie haben uns einen ziemlichen Schrecken eingejagt, als sie eingeliefert wurden. Jeder andere Mensch wäre sofort tot gewesen. Wussten sie dass ihr Herz auf der rechten Brustseite liegt?“ „Ich habe einen kompletten Situs Inversus, all meine Organe sind Spiegelverkehrt angeordnet. Das wurde schon vor Jahren festgestellt, steht auch in meinen Notfalldaten im Handy drin, genau wie meine Blutgruppe, AB negativ und meine Allergie gegen Penizillin und Erdnüsse. Was ist passiert? Wie lange war ich weg?“ „Lassen sie sich erstmal etwas zur Beruhigung geben, wir mussten sie Notoperieren und ich will gleich sichergehen, dass ihre Narbe nicht aufgegangen ist.“ Meinte der Arzt ruhig, doch Ren-jie schüttelte den Kopf. „Nein, ich muss bei klarem Verstand bleiben. Egal was wir besprechen, Mariko darf alles hören. Moment, ist Maya nicht hier?“ „N-nein, sie ist schnell den Gang runter zur Toilette gegangen. Renjie, du lagst fast 3 Wochen im Koma. Du wurdest heute erst auf Normalstation verlegt. Was ist passiert?“ Noch immer benommen von ihrer Ohnmacht versuchte sich Ren-jie zu erinnern, doch da kam nichts. Sie sah keine Bilder vor ihrem geistigen Auge, kein vor ihren Augen ablaufender Film, kein gar nichts. Verwirrt blinzelte sie, versuchte sich zu konzentrieren und zu folgern, warum sie noch schlechter sah als normaler Weise, warum ihre Hyperthymesia gerade nicht funktionierte. Die einzige Erklärung die sie hatte war, dass sie eine Raumforderung in ihrem Sehzentrum hatte. Die Tür zu ihrem Zimmer öffnete sich und Maya trat ein. „Äh, alles in Ordnung? Warum sind der Doktor und die Schwestern hier? Ist etwas mit Renjie?“ „Jetzt wo ich deine Stimme höre, geht es mir gleich wieder besser, Süße.“ lächelte Ren-jie und hob nur vorsichtig ihren Arm um ihr zu signalisieren, dass sie wieder wach war. Erleichtert eilte Maya zu ihrer Freundin und wollte sie in die Arme schließen, doch Mariko hielt sie vorsichtig zurück. „Renjie ist zwar überm Berg, aber sie ist noch nicht gesund. Hab bitte noch etwas Geduld, ja?“ bat sie ihre andere rosahaarige Freundin und sah wieder zu der Halbchinesin. „Dürfen wir bei der Visite wirklich dabei sein? Ich meine bei dieser Besprechung?“ „Klar, ich hab keine Geheimnisse. Aber eine Bitte: Können wir dann später den Katheter entfernen, Doktor? Ich hab eine enorm hohe Schmerzgrenze, wir brauchen also keine Lokalnarkose.“ „In Ordnung. Beginnen wir mal damit wie sie eingeliefert wurden, in Ordnung?“ zustimmend nickte Ren-jie und schloss die Augen. Sie hoffte dass während der Arzt erzählte, sie einen Flashback bekommen würde. „Fräulein Di? Sind sie noch bei uns?“ „Ja, ich höre zu. Reden sie ruhig.“ Sich räuspernd öffnete der Arzt die Krankenakte seiner Patientin. „Sie wurden mit einem Blutverlust von einem halben Liter und einem Druck von 60 zu 40 eingeliefert, jeder normale Mensch wäre daran verstorben. Beim Monitoring wurde festgestellt, dass sie zumindest eine Dextrokardie haben, wie sie aber selbst sagten einen kompletten Situs Inversus. Wir haben sie fast 7 Stunden notoperiert. Ihre linke Lunge stand kurz vorm Kollaps, wir haben einiges an Blut aus ihrer Lunge abgesaugt, bevor wir die Wunde genäht haben. Es war recht einfach die Blutung zu stoppen, da es nicht von überall geblutet hatte.“ „Ja, kann daran liegen dass ich Kampfsport mache: Kung-Fu, Muay Thai und Tai-Chi. Ich hab in einem medizinischen Bericht gelesen, dass Leistungs- und Kampfsportler dadurch eine bessere Kondition haben als andere Leute, so dass sie in einen Zustand ähnlich des Scheintodes geraten können, wenn sie ein massives physisches Trauma erlitten. Unter Umständen kann das lebensrettend sein.“ erklärte Ren-jie nickend und öffnete langsam wieder die Augen. Sie sah den Arzt nicken. „Ja, das kann eine Erklärung sein. Das erklärt natürlich auch den geringen Blutverlust. Wir haben sie nach der OP in ein künstliches Koma versetzt damit sie sich in aller Ruhe erholen können. Erst heute haben wir sie aus der Intensivstation geholt und hier her verlegt. Ich bin ehrlich zu ihnen, wir mussten eine wesentlich höhere Dosis an Narkosemitteln bei ihnen benutzen, da sie während der OP ein paar Mal kurz vor dem Aufwachen waren.“ „Ich habe eine sehr hohe Resistenz gegenüber verschiedenen Betäubungsmitteln. Warum das so ist, darüber will ich mit keinem Arzt reden. Und das müssen sie auch nicht wissen, Doktor. Mich interessiert jetzt nur Eines: Hat die Polizei den Schützen gefunden? Und noch wichtiger, wurde von meinem Kopf ein CT gemacht? Ich sehe noch schlechter als sonst. Ich vermute eine Raumforderung in meinem Sehzentrum, vermutlich durch meinen Sturz als ich angeschossen wurde.“ „Tatsächlich gab es eine solche Raumforderung. Wir mussten ihnen eine Schädeldrainage legen, um die Blutung abzulassen. Leider musste dafür auch ihr Zopf dran glauben. Ich denke aber, dass ihre extreme Kurzsichtigkeit gerade von ihrer Zeit im Koma kommt. Lassen sie sich etwas Zeit und sie werden sehen wie schnell ihr Sehvermögen zurück kommt.“ „Oder… vielleicht gebe ich dir deine neue Brille, Süße. Ich war heute Vormittag bei deinem Optiker und hab eine neue Brille abgeholt. Deine anderen Beiden haben ja ziemlich was abgekriegt, deine Erste nach unserer Party damals, deine Ersatzbrille als du angeschossen wurdest. Sorry Süße. Ich hab in deiner Geldbörse nach was Brauchbarem gesucht und habe dabei eine Kundenkarte deines Optikers gefunden. Ich hab deine alte Brille und die Karte mit deinen Werten hingebracht. Sieh es… sieh es als kleines Geschenk von mir.“ lächelte Maya verlegen, was Ren-jie nur schwer erkennen konnte. Erneut setzte sie sich auf und winkte Maya zu sich. Diese war etwas überrascht, senkte sich aber zu ihrer besten Freundin und war überrumpelt, dass diese ihren Arm um sie legte. „Danke, Süße. Das ist echt süß von dir.“ leicht errötend löste sich Maya von ihr und holte ein neues Brillenetui aus der großen Tüte neben dem Bett. Neugierig legte Ren-jie die neue Brille an und sah schon um einiges klarer. Es war zwar noch immer etwas verschwommen, doch mit jedem Augenblick sah sie besser. „Wow, es lag wohl wirklich nur an meinem Koma. Nochmal danke Süße. Ich schulde dir wohl ein Abendessen, wenn ich hier raus komme. Oder viel mehr euch Beiden. Doktor, wenn sie bitte so freundlich wären und mich und meine beiden Freundinnen nun alleine lassen würden? Ich habe mit den Beiden etwas zu besprechen. Etwas Privates. Und ich will keine BTMs mehr, auch keine Schmerzmittel. Ich kann Schmerzen verkraften. Oder gehen sie zumindest mit der Dosis auf ein Minimum runter, ich habe festgestellt dass meine Hyperthymesia durch solche Medikamente blockiert wird. Ich kann mich leider nicht so wie sonst an den Vorfall erinnern.“ „Einverstanden. Es kann übrigens sein, dass vor der Tür ein paar Leute für sie warten. Als der Alarm losging sind sie gerade angekommen und haben sich nach ihnen erkundigt.“ Schwer seufzend nickte Ren-jie. Also gut, sagte sie sich. „Wenn es die Polizei ist, können sie reinkommen. Ich lasse ihnen eine Liste mit Leuten zukommen, die mich besuchen dürfen. Alle Anderen möchte ich aus diversen Gründen nicht in meiner Nähe haben, in Ordnung?“ „Natürlich, kein Problem, Fräulein Di.“ Damit verließen der Arzt und die Krankenschwestern das Zimmer, ließen einen beleibten Mann mit Schnauzbart und braunem Hut herein, sowie eine junge Frau mit eisblauen Augen und recht kurzen, hellbraunen, fast schon blonden Haaren. „You are Miss Di, are you?“ fragte die Frau, worauf Ren-jie nickte und auf einen freien Stuhl deutete. „Yes, I’m Di Ren-ji-e. Please, have a seat.“ „Thanks, thanks, but I prefer to stand, Miss Di. Da wir das jetzt geklärt haben, dürfen wir ihnen ein paar Fragen stellen? Ich bin…“ „Agent Starling, FBI, momentan Wohnhaft in Japan. Auf Urlaub, wie es offiziell heißt.“ ratterte Ren-jie runter und war von sich selbst überrascht, dass sie auf einmal die Akte der Agentin vor ihrem geistigen Auge hatte. „Wir kennen uns ja schon, nicht wahr Fräulein Di?“ „Stimmt. Guten Tag Inspektor. Oder… ich hab das leider nicht genau mitbekommen, was haben wir jetzt? Morgen? Abend? Oder Mittag?“ „Es ist 18 Uhr am Abend.“ erklärte ihr Inspektor Megure, worauf sich Ren-jie langsam wieder zurücksinken ließ. „Fangen sie an zu fragen, Mariko und Maya dürfen alles mit anhören. Ich habe vor ihnen keine Geheimnisse… Und ich hasse es neuerdings mich zu widerholen, vermutlich eine Nebenwirkung meines Schädelhirntraumas…“ „Also gut. Hast du irgendwelche Feinde, die deinen Tod wollen würden? Jemanden mit militärischer Ausrüstung?“ „Habe ich schon. Aber wenn ich Diese hier und jetzt nennen würde, wären alle hier Anwesenden in Lebensgefahr. Sagen wir einfach, dass ich neben der Schule für eine streng geheime Gruppierung arbeite, die von allen Regierungen unterstützt und gleichermaßen verleugnet wird. Ein Feind würde mir jedoch noch einfallen: John Smith, vermutlich nicht sein richtiger Name, er war beim US-Marinecorps, soweit ich weiß war er ein Scharfschütze. Das ist allerdings nur das, was er selber über sich bei unserer ersten Begegnung gesagt hat.“ erklärte die dunkelhäutige Rosahaarige und sah zu der jungen Frau an der Seite des Inspektors. „Sie sind Agent Jodie Starling, nicht wahr? Ich kann ihnen eines versichern: Es war weder Oolong, noch ein anderes Mitglied der Société Rouge. Es war jemand vom CIA, genau wie bei mir.“ „Schwere Anschuldigungen, junge Dame. Was lässt dich glauben dass es ein Agent vom CIA war?“ „Weil meine Schwester Darjeeling, eine Scharfschützin und Gift-Expertin, eine Widowmaker benutzt. Selbst in einer Orkan-Böe beträgt die Abweichung der Flugbahn eines Geschosses gerademal 0,02cm auf 1000 Metern Entfernung. Ich muss es wissen, denn ich habe das Gewehr entwickelt, aussehend wie eine Steyr HS. Was mich getroffen hat, war eine speziell angefertigte Kupferkugel für ein Standard-Gewehr der Scharfschützen des US-Marinecorps. Ich habe den Schuss gesehen, sehe ihn gerade wieder und habe die Kugel direkt vor meinen Augen.“ Sie nahm die Anderen um sich herum nicht mehr wahr, stand im wahrsten Sinne des Wortes neben sich, an dem Abend an dem sie angeschossen wurde. „Okay, ich sehe es jetzt direkt vor mir. Anscheinend lässt die Wirkung der Morphine und anderen Medikamente gerade langsam nach. Ich sehe auf dem Dach eines Gebäudes einen Lichtblitz. 0,2 Sekunden später war die Kugel schon direkt vor meinen Augen.“ Erklärte sie, trat um sich selbst und die Kugel vor sich herum, betrachtete den Winkel genau. Er stimmte mit dem Gebäude überein, auf dem sie den kurzen Lichtblitz sah. Und wie es aussah, war die Kugel tatsächlich aus Kupfer. Wieder zurück rieb sie sich direkt die Schläfen. Ihr brummte schon wieder der Schädel, doch dieses Mal spürte sie auch, wie etwas aus ihrer Nase lief. „Warte, ich helfe dir!“ rief Maya aufgeregt und reichte ihrer Freundin ein Taschentuch. „Passiert das Öfters?“ „Nur wenn ich eine Erinnerung erzwinge, Inspektor, das versichere ich ihnen. Und besonders dann, wenn ich eine besonders schmerzhafte Erinnerung durchlebe.“ meinte sie und tupfte sich das Blut von der Nase ab. „Verdammte Migräne, immer wenn ich das mache steigt mein Kopfschmerz auf eine 5 in der Schmerzskala. Und manchmal kommt auch noch Nasenbluten dazu. Ich hasse das. Aber wenigstens kann ich jetzt genau sagen, woraus die Kugel bestand: Augenscheinlich aus einer Kupfer-Legierung. Da es ein Durchschuss war, war die Kugel vermutlich nicht gänzlich aus Kupfer. Eine normale Kupferkugel hätte sich beim Auftreffen auf meinen Körper nach einem sehr kurzen Weg verformt, eigene Erfahrung. Also gehe ich davon aus, dass sie die Kugel am Tatort gefunden und analysiert haben.“ „Sie haben Recht. Es war von der Form und der Größe ein Standard-Projektil, wie man sie beim FBI oder der Polizei in den USA benutzt. Ich habe mal einen Scharfschützen persönlich gekannt. Ein guter Mann. Und außerdem war er Japaner. Woher kennen sie sich eigentlich mit solchen Waffen aus, Miss Di?“ Auf diese Frage hatte Ren-jie nur gewartet. Noch einmal rieb sie sich die pochenden Schläfen, besah sich noch einmal ihr Taschentuch. Es hatte aufgehört zu bluten, das war gut. „Vor vielen Jahren wurden weltweit etwa 40 Kinder aus unterschiedlichen Familien entführt. Sie sind bis heute spurlos verschwunden, alle im Alter zwischen 2 und 4 Jahren. Sobald wir denken konnten, wurden wir in der Kunst des Tötens ausgebildet: Nahkampf, Schusswaffen, Gifte und andere Hilfsmittel. Ich habe mit einem Hochleistungs-Flaschenzug mit Druckauslöser und einem Kohlefaserkabel einen Kolumbianischen Kartellboss getötet, während er sich in seiner Villa eine Kravatte angelegt hat. Dabei war ich an diesem Tag in Rom und habe alles für ein weiteres Ziel vorbereitet. Übrigens, ich war damals 9 Jahre alt und habe mich schon damals auf die technischen Methoden spezialisiert. Ich war also nicht strafmündig, Agent Starling. Und man kann mir keinen meiner unzähligen Morde auch nur ansatzweise nachweisen. Eine Mordmethode ist so unglaubwürdig wie die Nächste. Oder haben sie mir das mit dem Flaschenzug abgekauft, auch wenn es wahr ist?“ „Nun ähm…“ druckste Megure, doch Jodie schien ihr zu glauben. „Mister Inspektor, sie hat nach eigenen Angaben einen Hochleistungsflaschenzug mit Kohlefaserkabel und Druckauslöser konstruiert, sowie ein ganz neues Scharfschützengewehr mit absolut utopischen Präzisions-Abweichungen! Wenn sie mir sagen würde im Himalaya würde ein UFO rumliegen, würde ich es ihr bedingungslos glauben, sobald ich das Gewehr sehe!“ „Nein, dort gibt es keine UFOs. Nur eine Trainings-Anlage der alten Société.“ Ungläubig sahen die restlichen Anwesenden sie an. „Hey, ich war ein ganzes Jahr lang dort und habe Rekruten in waffenlosen Kampfkünsten trainiert. Manchen habe ich auch beigebracht wie sie jemanden unauffällig mit Giften töten können. Aber das ist egal, und sie haben Recht, Agent Starling. Ich habe ein neues Scharfschützengewehr konstruiert. Vielleicht kennen sie das Ding unter dem Begriff 3-88? Aber das müssen sie nicht. Ich ähm… ich brauche jetzt erstmal etwas Hilfe… ich habe 3 Wochen lang Fresubin geschluckt, das Zeug will auch irgendwann wieder raus.“ Irritiert sahen die Anwesenden, wie Ren-jie sich die Bettdecke wegzog und auf der Seite, an der ihr Blasenkatheter hing versuchte aus dem Bett zu steigen. Schnell eilte Maya herbei, hing die Infusion in ihrer Ellenbeuge an einen Infusionsständer und half ihr beim Aufstehen. „Ähm…“ machte Megure nur, da hatte die Rosahaarige mit den ungleichen Augen sie schon an ihm vorbeigeführt und zur Zimmereigenen Toilette geführt, schloss hinter sich ab. „Naja, man sagt ja alles Raus was keine Miete zahlt.“ lächelte Mariko und rollte langsam zur Zimmertür. „Ich gehe mal im Schwesternzimmer fragen, wann sie das Essen austeilen. Ich bin sicher, dass Renjie beinahe umkommt vor Hunger. Vielleicht legen wir ja inzwischen eine Pause ein und gehen in der Kantine etwas essen? Ich für meinen Teil sterbe auch bald vor Hunger.“ „Gegen einen ordentlichen Burger hätte ich nichts einzuwenden.“ gestand Jodie und folgte der Rollstuhlfahrerin. „Nur schade dass im Krankenhaus keine Hamburger gemacht werden.“ fügte sie hinzu und schon folgte ihr auch Megure. Tatsächlich wurde das Abendessen ausgeteilt, noch während Ren-jie wieder von der Toilette in ihr Bett stieg. „Sie sollten sich schonen, Fräulein Di. Wir wollen ja nicht dass ihre Narben wieder aufreißen.“ lächelte die Schwester und stellte das Tablett mit dem Abendessen auf den Beistelltisch, so dass Ren-jie es gut erreichen konnte. „Danke, ich hoffe nur es gibt etwas Handfestes und keine…“ Als sie die Abdeckhaube anhob, war das Ergebnis schlichtweg ernüchternd. „Toll… Es ist Suppe. Schwester? Habe ich etwas verpasst oder warum bekomme ich nur Suppe? Und dann noch sowas widerliches wie Rosenkohl-Eintopf? Nicht gerade was Leichtes, oder? Könnte ich bitte etwas Handfestes bekommen? Ein vegetarisches, japanisches Abendessen vielleicht?“ „Tut mir Leid, aber der Arzt hat ihnen für die nächsten Tage nur leichte Kost verordnet.“ „Sagen sie dem Arzt, wenn ich morgen Mittag nichts Handfestes zwischen die Zähne bekomme, wird mein ohnehin schon dünner Geduldsfaden endgültig reißen. Ich habe gerade gefühlt 20 Liter Fresubin aus meinem Darm gepresst, habe einen Schlauch in meiner Blase stecken und alles was ich heute zum Essen bekomme, ist ein verdammter Rosenkohl-Eintopf, bei dem sich mir der Magen umdreht. Also, bringen sie mir bitte etwas Vernünftiges zu Essen und den Speiseplan, oder ich gehe so wie ich bin zur nächsten Burgerbude und sie bekommen den Ärger, weil sie mich aus den Augen gelassen haben.“ „Tun sie’s lieber. Renjie scherzt bei sowas nicht.“ empfahl Maya, woraufhin die Schwester das Tablett wieder mitnahm, nur um ein paar Minuten später mit einem ausgewogenen Abendessen und dem Speiseplan der laufenden Woche wieder zu kommen. „Sehr liebenswürdig.“ lächelte Ren-jie und begann vorsichtig zu essen. 3 Wochen und sie hatte die ganze Zeit nur Fresubin durch eine Magensonde und eine Natriumchloridlösung durch ihre Infusion bekommen. Sie wusste natürlich vom Fresubin, hatte während einer ihrer Konditionierungen ebenfalls eine Magensonde und diverse Katheter gelegt bekommen. „Du siehst echt aus als hättest du noch nie etwas Besseres bekommen, Süße.“ „Wenn man 2 mal Fresubin bekommen hat, weiß man wie das Aufstoßen vom Fresubin schmeckt. Das Zeug ist widerlich, ich hasse es. Und da brauche ich keine Suppe um wieder Kraft und Energie zu bekommen, sondern eine handfeste Nahrung. Normaler Weise hätte ich jetzt nach 100jährigen Eiern gefragt. Ich kann wohl froh sein, dass nicht gleich wieder die Ärzte und Schwestern hier rein gestürmt kamen, als ich mich von meinem EKG abgekabelt habe. Maya, bevor gleich wieder der Inspektor, Mariko und Agent Starling zurück kommen, versprich mir etwas.“ „Klar, was du willst.“ meinte die Rosahaarige mit den ungleichen Augen schulterzuckend und setzte sich auf den Stuhl neben dem Bett ihrer Freundin. „Bring mir bitte ein gutes Buch aus meinem Bücherregal mit. Zum Beispiel ‚Die Kunst des Krieges‘ oder ‚Das Buch der 5 Ringe‘. Und sag den Zwillingen dass ich bald wieder zuhause bin. Oh, ein paar andere Bücher wären auch nicht schlecht. Ich brauche ein wenig Lektüre, wenn ich schon hier bin und mich langweile.“ „Hauptsache du tust nichts Unanständiges mit den Krankenschwestern. Du ließt einfach zu viele deiner erotischen Mangas.“ „Keine Sorge, mein Interesse hat nur ein Mädchen geweckt.“ lächelte die dunkelhäutige Rosahaarige zum Abschluss, legte eine kurze Ess-Pause ein, um den Reis und den Fisch rutschen zu lassen. „Ren-jie, warum hast du uns nicht gesagt dass du mal eine Mörderin warst? Ich meine, das Ganze hört sich schon ein Wenig unglaubwürdig an, aber ich denke dass du die Wahrheit sagst.“ „Meine Aura, nicht wahr?“ „Ja… Aber du glaubst ja nicht an sowas.“ Einen Moment schwieg Maya und sah verlegen zur Seite. Schließlich fasste sie sich doch ein Herz und ergriff Ren-jies Hand. „Renjie, als du so da lagst, die ganzen Kabel und Schläuche und alles, ich hatte Angst dich zu verlieren. Ich habe gedacht, ich könnte es dir niemals sagen aber… Renjie, ich liebe dich. Ich habe mich schon am ersten Tag in dich verliebt. Ich will dich nicht verlieren, verstehst du das?“ Leicht errötend lächelte Ren-jie, legte ihre andere Hand auf Die von Maya und sah ihr tief in die verschiedenfarbigen Augen. „Klar, ich verstehe das. Es ist nur, ich weiß nicht wirklich, ob ich außer der Liebe zu meiner kleinen Schwester noch andere Liebe empfinden kann. Aber die Gefühle die ich für dich habe, die sind so ähnlich wie für sie. Ich weiß nicht ob es echte Liebe ist, aber ich mag dich sehr, Maya. Egal wie wir empfinden, für mich bist du noch immer Maya Reid, das süße Mädchen mit der Vorliebe für Süßkram, das nur 2 Kreuzungen von mir entfernt wohnt. Und du bist meine beste Freundin. Ich will nicht sagen dass wir weiterhin Freunde bleiben wollen, oder dass wir in Kontakt bleiben wollen… aber gib mir etwas Zeit um herauszufinden, ob ich dich so liebe, wie du mich, oder ob ich nur freundschaftliche Gefühle für dich habe. Ich will nicht das irgend etwas zwischen uns steht, ja? Deine Gefühle kannst du nicht ändern, aber versuchen wir bitte so miteinander umzugehen, wie sonst immer? Ich weiß, das ist alles ziemlich kompliziert, genau wie für mich. Willkommen in meiner Welt.“ Mit Tränen in den Augen rannte Maya aus dem Zimmer. Doch auch Ren-jie begannen die Augen nass zu werden, sie verspürte etwas, dass sie noch nie gespürt hatte, wenn es nicht um ihre Arbeit als Killerin früher ging: Ein schlechtes Gewissen. Die restliche Befragung durch Inspektor Megure und Agent Starling brach Ren-jie ab, sie gab vor sich noch etwas ausruhen zu wollen und nahm auch gleich ihre Brille ab. Selbst Mariko sagte sie nichts, sondern drehte sich gleich auf die Seite und schloss die Augen. Und jetzt, mitten in der Nacht, wurde sie durch einen sanften Luftzug geweckt. „Darjeeling?“ fragte sie im Halbschlaf und öffnete ihre Augen. Vor ihr am Fenster stand jemand. Doch der Geruch in ihrer Nase sagte ihr, es war ihre gleichaltrige Schwester Darjeeling war. Das Parfum das sie roch war ein sehr leichtes, das sie ihr selbst vor einigen Jahren noch während sie bei der Gesellschaft gelebt haben, geschenkt hat. „Ich weiß dass du es bist, Darjeeling. Das ist dein Parfum. Du hast es zu deinem 9ten Geburtstag von mir bekommen. Auch wenn wir nicht wissen ob es wirklich dein Geburtstag war.“ Langsam löste sich die Gestalt vom Fenster. Im gleichem Atemzug nahm Ren-jie ihre Brille vom Nachttisch und schaltete die Nachttischlampe ein. Vor ihr stand ein schwarzhaariges Mädchen mit roter Haarspange und roten Handschuhen, die ihr nur bis zu den Handgelenken gingen. „Schwester Ren-jie? Wie hast du mich erkannt?“ „Dein Parfum. Ich habe es dir wie gesagt zu deinem 9ten Geburtstag geschenkt. Seit wann bist du in Japan, und wie lautet deine neue Identität?“ Sich die Nasenwurzel reibend wandte sich Darjeeling zum Fenster um, sah dabei stur auf den nur spärlich beleuchteten Krankenhaus-Park. „Es war ein Bleigeschoss mit Kupfermantel, amerikanisches Standardkaliber, wird von einem Söldner der paramilitärischen Einrichtung Blackwater benutzt. Wir haben ihn identifiziert, er hat am Tatort eine Kippe zurückgelassen, hat sie vermutlich übersehen. Du kennst ihn möglicher Weise: Pseudonym John Smith, ehemaliger CIA-Agent. Er war beim Marinecorps der US-Army. Er war Scharfschütze und hat seine Kugeln immer selbst hergestellt, als sein Markenzeichen. Wir haben die DNA am Zigarettenfilter in einem japanischen Labor analysieren und mit der Datenbank von uns bekannten Verbrechern und Kontaktpersonen verglichen. Wir haben dafür ein Programm benutzt, das auch von den Strafverfolgungsbehörden verwendet wird.“ „Also doch Smith…“ stöhnte die Rosahaarige während sie sich langsam aufsetzte. Ihre Schmerzmittel waren tatsächlich auf ein Minimum dosiert worden, sie spürte die Schmerzen durch die durchstoßene Rippe, sowie den schmerzenden Lungenflügel und das schmerzende Fleisch in ihrer Brust, doch der Schmerz war nicht so schlimm, wie er bei ihrer Konditionierung war. „Du wirst langsam weich, Schwester Ren-jie. Früher hätten dich diese Schmerzen nicht so einfach umgehauen.“ „Weißt du, Gefühle sind etwas das einen stark macht. Nur darum habe ich aufgehört Menschen zu töten, ohne zu wissen ob sie schuldig oder unschuldig sind. Ich habe erfahren dass Zuneigung einen stärker macht, dass Wut und Hass einen blind machen, einem den Blick für das Wesentliche versperren. Und Angst kann ein guter Berater sein und weißt du was? Ich habe Angst. Angst dass jemand die Menschen die ich liebe, also auch euch alle, Umbringen will. Angst vor irgendeinem Verrückten, der unsere Ziele, unseren Kodex den wir uns selbst auferlegt haben, unterminieren will und uns alle vernichten will! Hörst du mich, Schwester? Ich liebe euch alle als wärt ihr meine eigenen Geschwister. Dich, Matcha, die Zwillinge, sogar Oolong. Und der macht es einem wirklich nicht einfach.“ Mit den Augen rollend wandte sich Darjeeling wieder zu ihr um. „Du denkst, mir würdest du nichts bedeuten, nicht wahr? Ich bin, gelinde gesagt, verwirrt. Du sagst, du würdest uns alle lieben, genau wie deine kleine Schwester, lässt aber zu dass sie uns verrät und mit deinem Mörder in die Kiste springt? Ich verstehe das nicht.“ „Er tut WAS!?“ brach es aus Ren-jie raus und sie vergaß sogar den Blasenkatheter, den sie sich beim Aufspringen aus dem Bett versehentlich selber zog. Der Schmerz in ihrer Brust und zwischen ihren Beinen war ihr gerade sowas von egal. Wütend packte sie ihre Schwester und drückte sie gegen das Fenster. „Was hast du gesagt!? Die schlafen miteinander!? Seit wann weißt du davon!?“ „Seit gestern. Unsere Kontakte haben es bestätigt. Und du bist erst heute aus dem Koma erwacht. Deine kleine Schwester Ylang-ylang treibt es mit deinem potentiellen Mörder und du deckst sie auch noch.“ „Hör zu. Hör mir ganz genau zu, Schwester.“ Knirschte Ren-jie und drückte ihre Schwester nur noch fester gegen das Fenster. „Ich habe um sie getrauert als sie die Gesellschaft verlassen hat und ich habe euch immer alle gleich behandelt. Du kannst jeden fragen, der in der Gesellschaft lebt. Glaub mir, ich liebe euch alle.“ „Schwester Ren-jie? Du bist ja wütend? Sagtest du nicht dass Wut einem den Blick fürs Wesentliche vernebelt?“ Einen Moment schien sie sich wieder zu beruhigen, ließ ihre Schwester los und ließ den Blick durch das Zimmer wandern. Auch Darjeeling schien sich zu beruhigen, doch dann schlug Ren-jie ihr mit voller Wucht mit der Faust ins Gesicht, so dass die Schwarzhaarige mit vor Schreck weit aufgerissenen Augen zu Boden ging und sich die sehr schnell gerötete Wange hielt. „Lektion 1, verehrte Schwester: Emotionen können aus einem heraus platzen, wenn man sie zu lange unterdrückt. Lektion 2: Was du gerade verspürst, ist nicht nur der Schmerz, sondern auch eine Mischung aus Verwunderung, Überraschung und Angst. Und jetzt raus aus meinem Zimmer und komm mir erst wieder unter die Augen, wenn du gelernt hast was Anstand ist. Raus oder ich vergesse mich wirklich.“ Eilig verließ Darjeeling das Zimmer, rannte dabei die Nachtschwester um, die gerade alarmiert durch den Radau in das Zimmer eintreten wollte. „Wer war das denn?“ „Nur eine Freundin, mit der ich mich gestritten habe, Schwester. Aber ich brauche hier mal kurz Hilfe. Ich hab mir leider ausversehen den Blasenkatheter gezogen.“ Erbleicht und in Panik eilte die Schwester um das Bett herum, sah die Bescherung aus Blut und Urin auf dem Boden. Sich noch immer die schmerzende Wange reibend verließ Darjeeling das Krankenhaus, lief dabei direkt in die Arme einer ihrer Schwestern aus der Gesellschaft: Matcha. Wie immer trug Matcha ihr grünes Gothik-Kleid mit dem dazugehörigen Haarschmuck, lächelte ihre Schwester aber frech an als sie sah, was passiert war. „Na? Schwester Ren-jie hat dir eine geklebt, oder? Du musst sie richtig wütend gemacht haben, Schwester Emily.“ grinste Matcha und trottete neben ihrer noch immer verwirrten Schwester her. „Ich verstehe das nicht. Sie müsste doch froh sein, die Wahrheit von mir gehört zu haben? Das ist absolut unlogisch, dass sie mir deshalb beinahe einen Zahn ausschlägt…“ „Naw, nicht für jemanden der Emotionen besitzt. Ich glaube du hast noch irgendwas gesagt was Schwester Ren-jie provoziert hat, wie zum Beispiel dass sie zugelassen hat dass Schwester Ylang-ylang die Gesellschaft verlassen hat und sie zulässt, dass ihr Mörder es mit Schwester Ylang-ylang tut, nicht wahr?“ Mit einem genervten Gesichtsausdruck sah Darjeeling zur Seite. „HA! Bullseye! Du hast genau das gesagt, nicht wahr? Ich glaube fast, du musst dich da bei jemandem entschuldigen, wenn du das nächste Mal hier bist. Was sagte sie eigentlich genau zum Abschied?“ „Ich solle ihr erst wieder unter die Augen kommen, wenn ich gelernt habe was Anstand ist. Und dann sagte sie noch ich sollte raus gehen, bevor sie sich wirklich vergisst. Aber wie soll ich bitte Anstand lernen? Das ist… ziemlich verwirrend.“ „Ist es nicht. Denk über deine Worte nach und dann reden wir nochmal. Okay? Also, bis neulich dann.“ Grinste Matcha, holte hinter ihrem Rücken eine kleine Kugel aus Plastik hervor und warf sie auf den Boden. Eine Rauchwolke entstand, die Matcha für einen Moment komplett einhüllte. Nächstes Mal bei Detective Di: Ren-jie wird endlich aus dem Krankenhaus entlassen. Doch es gibt noch etwas, das sie aufklären möchte und fährt mit Maya deshalb in ihrem Motorrad durch die halbe Stadt. Was ist es, das Ren-jie aufklären möchte? Und wer stattet John Smith mitten in der Nacht einen Besuch ab? Bleibt gespannt, denn es gibt immer nur eine Wahrheit! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)