Koma von Michirukaioh (,,Ich kann das Licht sehen") ================================================================================ Kapitel 7: Die erste Berührung ------------------------------ Michiru hatte die ganze Nacht über nicht geschlafen, obwohl ihre Lehrerin sich so fürsorglich um sie gekümmert hatte. Sie kam trotzdem nicht zur Ruhe. Dementsprechend war sie am nächsten Morgen sehr müde, obwohl sie sogar länger als sonst schlafen konnte. Mit der Schuluniform begleitet trat sie in das völlig fremde Wohnzimmer. Ihre Lehrerin war bereits wach. Sie saß auf dem Sofa mit einer Tasse Kaffee in der Hand und sah fern. Bisher hatte sie ihre Schülerin noch nicht bemerkt. ,,Gu- Guten Morgen", stotterte Michiru, den Blick auf den Boden gerichtet. ,,Oh, Verzeihung. Ich habe dich gar nicht bemerkt! Guten Morgen", war sie erst etwas verwundert, ,,Wie hast du geschlafen?" Michiru getraute sich erst nicht, sich zu ihr zu setzen, doch als die Frau sie zu sich deutete, tat sie es doch. ,,Ich wünschte ich könnte sagen, dass ich gut geschlafen habe, doch das wäre gelogen...", kam es ganz leise von der Türkisen, sodass man es gerade so verstehen konnte. ,,Das kann ich dir sogar glauben. Magst du etwas frühstücken?" Diese Freundlichkeit war Michiru gar nicht gewohnt. ,,Nicht unbedingt..." ,,Dann nimmst du aber etwas in die Schule mit. Isst du Sandwiches?" ,,Ich weiß es nicht..." ,,Ich mach dir einen. Soll ich dir einen Kakao oder einen Kaffee für jetzt machen?" Dass der Künstlerin so viel angeboten wurde, überforderte sie fast schon ein wenig. Denn einen Kaffee konnte sie sich eigentlich nie leisten, sie wusste auch gar nicht wie so etwas schmeckte. ,,Einen Kakao, wenn es keine Mühe macht. Ich helfe auch gerne!", bot sie an. ,,Alles gut. Werd erstmal wach. Ich bin gleich wieder da" , damit verschwand die Frau wieder. Wahrscheinlich in der Küche. Michiru saß widerwillig auf dem Ledersofa und fühlte sich irgendwie schlecht. Immerhin könnte sie wenigstens helfen! Da die Unmut zu stark wurde, ging sie in die Richtung, in der ihre Lehrerin verschwunden war. Da gab es zwar noch eine zweite Tür, dieser war allerdings verschlossen. Die andere war auch offen, also ging sie dort hinein. Erst wollte sie fragen was sich hinter der anderen Tür verbarg und diese Frage wäre sicherlich nicht schlimm gewesen, dennoch traute sie sich nicht. Schweigend trat sie neben ihrer Lehrerin, welche am Tisch stand und anscheinend schon begonnen hatte, das Sandwich zu machen. Der Kakao stand auch da und war bereits fertig. ,,Willst du mir unbedingt helfen?", lachte die Frau sichtlich amüsiert. ,,Ja, ich fühle mich sonst schlecht." ,,Gut, dann kannst du ja schon mal vier Scheiben Toastbrot in den Toaster schmeißen. Er steht da drüben", ihre Hand zeigte zu das Spüle, neben der auch das besagte Gerät stand. Michiru nickte und tat wie ihr geheißen. ,,Das sind ziemlich viel Zutaten, oder?" ,,Ja, ich hoffe es wird dir schmecken." Michiru konnte sogar den Luxus genießen, zur Schule gefahren zu werden. Natürlich war sie total dankbar dafür. So viele Gefallen auf einmal hatte ihr noch keiner gemacht. Auf der Fahrt hörten sie Musik und auch wenn es nicht Michirus Geschmack war, machte es sie glücklich. Am Parkplatz der Schule angekommen, ließ sie Michiru nicht sofort aussteigen. ,,Willst du heute wieder heim?" ,,Ich habe meine Sachen mit, ja. Ich danke Ihnen vielmals! Ich glaube das hätte sonst keiner für mich gemacht..." , seufzte sie am Ende. ,,Keine Ursache, Michiru. Und vergiss nicht!", zwinkerte die Frau plötzlich, ,,Wenn Haruka versucht irgendwie mit dir zu sprechen, dann lehne es nicht ab! Sie könnte für dich zu einer guten Freundin werden." Wahrscheinlich hatte Michiru noch nie in ihrem Leben den Schulhof mit erhobenem Haupt betreten, doch heute war es anders. Die Angst war noch da, keine Frage, allerdings fühlte sie sich sicherer. Und das war doch gut, oder nicht? Wie sie bereits erwartet hatte, war Haruka bereits auf dem Hof zu sehen. Natürlich ging es sie nicht zu ihr, denn Haruka nahm es ihr bereits ab. ,,Guten Morgen", lächelte die Blonde freundlich. Das am vergangenen Abend ist nicht ohne Folgen an Michiru vorbei gegangen. Sie wirkte weiterhin sehr eingeschüchtert und das schlimmer als sonst. Haruka zögerte. Sollte sie nachfragen? Es interessierte sie brennend, da sie Michiru am liebsten helfen wollte. Selbst ein guten Morgen hatte die Künstlerin nicht erwidert. In dem Moment, als die blonde Pianisten nachfolgen wollte, klingelte es und die restlichen Schüler gingen in das Schulhaus. Nun wollte Haruka nicht mehr nachfragen, nicht dass ein anderer Schüler zuhörte. Denn manche Dinge verbreiteten sich auf dieser Schule wie ein Lauffeuer. Als Michiru ohne ein einziges Wort zu sagen los lief, hoffte die Blonde, dass die Schulstunden schnell vergehen würden. Denn sie machte sich wirklich Sorgen. Mathematik. Für Michiru war es nun ihr Lieblingsfach, doch eigentlich lag es nichts daran, dass es ihr leicht fiel, denn es fiel ihr ganz und gar nicht leicht, es lag eher an der Lehrerin. Noch vor einigen Tagen war sie hier mit einer Panik herausgerannt und nun? Ihre Mathelehrerin war zu ihrer Lieblingslehrerin geworden. Aber bevorzugt wurde sie natürlich nicht, aber das hatte Michiru sich ehrlich gesagt auch gar nicht erhofft. Eigentlich sollte sie im Unterricht aufpassen, doch ihre Gedanken befanden sich ganz woanders: Und zwar bei ihrem Vater. Nach einer Weile schaltete sich auch noch das Hungergefühl ein. Welche Schüler kennt es nicht? Ein Knurren im Unterricht, am besten noch während einer Klassenarbeit, ist doch etwas Tolles! Michiru hatte keine Lust mehr. Am liebsten würde sie erneut den Unterricht verlassen, aber das ging natürlich nicht. Danach hatte sie noch Biologie und Japanisch. Als das Klingeln ertönte, machte sich ein erlösendes Gefühl in ihrer Magengegend breit. Sofort stürmten alle Schüler heraus auf dem Pausenhof, so schnell konnte die Lehrerin gar nicht schauen. Aber auch sie ging ohne ein Wort heraus. Nun saß nur noch Michiru im Raum. Mit Tränen in den Augen. Schon die ganze Zeit wurde sie mit den schlechten Erinnerungen an ihren Vater bombardiert. Der Tag war ein Albtraum. Da heute schönes Wetter war, waren so gut wie alle Schüler draußen. Da sie sicher auf dem Weg nach unten auf den Hof jemanden anrempeln würde, entschied sie sich im Haus zu bleiben. Außerdem war sicherlich die Bank bereits besetzt, auf der Michiru immer saß. Also suchte sie sich am Ende des Korridors einen Platz, da dort fast nie Schüler waren. Dort setzte sie sich auf den Boden. Haruka suchte den ganzen Schulhof gemeinsam mit Setsuna ab, doch sie fanden die jüngere türkishaarige Schülerin nicht. Die Blonde hatte erzählt, dass irgendwas mit Michiru sein musste und Setsuna hatte sich für das Suchen bereiterklärt. Ziemlich geschafft blieb Setsuna irgendwann stehen. Haruka seufzte ebenfalls ein wenig erschöpft. ,,Wir müssen kurz Pause machen'', schniefte Setsuna. ,,Und was ist, wenn sie drin ist?", fragte Haruka. ,,Stimmt. Aber da gehst du allein. Ich bleib draußen", erwiderte die Grüne schulterzuckend. ,,Klar wir sehen uns. Bis später." Danach trennten sich die beiden. Eigentlich musste die ehemalige Rennfahrerin nicht so lange suchen, da Michiru auf dem Korridor kaum übersehbar war. Für einen Moment blieb die Pianistin stehen. Ihr Herz war schneller als sonst. Ob es nun an dem Rennen oder eher an dem türkisen Engel lag, wusste sie nicht. Einmal atmete sie tief durch und brachte somit die Atmung wieder ein wenig unter Kontrolle. Danach überbrückte sie noch die letzten Meter. ,,Hey", kam es ziemlich unerwartet unsicher von Haruka. Michiru sagte aber kein Wort. ,,Was ist los? Irgendwas ist doch mit dir, habe ich recht?" Wieder kam keine Antwort. Also beschloss sie, sich einfach neben sie zu setzen. Nachdem sie dann nun neben ihr saß, rutschte Michiru ein Stück weg, da es ihr zu nah gewesen war,  was auch natürlich  Haruka aufgefallen war. Schon auf der Toilette war ihr so eine ähnliche Reaktion aufgefallen. Und das war sicher nicht normal. Sie sah zur Seite. Es war klar und deutlich erkennbar, dass das Mädchen Tränen in den Augen hatte. ,,Magst du es mir erzählen? Ich bin gerne für dich da." Michiru zögerte, doch die Tränen konnte sie nicht zurückhalten. Sie konnte doch nicht jedem ihre Probleme erzählen! Haruka zögerte ebenfalls, da sie Michiru auf keinen Fall bedrängen wollte. Erst wollte sie den Arm um sie legen, doch sie tat es nicht. In diesem Moment war es vorbei. Die Tränen flossen über ihre Wangen und sie begann zu schluchzen. Der Schmerz war so gut wie unaushaltbar. Sie zog die Beine an und machte sich so klein wie es nur ging. Die Geigerin war wie ein Häufchen Elend. Das sah jeder. Auch die, die unbedingt an ihnen vorbei gehen mussten. Sie tat Haruka total leid. Und dann tat sie es. Ganz vorsichtig hatte die Blonde den Arm um sie gelegt. Zwar war Michiru total erschrocken und ihr Herz raste abnormal sehr, doch eine Panikattacke war es nicht. Die Türkise war regelrecht geschockt, wegen ihrer eigenen Reaktion. Total fürsorglich hielt Haruka sie dann sogar im Arm, nachdem sie noch ein Stück näher gerutscht war. ,,Es wird alles wieder gut. Ich verspreche es dir'', hauchte Haruka, sodass es nur die beiden verstehen konnten. ,,Mein... Mein Vater... Er... ", stotterte Michiru komplett überfordert. ,,Sssht", versuchte Haruka sie zu beruhigen, ,,Ganz ruhig. Gib dir Zeit beim Reden." Fast schon ein wenig liebevoll wurde der Arm der Geigerin gestreichelt. ,,Was ist passiert? Kann ich dir irgendwie helfen?" ,,Ich... Also...", stotterte sie immer noch ein wenig aufgeregt, allerdings im negativen Sinne, ,,Mein Vater... Er hat gestern versucht mich wieder zu... zu schlagen..." ,,Wie bitte?" ,,Ja... Ich... Also.. ich bin bei... bei meiner Mathematiklehrerin unterge- ... untergekommen..." Sowas hatte sie nicht erwartet. ,,Du.. aber du bist jetzt in Sicherheit, oder?" Haruka wusste selber nicht was sie sagen sollte, dennoch wirkte sie ruhig. Michiru fühlte sich seltsam wohl. Zwar war die Angst irgendwie da, doch sie wurde weniger. Aus einem unerklärlichen Grund. Es war ein Gefühl, welches sie nicht zuordnen konnte. Nach einigen Minuten wurde die Künstlerin ruhiger. Sie zitterte zwar noch etwas und ein Schluchzen war auch manchmal zu hören, doch es wurde besser. ,,Hat er das schon einmal gemacht?", wollte die blonde Schülerin von ihr wissen. ,,Ja, als ich noch klein war... Ich..." ,,Weiß deine Mutter davon?", fragte Haruka nun. Die Geigerin senkte den Kopf. Vor einigen Jahren hatte sie ihre Mutter mal auf einem Bild gesehen. In einem Fotoalbum. Ihr Vater war auf den Bildern ebenfalls sichtbar - aber glücklich, was er nur mit seiner Frau war. Mit Michiru war er es nie gewesen. ,,Sie ist tot... Ich habe sie nie kennengelernt", sagte Michiru. Haruka fragte nicht weiter nach, das musste nicht sein. Es war ja klar, dass sie zu ihrer Geburt verstarb. ,,Ich wuchs bei meinen Großeltern auf. Sie lebten hier ganz in der Nähe, aber auch sie starben. Seitdem lebe ich bei ihm...", erzählte das Mädchen weiter. ,,Und kümmert er sich um dich?" ,,Nein. Er hatte nie etwas für mich übrig gehabt. Außerdem ist er nicht mal mehr imstande zu reden. Bestimmt hat ihm der Alkohol schon den größten Teil seines Gehirns zerstört." Haruka war wirklich geschockt. ,,Das tut mir echt leid..." ,,Alles gut. Ich bin es gewohnt..." Michiru wirkte niedergeschlagen und sie war es auch. Innerlich sowie äußerlich. ,,Kann ich dir vielleicht irgendwie helfen?", fragte die Pianistin. ,,Ich glaube nicht. Aber trotzdem vielen Dank", hauchte ihre beschlagene und traurige Stimme. ,,Aber irgendwas muss ich doch tun können!", protestierte sie fast. Sie wollte es Michiru irgendwie leichter machen. Fast schon fieberhaft dachte Haruka darüber nach, bis ihr dann letztendlich eine Idee kam. ,,Weißt du was? Ich gebe dir mal meine Handynummer mit. Wenn es dir schlecht geht oder die einfach da ist, dann melde dich. Wir können auch jederzeit telefonieren. Ich werde immer rangehen." Die Türkise schwieg. Konnte sie so ein Angebot annehmen? Dass sie keine Angst mehr in diesem Moment verspürte, machte ihr große Angst. »Was ist nur los? Wieso kann sie sich wir nähern? Das... Das...-« In den Gedanken verloren bemerkte sie gar nicht, dass Haruka ihr eine Nummer bereits auf einen Zettel geschrieben hatte. ,,Hier bitte", gab die Blonde ihr einen Zettel. Eher heraus Reflex nahm die türkishaarige Schülerin den Zettel an. ,,Also... Ich werde dir immer helfen. Wenn du etwas brauchst, ich bin gerne für dich da." Der Rest der Pause war schnell vergangen. In der Zeit hatten sie kein einziges Wort mehr gewechselt, sondern einfach nur dagesessen. Als es klingelte, sprang Michiru sofort auf. Für Haruka kam diese Reaktion so rüber, als hätte sie das Ende der Pause herbeigesehnt. Tatsächlich lag sie da gar nicht mal so falsch. Denn die Künstlerin war es nicht ganz geheuer, dass sie auf Berührungen dieser Schülerin so reagierte. Schweigend stand sie nun vor Haruka, den Zettel mit der Nummer in der Hand und ziemlich aufmerksam, da so langsam die Schüler in das Schulgebäude kamen. Aufgrund ihrer Angst wollte sie dem Gedränge im Schulkorridor aus dem Weg gehen. Und zu ihrem 'Glück' wurde es immer recht schnell voll. ,,Ähm... also... Ich danke dir", stotterte das Mädchen leicht hektisch. Danach lief sie davon. Fast ein wenig benommen blieb Haruka zurück. »Komisch... Was war das denn gerade?<< Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)