Weiß Kreuz von abgemeldet (Unschuld und Sünde) ================================================================================ Kapitel 15: Auftrag mit Komplikationen -------------------------------------- "Hältst du es wirklich für sinnvoll, wenn du mit auf die Mission kommst, Yoji? Ran kocht immer noch und ich bin mir nicht wirklich sicher, dass er nicht doch bei erster Gelegenheit "aus Versehen" auf dich losgeht." Ken musterte den Freund mit gemischten Gefühlen, als dieser sich seinen langen Knöchellangen Mantel anzog und nach seinen Handschuhen griff. "Was denkst du, was passiert, wenn ich nicht mitgehe? Ran wird neuen Zündstoff erhalten. Und die, die es vernehmlich zu spüren kriegt, ist Aya. Ich will nicht, dass er ihr dadurch wehtut, dass er ihr erzählt, wie schlecht ich bin. Wenn sie mich schon ignoriert, dann soll sie nicht auch noch durch die Erwähnung meines Namens gequält werden. Das ist unfair." Yoji zog die Handschuhe über seine Hände und schloss als letztes die Uhr um sein Handgelenk. Und das, obwohl im selber nicht wirklich wohl war bei dem Gedanken, mit dem cholerischen Ran auf eine Mission zu gehen. Ken lehnte sich an die Wand in Yojis Zimmer und blickte auf den Fußboden hinab. "Wenn Aya wüsste, was für ein Glück sie mit dir hat, dann würde sie zu dir zurückkommen. Da bin ich mit ganz sicher. Felsenfest sogar." Der Blonde zuckte mit den Schultern. "Selbst wenn sie es wüsste, würde es sie nicht interessieren. Und vielleicht ist es auch besser so. Schau mich doch mal an. Ich bin einundzwanzig Jahre und führe das Leben eins... ich weiß es nicht. So benimmt sich kein 21-Jähriger. Niemals im Leben. Niemand in meinem Alter ist ein Attentäter. In meinem Alter stehen Parties auf der Tagesordnung und Frauen. Unzählige Frauen. Aber ich... ich bin ein Mörder, der tagsüber in einem Blumenladen arbeitet. Tolle Sache das..." "Sei nicht so hart zu dir. Außerdem würdest du Aya gar nicht kennen, wenn du kein Weiß wärst. Wäre dir das lieber? Wäre dir das wirklich lieber, wenn du für den Verzicht auf deinen Beruf auch Aya verlieren würdest. Ich meine endgültig." Grüne Augen hefteten sich auf ein Gesicht, das einst immer frisch, entspannt und jung ausgesehen hatte. Doch jetzt schien all das verschwunden zu sein. In den wenigen Tagen, die Aya nun nicht mehr mit Yoji sprach, war dieser totenbleich geworden, sah für seine Verhältnisse geradezu alt und fertig aus und zudem überaus verkniffen und verspannt. Da war nichts mehr in diesem Gesicht, das einmal den besonderen Reiz des Playboys ausgemacht hatte. Der Reiz schien verloschen wie eine Kerze. Manchmal drängte sich Ken der Verdacht auf, dass Yoji momentan einfach keinen Sinn mehr darin sah, sich zu Recht zu machen. Der Blonde trug momentan auch einen Drei-Tage-Bart, welchen er unter normalen Umständen noch nicht einmal wachsen ließ. Ihm schien schlichtweg alles egal. Ganz so, als wäre der Sinn seines Lebens mit Aya gegangen. Und genau das machte Ken Sorgen. Wirklich enorme Sorgen. Yoji antwortete direkt auf Kens Frage und schüttelte heftig den Kopf. "Natürlich wäre mir das nicht lieber. Aber was ist mit ihr? Sie müsste nicht so oft weinen, wenn es mich nicht in ihrem Leben gäbe. Sie hätte dann nie geweint, weil ihr niemand hätte wehtun können." "Yoji, du hast ihr nicht wehgetan. Das war Manx und nicht du. Du warst an dem Abend mit mir im Kino. Gib dir nicht für Dinge die Schuld, die jeglicher Realität entbehren. Es ist Unsinn, wenn du dich damit so fertig machst. Du bist ihr nicht fremdgegangen. Und ich denke auch nicht, dass du es jemals getan hättest. Ich weiß, wie sehr du sie liebst. Und wenn Omi und Ran wollten, wenn sie wirklich in sich gehen würden, dann wüssten sie es auch, aber die beiden sind im Moment zu sehr auf das Wohl von Aya fixiert, als dass sie einen klaren Gedanken fassen könnten. Einen klaren, realistischen Gedanken." Ken holte tief Luft. Eigentlich hielt er nicht so lange Ansprachen, aber die Umstände, wie sie nun gerade vorlagen, machten dies unabdingbar. Und Yoji brauchte solche Worte. Zwar nicht so dringend, wie er Aya brauchte, aber er brauchte sie. "Mmh..." Der Blonde blickte kurz zu ihm und dann an die Decke. "Vielleicht hast du Recht, aber... Ich weiß einfach nicht. Es ist alles so kompliziert. Auf der einen Seite weiß ich ja, dass ich mir nichts vorzuwerfen habe, aber auf der anderen... Ich bin so schrecklich verwirrt. Wenn ich niemals so ein Playboy gewesen wäre, dann hätte Aya niemals einen Grund sehen müssen, an meiner Liebe zu ihr zu zweifeln." "Ich bin mir noch nicht mal so sicher, dass sie wirklich an deiner Liebe zweifelt. Sie ist einfach nur verletzt, weil Manx ihr da diesen Floh ins Ohr gesetzt hat." Der dunkelhaarige Weiß band sich seinen Pullover um die Hüften und ließ dann knapp den Blick über Yoji gleiten. "Bist du fertig?" Der Andere nickte nur ganz leicht und schloss seinen Mantel. "Tust du mir einen Gefallen? Hältst du mir kurz Omi und Ran vom Hals?" "Was hast du denn vor?" Grüne Augen verengten sich leicht und musterten Yojis unnatürlich blasses Gesicht. "Später..." Damit verschwand er aus seinem Zimmer und schlich über den Flur, während Ken runter zu Omi und Ran ging und diese in ein oberflächliches Gespräch vertiefte. Als Yoji der Stimmen aus dem Flur gewahr wurde, drückte er die Klinke von Aya-chans Tür hinunter. Zum Glück hatte sie die Tür nicht abgeschlossen, womit er eigentlich fest gerechnet hatte. Das Zimmer lag bereits in tiefer Finsternis, da das junge Mädchen am nächsten Tag in die Schule musste und deswegen ihren Schlaf brauchte. Kurz blieb Yoji geradezu andächtig in ihrem Zimmer stehen und atmete tief den Geruch in ihrem Zimmer ein. Wie sehr sehnte er sich danach, hier wieder mit ihr die Nächte zu verbringen. Doch das war im Moment unwichtig, wichtig war nur, dass er ihr noch etwas sagte. Selbst dann, wenn sie schlief und nicht davon mitbekam. Ganz leise schlich er an ihr Bett und kniete sich auf den Boden. Vorsichtig zog er die Decke, die ihr bis unter den Bauchnabel gerutscht war, wieder über ihre Schultern und strich ihr anschließend ein paar Haare aus der Stirn. "Ich musste dich vor dem Auftrag noch einmal sehen, Aya. Dein Bruder ist so wütend und ich weiß auch nicht, ob ich genug Konzentration aufbringen kann, um mich auf die Mission zu konzentrieren. Ich... ich wollte nur... also..." "Yoji..." Mit einem schwachen Lächeln drehte Aya ihm den Rücken zu und vergrub den Kopf in ihrem Kopfkissen. Bei der Erwähnung seines Namens zog sich ihm die Kehle zusammen, da er kurz geglaubt hatte, sie wäre wach geworden, aber leider war dem nicht so. Es war nur ein Traum. Nur ein Traum, in dem sie seinen Namen erwähnen konnte, ohne zu weinen... Nachdenklich ließ er seinen Blick über ihren schmalen Rücken gleiten und versuchte zu verstehen, was gerade in ihr vorging. Immerhin hasste sie ihn am Tage mit einer solchen Inbrunst, dass es ihm fast schlecht wurde. Und dann jetzt in der Nacht... Jetzt flüsterte sie seinen Namen, als wenn sie ihn nie gehasst hätte... So sehr er sich allerdings auch anstrengte, er wollte nicht zu einer Lösung für dieses Mysterium kommen. Das Einzige, was ihm also blieb, war ein tiefes Seufzen, und die Hoffnung, dass sie eines Tages nicht nur in der Nacht so sehnsüchtig seinen Namen hauchen würde. Allerdings hatte die Erwähnung seines Namens eins gebracht. Er traute sich nun etwas, an das er vor wenigen Minuten noch nicht einmal in seinen Träumen gedacht hätte. Als er sich erhob, neigte er sich über Aya und hauchte einen federleichten und sanften Kuss auf ihre Wange. "Schlaf gut, Süße. Und träume weiter Dinge, die dir nicht wehtun." Damit wendete er sich von ihr ab und schlich aus dem Zimmer, ohne zu bemerken, dass Aya sich in ihrem Bett rumrollte und ihm aus mehr als nur wachen Augen nachblickte. "Und du pass auf dich auf, Yoji. Ich will nicht, dass dir etwas passiert." Das Mädchen zog die Decke über ihren Kopf und begann ganz leise zu schluchzen. "Ich warne dich, Balinese, wenn du sie geweckt hast und es ihr wieder schlechter geht, dann schlachte ich dich..." Die silbrige Scheide von Abyssinians Katana blitzte unheilvoll im Licht der Straßenlaternen vor dem Büro des Anwalts auf, dessen Machenschaften Weiß untersuchen sollten. Allerdings hörte Balinese seinem Leader nicht einmal wirklich zu. Er starrte nur in den Himmel empor und hielt mit seinen Augen einen vereinzelten Stern gefangen, den er Aya zu ihrem Halbjährigen mit Urkunde geschenkt hatte. Bombay hob eine Braue und musterte Balinese mit einem gehässigen Blick, schaute dann aber zu Abyssinian. "Lass ihn. So werden wir ihn vielleicht doch noch los." "Könnt ihr damit bitte mal aufhören? Wir haben eine Mission. Und wir sind nur zusammen stark." Siberian murrte unwillig und schob sich zwischen die Blicke von Abyssinian und Bombay, die auf Balinese gerichtet waren. Dann stupste er nach hinten mit seinem Ellenbogen Balinese in die Seite, so dass dieser endlich wieder in die Realität zurückfand. "Du hast jetzt keine Zeit, deinen Liebeskummer zu pflegen. Wir haben einen Auftrag. Und die beiden da sind kurz davor, dich abzustechen." Er nickte zu Ayas Bruder und zu ihrem persönlichen Bodyguard hinüber, dessen blauen Augen eine Spur von blankem Hass auf Yoji zeigten. "Mmh..." Balinese blickte zu den beiden hinüber, raffte dann, von den hasserfüllten Blicken doch schwerer getroffen, als er es erwartet hatte, die Schulter, schob sich an Siberian vorbei und ging, ohne noch auf die anderen zu achten, auf das Bürogebäude zu. Amethystfarbene Augen und Blaue blickten sich kurz an, schienen zu beratschlagen und setzten dann blitzschnell dem Weiß-Playboy nach, da man ihm auf keinen Fall die Leitung über solch einen Auftrag überlassen konnte. Siberian blieb etwas hinter den Dreien und schüttelte nur leicht den Kopf. Soviel Dämlichkeit, wie sie sich zurzeit in Ran und Omi paarte, gab es so schnell nicht noch einmal. "Ich setze alles, was ich in meinem Portemonnaie habe, dass Abyssinian später noch über Balinese herfällt und ihn abstechen will, weil dieser nicht das macht, was er soll..." Ein Gesicht, umrahmt von orange anmutendem roten Haar, das so sehr dem Antlitz eines Engels gleichen konnte, wenn sein Träger es wollte, erinnerte gerade vielmehr an die Fratze eines Teufels. "Könnte sein." Prodigy verengte die Augen zu schmalen Schlitzen und ließ den Blick über die vier Weiß gleiten, die sich Zugang zu dem großen Bürokomplex verschafften. "Ich kann ihnen ja helfen..." Berserkers Stimme erklang unheilvoll aus den Schatten, aus welchen er trat, als das Licht des Mondes sich gerade bis zu dem Schuppen auf dem Dach, auf welchem Schwarz nun standen, ausgebreitet hatte. Das fahle Mondlicht fing sich in seinen schlohweißen Haaren und ließ sie silbrig schimmern, wodurch seine ganze Gestalt kurz etwas Irisierendes an sich hatte. Mastermind verzog leicht das Gesicht und schüttelte mit einem theatralischen Seufzen auf den Lippen den Kopf. "Du würdest ihnen ja nur zu deinem eigenen Nutzen helfen. Hast schon so lange niemanden mehr geschlitzt, der nicht du selbst war." "Ich kann ja auch dich schlitzen..." Die tiefe Stimme des Iren ließ sich in der tiefen Nacht kaum vernehmen, klang dadurch aber besonders drohend. "Es reicht, wir haben etwas anderes zu tun..." In einem beigen Anzug gekleidet, stand Oracle auf der steinernen flachen Brüstung, die den Rand des Daches umgab. "Wir haben Besuch. Und zwar einen, der gleich sämtliche Gemüter überkochen lässt." Mit einem knappen Nicken deutete er in eine kleine schmale Seitengasse hinab. Sofort war auch Mastermind neben ihm, dessen Grinsen leicht an das des Jokers erinnerte. "Hat Yo-tan doch das Wunder von Tokyo vollbracht?" "Was meinst du?" Prodigy erschien ebenfalls neben ihm und blickte in die Tiefe hinab. "Fehler... Eindeutiger Fehler..." "So kann man es sagen, aber uns gereicht es zum Vorteil..." Oracle schob sich seine Brille an der Nasenbrücke zu Recht und blickte zu einem der Büros hinüber, in dessen Dunkelheit Leben gekommen war. "Die sind schneller, als man ihnen es zutrauen sollte." Mastermind lachte leise. "Die wollen ja auch zum gemütlichen Teil der Nacht übergehen: Balinese am Spieß." "Und dabei ist Kannibalismus doch verboten..." Berserker ließ sich abermals vernehmen und erschien plötzlich hinter den drei anderen Schwarz. "Ich würde ihn aber gerne für die beiden aus seiner Haut schälen..." "Du bist widerlich..." Das Gesicht des Deutschen verformte sich kurz zu einer angewiderten Fratze, dann machte er auf dem Absatz kehrt und schlenderte ein Stück über das Dach. "Wenn ihr erlaubt, kümmere ich mich um unseren ungebetenen Gast..." "Um unseren willkommenen Gast...", verbesserte Oracle ihn, nickte dann aber. "Pass auf, dass sie nicht zu früh vor Angst schreit." "Sie schreit wenn überhaupt nur vor Freude, weil sie mal ein anderer Mann anfasst als ihr läufiger Rüde." Damit verschwand der rothaarige Deutsche und ließ die anderen drei Schwarz auf dem Dach zurück. Prodigy räusperte sich leise. "Ob er meint, er wäre weniger läufig?" "Wenn es ihm Spaß macht..." Oracle trat ebenfalls von der Brüstung zurück und winkte Prodigy und Berserker hinter sich her. "Wir haben zu tun, meine Herren." "Ich glaube, ich habe die Unterlagen..." Bombays Finger flogen über die Tastatur des Computers im Büro des Anwalts. "Glaube, ist nicht gleich wissen..." Es war Balinese spitze Bemerkung, die zum ersten Mal in solch einer Form über seine Lippen kam, während er die Akten in den Aktenschränken durchblätterte. "Du musst gerade von Wissen reden, du bist doch dümmer als ein Stein." Abyssinians Stimme erhob sich aus dem Nebenzimmer und bekam sofort Kontra aus Siberians Richtung. "An deiner Stelle würde ich den Rand halten. Es zeugt nicht von sonderlich viel Intelligenz, was du seit Tagen mit ihm abziehst." Abyssinians kalte und fast schneidende Stimme drang abermals aus dem Nebenzimmer hervor. "Wenn er Aya nicht beschissen hätte, dann müsste ich nicht so mit ihm reden." "Aya ist alt genug, um das selber zu klären. Wer alt genug ist, mit seinem Freund ins Bett zu steigen, ist auch alt genug, um so was alleine auszufechten..." Die Stimme des Sportlers mutete immer unwilliger an. Die Erwähnung von Aya und ihm im Bett, rief dann auch wieder Balinese auf den Plan. "Hallo?! Geht es noch? Was ich mit meiner Freundin..." "Ex-Freundin..." Bombays Stimme. "...Freundin mache, geht keinen etwas an. Ich mische mich auch nicht in euer Sexualleben ein." Der Blonde murrte ungehalten und murmelte leise Verwünschungen vor sich hin. "Mag daran liegen, weil wir unser Sexualleben nicht so breit trampeln, wie du es tust. Das, was du mit Aya gemacht hast, war ja schon nicht mehr schön. Und ich war sicher nicht darauf aus, meiner Schwester zuzuhören, wenn du sie durchnimmst." Der Ton des Rothaarigen näherte sich immer mehr einer Lautstärke, die für die Ohren aller Anwesenden nicht mehr ertragbar war. "Und? Dich stört doch nur, dass es ihr gefallen hat..." Wütend haute Yoji die Schublade zu und stierte zur Tür des Nebenzimmers, in der plötzlich Ran auftauchte. Dieser hatte bereits sein Katana gezückt und erinnerte gerade mehr an ein tollwütiges Wildschwein, denn an den ruhigen Blumenverkäufer, der er sonst immer war. "Ich bringe dich um, jetzt..." "Bitte..." Es surrte leise, als Yoji den Draht aus seiner Uhr riss, ihn um die andere Hand wickelte und fest anspannte. "Dann komm doch." Ran ließ sich nicht lange bitten und stürmte mit einem lauten Wutgebrüll auf Yoji los. Das Katana hielt er hoch erhoben, so dass dessen Scheide vom fahlen Mondlicht in einen eisigen Glanz getaucht wurde. Omi war versucht, Ran zu unterstützen, als Yojis Draht surrte und sich um die Scheide des Katanas wickelte, allerdings hielt Ken ihn zurück und schüttelte den Kopf. "Das ist eine Sache zwischen den Zwei. Damit haben wir wirklich nichts zu tun." Ganz langsam und kaum merklich nickte der jüngste Weiß. Dieses Mal konnte selbst er Ken nicht widersprechen. Mit einem Ruck, den Ran über seine Schulter hinweg und nach hinten ausführte, befreite er sich wieder aus der Lage, in die er sich durch seine Unbeherrschtheit gebracht hatte. Das freie Katana hielt er augenblicklich wieder gerade auf Yoji ausgerichtet und ließ es in Höhe von dessen Bauch leicht hin und her kreisen, ganz so, als wenn er die Stelle aussondieren wollte, in die er die Klinge rammen wollte. Yoji unterdes beobachtete ihn nur aus wachen Augen, denen keine noch so kleine Bewegung des Rothaarigen entging. Schon alleine, weil sein Draht eher für den nahsten Nahkampf geschaffen war, oblag es nun seiner Auffassungsgabe, ihn vor Rans Attacken zu schützen. Rans Beine, welche die Angriffsposition einnahmen - eins leicht angewinkelt hinten und das andere eingeknickt vorne - spannten sich langsam an, bis er pfeilschnell nach vorne hechtete und mit dem Katana nach Yoji schlug, der nach hinten zurücksprang, dabei aber gegen einen Schreibtisch stieß und kurz davor stand, das Gleichgewicht zu verlieren. Sofort setzte der Rothaarige ihm nach und nutzte die kurze Schwäche seines Gegners aus, indem er mit dem Katana nach dessen Hand schlug. Yoji zog seine Hand allerdings rechtzeitig zurück, machte einen neuerlichen Satz nach hinten und schaffte es schließlich, wieder so etwas wie sein Gleichgewicht zu finden, was er direkt dazu ausnutzte, den gelockerten Draht anzuspannen, ihn leicht aus seinem Griff zu lassen, so dass sich im Flug eine Schlaufe bildete, die sich um Rans Hals legte und sich langsam zuzurrte. Allerdings schob sich vorher Rans Katana in die kleiner werdende Schlinge, was ihn zwar vor dem Tod durch Erdrosselung schütze, aber gleichzeitig vor das Problem stellte, dass sein eigener Kopf wie Butter von einem Messer geteilt würde, wenn Yoji richtig an seinem Draht ruckte, da die scharfe Klinge auf sein Gesicht ausgerichtet war. Ein kleiner lebensbedrohlicher Fehler, den er sich sonst niemals geleistet hätte. "Wie fühlt man sich, wenn man davor steht, sich selber nieder zurichten und nicht einmal was dafür kann?" Yojis grüne Augen sprühten eisige Funken, und er schien wirklich mehr als nur versucht, den Draht noch weiter zu straffen. "Was geht es dich an? Freu dich doch einfach, dass es so ist." Ran knirschte mit den Zähnen und versuchte, die Schlinge mit der stumpfen Seite des Katanas weiter aufzudrücken. "Du bist so ignorant, Ran. Glaubst du wirklich, dass mir das hier Spaß macht? Denkst du wirklich, ich würde Aya hiermit wehtun wollen? Wie blind bist du eigentlich?" Die sonst so oft viel zu einschmeichelnde Stimme des ehemaligen Playboys nahm einen Kältegrad an, der sogar Ran zusammenzucken ließ. Und auch Omi und Ken ging es nicht besser, denn beiden lief eine eisige Gänsehaut über den Rücken. "Warum sollte dich das stören, ob du ihr wehtust? Es störte dich ja auch nicht, als du sie mit Manx betrogen hast." Kurz erschien es so, als würde der Rothaarige fauchen wie eine Katze, allerdings war der dafür Verantwortliche Ken gewesen, der mit den eingezogenen Krallen seiner Bugnugs über den Schreibtisch gekratzt hatte. "Ich habe sie nicht betrogen. Versteh das doch endlich mal. Ich war mit Ken im Kino. Ich würde Aya niemals... niemals wehtun." "Blabla..." Ran schnaubte wütend und blickte hasserfüllt in Yojis Augen. "Wer soll dir glauben? Wer? Du bist der größte Schürzenjäger in ganz Japan und du willst treu sein? Einem 16-Jährigen Mädchen, das vor dir noch nicht einmal einen Jungen geküsst hat?" Anstatt ihm zu antworten, nickte Yoji nur knapp und lockerte dann langsam den Draht, selbst auf die Gefahr hin, dass Ran das ausnutzen würde, um ihn wieder anzugreifen. Allerdings kam es nicht soweit, da plötzlich eine körperlose Stimme den Raum erfüllte und nicht nur die beiden Streithähne heftig zusammenzucken ließ. "Findest du es nicht auch erquiekend, wie dein Bruder und dein Stecher sich um dich streiten? Da könnte man glatt annehmen, dass der eine dem anderen nicht deine Gunst gönnt..." Ein leises Wimmern begleitete die gehässig gestellte Feststellung, das für geübte Ohren eindeutig zu Aya gehörte, die vor Schuldig im Raum erschien. Den Mund von der Hand des Deutschen bedeckt, welche nass von viel zu vielen Tränen war. "Aya..." Ran blickte ungläubig zu seiner Schwester, während Yoji einzig zur Salzsäule erstarrt war, und das junge Mädchen anblickte, als wäre das alles nur ein böser Traum. Aya ihrerseits blickte nur kurz zu ihrem Bruder, dann aber zu Yoji. In ihrem Blick lag mehr als nur eine Entschuldigung dafür, dass sie ihnen gefolgt war. Es lag auch eine Entschuldigung für all die Tage, in denen sie ihn hatte bluten lassen, in diesem Blick. Und auch, wie sehr es ihr leid tat. Wie sehr ihr alles Leid tat. Noch ganz kurz blieb Yoji totenstill, dann erhob er eine Stimme, die ängstlicher klang, als alles, was die anderen Weiß jemals von ihm gehört hatten. "Schuldig, ich flehe dich an, lass sie los. Sie hat nichts hiermit zu tun. Sie hat auch nichts mit dem Disput zwischen euch und uns zu tun. Sie ist eine Unschuldige, die du hier reinziehst." "Ach? Da sagst du mir ja was, das ich noch gar nicht gewusst habe." Die Stimme des Schwarz' troff vor Ironie und Gehässigkeit. "Allerdings denke ich, dass unser kleiner Gast hier dein Problem mit Abyssinian noch etwas anheizen dürfte. Er sieht dich nämlich gerade an, als wenn er dich schlachten wollte." Mit einem knappen Blick zur Seite registrierte Yoji, dass der Deutsche Recht hatte. Ran stierte ihn so wütend an, dass selbst die Wut eines Berserkers nur ein Windhauch zu sein schien. Sogar glaubte der Blonde, kleine schwarze Gewitterwolken über dem Kopf des Rothaarigen zu erkennen, allerdings war das wohl nur eine Illusion, die ihm Schuldig in den Kopf gepflanzt hatte. "Mmh... Ranilein, willst du ihn nicht langsam mal von seinem Elend befreien? Er hat doch deine Schwester betrogen, und das schreit schon nach bitterer Rache." Schuldig grinste für seine Verhältnisse fröhlich, was sich einmal wieder in einer Art Joker-Grinsen zeigte. Gleichzeitig machte er sich über den Kopf des Rothaarigen her und pflanzte ihm nahezu verbotene Bilder ein, die Yoji sowohl mit Aya und Manx beim Geschlechtsakt zeigten und schließlich das weinende Mädchen, dass halb zusammenbrach, weil sein Freund es betrogen hatte. Ken bemerkte als Erster den Wandel, den Ran durchmachte und der sich vornehmlich in dessen Augen zeigte, die von jetzt auf gleich leer wirkten. Auch die wie in Zeitlupe wirkende Bewegung von Rans Arm, als dieser sein Katana anhob und auf Yoji zupreschte. Da dieser aber die Augen immer noch auf der panischen Aya hatte, bemerkte dieser das erst, als Ken ihn brüllend darauf hinwies. "Yoji, pass auf. Er hat Ran manipuliert." "Hm?" Yoji schoss herum und blickte dem anstürmenden Ran entgeistert entgegen und griff nach Ayas Meinung zu langsam nach seinem Draht. Die plötzliche Panik hatte dazu geführt, dass das Mädchen dem Deutschen irgendwie in die Hand gebissen hatte und sich so kurz ihre Stimme erkämpfen konnte. "Yoji! Pass auf!" Sie versuchte sich verzweifelt aus Schuldigs Umklammerung zu kämpfen und wurde erst in dem Moment losgelassen, als Schuldig die Chance auf ein grandioses und blutiges Final kommen so. Zu dem Zweck versetzte er Aya einen Stoß in den Rücken, so dass die 16-Jährige genau in die Arme ihres Freundes taumelte, auf den immer noch ihr tollwütiger Bruder zustürmte. Allerdings hatte Schuldig nicht mit der Geistesgegenwart von Omi gerechnet, der einen seiner Dartpfeile in seine Armbrust gelegt hatte und auf Ran schoss. Der Pfeil traf dessen Hand und sorgte somit dafür, dass der Rothaarige einer leichten Richtungsänderung unterlag, deren Korrektur Yoji die Zeit gab, Aya und sich aus der Gefahrenlinie zu schaffen. Das geschah allerdings derart, dass er mit Rans Schwester, die er fest in seinen Armen hielt, auf den Boden knallte und über ihr zum liegen kam. Der Schmerz in der verletzten Hand war es dann aber auch schließlich, der Ran wieder zur Vernunft brachte. Verwirrt und mit wieder klaren Augen schüttelte er den Kopf und blickte entgeistert auf die Stelle, auf welcher Yoji zuvor noch gestanden hatte. Dann vernahm er das Schluchzen, das seitlich zu ihm aufstieg und erblickte Yoji, der sich gerade etwas aufrappelte und Aya, die sich verzweifelt und ängstlich an ihm festklammerte. Dass der Blonde sie so dicht an sich drückte, passte ihm zwar nicht, aber sein Kopf, in dem immer noch viel zu viele wirre Gedanken hausten, ließ keinen Widerspruch zu. "Entzückend, Schuldig... Der große Auftritt ist wohl richtig in die Hose gegangen." Brads Stimme ließ sich aus einer dunklen Ecke vernehmen. "Sei nicht immer so geltungsbedürftig." Rotglühende Augen glimmten neben Brads Gestalt auf und sorgten dafür, dass die Fenster anfingen, unheilvoll in ihren Fassungen zu wackeln. Kurz glaubte Omi an ein aufziehendes Unwetter, doch dann wurde auch er der Augen gewahr. "Prodigy..." Das Wunderkind trat aus den Schatten hervor und blickte ihn gelangweilt an. "Schnelle Auffassungsgabe..." "Yoji, wer ist das alles?" Aya blickte den Blonden, an den sie sich immer noch klammert, fragend an. "Niemand, Süße. Ich bringe dich jetzt erst mal hier weg." Vorsichtig erhob er sich und half Aya auf, die immer noch nicht gewillt war, ihn loszulassen. Murrend ließ sich Ran hinter ihm vernehmen. "Ja, bring sie hier weg. Das wird hier gleich ungemütlich." Yoji nickte, zog Aya, die entgeistert zu ihrem Bruder blickte, zur Tür, kam aber nicht weit, weil plötzlich Farfarello erschien und die Tür hinter sich schloss. "Die Erlaubnis zum Wegbringen des Gastes wird hiermit verweigert." Wie nach Blut gierende Zombies rückten die vier Schwarz plötzlich auf die vier Weiß und Aya zu, die panisch aufschrie, als Schuldig auf Yoji zusetzte. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ (c) by Sandra Wronna/Merenwen Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)