Messages From My Heart von Lina_Kudo (Botschaften meines Herzens) ================================================================================ Kapitel 16: Tenderly Badinages ------------------------------ 16 TENDERLY BADINAGES »Wie ein offenes Buch …« Verträumt beobachtete ich meine Prinzessin, die seelenruhig neben mir eingeschlafen war. Ich wusste gar nicht, wie lange ich das schon tat. Ob es Sekunden, Minuten oder gar schon Stunden waren. Doch das war mir auch total egal. So lange hatte ich darauf gewartet, endlich wieder bei ihr zu sein. Und jetzt, wo ich am Ziel meiner sehnlichsten Träume angekommen war, schien mir alles so gleichgültig zu sein. Nichts außer sie war mehr wichtig. Wirklich gar nichts. Irgendwie … erschreckend, wie das ganze Leben von jemanden nur von einer einzigen Person abhängig sein kann. Ich seufzte wohlig vor Glück; konnte es einfach immer noch nicht fassen. Wollte das Schicksal vielleicht wirklich bei mir etwas wiedergutmachen nach all den Qualen, die es mich in der Vergangenheit hatte erleiden lassen? Langsam hob ich meinen Arm, führte ihn zu ihrem Gesicht und strich ganz behutsam eine blonde Haarsträhne zur Seite. Sie sah so atemberaubend schön aus. Und wenn sie schlief, sah sie noch so viel unschuldiger aus – wenn das überhaupt möglich war. Sie hatte sich eigentlich kaum verändert. Nur ihre naiven Züge waren nicht mehr so ausgeprägt wie früher. Man sah ihr an, dass sie in ihrem jungen Leben schon sehr viel erleben musste. Diese Ereignisse hatten ihre Spuren hinterlassen. Sie war reifer geworden – sowohl innerlich als auch äußerlich. Allein ihr Blick strahlte so viel Weisheit aus. Sie war nicht mehr das naive Mädchen von damals, das nur das Gute in den Menschen gesehen hatte und nie mit der hässlichsten Seite des Lebens zu tun gehabt hatte. Und wenn, dann hatte sie solche negativen Erlebnisse längst wieder vergessen und konnte darüber hinwegsehen. Bis sie auf mich traf. Ich kniff meine Augen zusammen und hauchte ihr einen zärtlichen Kuss auf die Stirn. Wieder erfuhr ich eine unerträgliche schwere Last auf meinen Schultern. Ich hatte ihr ihre Sorglosigkeit beraubt. Ihr die Freude genommen und ihre Träume zerstört. Durch mich musste sie sich mit dem harten Businessleben auseinandersetzen und konnte kein Kind mehr sein. »Ich werde dafür sorgen, dass du bald wieder genauso lächeln kannst wie früher. Ich werde dir deine kindliche Unbeschwertheit zurückgeben. Und wenn es das Letzte ist, was ich tue. Verlass dich drauf, Schätzchen.« Ich hätte ewig so daliegen, sie fixieren und ihrem regelmäßigen Atem lauschen können, ohne mich auch nur für eine Zehntelsekunde zu langweilen. Doch irgendwann in der späten Nacht – oder eher schon in den frühen Morgenstunden – setzte sich meine Vernunft doch durch. Es war besser, wieder ins Hotel zurückzukehren. Es war für meine zukünftigen Schwiegereltern sicherlich nicht angenehm, ihre Tochter am frühen Morgen mit einem Mann im Bett zu erwischen, von dessen Existenz sie noch nicht einmal etwas ahnten. Und wenn ich meinen Plan für das gemeinsame Frühstück in die Tat umsetzen wollte, würde auch mir ein wenig Schlaf sicher nicht schaden, um für das Date fit zu sein – so schwer es mir auch fiel, mich wieder von ihr entfernen zu müssen. Schweren Herzens erhob ich mich ganz langsam aus dem Bett, hielt Ausschau nach Zettel und Stift, wurde auch schnell fündig und kritzelte eine kurze Nachricht. Guten Morgen, Schätzchen! Na, hast du gut geschlafen? :-) Ich werde um 11 Uhr im Café ›Dolce Vita‹ auf dich warten. Komm mit einem hungrigen Magen! ;-) Dein Seiya Vorsichtig legte ich ihr den Zettel auf das Kissen, strich ihr noch ein letztes Mal zärtlich über den Kopf, bevor ich durch das offene Fenster in die Dunkelheit der Nacht verschwand. An Schlaf war in dieser Nacht für mich nicht zu denken. Viel zu nervös war ich schon wegen unseres morgigen Treffens, von dem Usagi erst noch erfahren würde. Ich grinste allein bei der äußerst lebhaften Vorstellung, wie sie bestimmt erst ziemlich spät meinen Zettel entdeckte und dann Panik schob, um ja nicht zu spät zu kommen. Ich wettete, dass es auch darauf hinauslaufen würde. Ich glaubte nämlich kaum, dass sie sich in der Hinsicht verändert hatte. Manche Angewohnheiten blieben einem ein Leben lang. Und sie war schon immer eine notorische Zuspätkommerin gewesen. Sie war der ganze Stolz der Unpünktlichkeit. Mein Schätzchen eben. Um zehn Uhr entschied ich mich schließlich, wirklich allmählich in den neuen Tag zu starten, warf die Decke beiseite und sprang schwungvoll aus dem Bett. Für mich war das eine Sensation, direkt nach dem Bett schon so munter zu sein, wo ich doch ebenfalls kein Morgenmensch war. Ich konnte das Frühstück kaum noch erwarten. »Was darf es für Sie sein, junger Herr?« Kurz zuckte ich zusammen und blickte hoch zu der Bedienung, die mich gerade aus meinen Tagträumen geweckt hatte. »Noch nichts, danke. Ich warte noch auf meine Begleitung.« Gekonnt setzte ich mein freundliches Lächeln ein, was die junge Kellnerin mit einem verlegenen Lächeln quittierte, sich kurz nickend verbeugte und wieder verschwand. Zufrieden stellte ich durch diese Geste fest, dass ich in auch in dem letzten eineinhalb Jahre nichts von meinem Charme eingebüßt hatte. Auf Euphe hatte ich ja kaum den Palast verlassen – und wenn überhaupt, dann nur, um entweder zu trainieren und zu kämpfen oder einfach nur irgendwo herumzusitzen und Trübsal zu blasen. Daher konnte ich bisher gar nicht sagen, wie meine Wirkung auf Frauen gewesen war. Bis jetzt. Doch um ehrlich zu sein war es mir gar nicht mehr so wichtig wie früher, beim anderen Geschlecht gut anzukommen. Meine Prioritäten hatten sich leicht verändert. Ich wollte eigentlich nur noch bei einer einzigen Person gut ankommen. Und diese Person verspätete sich bis jetzt gerade um fünf Minuten, wie ein kurzer Blick auf die Uhr mir verriet. Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen und überlegte mir, wie ich sie damit aufziehen konnte. Ihr empörtes Gesicht sah ich jetzt schon vor meinem geistigen Auge. Ich schrak abermals auf – diesmal jedoch, weil mein Schätzchen nicht gerade unauffällig ins Café reingestolpert war und nun unfreiwillig alle Blicke auf sich zog. Ich grinste in mich hinein und musste ein glucksendes Lachen unterdrücken. In der Hinsicht hatte sie sich wirklich nicht verändert. Mit hochrotem Kopf murmelte sie eine unverständliche Entschuldigung vor sich hin und suchte mich mit ihren Blicken, bis sie mich schließlich fand, erleichtert ausatmete und schnurstracks auf mich zustürmte. Jeder Schritt verursachte ein hallendes Klackern durch die Absätze ihrer langen schwarzbraunen Stiefel, die ihr hervorragend standen. Mit einem leisen Seufzer ließ sie sich auf den Platz mir gegenüber nieder. Da ich bewusst einen Tisch in der hintersten Ecke ausgesucht hatte, waren außer uns im Umkreis von einigen anderen Tischen keine weiteren Gäste, sodass wir uns ungestört unterhalten konnten. »Guten Morgen, Schätzchen«, begrüßte ich sie heiter und machte mir gar nicht erst die Mühe, meine Belustigung über ihren peinlichen Auftritt zu verbergen. »Tut mir leid für die Verspätung«, entschuldigte sie sich kleinlaut und zog sich ihre Jacke aus. Zum Vorschein kam eine leuchtend rote Strickjacke und ein schwarzes Top darunter. Über ihrer Brust prangte eine lange, goldene Kette mit einer großen, glänzend goldenen Kugel als Anhänger. Sehr schick. Sie hatte schon immer Stil gehabt – auch, wenn sie sich dessen vielleicht gar nicht so bewusst war. Um sie weiter etwas zu necken, blickte ich theatralisch gelassen zu meiner silbernen Armbanduhr. »Na ja … Neun nach ist es. Das geht ja noch. Für deine Verhältnisse ist das sogar ziemlich pünktlich.« Ich verzog meine Lippen zu meinem typisch frechen Grinsen. »Aber mal im Ernst: Du hättest dich nicht so zu beeilen brauchen. Ich bin‘s doch nur. Auch wenn es natürlich schön ist, dein peinlich berührtes Gesicht zu sehen … Einfach unbezahlbar, dieser Anblick.« Usagi starrte verlegen zu Boden und hielt ihren Blick gesenkt. Was wohl in ihrem hübschen Köpfchen vorgehen mochte? Ärgerte sie sich oder gelang es meinen plumpen Worten sogar, sie womöglich zu schmeicheln? Egal was sich für Gedanken abspielten: Sie brachten sie auf jeden Fall dazu, nun noch mehr einer überreifen Tomate zu gleichen. Ich grinste verschmitzt. Sie war peinlich berührt. Immer noch wie ein offenes Buch. Es war keine große Herausforderung, sie zu durchschauen. Ich konnte mir ein leises Lachen letztendlich doch nicht verkneifen. »Was ist?«, fragte sie mich wie aus der Pistole geschossen. »Gar nichts, nur müsstest du dich jetzt mal vor einen Spiegel stellen – dich könnte man wirklich nicht von einer Tomate unterscheiden«, rieb ich ihr frech unter die Nase. »Wirklich sehr witzig«, tat sie leicht gekränkt und versuchte nebenbei verzweifelt, ihre ursprüngliche Gesichtsfarbe wiederherzustellen. Leider war das eben nicht so einfach zu kontrollieren. »Tut mir leid.« Ich räusperte mich, wenn auch immer noch sichtlich amüsiert. »Weißt du schon, was du bestellen möchtest?« »Hm … Ich glaube, ich nehme eine heiße Schokolade und ein … Wie wäre es mit einem gemeinsamen Frühstücksmenü für zwei Personen?« »Ja, an sich keine schlechte Idee, aber … reicht uns das auch?« Mein Grinsen wurde immer breiter. Wie sehr ich diese gemeinsamen Momente zwischen uns doch vermisst hatte … »Das reicht problemlos, denn inzwischen esse ich nicht mehr so viel wie früher«, antwortete sie plötzlich im ernsten Ton. »Wie kommt‘s?« Statt des Frohsinns prägte nun die Überraschung meinen Gesichtsausdruck. »Na ja, wegen des Stresses und Zeitmangels, die eine Laufbahn als Sängerin nun einmal mit sich bringt, habe ich gar nicht so viel Zeit zum Essen.« Sie lächelte schwach. »Oh …« Mein Lächeln erstarb nun völlig, bevor ich mit einer Spur von Melancholie aus dem Fenster blickte. Als ich aus den Augenwinkeln sah, wie sie dabei war, zu etwas Neuem anzusetzen, kam ich ihr zuvor. »Es tut mir sehr leid … Das ist alles meine Schuld.« Zerknirscht wandte ich mich ihr wieder zu sah ihr reumütig in die Augen. »Aber nein, mach dir jetzt bloß nicht wieder Vorwürfe! Außerdem bin ich ganz froh, jetzt weniger zu essen als früher.« Sie spielte die ganze Sache mit einer wegwerfenden Handbewegung runter. Intensiv sah ich in ihre Augen und erkannte, wie sie sichtlich nervöser wurde, meinem Blick aber dennoch nicht auswich, weil sie es nicht konnte. Ich hielt sie mit meinen Augen gefangen, ließ es gar nicht zu, dass sie wegsah. Gekonnt lenkte ich all meine Aufmerksamkeit auf mich – darin war ich inzwischen geübt. Ich wusste, wie ich andere in meinen Bann ziehen konnte. Und bei ihr fiel es mir irgendwie sogar noch leichter. Ich konnte nicht in Worte beschreiben, wie leid mir das alles tat. Wie konnte ich nur so bescheuert gewesen sein, sie auch nur eine Minute länger als nötig warten zu lassen? Hatte ich sie und ihre Liebe überhaupt verdient? »Ich hoffe, du schenkst mir die Zeit, alles wiedergutzumachen, was ich dir angetan habe … Ich befürchte aber, dass nicht einmal mein ganzes Leben dafür ausreichen wird. Meine Tat darf nicht ungesühnt bleiben.« Ich murmelte das eher zu mir selber, doch erkannte durch ihren geweiteten Blick, dass sie jedes Wort gehört und verstanden hatte. Im nächsten Augenblick platzte die Kellnerin von vorhin herein. Nachdem wir die Bestellung aufgegeben hatten, lehnte ich mich zurück und wollte ihr damit zeigen, dass ich dieses Thema erst einmal auf sich beruhen lassen wollte. Ich wollte mir unsere Stimmung nicht durch so einen deprimierenden Gedanken verderben. »Hm, es hatte durchaus positive Seiten, diese Karriere … Ich hätte es wirklich im Traum nicht für möglich gehalten, dass aus der einst so kleinen Usagi ein richtiger Star werden könnte. Du hast mich schon immer fasziniert und überrascht und tust es immer wieder auf‘s Neue. Aber dass du dann wirklich auf der Bühne vor Tausenden von Menschen singst … und dann auch noch nur für mich. Das war einfach -« Ich stockte und suchte fieberhaft nach den richtigen Worten. Ich hoffte, dass auch sie sehen konnte, wie überwältigt ich nach wie vor darüber war. »Das war einfach ein unglaubliches Gefühl … Und du hast wirklich eine wunderschön klare Engelsstimme. Ich habe ja nicht gewusst, dass du so wundervoll singen kannst. Ich bin wirklich stolz auf dich.« Aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen wich sie meinem Blick plötzlich aus und blinzelte einige Male. Ob sie das tat, um sich meinem Bann zu entreißen? »D- Das ist aber auch auf dein Konto zuzuschreiben. Ohne dich und meine so … starken Gefühle für dich hätte ich das nie geschafft.« Meine Pupillen weiteten sich kurz. Es war eigenartig, solche indirekten Geständnisse aus ihrem Mund zu hören. Die ganze Situation war sehr merkwürdig. Nach all den zahlreichen Andeutungen, sowohl in ihren Liedtexten und Botschaften als auch in unserem gestrigen Gespräch letzte Nacht: Wir wussten genau, was wir gegenseitig füreinander empfanden, und doch gingen wir noch ziemlich verkrampft miteinander um. Denn das große Geständnis war uns beiden bisher noch nicht direkt über die Lippen gekommen. Aber das würde schon noch sehr bald kommen. Da war ich mir ganz sicher. Wir hatten schließlich noch Zeit. Ich war erst gestern zurückgekommen. Erst einmal musste ich wieder ankommen, mich einleben und wir mussten uns wieder aneinander gewöhnen. Wir hatten zwar noch nicht darüber gesprochen, doch ich war mir sicher, dass sie die gleiche Meinung vertrat. »Schätzchen«, fing ich leise an, wurde jedoch von der Kellnerin unterbrochen, die uns unser Frühstück brachte. »Wo hast du eigentlich geschlafen letzte Nacht? Du hättest doch ruhig bei mir schlafen können. Es wäre genug Platz da gewesen.« »Nun ja, mitten bei unserem nächtlichen Gespräch bist du ziemlich schnell eingeschlafen. Du warst wohl erschöpfter, als wir beide dachten.« Meine Augen strahlten, als ich mich an dieses wunderbare Bild meines schlafenden Engels zurückerinnerte. »Und na ja … Ich hab mich dann durch‘s Fenster rausgeschlichen. Ich glaube, es wäre keine angenehme Überraschung für deine Eltern gewesen, wenn sie morgens einen wildfremden Typen im Zimmer ihrer siebzehnjährigen Tochter auffinden würden. Da habe ich doch lieber in einem Hotel übernachtet.« Dabei griente ich verschmitzt, um damit zu überspielen, wie liebend gerne ich in Wahrheit an ihrer Seite geblieben wäre. Es gab schließlich keinen Ort auf diesem Universum, wo ich lieber wäre. »Ach so … Natürlich.« Es klang so, als wäre sie ganz überrascht, dass ihre Eltern ja auch noch in ihrem Haushalt wohnten. Erstaunlich, wie man so eine Tatsache vergessen konnte, wo man doch selbst noch im Elternhaus lebte. So schusselig konnte auch nur sie sein. Meine Usagi. Reflexartig griff sie nach ihrer Tasse Schokolade – wahrscheinlich auch, um ihre Verlegenheit wieder zu überspielen – und nahm einen kleinen Schluck davon. Im nächsten Augenblick nahm ich durch einen »Aua! Heiß!« zur Kenntnis, dass sie sich wohl prompt ihre Zunge verbrannt hatte. Jammernd bemühte sie sich mit ausgestreckter Zunge, sie irgendwie zu kühlen. Die Gesetze der Physik hinderten sie aber am Erfolg. Ich musste mich schon sehr stark zusammenreißen, um im ersten Moment nicht loszuprusten. Aber das hätte sie bestimmt nicht lustig gefunden – fand ich ja eigentlich auch nicht, weil sie ja gerade in diesem Moment unangenehme Schmerzen ertragen musste. Wenn es doch nur nicht so lustig ausgesehen hätte … Ich schaffte es, nur ein leises Seufzen loszuwerden. »Obwohl du jetzt ein großes Idol bist, steckt in dir immer noch die alte, tollpatschige Usagi.« Ich beobachtete, wie von ihrer entrüsteten Miene plötzlich nichts mehr übrig war, als meine Miene mit einem Schlag wieder zärtlich wurde. »Und das ist auch gut so.« Natürlich schoss gleich der nächste, etwas anzüglichere Gedanke durch meinen Kopf und ich hatte keine Hemmungen, ihn auch sofort laut auszusprechen. »Soll ich pusten?« Prüfend musterte sie mich skeptisch, als ob sie sich gerade überlegte, ob ich das wirklich ernst gemeint hatte. Na ja, ich konnte es ihr nicht verdenken. Sie kannte mich eben. »Und wie soll das bitte funktionieren bei der Zunge?«, fragte sie mich mit hochgezogener Augenbraue. Wieder musste ich all meine Willenskraft zusammenkratzen, um nicht lauthals loszulachen. Es war einfach schier unglaublich, wie naiv Usagi in ihrem Alter doch noch war. »Also wenn du mich so direkt fragst …« Anscheinend verriet ihr mein typisches Macho-Grinsen, worauf ich mit dieser Anspielung hinauswollte, denn augenblicklich stieg ihr die Schamesröte wieder ins Gesicht. Mit einem kurzen »Geht schon wieder« widmete sie sich wieder etwas zu sehr dem Brötchen in ihrer zarten Hand. Bevor überhaupt ein Schweigen zwischen uns entstehen konnte, schnitt sie bereits ein ganz anderes Thema an. »Sag mal Seiya … Wie kommt es eigentlich, dass du gestern den Text des Liedes beherrscht hast? Ich habe ihn dir schließlich nicht gegeben. Und überhaupt: Seit wann bist du wieder auf der Erde?« Ich nahm gemächlich einen Schluck seines Cappuccinos und stellte die Tasse danach elegant ab. Es war ja auch nur eine Frage der Zeit, bis sie mir diese Fragen stellen würde. »Ja, also das ist so: Ich bin schon vorgestern Abend zurück auf der Erde gelandet. Sofort nach der Ankunft wollte ich mich auf den Weg zu dir machen, doch da stieß ich zufällig auf Minako. Sie hielt mich davon ab, dir gleich an dem Abend einen Besuch abzustatten, denn ihr kam sofort die Iden, dass ich dich ja beim Konzert so überraschen könnte. Im nächsten Moment drückte sie mir schon das Liedblatt in die Hand und ich lernte es dann innerhalb eines Mittags. Es kam mir aber auch gelegen, denn die Ablenkung hatte ich bitter nötig. Es war schon unfassbar schwer, endlich wieder in deiner Nähe zu sein und trotzdem nicht zu dir zu können.« Während ich ihr diese Hintergründe schilderte, beschmierte ich mir mein Brot mit Butter. Usagi nickte nur verständnisvoll. Ihre Miene sagte mir so viel wie: »Da hätte ich eigentlich auch selber darauf kommen können, dass Minako da mal wieder ihre Finger im Spiel hatte.« »Und außerdem habe ich einige Verszeilen verändert, nach meinen eigenen Empfindungen. Ist dir das aufgefallen?« Hungrig biss ich in mein Brot, denn schließlich war das die erste ordentliche Mahlzeit für mich, seit ich auf der Erde gelandet war. Die Verblüffung breitete sich rasant in ihrem Gesicht aus. »Du hast deinen Teil verändert? Nein, das habe ich wirklich nicht bemerkt. In diesem Moment war ich auch viel zu überrascht über dein Erscheinen. Es fiel mir ohnehin schon schwer genug, überhaupt meinen eigenen Text richtig zu singen.« Ich schmunzelte herzerwärmend und konnte über ihre ehrliche Offenheit nur immer wieder staunen. »Ja, dass du überrascht warst, hat man gesehen.« »Ja ja, das hab ich mir fast schon gedacht«, gab sie nur kichernd zurück und aß weiter. »Wie geht es eigentlich Yaten, Taiki und eurer Prinzessin? Wie haben sie es aufgenommen, als sie erfahren haben, dass du gehen willst? Und ist euer Planet inzwischen wieder vollständig aufgebaut?« »Es geht ihnen allen sehr gut. Unser Planet ist vollständig wiederaufgebaut und ist schöner als je zuvor. Da haben wir mit gemeinsamen Kräften wirklich gute Arbeit geleistet. Und na ja, sie waren natürlich schon traurig darüber, als sie erfuhren, dass ich gehen wollte. Aber sie hätten mich sowieso nicht zurückhalten können, also haben sie es akzeptiert. Außerdem war das ja kein Abschied für immer: Ich habe versprochen, dass ich sie sicher sehr bald mal besuchen komme. Und du wirst mich begleiten. Das steht bereits fest.« Verschwörerisch zwinkerte ich ihr zu. »Natürlich werde ich dich dann begleiten! Ich bestehe sogar darauf!« Sie grinste mich abermals breit an. Ich nickte, wenn auch etwas zaghaft. »Vielleicht kommen sie uns ja besuchen. Schließlich haben sie hier auch sehr gute Freunde gefunden und fühlen sich nach wie vor ebenfalls mit der Erde verbunden, auch wenn nicht so intensiv wie ich. Wir verbinden alle sehr schöne, unbezahlbare Erinnerungen mit der Erde.« Mein Herz überschlug sich, als sie mir ein glückseliges Lächeln schenkte. Als ob sie dem Schicksal unendlich dankbar war, dass es unsere Wege gekreuzt hatte. »Da hast du recht.« Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)