Messages From My Heart von Lina_Kudo (Botschaften meines Herzens) ================================================================================ Kapitel 14: Reunion Of Lovers ----------------------------- 14 REUNION OF LOVERS »Endlich bin ich am Ziel meiner Träume angekommen.« Heute würde es soweit sein. Ich würde sie endlich wieder in meine Arme schließen können. Obwohl … Was hieß hier wieder? Ich hatte sie leider noch nie wirklich umarmen dürfen. Doch bevor ich deswegen Trübsal blasen konnte, versuchte ich dem heutigen Abend optimistisch entgegenzusehen, was mir auch mühelos gelang. Dann würde heute halt das erste Mal sein. Umso besser. Vorfreude war doch die schönste Freude – auch wenn ich mir sicher war, dass das in diesem Fall nicht zutraf. Das Gefühl, wenn sie dann wirklich in meinen Armen lag, war bestimmt durch nichts zu toppen. Trotzdem tat dies meiner tollen Vorfreude natürlich keinen Abbruch. Mein Gott – was reimte ich mir da wieder für einen Schwachsinn zusammen?! Ich dachte viel zu viel. Verträumt stellte ich mich vor dem Spiegel des Hotelzimmers und band mir meine sonnenblumengelbe Krawatte um. Wie schon zu vergangenen Zeiten harmonierte sie prächtig mit meinem schwarzen Hemd und der roten Hose. Gott, wie lange war das her, seit ich diesen Anzug das letzte Mal getragen hatte? Ich hatte ihn jedoch neu maßschneidern lassen müssen und dafür ein kleines Vermögen ausgegeben, damit die Schneiderin ihn mir gleich am nächsten Tag fertig übergeben konnte. Erstens hatte ich natürlich keinen blassen Schimmer mehr, wo sich unsere alten Sachen befanden, weil das Haus, das wir damals bewohnt hatten, inzwischen neu bezogen worden war, und zweitens hätte mir das Kostüm sicher nicht mehr gepasst. Seit meinem letzten Aufenthalt hier war ich nämlich noch knappe zwanzig Zentimeter gewachsen dank eines Wachstumsschubs. Zum Glück hatte ich noch Zugang auf unser gemeinsames Konto, das wir damals zu Zeiten von »Three Lights« eröffnet hatten. Darin war noch genügend Geld für mehrere Leben, sodass ich die Rechnung ohne große Mühe begleichen konnte. Selbstbewusst betrachtete ich mich und setzte mein typisches Macho-Grinsen auf. Wenn Usagi nicht sofort auf mich fliegen würde, dann wusste ich auch nicht mehr. Auf den Absatz machte ich kehrt, schnappte mir das rote Sakko und verließ mit schnellen Schritten das Zimmer. Auch wenn mein Auftritt voraussichtlich erst später am Abend stattfinden würde, wollte ich so bald wie möglich dort sein und auf gar keinen Fall das Konzert verpassen. Ich wollte auch als Zuschauer dabei sein und konnte es kaum noch erwarten, mein Schätzchen endlich wiederzusehen. Weit oberhalb der Bühne hatte ich eine perfekte Sicht auf Usagi. Und trotzdem war es unmöglich, dass sie mich entdecken könnte. Stolz klopfte ich mir in Gedanken auf die Schulter, dass ich mir den idealen Platz ausgesucht hatte. »In zehn Sekunden wird sie auf der Bühne erscheinen«, hörte ich die informative Stimme direkt neben mir. Es handelte sich um Hiro Nagari, einem jungen Mann, der für die Lichteffekte zuständig war. Gut, dass ich ihn gleich davon überzeugen konnte, mich hierher mitzunehmen, um eben den besten Blick zu haben. Doch nun gab es keine Zeit mehr, um sich über irgendwelche unwichtigen Sachen Gedanken zu machen. Gespannt starrte ich nach unten und erkannte bereits dunkle Umrisse ihrer zierlichen Gestalt. Mein Herz schlug immer hörbarer gegen meine Brust – ich musste mich zusammenreißen, um nicht sofort auf sie zuzustürmen. Ich war so sehr auf sie fixiert, dass ich den Countdown, den Hiro gerade herunterzählte, gar nicht mitbekam. »5 … 4 … 3 … 2 … 1 … Showtime!« Ein gleißendes, weißes Licht fiel auf Usagi. Ich hatte ursprünglich gedacht, dass ich auf alles gefasst sein würde, aber ihr traumhafter Anblick lehrte mich eines Besseren und es verschlug mir glatt die Sprache. Sie trug ein langes weißes Abendkleid, welches bis zu den Knien sehr figurbetont war, unten etwas weiter auseinanderging und bis zum Boden reichte. Die Träger waren durchsichtig und aus dem gleichen Material wie die zwei spaltenbreiten Stoffe im unteren, breiteren Teil des Kleides, sodass man trotz der Länge beim passenden Winkel die weißen Pumps sehen konnte. Ihre goldenen Haare wurden zu einer etwas aufwendigen Frisur hochgesteckt, die ihr hervorragend stand. Dezentes Make-Up betonte ihr Gesicht: leichtes Puder, roséfarbiger Rouge, schwarze Mascara und goldene Lidschatten passend zu dem goldenen Schmuck, den sie trug. Es handelte sich um eine glänzende Kette mit einem schönen Blumenmuster und weißen kleinen Steinchen. Dazu gab es ein passendes Armband und golden schimmernde Ohrhänger. Ich war wie geblendet von ihrer engelsgleichen Schönheit. Mit einem Mal blendete ich alles um uns herum aus, ohne mir dessen wirklich bewusst zu sein. Die prall gefüllte Zuschauertribüne, unsere überbreit grinsenden Freunde, die in der ersten Reihe saßen, den jungen Mann neben mir und gar die komplette Location. Für diesen ganzen Rest hatte ich keine Augen mehr. Meine gesamte Aufmerksamkeit war einzig und allein auf den Engel unter mir gerichtet. Erst ihre hallende Stimme weckte mich aus meiner Trance. »Es freut mich, dass ihr alle wieder so zahlreich erschienen und mir treu geblieben seid trotz meiner einmonatigen, unangekündigten Pause. Es hat ja ziemlich viel Wirbel um mich in letzter Zeit gegeben, vor allem das unschöne Foto von mir ist dafür ja der Auslöser schlechthin gewesen. Ich kann dazu nur sagen, dass ich wirklich in einer persönlichen privaten Krise gesteckt habe. Es ist nicht der Druck oder der Stress des Musikbusiness gewesen, denn damit komme ich trotz meiner jungen siebzehn Jahre eigentlich ganz gut klar. Das sollte jetzt nicht eingebildet klingen; ihr sollt nur wissen: Ich fühle mich wirklich stark genug für dieses Geschäft. Also braucht ihr euch darüber wirklich keine Sorgen zu machen. Der wahre Grund für meinen Absturz liegt in meiner privaten Gefühlswelt. Näher möchte ich darauf nicht eingehen. Ich habe auch dieses Konzert in Erwägung gezogen, um mit meinen privaten Problemen hiermit endlich abzuschließen. Ich hoffe, ihr helft mir wieder tatkräftig dabei, wie ihr es bisher immer getan habt.« Nicht gerade sanft biss ich mir auf die Lippen, als mein schlechtes Gewissen, wie schon so oft in letzter Zeit, drohte, mich bestialisch aufzufressen. Bevor ich jedoch in dieses Loch meines selbst geschaffenen Selbstmitleids versinken konnte, hörte ich ihr weiter zu, wie sie etwas ankündigte. »Den ersten Song dieses Abends habe ich während dieser schwierigen Phase geschrieben. Dementsprechend ist sie auch mit viel Traurigkeit und Aussichtslosigkeit verbunden. Und im Gegensatz zu meinen anderen Liedern trägt dieses Lied keinerlei Hoffnung. ›I Have Nobody …‹« Gleich darauf ertönte das relativ schnelle Pianovorstück, gespielt von Takumi Tomoya. »An dem Tag, als du mich verlassen hast hast du auch mein mit Trauer überfülltes Herz mitgenommen. Hast unsere gemeinsame Vergangenheit, unsere Liebe und mich zurückgelassen. Und das wohl für immer … Hast mich hier in dieser einsamen Gegend allein zurückgelassen. Ich habe niemanden, der mich liebt und der sich um mich sorgt. Ich bin ganz auf mich allein gestellt, denn du, mein einziger Lebensinhalt, hast mich verlassen. Ich bin ganz alleine … Tränen der Liebe treten aus meinen Augen. Wir werden uns nie wieder so lieben wie früher …« ~ Wir werden uns nie wieder so lieben wie früher … ~ (Background) »Aber da ich für die Liebe lebe, so bin ich auch bereit, für die Liebe zu sterben …« ~ Ich lebe nur für die Liebe, aber ich habe meine Liebe verloren … ~ (Background) »Wenn das Herz vor unbändiger Sehnsucht nach der Liebe hemmungslos schreit, so gibt es keine Hoffnung mehr …« ~ So gibt es keine Hoffnung mehr … ~ (Background) »Mein Herz wird zergehen … Es wird vor Sehnsucht irgendwann sterben … Ich sitze immer noch alleine hier und warte immer noch auf deine Liebe. Es ist mir dabei egal, dass die Liebe inzwischen bitter oder sauer geworden ist … Aber es gibt keine Hoffnung mehr … Mein Herz wird irgendwann daran sterben …« ~ Es gibt keine Hoffnung mehr – Mein Herz wird irgendwann daran sterben … ~ (Background) »Die Liebe, die du mir damals geschenkt hast … Wo ist sie geblieben? Wo ist sie jetzt? Wohin hast du sie gebracht? Warte und hoffe vergebens, dass sie zurückkehrt … Tränen der Liebe treten aus meinen Augen. Wir werden uns nie wieder so lieben wie früher …« ~ Wir werden uns nie wieder so lieben wie früher … ~ (Background) »Aber da ich für die Liebe lebe, so bin ich auch bereit, für die Liebe zu sterben …« ~ Ich lebe nur für die Liebe, aber ich habe meine Liebe verloren … ~ (Background) »Wenn das Herz vor unbändiger Sehnsucht nach der Liebe hemmungslos schreit, so gibt es keine Hoffnung mehr …« ~ So gibt es keine Hoffnung mehr … ~ (Background) »Dein Herz wird zergehen … Es wird vor Sehnsucht irgendwann sterben … Ich sitze immer noch alleine hier und warte immer noch auf deine Liebe. Es ist mir dabei egal, dass die Liebe inzwischen bitter oder sauer geworden ist … Aber es gibt keine Hoffnung mehr … Mein Herz wird irgendwann daran sterben …« ~ Es gibt keine Hoffnung mehr – Mein Herz wird irgendwann daran sterben … ~ (Background) »Wenn das Herz vor unbändiger Sehnsucht nach der Liebe hemmungslos schreit, so gibt es keine Hoffnung mehr …« ~ So gibt es keine Hoffnung mehr … ~ (Background) »Es ist mir dabei egal, dass die Liebe inzwischen bitter oder sauer geworden ist … Aber es gibt keine Hoffnung mehr – Mein Herz wird irgendwann daran sterben …« ~ Es gibt keine Hoffnung mehr … Mein Herz wird irgendwann daran sterben … ~ (Background) Gequält wandte ich mich ab. Ich konnte und durfte sie nicht mehr weiter beobachten – denn dann würde ich wirklich für gar nichts garantieren können. Vor allem, dass sie mitten während des Liedes begonnen hatte, stumme Tränen zu weinen, war nicht gerade sehr hilfreich für meine Selbstbeherrschung. Vielmehr eine gigantische Herausforderung, die fast nicht zu bewältigen war. Der einzige Grund, warum ich es bisher geschafft hatte, mich zurückzuhalten und mich nicht gleich auf sie zu stürzen, war der Gedanke, dass ich es nur für sie tat. Ich wollte sie später in »Tragical Lovestory« richtig überraschen und hoffte nach wie vor sehr, dass mir das auch gelingen würde. Verschwommen nahm ich nebenbei war, wie das Publikum sie begeistert mit Standing Ovations und einem Sturm aneinander geklatschter Hände feierte. Mit einem tapferen Lächeln fuhr sie gleich im Anschluss mit anderen Liedern fort, bis sie in der späten Nacht endlich zum letzten Lied kam. Der große Abschluss stand uns nun unmittelbar bevor. »Das Konzert neigt sich langsam aber sicher dem Ende zu. Den letzten Song habe ich ebenfalls in den schwärzesten Tagen meines Lebens geschrieben, aber im Gegensatz zu ›I Have Nobody‹ ist er nicht so schwarz geprägt. Jedenfalls nicht in dem Sinne. Es beruht auf einer wahren Liebesgeschichte. Einer tragischen Liebesgeschichte, die bis zum Schluss kein Happy End gefunden hat.« Mein Auftritt! Geschickt kletterte ich unbemerkt runter und versteckte mich hinter einem großen, nachtblauen Vorhang. Mein Herz machte wieder zahllose Sätze. Angestrengt versuchte ich, es zu ignorieren. Denn mich gegen die beschleunigten Schläge zu wehren wäre damit vergleichbar gewesen, mich gegen das Atmen selbst zu wehren: Ein sicherer Misserfolg. Nervös hielt ich mein Mikrofon umklammert, den ich mir schon am Anfang des Konzerts geschnappt habe, und war schon ganz hibbelig. Das Lampenfieber kam aber nicht daher, weil ich vor dem eigentlichen Auftritt aufgeregt war. Ich war inzwischen schließlich fast schon ein alter Hase in diesem Geschäft und Lampenfieber in dem Sinne kannte ich gar nicht mehr, auch wenn mein letzter Auftritt schon ein Weilchen her war. Ich war so angespannt, weil ich jetzt gleich wirklich tatsächlich Usagi gegenüberstehen würde. Wie würde sie wohl reagieren, wen sie mich sah? Bevor ich mir alle möglichen Szenarien ausmalen konnte, erklang die glanzvolle Melodie, die mich dazu verleitete, gleich meine Augen zu schließen und die Musik auf mich einwirken zu lassen. Wortlos stimmte ich mich dadurch auf meinen großen Auftritt ein. Der Klang war wirklich wunderschön und lud augenblicklich zum Träumen ein. Es hatte etwas Beruhigendes an sich, was ich gerade ganz dringend brauchte. »Es war plötzlich und unvorhersehbar, als du in mein Leben tratst … Es war alles so banal, unscheinbar und schien so alltäglich zu sein … Und obwohl wir schnell wieder auseinandergegangen waren, hatte uns das Schicksal sehr bald wieder zusammengeführt.« Ich hörte, wie das Publikum kurz aufkreischte. Stirnrunzelnd hoffte ich sehr, dass es damit auch gewesen war, denn ich wollte weiter allein ihrer Stimme lauschen. Obwohl – jetzt war ich ja dran. Es kam mir vor, als würde mein Herz nun wirklich aus meiner Brust springen, als ich ein letztes Mal tief nach Luft schnappte, elegant hinaustrat und mir das Mikrofon leicht vor die Lippen hielt – stets bemüht, mir ja nichts anmerken zu lassen. »Und doch merkte ich sofort, dass zwischen uns etwas ganz Besonderes war … Zunächst war es Sympathie. Wir wurden sehr schnell, ohne es selbst zu bemerken, beste Freunde … Doch meine Empfindungen entwickelten sich schon bald zu einem sehr viel stärkeren Gefühl …« Diesmal hörte ich den tosenden Beifall der Zuschauer nicht, obwohl er noch lauter war als bei Usagi vorhin. Alle meine Sinne hatten sich allein für sie aufgespart. Daher erkannte ich deutlich, wie sie erstarrte, auch wenn sie noch mit dem Rücken zu mir stand. Ob sie meine Stimme gleich erkannt hatte? Im nächsten Moment drehte sie sich zu mir um und riss schockiert ihre Augen auf, als sich unsere Blicke trafen. Endlich … Ich sah ihr deutlich an, wie sie sich gerade noch am Riemen reißen konnte, um nicht ihren Einsatz zu verpassen. Doch sie starrte mich weiter gebannt an, während ihre glänzenden Lippen, die gefährlich zum Küssen verführten, den Text weitersangen. »Es war augenblicklich tiefe Sympathie, doch mehr ließ ich nicht zu. Mehr durfte ich nicht zulassen, denn mein Herz … sollte einem anderen Mann gehören … So hatte das ursprüngliche Schicksal über mich entschieden …« Wie sie mich mit ihren riesigen Kulleraugen mit einer Mischung aus Ehrfurcht, Angst, Ungläubigkeit und Faszination ansah … Herrje, war mein Beschützerinstinkt schon immer so gewaltig gewesen? So enorm hatte ich ihn gar nicht mehr in Erinnerung gehabt. Sie war so unfassbar schön. Einfach perfekt. Viel zu perfekt für diese Welt. Zu perfekt für meine Welt. Aufmunternd zauberte ich ein sanftes Lächeln auf meine Lippen und strahlte sie liebevoll an. Dabei ging ich Schritt für Schritt auf sie zu und hoffte inständig, dass sie nicht zurücktreten würde. Doch sie bewegte sich nicht. Keinen Millimeter. Ich glaubte, in ihren Augen ein tief verborgenes Gefühl aufblitzen zu sehen. Sehnsucht? Wie sehr mir doch diese warme Ausstrahlung gefehlt hatte. Wie sehr ich mich nach diesen Augen verzehrt hatte, in denen ich in diesem Moment – so unglaublich das auch schien - unendliche Liebe herauslesen konnte. Wie sehr ich sie vermisst hatte. Es war nicht in Worte zu beschreiben. Kein Wort dieser Welt konnte ausdrücken, was in dieser Sekunde in mir vorging. Langsam führte ich das Mikrofon wieder zu meinen Lippen, während ich weiterging. »Ich wusste davon. Ich wusste von dem Schicksal mit dir und dem anderen Mann. Und doch konnte ich mich gegen meine aufsteigenden Gefühle nicht wehren. Ich habe mir keine Hoffnungen gemacht, denn mir war bewusst, dass es aussichtslos war.« Inzwischen war ich endlich bei ihr angekommen. Ehrlich gesagt war ich megaerleichtert, dass ich das gepackt hatte und meine Beine mich nicht im Stich gelassen hatten, weil sie sich wirklich bedenklich weich anfühlten – vor allem der Bereich um die Knie herum. Sie war wirklich klein. Trotz hoher Schuhe war ich immer noch mindestens eineinhalb Köpfe größer als sie. Ich war eben gewachsen. Doch ihre Größe störte mich in keinster Weise. Im Gegenteil: Auf mich wirkte sie noch … anziehender. Mein Drang, sie zu beschützen, wuchs damit weiter ins Unermessliche. Mein Lächeln formte sich zu dem typischen Seiya-Grinsen, als ich ihr meine Hand anbot. Wie es zu erwarten war schien sie das zu imponieren. Etwas verlegen legte sie zaghaft ihre zarte Hand in meine. Einen Wimpernschlag lang durchzuckte mich ein angenehmer Blitz, als ich ihre Haut berührte. Ich war mir sicher, dass sie diese knisternde Spannung zwischen uns ebenfalls spürte. Dies verriet mir ihr verblüffter Gesichtsausdruck. Ganz automatisch verschränkten sich unsere Finger ineinander, als hätten sie nur auf diesen Moment gewartet. Was für unglaublich weiche Haut sie doch hatte … Wir verstanden uns auch ohne viele Worte. Das hatten wir schon immer getan, ohne uns das wirklich bewusst zu sein. Und dann geschah es. Etwas, wofür ich zweifelsohne mein Leben hergegeben hätte. Etwas, wofür ich lebte. Etwas, was mir erst den Sinn gab, überhaupt zu leben: Ihr Lächeln, dass sich vorsichtig über ihre wohlgeformten Lippen legte. Ein Lächeln voller Glückseligkeit und Liebe. Und das Allerschönste: Dieses Lächeln galt mir. Mir ganz allein. Ein aufregendes Glücksgefühl durchströmte mich siedend heiß, wie ich es noch nie zuvor erlebt hatte. Ich konnte mich jedoch nicht fallen lassen. Noch nicht. Wir hatten nämlich noch einen Song zu Ende zu singen, dessen gemeinsamer Refrain auch schon folgte. »Und so geschah es: Wir hatten uns ineinander verliebt. Und doch wussten wir beide, dass diese Liebe keine Zukunft haben konnte. Nicht haben durfte. Und doch konnten wir uns auf Dauer nicht gegen unsere Gefühle wehren. Tief in unserem Inneren war die unbändige Liebe da, doch sie durfte nicht aufblühen. Sie durfte nicht wachsen. Sie durfte nicht gedeihen. Unsere Liebe hatte keinen Bestand …« Während wir sangen, sahen wir uns mit unzähmbarer Leidenschaft tief in die Augen. Die Unsicherheit war längst im Keim erstickt. Meine altbewährte Coolness kam zurück und ich genoss es wieder richtig, auf der Bühne zu stehen. Und mit ihr zu singen; das war einfach … unbeschreiblich. Es fühlte sich an, als hätten wir nie etwas anderes gemacht. Unsere Stimmen ergänzten sich perfekt. Mit ihr zu singen … daran könnte ich mich glatt gewöhnen. »Und dann warst du gegangen, hattest mich verlassen. Denn auch du musstest eine wichtige Aufgabe erfüllen. Doch zuvor hattest du mir noch deine wahren Gefühle offenbart. Aber ich hatte es nicht gekonnt, viel zu spät gestand ich sie mir ein …« Ich brachte so viel Gefühl und Leidenschaft in dieses Lied hinein, und sie tat es ebenfalls. Doch so eine große Herausforderung war das gar nicht, denn das Lied selbst gab unsere Gefühle und Gedanken originalgetreu wieder. »Ja, ich verließ dich, weil ich eine wichtige Aufgabe zu erfüllen hatte. Und ich wollte dich auch hinter mir lassen, dich vergessen … Denn ich konnte es nicht ertragen, dich mit dem anderen Mann zu sehen … Doch ich konnte dich nicht vergessen …« Ob es ihr auffiel, dass ich ihren ursprünglichen Text leicht abgeändert hatte nach meinen wahren Gedanken? Aber selbst wenn: Das war doch völlig unwichtig, solange sie es mir nicht übel nahm oder Beschwerde einlegte. »Ich vermisste dich … so unendlich … Ich bereute es zutiefst, mir erst nach deinem Weggang endlich meine wahren Gefühle eingestanden zu haben. Denn du warst weg, und ich wusste nicht, wo du warst. Mein Herz schrie vor Sehnsucht nach dir, doch du hörtest mich nicht …« »Doch, ich hörte dich … Doch ich versuchte, deine Hilferufe zu ignorieren. Wollte mich nicht mehr in dein Leben drängen. Wollte deine Zukunft nicht gefährden. Wollte dich glücklich sehen, und mit mir würdest du nicht glücklich werden … So glaubte ich zumindest.« Erneut erklangen unsere beiden Stimmen in perfekter Harmonie zueinander und erfüllten die gigantische Halle mit Liebe und Freude. Jeder sollte an unserem Glück teilhaben. Ich hatte das Gefühl eines solchen Überschusses, dass ich ihn am liebsten himmelhochjauchzend rausgeschrien hätte. »Und so geschah es: Wir hatten uns ineinander verliebt. Und doch wussten wir beide, dass diese Liebe keine Zukunft haben konnte. Nicht haben durfte. Und doch konnten wir uns auf Dauer nicht gegen unsere Gefühle wehren. Tief in unserem Inneren war die unbändige Liebe da, doch sie durfte nicht aufblühen. Sie durfte nicht wachsen. Sie durfte nicht gedeihen. Unsere Liebe hatte keinen Bestand …« Und ein weiteres Mal erklang der Refrain synchron aus unseren Lippen, bis es fließend zur letzten Strophe überging. »Wie soll es nun mit uns weitergehen? Werden wir endlich wieder zueinanderfinden? Werden wir endlich zusammen glücklich werden dürfen? Das Schicksal wird es entscheiden …« Auch nachdem der letzte Ton längst abgeklungen war, starrten wir uns immer noch tief in die schimmernden Augen und bekamen den ungehemmten Applaus überhaupt nicht wahr. Unsere Hände waren immer noch ineinander verschränkt. Es war, als wäre die Zeit stehen geblieben und wir in einer Welt gelandet waren, wo nur wir beide existierten. Allerhöchste Zeit, endlich mal den Mund aufzumachen und sie richtig zu begrüßen, oder? Als Mann war es für mich klar, dass ich diesen Part übernehmen musste. Und das tat ich nur zu gern. Auf ein einfaches »Hallo« würde ich natürlich nicht zugreifen – wie langweilig und unkreativ wäre das denn bitte gewesen? Ich legte meinen Kopf schief und schenkte ihr mein schönstes Lächeln. »Du bist noch viel schöner als ich dich in Erinnerung hatte, Schätzchen«, wisperte ich, nachdem ich mich leicht zu ihr heruntergebeugt hatte. Es war mir egal, wie schleimig oder schnulzig das war – aber es entsprach der Wahrheit, und nur das zählte. Mit einer Spur von Genugtuung sah ich ihr genau an, wie sie merklich beim Wörtchen »Schätzchen« erschauderte. Wahrscheinlich gab es wohl sonst niemanden, der sie so nannte. Wäre ja noch schöner. »Seiya«, flüsterte sie kaum hörbar, doch ich verstand es trotzdem. Meine Coolness bekam einen leichten Dämpfer, als sich ihre Augen in Sekundenschnelle mit Tränen füllten und sie mit einem Mal wie Sturzbäche ihre Wangen hinunterflossen. Sofort breitete ich einladend meine Arme aus, um sie und ihre Emotionen aufzufangen. Sie hatte genug gelitten. Wir hatten genug gelitten. Länger als nötig, was allein auf mein Schuldenkonto ging. Doch ich würde es wiedergutmachen. Und wenn es das Letzte sein würde, was ich tat. Diese Zeit des Kummers war von nun an vorbei. Usagi zögerte keinen Augenblick, sich sofort mit ordentlicher Wucht an meine Brust zu schmeißen. Bereitwillig legte ich sofort meine Arme um sie. Endlich. Endlich waren wir am Ziel angelangt. Und ich hatte mich nicht geirrt: Dieses Gefühl, sie zum ersten Mal in meinen Leben in den Armen zu halten, war überwältigender als alles, was ich bisher erlebt hatte. Ich spürte, wie sich mein Herz aus dem tiefen schwarzen Loch in die Freiheit kämpfte. Wie es ihr spielend leicht gelang, mein Herz aus dem Loch herauszuholen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)