Messages From My Heart von Lina_Kudo (Botschaften meines Herzens) ================================================================================ Kapitel 8: Slow Death --------------------- 8 SLOW DEATH »Ich sterbe. Jeden Tag ein Stückchen mehr.« Ich spürte etwas um meinen Körper. Etwas Weiches. Und Warmes. Fühlte sich so der Tod an? Man sagte ja immer, dass man sich dann ziemlich leicht und unbeschwert fühlte. Einfach wohl. Also möglich, dass ich inzwischen über den Jordan gegangen war. Als ich versuchte, mich zu bewegen, durchzuckte ein unangenehmes Ziehen meinen gesamten Körper. Mit einem Mal spürte ich jeden einzelnen Muskel, den ich hatte. Sie schmerzten nicht unbedingt, fühlten sich aber unangenehm an. Okay, dafür, dass ich tot sein sollte, empfand ich viel zu viel. »Fighter, bist du wach?« Okay, ich war definitiv nicht tot. Denn die Prinzessin war es ganz bestimmt nicht – hoffte ich zumindest. Sofort schlug ich meine Augen auf, als ich ihre Stimme hörte und sah aus den Augenwinkeln ihre feuerroten Haare, die überall ein Blickfang waren. Sie wachte neben meinem Bett und hatte anscheinend nur darauf gewartet, bis ich endlich wieder das Bewusstsein erlangen würde. Langsam drehte ich mich zu ihr um. »Prinzessin …« »Hast du noch Schmerzen?«, fragte sie mich mit besorgter Stimme, die sich auch in ihren Augen in aller Deutlichkeit widerspiegelte. Wahrheitsgemäß verneinte ich ihre Frage mit einem leichten Kopfschütteln. Bestimmt hatte sie ihre Kräfte eingesetzt, um mich zu heilen. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie ich sonst überhaupt noch am Leben sein konnte nach dem Zustand, in dem ich mich letztens noch befunden hatte. Ja, letztens. Eine genauere Zeitangabe konnte ich nicht machen, weil ich nicht den geringsten Dunst hatte, wie lange ich nicht bei Bewusstsein gewesen war. Ich brauchte ihr die Frage aber gar nicht erst zu stellen, weil sie sie mir von sich aus beantwortete. Wahrscheinlich stand mir diese Frage ins Gesicht geschrieben, sodass sie sie nur abzulesen brauchte. »Du hast drei Tage lang nur geschlafen. Wir haben uns große Sorgen um dich gemacht. Ich wäre fast gestorben vor Sorge, als wir dich im Bad entdeckt haben. Dein Herz hat bereits aufgehört zu schlagen, aber zum Glück war es noch nicht zu spät. Ich konnte dich gerade noch rechtzeitig zurückholen.« Wow, ich war also tatsächlich schon tot gewesen. In diesem Moment konnte ich wirklich nicht sagen, ob ich der Prinzessin dafür dankbar sein sollte, dass sie mich wieder in die Welt der Lebenden befördert hatte. Vielleicht wäre es ganz gut gewesen, wenn ich tot geblieben wäre. Dann wäre endlich alles schnell zu Ende gewesen. Stattdessen musste ich nun doch quälend langsam den Löffel abgeben, indem ich lebte. »Es tut mir leid, dass ich Euch Sorgen bereitet habe«, entschuldigte ich mich betreten. Mehr konnte ich dazu nicht sagen. Ich hatte nicht das Bedürfnis danach, mein Verhalten zu rechtfertigen. Wie sollte ich ihr denn bitte auch erklären, dass ich ein Adrenalin-Junkie geworden war und den Kick durch das Gekloppe einfach brauchte, um ein Gefühl von Freiheit verspüren zu können? Sie würde mich doch komplett für irre halten. Sie würde das niemals nachvollziehen können, denn dafür war sie viel zu sanftmütig und verabscheute Gewalt zutiefst. Da waren sie sich vom Wesen so ähnlich; sie und Usagi. Prinzessin Kakyuu schwieg. Es sah so aus, als würde sie nach den richtigen Worten suchen. In diese Zeit entstand auch ein unangenehmes Schweigen zwischen uns. Irgendetwas lag in der Luft, doch keiner konnte seine wahren Gefühle und Absichten aussprechen. Unsere Hemmschwelle erschien mir größer als jemals zuvor. Früher hatte ich mit ihr über alles reden können – hatte sie mehr als Freundin statt als Prinzessin betrachtet. Seit ich auf der Erde gewesen war, war unser Verhältnis viel distanzierter und kühler geworden. Diese Tatsache wurde mir in diesem Moment wieder vor Augen geführt. Die Stille fand ein jähes Ende, als Healer dicht gefolgt von Maker ins Zimmer reingestürzt kam. Sie sahen ziemlich erschöpft aus – die ganze Situation machte ihnen offensichtlich auch ziemlich zu schaffen. Ein schlechtes Gewissen überkam mich reumütig. Als ob es nicht schon genug war, dass ich mich selbst ins Verderben stürzte. Warum musste ich unbedingt meine engsten Verbündeten in diese Sache mitreinziehen? Was war ich doch nur für ein Egoist. »Seiya, endlich bist du wach! Du hast wirklich nichts als Scheiße im Kopf, oder? Wir wären fast umgekommen vor Sorge!« Ich kniff mir die Augen zu bei der schrillen Stimme, obwohl meine Ohren den Schutz nötiger gehabt hätten. Prinzessin Kakyuu erhob sich in diesem Moment und sah mich mit einem ernsten Ausdruck an. »Wenn du dich erholt hast, würde ich gerne mit dir sprechen.« Es klang wie eine Bitte, doch ich wusste, dass es ein Befehl war, dem ich mich zu beugen hatte. Wenn sie in so einem resoluten Tonfall sprach, musste das etwas sehr Ernstes sein. Mir blieb also gar nichts anderes übrig, als ihr nicht zu gehorchen. Zaghaft nickte ich daher. »Ja wohl. Ich komme, sobald ich kann.« Von Ruhe konnte allerdings dennoch nicht die Rede sein, denn als Kakyuu das Zimmer verließ, ertönte abermals Healers scharfe Stimme, die den gesamten Raum erfüllte. »Das kann doch echt nicht wahr sein! Wenn du mal nicht kämpfen musst, trainierst du bis zum Umfallen. Jetzt ist es sogar so weit gekommen, dass du fast gestorben bist – wann siehst du endlich ein, was du damit anrichtest? Was du uns damit antust? Es ist ja schön und gut, dass du dich nun nicht mehr die ganze Zeit in deinem Zimmer verkriechst, aber du treibst es langsam echt auf die Spitze. Kannst du denn nichts anderes mehr als uns Sorgen zu bereiten? Macht dir das vielleicht sogar Spaß? Tust du das mit Absicht? Ich kann es mir langsam nicht mehr anders erklären!« Alles, was ich hörte, waren schwere Vorwürfe. Healer schleuderte wie gewöhnlich alles raus, was ihr in den Sinn kam. Und zugegebenermaßen konnte ich sie gut verstehen. An ihrer Stelle würde ich mich wohl nicht anders verhalten, denn auch mir mangelte es bekanntlich nicht an feurigem Temperament. Ich wusste ja, wie sie das meinte. Sie konnte ihre grenzenlose Sorge eben nur auf diese unsensible Weise zeigen. »Kommt nicht wieder vor. Könntet ihr bitte gehen? Ich würde mich gerne ausruhen.« Ich sah, wie Healer wieder ansetzen wollte, jedoch von Maker aufgehalten wurde. »Ist in Ordnung. Sag einfach, wenn du etwas brauchst.« Nach diesen Worten schob sie die lautstark protestierende Healer aus meinem Zimmer raus. »Lass mich; er hat eine Abreibung verdient!« Ich konnte nur grinsend den Kopf schütteln, bevor ich nachdenklich meine Augen schloss. Diesmal war ich wirklich haarscharf dem Tode entronnen. Es wäre wirklich vorbei gewesen, wenn Kakyuu nicht rechtzeitig gekommen wäre. Ich konnte das noch gar nicht so recht begreifen. Nun war ich bereits in dem Stadium, dass ich den Tod mit Freude begrüßen konnte. So gleichgültig war mir das Leben nun schon. Nicht zu fassen, was die Liebe in mir kaputtmachte. »Schön, dass du dich soweit erholt hast, dass du dich wieder bewegen kannst«, stellte die Prinzessin mit einem warmen Lächeln fest, als ich in ihren Saal eintrat. »Danke, dass Ihr mir das Leben gerettet habt«, begann ich etwas verlegen und sah dabei zur Seite. Ich konnte wirklich nicht sagen, ob ich das ernst meinte oder nicht. Ich hätte wirklich nichts dagegen gehabt, wenn sie mich hätte abkratzen lassen. Wahrscheinlich bedankte ich mich nur wegen meines wohlerzogenen Anstandes. Ja, das würde es wohl sein. Irgendwie fühlte ich mich ziemlich unwohl in ihrer Gegenwart. Sie hatte mich schließlich herbestellt – bestimmt wollte sie noch wegen meiner lebensgefährlichen Verletzungen ein ernstes Wörtchen mit mir sprechen. Oh je, das konnte noch heiter werden. »Möchtest du mir nicht endlich verraten, was dich belastet, Fighter?« Erstaunt blickte ich auf. Also schlug sie sogar den direkten Weg ein, was für sie wirklich nicht üblich war. Angestrengt überlegte ich, wie ich aus dieser Nummer wieder herauskommen konnte. »Ich verspreche Euch, dass es nicht mehr vorkommen wird. Ich war wirklich zu leichtsinnig. Ich habe Euch schließlich geschworen, Euch für immer mit Einsatz meines Lebens zu beschützen. Und mein Wort werde ich auch halten, verlasst euch darauf. Deshalb werde ich mein Leben garantiert nicht so leichtfertig wegschmeißen.« Kakyuu sah mich mit undurchdringlicher Miene an. Lange Zeit schwieg sie nur, was mich immer nervöser werden ließ. Was dachte sie wohl? Was wollte sie mir sagen? Unbewusst runzelte ich fragend meine Stirn vor steigender Anspannung. Ihre Stimme klang belegt, als sie erneut das Wort ergriff. »Was würde ich alles tun, um in dein Inneres blicken zu können.« Meine Pupillen weiteten sich kaum merklich. »P- Prinzessin«, hauchte ich leise. Herrje – warum war ich jetzt plötzlich so heiser geworden? Seufzend schloss sie ihre roten Rubine. »Du kannst jetzt gehen.« Wahrscheinlich war sie sich im Klaren, dass sie nichts aus mir herauskitzeln konnte. Mit ihr konnte ich einfach nicht darüber reden. Ich konnte mich ihr nicht mehr so anvertrauen so wie früher. Es ging einfach nicht mehr. Ich hätte mich nicht besser gefühlt, wenn ich ihr meine intimsten Gedanken geschildert hätte. Andererseits fühlte ich mich aber so auch nicht besser. Ich würde mich nie wieder richtig gut fühlen können. Diese Erkenntnis hatte ich doch schon lange getroffen – warum nahm sie mich gerade jetzt doch wieder so mit? Ich atmete tief aus, als ich endlich den Raum verlassen hatte. Traurig warf ich meinen Kopf zurück und starrte zur gelbgoldenen Decke des Korridors. Dann würde ich eben auf diesem Wege immer weiter sterben. Jeden Tag ein Stückchen mehr. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)