Messages From My Heart von Lina_Kudo (Botschaften meines Herzens) ================================================================================ Kapitel 6: The First Message ---------------------------- 6 THE FIRST MESSAGE »Kann das wirklich sein, dass ich nicht träume?« Nun war Schluss mit lustig. Es durfte nicht so weitergehen. Schon seit Tagen jagte mich dieses Lied und dachte offensichtlich gar nicht daran, von mir abzulassen. Ich war wirklich kurz davor, mich selbst zu verlieren in diesem Strudel aus Versen. Ich musste endlich mit Usagi abschließen. Je schneller, desto gesünder für mich und mein Umfeld. Sonst würde mein Verstand sicherlich einen bleibenden Schaden davontragen, und das konnte ich nicht riskieren. Nicht mehr. Wie in Trance las ich mir den Brief durch, den ich vorhin geschrieben hatte. Ein Brief, der meine tiefsten Gedanken beinhaltete. Mein Schätzchen würde ihn niemals zu Gesicht bekommen. Meine liebste Usagi, nun hast du mich sogar schon dazu gebracht, dir einen Brief zu schreiben. Ich dachte, dass es bereits der Gipfel war, dass ich dir ein Lied gewidmet habe. Aber nein: Es kommt noch härter. Eigentlich war ich nie der Typ gewesen, der irgendwelche Schriftstücke verfasst. Ich war immer ein Mann der Taten gewesen und habe mich mündlich besser ausdrücken können. Jemand, der lieber selbst alles angepackt hat statt sich hinter irgendwelchen Worten oder Papieren zu verstecken. Doch du hast es tatsächlich geschafft, mich dazu zu bringen, jetzt hier an meinem Schreibtisch zu sitzen und dir einen Brief zu schreiben. Was machst du bloß mit mir? Du hast mich schon vom ersten Moment an verzaubert mit deiner Ausstrahlung. Ein einziger Blick deiner wunderschönen Augen hat ausgereicht, um dir mit Haut und Haaren zu verfallen. Kannst du mir verraten, wie du das angestellt hast? Schon lange stelle ich mir immer und immer wieder diese Frage, finde jedoch keine plausible Antwort darauf. Mein Herz kennt die Antwort, kann sie jedoch nicht richtig in weltliche Worte verpacken. Denn keine Worte dieser Welt können es schaffen, meine Gefühle für dich zu beschreiben. Das ist ein Ding der Unmöglichkeit. Genauso unmöglich, alle Sterne dieses Weltalls mit bloßem Auge abzuzählen. Deswegen gebe ich mir gar nicht erst die Mühe, auf die ewige Suche nach den richtigen Worten zu gehen. Daher nur drei simple Worte, die doch so viel aussagen: Ich liebe dich. Ich liebe dich schon, seit ich dich das erste Mal gesehen habe. Von Anfang an habe ich mich zu dir hingezogen gefühlt. Du hast mir überhaupt keine andere Wahl gelassen, als mich in dich zu vergucken. Es ist nun schon über ein Jahr her, seit ich dir den Rücken gekehrt habe, um nach Euphe zurückzukehren. Und seitdem ist keine einzige Minute vergangen, an dem ich nicht an dich gedacht habe. Nicht einmal im Schlaf verschonst du mich. Sowohl in meinen Tagträumen als auch in meinen Nachträumen spielst du die allgegenwärtige Hauptrolle. Wie du eben auch in meinem richtigen Leben die zentrale Figur bist. Ob du wohl wenigstens ab und zu auch an mich denkst? Ich weiß, dass ich niemals die Rolle in deinem Leben spielen werde wie du in meinem. Es steht mir eigentlich gar nicht zu, dich das zu fragen. Ich hoffe, dass es wenigstens dir gut geht. Dass wenigstens du glücklich bist. Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass es mir so schwerfallen würde, dich loszulassen. Natürlich hat der Abschied und zu wissen, dass ich nicht mehr ständig bei dir sein kann, geschmerzt. Und doch habe ich mich mit dem Gedanken getröstet, dass wenigstens du glücklich sein müsstest. Habe versucht, mir das immer einzureden und dich irgendwann endlich hinter mir zu lassen. Doch Pustekuchen: Da habe ich die Rechnung ohne mein uneinsichtiges Herz gemacht. Jetzt geht es sogar schon los, dass ich ständig deine Stimme höre. Nun habe ich doch tatsächlich schon Halluzinationen davon, dass du für mich dieses eine Lied singst. Noch nie zuvor hatte ich so einen schlimmen und hartnäckigen Ohrwurm gehabt. Nicht falsch verstehen: Das Lied ist wunderschön, aber während es mich zart streichelt, peitscht es mich auch gnadenlos aus. Ich ertrage es kaum noch, deine Stimme zu hören mit dem Wissen, dass das niemals wahr sein kann. Dass ich mir das alles nur einbilde. Dass du diesen Text niemals für mich singen würdest. Und das ist für mich das klare Zeichen, dass ich nun damit aufhören muss. Ich muss anfangen, dich wirklich loszulassen. Sonst verliere ich irgendwann den Verstand, und ich denke, das ist auch nicht in deinem Sinne, habe ich recht? Ich darf nicht nur an mich denken. Ich habe Verpflichtungen. Freunde. Meine Prinzessin. Sie alle brauchen mich. Ich muss für sie da sein. Und um das zuverlässig tun zu können, muss ich mich endgültig von dir losreißen. Dann wird hoffentlich auch dieser Ohrwurm endlich ein Ende haben. Ich vermisse dich. Ich vermisse dich so sehr, Schätzchen. Genug, um zu sterben. Doch mein Pflichtbewusstsein verbietet es mir, jetzt schon draufzugehen. Bitte gib mir auch die Chance, wenigstens … zufrieden zu sein. Ich erwarte gar nicht, glücklich zu werden, denn von diesem Gedanken habe ich mich schon längst verabschiedet. Wirklich glücklich könnte ich nur an deiner Seite als dein Mann werden. Es reicht mir, ein solides Leben zu führen. Mehr brauche ich nicht. Ich habe mich bereits damit abgefunden. Mit diesem Brief erlaube ich mir nun, mit dir abzuschließen. Zwar werde ich es nie schaffen, dich komplett zu vergessen, aber ich werde zusehen, nun wirklich anzufangen, ohne dich zu leben. Wahrhaftig zu leben. »Hörst du mich Seiya? Ich bin‘s, Usagi …« Entsetzt ließ ich achtlos meinen Stift fallen. Das war … eine Botschaft. Eine richtige Botschaft. Da konnte mir keiner etwas vormachen. Diese Art von Botschaft kannte ich nur zu gut; hatte ich derartige Nachrichten doch lange Zeit selbst bis zum Verrecken abgeschickt. Aber … das konnte doch nicht sein. Es war ganz sicher keine Halluzination – dafür klang die Stimme viel zu echt. Mein ganzer Körper fühlte sich mit einem Mal so leicht an. Als würde ich schweben. Und plötzlich wurde um mich herum alles in ein tiefes Schwarz getaucht. Im nächsten Augenblick ein greller Blitz, der meine Hand automatisch mein Augenlicht schützen ließ. Als er allmählich abebbte, öffnete ich leicht blinzelnd meine Augen und blickte nach vorne. Ungläubig erkannte ich eine schmale Silhouette, die mir nur allzu vertraut war. Obwohl ich sie schon seit einem Jahr nicht mehr gesehen hatte, konnte ich mich an jedes einzelne Detail ihrer Erscheinung erinnern. Ich sah sie schließlich oft genug originalgetreu in meiner Fantasie. Allmählich wurde die Silhouette klarer, wandelte sich zum Bild einer perfekten Frau. Die leichte Brise spielte mit ihren unendlich langen Haaren, während ihr Kleid langsam eine erdbeerrote Farbe annahm. Nun war auch ihr Antlitz zu erkennen. Ihr wunderschönes, liebliches Gesicht, auf dem ein zärtliches Lächeln lag. Diese glasklaren, blauen Augen, die nur mich allein ansahen … Ihre widerhallende Stimme, die nur zu mir sprach … »Hoffentlich hast du mich nicht schon vergessen. Schließlich ist es schon lange her, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben. Viel zu lange … Aber ich weiß, dass es unmöglich ist. Du bist schließlich nicht der Typ, der seine Freunde so schnell vergisst.« Fassungslos holte ich tief Luft. Nun waren alle Zweifel beseitigt: Sie sprach wirklich zu mir. Nein, das konnte ich mir einfach nicht einbilden. So eine Art von Botschaft konnte ich mir nicht bloß vorstellen. Ich konnte mich nicht so sehr täuschen. Doch wie … machte sie das? Seit wann konnte sie auch auf diesem telepathischen Wege kommunizieren? Aber lag es nicht auf der Hand? Sie war eine übermächtige Prinzessin. Was wir konnten, konnte sie schon lange. Ich dachte kurz über ihre Worte nach und schüttelte bloß schnaufend meinen Kopf. »Ich dich vergessen? Wo denkst du nur hin. Wie könnte ich dich jemals vergessen … selbst wenn ich es mir noch so sehr wünsche; selbst wenn ich mich dazu zwinge. Blöd, dass man seine Gefühle nicht kontrollieren kann, nicht wahr?« »Ich kann es kaum glauben: Ich, die kleine Usagi, stehe und singe wirklich ganz alleine vor einem riesigen Publikum. Und du wirst es wahrscheinlich auch nie glauben, bis du es nicht mit eigenen Augen gesehen hast. Kann ich dir auch nicht verübeln: Mir würde es genauso gehen.« Sie sang vor einem riesigen Publikum? Mir kam die ganze Szene vor wie aus einem unglaubwürdigen Film. Wieso sollte sie so etwas derart … Verrücktes tun? Doch die Antwort folgte auf dem Fuße … »Das hast übrigens nur du ermöglicht. Ohne dich wäre ich nie so weit gegangen. Ohne dich hätte ich nie so ehrgeizig eine Gesangskarriere angestrebt, sondern wäre nach ein paar Tagen schon von dieser Sache gelangweilt gewesen und hätte mich schnell wieder davon abgewandt. Doch es ist nicht nur irgendeine ganz normale Karriere. Ich singe nur für dich …« Ohne es mir selbst bewusst zu sein hatte ich automatisch die Luft angehalten. »Nur für mich?«, wiederholte ich wispernd und konnte das alles noch gar nicht so recht realisieren. Gespannt lauschte ich weiter ihrer Stimme, die wieder zu sprechen begann. Dabei wurde sie von dem Lied begleitet, das mir schon seit Tagen im Kopf herumgeisterte. »Ich war damals so naiv gewesen. Wieso hatte ich dich nur gehen lassen? Inzwischen bereue ich es zutiefst, denn ein großes Stück meiner Seele hat mich mit dir verlassen. Du hast es mir genommen. Und du bist der einzige Mensch auf dieser Welt, der mir dieses große Stück wieder zurückgeben kann …« »Was redest du denn da? Ist dir eigentlich klar, wovon du da sprichst?« Verwirrt schüttelte ich heftig meinen Kopf. Das konnte doch alles gar nicht wahr sein. Warum sollte ich der Einzige sein? Sie hatte doch ihren Mamoru! Da gab es keinen Platz mehr für mich. »Du gehst mir einfach nicht mehr aus dem Kopf. Wir haben so viel zusammen erlebt … Ich vermisse unsere gemeinsame alte Zeit sehr, und natürlich ganz besonders … dich … Bitte melde dich wieder bei mir. Nur deswegen bin ich Sängerin geworden: Um dich wiederzusehen … Du fehlst mir so sehr, Seiya …« Das klang fast so, als würde sie mich … lieben. Absolut absurd. Total bescheuert. Dafür gab es keine anderen Worte. Es ergab einfach alles keinen Sinn. »Ich möchte meinen besten Freund wieder in meiner Nähe haben … Mit dem ich über alles reden kann … Bei dem ich mich geborgen und sicher fühle … Mit dem ich wieder viel Spaß haben und aus tiefstem Herzen lachen kann …« Ihre Botschaft bekam nun einen faden Beigeschmack. Als besten Freund brauchte sie mich also. Es konnte mich ruhig jeder für unersättlich halten, doch: Es genügte mir nicht. Nur ihr bester Freund zu sein, reichte mir nicht. Entweder ganz oder gar nicht. Da war ich rigoros. Doch allem Anschein nach schienen sich meine geheimsten Wünsche zu erfüllen … »Ich möchte dir noch so viel erzählen, Seiya … Es ist in der Zwischenzeit so viel passiert …« Was war nur vorgefallen, was sie dazu bewegt hatte, mir so eine Botschaft zu überbringen? Hatte sie etwa gerade Streit mit Mamoru? Lief es nicht gut? Was sollte sonst der Grund für das Ganze sein? »Ich brauche dich, Seiya!« Nun ließ sie wirklich keine Zweifel mehr offen: Sie empfand in der Tat etwas für mich. Das Unmöglich war nun tatsächlich eingetreten. Doch warum um alles in der Welt … konnte ich mich nicht darüber freuen? Warum schwebte das Damoklesschwert gefährlich nahe über meinem Kopf? Es war doch genau das, was ich mir während der ganzen Zeit insgeheim und sehnlichst gewünscht hatte: dass sie meine Gefühle anerkannte und erwiderte. Ob ich sie liebte, stand natürlich außer Frage. Daran hatte sich nie etwas geändert. Eher war der gegenteilige Effekt festzustellen: Meine Liebe zu ihr war nur noch stärker geworden. Viel stärker als jemals zuvor. Und am liebsten würde ich jetzt sofort aus dem Fenster springen und mich auf dem Weg zu ihr machen. Aber … ich konnte doch nicht meinen Heimatplaneten einfach so im Stich lassen. Nicht noch einmal. Ich konnte die Prinzessin, Maker und Healer nicht im Stich lassen. Das war mit meinem großen Pflichtbewusstsein und meiner Loyalität nicht vereinbar. Meine Güte - wie bescheuert war ich eigentlich? Schon damals auf der Erde hatte ich mich so im Zwiespalt zwischen Liebe und Pflicht befunden. Hätte sie damals auch nur eine Silbe in dieser Richtung gesagt – ich wäre auf der Stelle bei ihr geblieben. Und jetzt, wo sie mich sogar schon zu sich rief, passte es mir auch nicht. Obwohl ich mir immer gesagt hatte, dass ich sofort zu ihr stürzen würde, wenn ich auch nur einen Mucks von ihr hörte. Und jetzt, wo es tatsächlich soweit war, kriegte ich Vollpfosten den Arsch nicht hoch. Konnte man es mir überhaupt recht machen? Ich konnte mich nicht daran erinnern, jemals so kompliziert gewesen zu sein. Kompliziert waren immer Maker und Healer gewesen, aber ich? Ich war immer die personifizierte Unkompliziertheit gewesen. Sollte nun auch dieser Ruf von mir dahin sein? Ich erhob mich seufzend von meinem Stuhl, schritt zu meinem geliebten Bett und ließ mich vorwärts darauf fallen. Keinen Laut von mir gebend vergrub ich mein Gesicht ins große, weiche Kissen. Was sollte ich bloß tun? Was sollte ich jetzt machen? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)