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Alles begann mit Einsamkeit

von

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Seit dem Tod meiner Eltern habe ich mich immer einsam gefühlt. Ich habe diese Gefühl gehasst, hasse es noch immer. Es ist einfach ein schreckliches Gefühl. Einsamkeit ist sogar noch schlimmer als allein gelassen zu werden. Versteh mich nicht falsch: Beides fühlt sich nicht schön an, aber alleine sein ziehe ich der Einsamkeit vor. Es ist erträglicher. Ich weiß wovon ich rede, immerhin musste ich beides durchleben, manchmal sogar zur selben Zeit. Es war die Hölle. Das wünsche ich noch nicht mal meinem schlimmsten Feind.
 

Besser wurde es erst, als die Pflegefamilie, bei der ich untergekommen bin, wegen einer Versetzung des Vaters umziehen musste und da sie mich, ich zitiere: ‘So sehr ins Herz geschlossen haben, dass sie mich nicht mehr missen wollen’, ja, sie haben wirklich missen gesagt, konnte oder eher musste ich mit. Der Umzug war mitten im Schuljahr und als ich dann vorne im Klassenzimmer stand und mich vorstellte, kam es mir so vor, als hätte ich irgendetwas Wichtiges, etwas ganz Entscheidendes, nicht mitbekommen. Es war seltsam. Ich konnte es mir nicht erklären.
 

Du kamst an diesem Tag zu spät, doch hast du dich noch nicht mal dafür entschuldigt. Die anderen, sogar der Lehrer, schienen das auch nicht zu erwarten. Sie haben dich ignoriert. Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte. Gut, ich kannte meine neue Klasse auch noch nicht richtig, also fragte ich in der Pause nach, du hattest das Klassenzimmer bereits verlassen. Die Antwort auf meine Frage war unbefriedigend. Sie sagten, dass du gar nicht existieren würdest und da niemand wäre, der zu spät gekommen sei. Auch habt ihr mich daran erinnert, dass ich mich an die Regeln der Klasse halten solle. In einigen ihrer Gesichter konnte ich Panik erkennen. Es war einfach nur seltsam und ich hatte immer mehr das Gefühl, dass ich irgendetwas nicht mitbekommen hatte. Ich entschied mich dafür mit dir zu sprechen. Du würdest mir hoffentlich eine bessere Antwort liefern, das war zumindest mein Gedanke. Ich schaffte es allerdings erst in der nächsten Woche dich abzufangen. Anders als ich es erwartet hatte, bekam ich von dir keine Antwort, zumindest keine richtige.
 

Die erste Hälfte der Pause hast du mich komplett ignoriert. Irgendwann, ich musste dich wohl ziemlich genervt haben, meintest du, dass ich mich besser nicht mit jemandem abgeben solle, der nicht existiere. Danach bist du einfach gegangen. Die Tonart, in der du mir dies sagtest, hat mich daran gehindert dir zu folgen. Es war so seltsam. Ich verstand es nicht. Den Rest des Tages und auch der Woche hast du dann gefehlt. Es hat niemanden interessiert. Ich sprach den Lehrer darauf an. Er gab mir die selbe Antwort wie meine Mitschüler vor ihm. Er wirkte dabei etwas nervös. Ich verstand es nicht.
 

Nach der Schule erzählte ich schließlich meinen Pflegeeltern davon. Sie sahen sich einen Moment an, ehe sie mir offenbarten, was sie wussten. Sie hätten unabhängig voneinander von einem Gerücht gehört, das meine Klasse beträfe. Nach diesem Gerücht solle auf der Klasse ein Fluch liegen. Genaueres konnten sie mir dann aber auch nicht sagen. Natürlich hätten sie im Internet recherchiert, sagten sie mir, und seien dabei auf erschreckende Zahlen gestoßen. Im letzten Jahr und auch in einigen der vorherigen kamen viele, die mit der Klasse im Zusammenhang standen, ums Leben. Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte. An Zufall glaubte ich nicht, aber auch nicht an einen Fluch, das kam mir beides absurd vor.
 

Ich beschloss dich erstmal in Ruhe zu lassen, du hättest mich eh abgewiesen. Die Mühe machte ich mir nicht. Stattdessen recherchierte ich auf eigene Faust. Irgendwann erfuhr ich dann auch deinen Namen. Es war mehr Zufall als sonst was. Ich hatte einfach Glück. Schließlich bekam ich auch heraus, dass dein Vater im letzten Jahr gestorben war und endlich hatte ich einen Anhaltspunkt. Plötzlich wusste ich, wie ich mich dir annähern könnte.
 

In den nächsten Tagen, Wochen warst du jedoch nicht mehr in der Schule. Irgendwann ging ich zum Lehrer. Viel erhoffen tat ich mir davon allerdings nicht. Er wusste nicht von wem ich sprach. Natürlich nicht. Diesmal war es jedoch anders. Er wirkte nicht nervös. Ich fragte auch meine Mitschüler, doch auch sie wussten nicht, von wem ich sprach. Auch die Panik war aus ihren Gesichtern gewichen. Ich verstand es nicht. Es war einfach nur seltsam. Wie konnte sich ihr Verhalten nur so schnell ändern, fragte ich mich.
 

Da ich vom Lehrer und meinen Mitschülern nur eine so unbefriedigende Antwort bekommen hatte, begann ich selbst zu recherchieren. Wieder stieß ich auf den Zeitungsartikel durch den ich herausgefunden hatte, dass dein Vater gestorben war. Ich wusste nicht warum ich ihn mir erneut ansah, hatte ich ihn doch bereits gelesen. Es war jedoch gut, dass ich es getan habe. Er hatte sich in einem entscheidenden Detail verändert. Der Zeitungsartikel meine ich. Ich las ihn wieder und wieder und konnte es dennoch nicht glauben. Jetzt war dort von zwei Toten zu lesen. Nicht nur von einem. Es war so seltsam. Alles hier war seltsam.
 

Ich überlegte, gab dann in die Suchanzeige den Namen der Schule und das letzte Jahr ein. Heraus kam ein Artikel, der von dem Tod fünfer Schüler berichtete. Auf dem Foto, das unterhalb des Titels zu sehen war, standen fünf Bilderrahmen mit den Fotos der verstorbenen Schüler in einer Reihe auf einem weißen Tischtuch. Ich nahm an, dass dieses Foto während der Trauerzeremonie in der Schule aufgenommen wurde. Auf dem zweiten Bild von rechts entdeckte ich schließlich dein Gesicht. Du warst tatsächlich vor einem Jahr gestorben. Ich verstand es nicht. Hatte ich einen Geist gesehen?, fragte ich mich. Nein, sagte ich mir, daran glaubte ich nicht. Da war mir sogar die Theorie mit dem Fluch plausibler.
 

Ich versuchte nun mehr über diesen Fluch herauszufinden, doch scheiterte. Es war zum Verrückt werden. Ich wusste nicht mehr, was ich tun sollte. Was mich dann schlussendlich zum Friedhof getrieben hatte, wusste ich nicht. Ich suchte dein Grab und obwohl der Friedhof noch nicht mal groß ist, eher klein, überschaubar, brauchte ich einige Zeit es zu finden. Ich kannte diesen Ort schließlich noch nicht.
 

Jetzt bin ich aber hier, knie vor deinem Grab und rede mit dir. Es ist einfach nur lächerlich. Als könntest du, ein Toter, mir meine Fragen beantworten. Dennoch bin ich hier, habe sogar ein Räucherstäbchen für dich entzündet, und erhoffe mir irgendein Zeichen von dir. Irgendetwas, das mir helfen könnte zu verstehen.
 

Vielleicht hatte ich ja doch deinen Geist gesehen. Aber wenn dem so wäre, müsste dich doch irgendwas aus deinem Grab getrieben haben, irgendwas, das dir noch keine Ruhe lässt. Ich wüsste zu gerne, was es ist. Vielleicht finde ich das ja auch noch heraus. Aufgeben werde ich zumindest nicht so einfach. Irgendwann werde ich dein Geheimnis gelüftet haben und damit endlich wissen, was hier los ist, eher werde ich keine Ruhe geben.



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