Die Wölfe 1 ~Der Patenmörder~ von Enrico (Teil I) ================================================================================ Kapitel 7: ~Neue Pflichten~ --------------------------- Antonio hat jetzt einen Freund, keinen der nur Schnurren kann, sondern einen richtigen. Der ganze Tag spukt immer wieder aufs Neue durch seine Gedanken. So gern möchte er den noch einmal erleben dürfen, am besten jeden Tag so verbringen. Schade, dass Enrico schon nach Hause musste, aber zumindest kann Antonio nun endlich seinen Kater füttern. Etwas schneller läuft er dem Hochhaus entgegen und betritt es durch die Drehtür. Die Empfangshalle ist dunkel, nur der Wachmann sitzt auf seinem Posten und liest die Tageszeitung. Antonio steigt in den Fahrstuhl und wählt den neunten Stock aus. Mit einem Ruck setzt sich die Kabine in Bewegung. Stock Sieben, Acht, die Anzeige springt auf Neun, er schiebt das Gitter auf. Antonio geht weiter bis zur Tür seines Apartments und kramt in seiner Hosentasche nach dem Schlüssel. Hinter der Tür hört er die Pfoten des Katers über das Parkett tapsen, gefolgt von einem kläglichen Miauen. Antonio legt seine Hand auf die Klinke. Der Kater faucht, er flüchtet. Eine Hand berührt Antonio an der Schulter. Entsetzt hält er den Atem an und dreht sich um. „Du bist ganz schön früh zurück”, sagt Butch. Antonio atmet aus und greift sich an sein bebendes Herz. „Ich… ich wollte nur Snowflake füttern!” „Das wirst du verschieben müssen. Wir haben Besprechung und du musst mich begleiten.” Antonio steckt den Schlüssel wieder ein. „Worum geht es denn?”, will er wissen. „Um dich!”, antwortet Butch. Ein großer Kloß bildet sich in Antonios Hals. Ist es jetzt soweit? Kommt jetzt diese große Sache, gegen die sich Michael so gesträubt hat? Mit einem Lächeln sieht Butch auf ihn herab, antwortet aber nicht, sondern geht zum Fahrstuhl. Antonio folgt ihm mit weichen Knien. Im inneren der Kabine beobachtet er, wie Butch das Schloss entriegelt und den zwanzigsten Stock auswählt. Dort hat die Führungsspitze des Clans Büroräume gemietet. Es ist eine Ehre hier her eingeladen zu werden. Wieder sieht Antonio fragend zu Butch auf. Der dunkelhäutige Hüne verschränkt die Arme hinter dem Rücken und lächelt geheimnisvoll. Die Kabine setzt sich in Bewegung. Antonio schlägt das Herz bis zum Hals, seine Hände sind nass und eiskalt. Die Anzeige springt auf die Zwanzig, Butch öffnet das Gitter und geht voraus. Antonios Beine zittern, wollen ihn kaum tragen. Sie nähern sich zwei großen Türen. Schon von weitem kann Antonio im Raum dahinter eine Unterhaltung hören: „Ich bin immer noch dagegen!” Das ist Michaels Stimme. „Es ist aber nicht deine Entscheidung!” Ist das ihr Chef? „Ihr Beide macht einen großen Fehler. Er ist noch lange nicht so weit”, protestiert Michael. Sie sind da. Butch öffnet die Türen. Antonio folgt ihm in den hell erleuchteten Raum. Ein langer Tisch erstreckt sich durch das ganze Zimmer, an ihm stehen viele Stühle, aber nur einer ist besetzt. Ganz am Ende des Raumes, an der Stirnseite, sitzt ein großer Mann. Er trägt seine schwarzen Haare lang und zu einem Zopf zurückgebunden. Seine dunkelbraunen Augen durchbohren Antonio. Neben ihm steht Michael, sein Blick ist finster und herablassend, wie immer. Butch geht um den Tisch herum, bis zum Stuhl des Chefs. Mit einem Schwenk seines Kopfes bedeutet er Antonio, dass er ihm folgen soll. „Setz dich!”, befiehlt Butch, als Antonio ihn erreicht. Er selbst nimmt auf einem Stuhl daneben Platz. Antonio tut was er verlangt. Sein Blick bleibt respektvoll auf die Tischplatte gerichtet. „Du bist also Antonio Bandel? Butch hat mir schon viel von dir erzählt“, beginnt der Chef zu sprechen. Antonio sieht seinen Gönner fragend an. Butch lächelt zufrieden. „Michael im Übrigen auch”, fährt der Chef fort. Großartig! Antonio will nicht wissen, was sein Ausbilder über ihn erzählt hat. Etwas Gutes wird es sicher nicht gewesen sein. Michael hat die Arme verschränkt und gibt ein abfälliges Schnauben von sich. Er geht um den Stuhl des Chefs herum und stützt sich mit einem Arm auf die Lehne. Alle Blicke ruhen auf Antonio. Er sieht wieder auf die Tischplatte. Wenn sie nur endlich sagen würden, worum es geht. Er fühlt die Anspannung im ganzen Körper, seine Hände ballt er auf den Knien zu Fäusten. „Man erzählt sich du wärst der beste Schütze meines Clans. Schön dich endlich persönlich zu treffen”, sagt der Chef. Nur zögernd wagt Antonio, dem Mann ins Gesicht zu schauen. „Danijel…!”, sagt Michael. „Sei still!” „Aber er ist noch viel zu jung!” „Ich sagte, du sollst deine Klappe halten!” Ein Seufzer verlässt Michaels Lippen, während er die Arme in die Seiten stemmt. Antonio muss schmunzeln. Noch nie hat er mitansehen dürfen, dass jemand Michael die Stirn bietet, ihn sogar zum Schweigen bringt. Das gefällt ihm. „Okay, zum Geschäftlichen!“, richtet sich Danijel an ihn. „Ich beobachte deine Aktivitäten schon länger und mich erstaunt die Präzision, mit der du schießt. Für einen Vierzehnjährigen eine beachtliche Leistung.” „Glaub ja nicht, dass er dich wegen deines Könnens befördern will. Unser bester Cleaner ist uns lediglich abhandengekommen”, fährt Michael dazwischen. Finster sieht ihn Danijel an. „Was denn? Ist doch wahr!”, knurrt Michael. „Muss ich meine Anweisung wirklich wiederholen?“, fragt Danijel schroff Michael schweigt. „Auch, wenn ich es nicht gern zugebe, aber Michael hat Recht. Wir mussten uns unseres besten Cleaners entledigen. Die Einzelheiten sind für dich nicht von Belang. Wichtig ist nur, dass seine Stelle frei geworden ist. Wir haben lange diskutiert, wer seine Nachfolge antreten soll. Wie du sicher schon bemerkt hast, hast du hier einen Fürsprecher und einen der strikt dagegen ist.” Butch legt seine rechte Hand auf Antonios Schulter. Die Last scheint Antonio genauso bedrückend, wie die Erkenntnis, die sich langsam aber Sicher in ihm breit macht. Sie wollen einen professionellen Killer aus ihm machen? „Ich persönlich habe mich dafür entschieden, es mit dir zu versuchen. Du arbeitest schon lange für uns und weißt, worauf es uns ankommt. Da Michael dich ausgebildet hat, habe ich auch keine Zweifel an deiner Loyalität dem Clan gegenüber. Laut Butch triffst du einen Kronkorken auf einen Kilometer Entfernung. Das hat bisher noch keiner meiner Männer geschafft. Ich hoffe du enttäuschst mich nicht!” „Falls doch, gehörst du wieder mir!”, knurrt Michael. Irritiert sieht Antonio ihn an. Wenn nicht Michael, wer wird dann seine Ausbildung fortsetzen? „Du bist still und hörst zu, das gefällt mir. Wenn nur alle in diesem Raum so wären“, sagt Danijel und tauscht einen feindseligen Blick mit Michael. Daran zuzusehen, wie Michael zurechtgewiesen wird, könnte Antonio sich gewöhnen. Doch nur allzu schnell richtet sich die Aufmerksamkeit des Chefs wieder auf ihn. „Ab Morgen will ich dich hier jeden Tag nach dem Frühstück sehen. Du nimmst an unseren Sitzungen teil und wirst von Butch alles Wichtige lernen.“ Danijel legt Antonio einen Schlüssel auf den Tisch. „Von heute an wirst du den immer bei dir tragen. Damit entriegelst du den Fahrstuhl. Ich habe keine Lust jedes Mal Michael oder Butch zu schicken, wenn ich dich sehen will.“ Antonio nickt und nimmt den Schlüssel an sich. So etwas Wichtiges hat ihm noch nie jemand anvertraut. Er ist sich nicht sicher, was er dazu sagen soll, also schweigt er weiterhin. „Gut!“, Danijel schaut zufrieden, „Dein Codename lautet Polarwolf. Sollte dich jemand ohne diesen Namen kontaktieren, leg ihn um, wenn es geht, oder suche das Weite.“ Antonio graut es bei der Vorstellung, doch er bemüht sich darum, sich nichts anmerken zu lassen. „Von jetzt an will ich dich nur noch anständig gekleidet sehen. Anzug und Krawatte sind das mindeste. Sieh zu, dass du einmal am Tag die Dusche von innen siehst. Du repräsentierst in Zukunft unseren Clan und hast somit einen Ruf zu verlieren.“ Antonio sieht an sich hinab. Vom rauen Spiel mit den Jungs, ist seine Kleidung dreckig. Er riecht sicher auch unangenehm, immerhin war er nach dem Spiel komplett durchgeschwitzt. Verlegen sieht er unter dem Blick Danijels hinweg. Hätte er gewusst, dass ihm heute ein so wichtiges Treffen bevorsteht, dann wäre er noch einmal duschen gegangen. „Aus dem Grund hat mich Butch um das hier gebeten.” Danijel legt zwei weitere Schlüssel an einem Ring auf den Tisch. „Die sind für dein neues Apartment.” Antonio nimmt auch diese Schlüssel entgegen. „Butch wird dir alles zeigen, er ist von nun an dein Mentor.” Antonio lächelt unwillkürlich. Nie wieder Training mit den älteren Jungen, nie wieder Prügel? „Das heißt aber nicht, dass du nicht mehr trainierst“, sagt Michael. Antonio seufzt. Es wäre auch zu schön gewesen. „Zweimal pro Woche wird Michael deine Ausbildung ergänzen“, fährt der Chef fort. Michael grinst gehässig. „In deinem Apartment wirst du zwei Gitarrenkoffer finden. In einem ist das Gewehr, im anderen eine Gitarre. Ich will, dass du spielen kannst, deswegen wirst du einen Hauslehrer bekommen, der dir das Gitarrenspielen beibringt. Das ist weniger auffällig, wenn du später mit dem Scharfschützengewehr unterwegs bist. Alles, was sonst noch wichtig ist, steht in deinen Zimmern. Den Rest erklärt dir Butch, wenn ihr dort seid.” Der Chef erhebt sich. „Danijel!”, sagt Butch. „Ach ja. Butch hat mich auch um die hier gebeten.” Danijel legt eine Karte auf den Tisch. Sie ist aus Plastik und sieht wichtig aus. „Mit der kannst du überall im Hochhaus kostenlos essen.” Das ist irgendwie viel zu viel Freundlichkeit auf einem Haufen. Was genau muss Antonio dafür tun? So ganz ist ihm das bisher noch nicht klar geworden, aber er traut sich auch nicht zu fragen. „Ihr zwei kennt ja eure Aufgaben für heute Abend. Ich ziehe mich fürs Erste zurück”, richtet sich Danijel an Butch und Michael. Sein finsterer Schatten legt sich über Antonio. „Enttäusche mich nicht!”, sagt er, dann verlässt er den Besprechungsraum. Stille breitet sich aus. Ungläubig betrachtet Antonio die erhaltenen Gegenstände. „Kommst du allein klar?”, fragt Butch Michael. „Sicher, ich freue mich schon den ganzen Tag auf nichts anderes. Immer wieder schön, dass die Drecksarbeit an mir hängen bleibt.” Er verlässt den Raum. „Butch… ich… also ich weiß nicht, was ich sagen soll”, beginnt Antonio. Er kommt sich zunehmend verloren vor. Was genau erwarten die großen Drei jetzt von ihm? „Wie wäre es mit danke?”, fragt Butch. „Danke?”, bringt Antonio mit brüchiger Stimme heraus. Butch schmunzelt. „Na komm! Ich zeig´ dir deine neuen Zimmer“, schlägt er vor. Gemeinsam verlassen sie den Besprechungsraum. Den Schlüssel verstaut Antonio in seiner Hosentasche. Sorgfältig packt er den Ausweis für die Cafeteria in seine Jacke. Über den Fahrstuhl gelangen beide in den 22. Stock. Nach ein paar Schritten durch den Flur stehen sie vor einer weißen Tür. „Na schließ schon auf!”, sagt Butch. Stimmt ja, Antonio hat den Schlüssel. Er holt ihn aus der Tasche und öffnet die Tür. Dahinter befindet sich ein großes Wohnzimmer. In der Mitte ist ein gläserner Tisch aufgestellt, Blumen sind auf ihm hergerichtet. Unmittelbar davor steht ein weißes Sofa und neben diesem zwei Sessel. Kunstvoll verzierte Möbel, Bücherregale, Schränke und ein großes Radio möblieren das Apartment. Auf dem Boden liegt ein flauschiger Teppich und hinter all dem kann man die Stadt sehen. Wände gibt es keine, nur große, gläserne Fassaden. Staunend sieht Antonio sich um. „Na komm, es gibt noch mehr zu sehen!”, sagt Butch und legt seinen Arm um ihn, dann drängt er ihn einzutreten. Antonio fällt ein Fressnapf und mehrere Dosen Tunfisch auf dem Boden neben der Tür auf. Darf Snowflake etwa mit umziehen? Hat Butch auch daran gedacht? Mit einem Lächeln beobachtet der dunkelhäutige Hüne ihn, wie er seine neuen Zimmer erkundet. Zwei Türen führen aus dem Wohnzimmer heraus. Neugierig wagt Antonio sich an die Erste. Ein Badezimmer, ganz in weiß gefliest. Das ist nicht zu vergleichen mit den Gemeinschaftsduschen, ein paar Stockwerke tiefer und das darf er von nun an benutzen? Wann immer er will? Aber sicher, Danijel hat ja gesagt, er müsse von nun an immer gepflegt aussehen. Am Boden neben der Dusche steht ein Katzenklo. Nun ist er sich ganz sicher, sein Kater darf auch hier wohnen. Was sich wohl hinter der zweiten Tür verbirgt? Antonio öffnet sie. Auch hier sind die Möbel außergewöhnlich schön verziert. Ein großes Doppelbett steht in der Mitte, darauf liegen zwei Gitarrenkoffer. Vom Bett wandert Antonios Blick zum Kleiderschrank. Als er ihn öffnet, enthüllt er eine große Auswahl an allen möglichen Kleidungsstücken. Von festlichen Anzügen bis hin zu normaler und Sportkleidung. „Na, gefällt es dir?”, fragt Butch und lehnt sich an den Rahmen der Tür. „Sicher, aber ich verstehe es nicht. Warum hilfst du mir?” Schon lange liegt Antonio diese Frage auf dem Herzen. „Weil ich dich als Partner will“, antwortet Butch. Antonio macht große Augen. „Partner? Aber wofür denn?“ „Ich werde einen Cleaner aus dir machen!“ Entsetzt sieht Antonio ihn an. Nun ist es also ganz offiziell, er soll wirklich ein Mörder werden. „Ein Cleaner, ich?“ „Ja! Was dachtest du denn, warum wir dir den Umgang mit all diesen Waffen beibringen?“, fragt Butch belustigt. Antonio hat zwar diesen einen Mann bei der Aufnahmeprüfung umgebracht und musste auch schon beim Training auf Obdachlose und Einwanderer schießen, aber das hat er als notwendiges Übel angesehen. Dass er wirklich für die Ausbildung zum Killer in Frage kommt, damit hat er nie gerechnet. Er lässt sich in einen der Sessel sinken. Butch bleibt hinter ihm stehen, er legt ihm seine Hand auf die Schulter. Wie eine zu schwere Last fühlt sie sich an. „Keine Sorge, du wirst dich schon daran gewöhnen, dafür werde ich sorgen. Aber jetzt freu‘ dich erst einmal über dein neues Zuhause. Über alles andere sprechen wir morgen. Dein Hauslehrer kommt erst Ende der Woche, bis dahin solltest du mit der Gitarre üben. In der untersten Schublade deines Schreibtischs liegt ein Buch dafür. Deinen Kater musst du im Übrigen selber holen. Das ist das Einzige, was mir nicht gelungen ist.” Demonstrativ erhebt Butch seinen rechten Arm und schiebt den Stoff des Hemdes zurück. Lange Kratzspuren ziehen sich über seinen Unterarm. Antonio muss schmunzeln. „Er mag eben keine Fremden”, erklärt er. „Ich hoffe, er weiß das Futter und sein neues Zuhause zu würdigen. Sonst muss ich in Zukunft mit Schutzanzug hier herkommen, um dir was beizubringen.” Sie lächeln beide, doch nur allzu schnell werden sie wieder ernst. „Butch, ich… ich werde mir Mühe geben!” „Das will ich hoffen.” Butch öffnet die Tür. „Ach, da fällt mir ein: Das hier waren die Zimmer deines Vorgängers. Ich habe zwar alles durchgesehen, solltest du dennoch etwas finden, lass es mich wissen.” „Geht klar!” Butch geht, er schließt die Tür, dann verlieren sich seine Schritte auf dem Flur. So ruhig ist es in Antonios altem Zimmer nie gewesen. Die Wände waren so dünn, dass er jeden Schritt der Nachbarn hören konnte. Auch so viel Platz ist Antonio nicht gewohnt. Seufzend sieht er sich in dem großen Wohnzimmer um. So ganz allein kommt er sich hier verloren vor. Wenn wenigstens Stimmen den Raum erfüllen würden. Aber Moment, Snowflake - kein Wunder, dass er sich nicht wie zu Hause fühlen kann. Obwohl sie gerade über ihn gesprochen haben, hat Antonio den weißen Perser fast vergessen. Mit dem Schnurren des Katers ist es hier sicher viel angenehmer. Antonio erhebt sich und verlässt sein Zimmer. Über den Flur läuft er zum Fahrstuhl und fährt mit ihm in den neunten Stock. Sicher wird Snowflake schon sehnsüchtig auf ihn warten. Besonders auf die Mahlzeit, die er ihm mitgebracht hat. Schnell ist der Schlüssel im Schloss gedreht und die Tür geöffnet. Stürmisch kommt der Perser ihm entgegen. In fließenden Bewegungen schmiegt sich der magere Kater an seine Beine. Als Antonio in die Knie geht, um ihn zu streicheln, springt Snowflake ihm in den Schoß. Der ganze Kopf des Katers verschwindet in seiner Jackentasche. „Hey, du Vielfraß, warte doch ab!”, schimpft Antonio, als der Kater damit beginnt die Serviette mit den Zähnen zu zerlegen. „Du sollst das lassen!” Antonio muss Snowflake mit aller Kraft seiner Jackentasche entreißen. „Wir packen das oben aus.” Mit dem Kater auf dem Arm erhebt Antonio sich. So hungrig, wie das Tier ist, wird er wohl noch eine Dose Tunfisch aufmachen müssen. Besser, er bringt das flauschige Bündel rasch in sein neues Apartment. Antonio fährt wieder nach oben. Als er aus dem Fahrstuhl steigt, dringt ihm ein seltsamer Geruch in die Nase. Es riecht verbrannt. Antonio sieht sich um. Weder Qualm noch Rauch. Hat er sich getäuscht? Ein Schrei durchdringt die Dunkelheit und lässt ihn zusammenzucken. Ein weiterer folgt. Der Gestank nach verbranntem Fleisch wird stärker. Was, wenn es doch brennt? Dem muss er auf den Grund gehen! Antonio läuft los, den Flur entlang. Da, ganz hinten, da dringt doch Licht aus einem der Zimmer. „Waren es die paar mehr Kröten wirklich wert? Was nützt dir die Kohle jetzt?” Das ist doch Michaels Stimme. Der Gestank von Verbranntem ist hier am stärksten. Antonios Magen rebelliert, Brechreiz steigt ihm in die Kehle. Vorsichtig späht er durch die offenstehende Tür in den Raum dahinter. Tatsächlich steht dort Michael. „Das ihr Auftragskiller den Hals nie voll genug bekommen könnt!”, sagt er. In der Hand hält er einen glühenden Schürhaken. Am Boden liegt ein Mann. Sein ganzer Körper ist von Schnitt- und Brandwunden übersät. An den Wänden und auf dem Boden klebt sein Blut. Wie angewurzelt bleibt Antonio vor der Tür stehen, dabei sagen ihm all seine Sinne, dass er fliehen muss, aber er kann sich nicht rühren. Selbst dann nicht, als Michael sich ihm zuwendet. Mit langsamen Schritten nähert sich sein Ausbilder der Tür. Antonios Herz setzt aus, sein Atem stockt. Lauf, ermahnt er sich immer wieder, während er am ganzen Körper zu zittern beginnt. Seine Beine sind schwer wie Blei, sie gehorchen seinem Willen nicht. Als sein Ausbilder die Tür aufzieht, drückt Antonio seinen Kater fest an sich. Snowflake faucht, kratzt und beißt, doch Antonio spürt den Schmerz nicht, zu entsetzt ist er von dem Anblick des verletzten Mannes. Michael zieht Antonio am Kragen ins Zimmer. „Schön, dass du so neugierig bist. Das erspart mir lange Erklärungen”, sagt er und zwingt Antonio den am Boden liegenden Mann anzusehen. „Das ist dein Vorgänger”, haucht er ihm ins Ohr. Hilfesuchend sieht der Kerl am Boden zu ihm auf. Sein Blut fließt bis an Antonios Füße. Er macht einen Schritt zurück. „Das Eine kann ich dir versprechen: Solltest du den Clan in Gefahr bringen oder uns verraten, blüht dir das Gleiche”, droht Michael. Noch enger drückt Antonio den Perser an sich. Die Panik in seinem Herzen betäubt alle Gefühle. Er hat nichts falsch gemacht, redet er sich immer wieder ein. Stets war er dem Clan treu ergeben. Michael hält ihm den Schürhaken nah ans Gesicht. Antonio spürt die Hitze der glühenden Spitze an der Wange. Eisige Schauer rinnen ihm den Rücken hinab. „Merk dir das gut, Grünschnabel!”, schnauzt Michael ihn an. „J-ja!“, stammelt Antonio. „Gut! Und jetzt verschwinde!”, weißt Michael ihn an und drängt Antonio zur Tür zu gehen. Wie gelähmt sieht er Michael an. „Ich sagte raus!” Sein Ausbilder stößt ihn in den Flur. Die Tür schlägt er ihm vor der Nase zu, dann sind wieder diese fürchterlichen Schreie zu hören. Sie werden schwächer und leiser, bis es schließlich wieder still ist. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)