Mosaik von Alaiya (Urban Fantasy Thriller) ================================================================================ [26.11.2011 – X34 – Alt und neu] -------------------------------- Als Joanne am nächsten Morgen erwachte, lag sie in Heidensteins Armen. Ein seltsames Gefühl erfüllte sie. Ruhe. Leere. Sie war verwirrt. Warum war sie angezogen, trug sogar ihren Jogginganzug? Dann die Erkenntnis. Michael war tot. Er war wirklich tot. Sie war frei. Sie war wirklich frei. Sie seufzte, rückte etwas von Heidenstein fort und musterte ihn. Und jetzt? Müde legte sie ihre rechte Hand auf seine Wange, zog sie jedoch weg, als er die Augen öffnete. Er lächelte sie an. „Guten Morgen.“ „Guten Morgen“, flüsterte sie. Langsam kehrten die Erinnerungen an die vorherige Nacht, an das Gespräch, dass sie mit Heidenstein gehabt hatte, zurück. Ja, sie hatte ihm erzählt. Sie hatte ihm von ihrer Vergangenheit erzählt. Er schien zu warten, dass sie noch etwas sagte, dass sie sonst irgendwie reagierte. Und sie musste. Sie sollte. Noch immer spürte sie den Schmerz in ihrer Hüfte. Noch immer spürte sie einen Teil der anderen Wunden. Athea war am Vorabend auch nicht da gewesen. Als sie nach einigen Minuten weiterhin schwieg, räusperte sich Heidenstein. „Joanne?“ Es fühlte sich so seltsam an, diesen Namen aus seinem Mund zu hören. Es fühlte sich so seltsam an, nach all den Jahren von irgendwem, der weder Robert, Michael, noch Smith war zu hören. Seltsam. Nicht falsch. Nur seltsam. Sie seufzte. „Kannst du mir einen Gefallen tun?“ „Natürlich.“ „Kannst du mich vor den anderen weiterhin Pakhet nennen?“ Sie hielt inne. „Ich will mit den anderen darüber reden, aber … Bei richtiger Zeit.“ Heidenstein nickte, lächelte, legte eine Hand auf ihre Wange. „Natürlich.“ „Danke.“ Sie holte tief Luft, drehte sich dann um und richtete sich auf. Ihr rechtes Bein war im Vergleich zum Vortag seltsam taub. Wahrscheinlich hatte sie es am Vortag überanstrengt. Sie hatte zwar wenig getan, war aber stundenlang im Zimmer auf und ab gelaufen. Ihre Prothese hatte den Akku verbraucht. Kein Wunder. Sie hatte sie über Nacht anbehalten, hatte sie auch nicht ausgeschaltet. Sie schürzte die Lippen, löste die Prothese dann. „Alles okay?“, fragte Heidenstein. „Ja. Alles in allem …“ Sie konnte es immer noch nicht glauben. Sie konnte nicht glauben, dass sie wirklich Michael getötet hatte, dass wirklich nichts passiert war. Sie verstand, warum. Sie verstand, dass Alice und Hazel gut waren, dass sie schnell genug gehandelt hatten. Sie war dankbar. Dennoch … Sie hatte immer geglaubt, dass es nicht möglich wäre. Weil er es gewollt hatte. Er hatte gewollt, dass sie das glaubte. Und sie hatte es geglaubt. Sie legte die Prothese auf den Nachttisch, rieb sich dann die Augen. „Es ist nur seltsam“, erklärte sie. „Seltsam?“ Heidenstein richtete sich auf, rückte hinter sie. „Zu denken, dass er wirklich tot ist.“ Zu denken, dass er sie solange kontrolliert hatte. Sie schüttelte den Kopf. Wie so oft legte er seine Hand beruhigend auf ihre Schulter. Es war mittlerweile ein so vertrautes Gefühl. „Es ist aber so. Es ist alles in Ordnung.“ Mühsam brachte sie sich zu einem Nicken, stand dann ganz auf, verlor aber beinahe das Gleichgewicht. Schon stand Heidenstein bei ihr, hielt ihren Arm, um sie zu stabilisieren, erntete dafür jedoch einen missmutigen Blick. „Es geht schon“, meinte sie. „Das Bein ist nur …“ „Wir können uns später darum kümmern“, meinte er. Auch er war noch angezogen gewesen, hatte in seiner Hose und einem T-Shirt geschlafen. Wieder nickte sie, ging dann zur Tür ins Wohnzimmer. Hier lag Alice, hatte sich unter einer dünnen Stoffdecke aufs Sofa gelegt und schien seelenruhig zu schlafen, während auch Hazel hier eingeschlafen war. Sie lag wie eine Katze zusammengerollt auf dem Sessel, ebenfalls zugedeckt. Aus der Küche dran das Geräusch einer laufenden Kaffeemaschine. Sie stolperte hinüber, fand Crash und Jack am Küchentisch, zwischen ihnen ein Spielbrett. Es musste aus Heidensteins nie genutzter Gesellschaftsspielsammlung kommen. „Was macht ihr denn?“, fragte sie, bemüht leise zu sprechen, um Alice und Hazel nicht zu wecken. „Uns die Zeit vertreiben“, erwiderte Jack. „Bis die beiden Süßen drüben aufwachen.“ Er zwinkerte. Crash brummte warnend und auch Joanne hob eine Augenbraue. „Meinst du nicht, dass die beiden etwas jung sind?“, murmelte Heidenstein, der ihr folgte, missmutig. Jack hob die Hände. „Sorry. Nur ein blöder Spruch.“ „Sehr blöd“, erwiderten Crash und Joanne beinahe gleichzeitig. „Sorry.“ Stille, dann holte Jack tief Luft, räusperte sich und wandte sich Joanne zu. „Wie geht es dir?“ Sie zuckte mit den Schultern, lächelte aber. „Überraschend gut, alles in allem. Danke.“ Sie sah zwischen ihnen hin und her, wollte sich eigentlich setzen. Crash verstand, stand auf, bot ihr den Stuhl an. „Danke.“ Beim Setzen streckte sie ihr Bein aus. Sie konnte wirklich nur hoffen, dass es besser wurde. Crash nahm einen Becher aus dem Schrank, schenkte ihr Kaffee ein, stellte den Becher vor sie. Er brummte. Sie sah ihn an, lächelte. „Danke, Großer.“ Ein Grinsen. Er verschränkte die Arme und lehnte sich gegen die Küchenzeile. Sie trank. Es fühlte sich gut an. „Du bist wirklich ein Junkie, oder?“, meinte Jack, als sie ein entspanntes Seufzen hören ließ. Sie schüttelte den Kopf, lächelte aber. „Ja, ich bin ein Kaffeejunkie und ich gebe es zu.“ Sie sah zu Crash, der schmunzelte. Dann holte sie tief Luft. Eigentlich hatte sie warten wollen, doch dann wiederum … Jack war am Vortag dabei gewesen und Crash vertraute sie sowieso. Sie sah zwischen den beiden und Heidenstein hin und her. „Ich“, begann sie, brach jedoch noch einmal ab. „Ich habe mich euch nie wirklich vorgestellt. Mein richtiger Name ist Joanne.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)