Mosaik von Alaiya (Urban Fantasy Thriller) ================================================================================ [25.11.2011 – F12 – Kündigung] ------------------------------ Zwei weitere Tage vergingen. Zwei Tage in der ihre Schmerzen nur langsam schwanden, während Athea sie ein weiteres Mal heilte. Zwei Tage, in denen Murphy viel schlief. Er begann Albträume zu haben, entwickelte ein Fieber. Offenbar von einer Infektion. Viel zu oft saß Joanne an seiner Seite, unabhängig davon, ob er bei Bewusstsein war oder nicht. So auch an diesem Nachmittag. Der Junge war wach, wenngleich etwas langsam. Er sah sie auf eine merkwürdige Art an. Sie lächelte. „Was?“ Murphy seufzte. „Nichts.“ „Okay.“ Schweigen. Es war schon seltsam, ihn schweigen zu sehen. Er rückte sich das Kissen zurecht und schloss wieder die Augen, als die Zimmertür aufging. „Hier, Kid“, meinte Jack und kam mit einer Flasche Cola zu ihm. Murphy grummelte müde. „Nenn' mich nicht Kid.“ Jack lächelte matt. „Das ist eine seltsame Art Danke zu sagen.“ Demonstrativ verzog Murphy die Mundwinkel zu einem Schmollen, nahm dann aber die Cola und drückte sie sich dankbar gegen die Stirn. Die Flasche schien gekühlt zu sein. Kondenswasser sammelte sich an der Oberfläche des Plastiks. Joanne sah zu Jack, der sich wieder den zweiten Stuhl herbeizog. „Danke.“ Jack schenkte ihr ein breites Grinsen. „Immer doch, Mon Dieu.“ „Irks.“ Wieder verzog Murphy den Mund. „Weißt du, wie albern es ist, wenn du sie so nennst?“ Er öffnete die Flasche und trank einen Schluck. „Überhaupt, was macht ihr beide hier?“ „Uns um dich kümmern“, erwiderte Joanne und strich ihm über die Stirn. „Lass das, Mum.“ Er schlug ihre Hand weg und schmollte noch mehr, entlockte Jack damit aber ein Lachen. Da er am Fußende des Bettes saß, klopfte er Murphy aufs Bein, anstatt auf die Schulter. „Es ist gut zu sehen, dass es dir wieder gut genug geht, als dass du beleidigt sein kannst.“ Murphy streckte die Zunge heraus. Joanne lachte und lehnte sich zurück. Sie sollte sich bald wieder hinlegen. Der Schmerz an Hüfte und Rippen wurde schlimmer, je länger sie saß. Sie seufzte und sah auf ihr Handy. Es war kurz nach vier. Ja, vielleicht sollte sie wieder auf ihr Zimmer runter. Heidenstein bestand darauf, dass sie in einem Krankenbett blieb, bis ihre Wunden besser verheilt waren. Später würden auch Crash und Alice kommen. Sie waren jeden Tag hier gewesen. Alice schien tatsächlich um Murphy besorgt zu sein. Die Tür ging auf. Fraglos war es Heidenstein, der so oft vorbeischaute, wie es seine Zeit erlaubte. Joanne drehte sich herum und erstarrte. Es war nicht Heidenstein. Es war Michael. Ihr Magen zog sich zusammen. Das konnte nichts Gutes bedeuten. Er war bisher nie hierher gekommen. Dabei war er nicht allein. Jemand anderes stand hinter ihm. Eine andere Söldnerin. Pakhet kannte sie aus einer Mission. Eine Zulu-Frau, die sich damals Rain genannt hatte. Sie trug eine Waffe, hatte sie in der Hand. Joanne stand auf, starrte ihn an. „Was machst du hier, Michael?“ „Ach, ich dachte nur, ich überzeuge mich davon, ob du überhaupt noch da bist, Jojo“, meinte er und grinste. „Mit der ganzen Verschleierung von Smithy ist es gar nicht mehr so leicht zu wissen, was du machst. Habe mich gefragt, ob du nach unserem letzten Treffen abgehauen bist.“ Sein Blick war berechnend. Das gab keinen Sinn. Er hätte nicht wissen können, dass sie hier war. Heidenstein hätte es ihm nicht gesagt. Nicht ihm. Nein, er wäre nicht in dieses Zimmer gekommen, um nach ihr zu suchen. Er war wegen Murphy hier. Er wollte beginnen, was er, was Nel angefangen hatte. Aus anderen Gründen als Nel, nicht das das viel bedeutete. „Was macht das Arschloch hier?“, fragte Murphy. Ganz automatisch schob sie sich vor ihn. Sie hatte ein ungutes Gefühl bei der Sache. Auch Jack war angespannt, schwieg aber. Sein Blick suchte den ihren in einer eindeutigen Frage: „Soll ich etwas machen?“ Sie deutete ein Kopfschütteln an, sah dann wieder zu Michael und seiner Begleitung. „Du siehst, ich bin hier. Wie du aber eventuell sehen kannst ein wenig angeschlagen.“ Ihr rechtes Bein zitterte noch immer, wenn sie stand. Heidenstein sagte, es würde ihr für eine Weile erhalten bleiben. „Ja, das sehe ich.“ Michael grinste sie an. „Wie konnte das nur passieren?“ Er tat übertrieben betroffen, verzog das Gesicht. „Du siehst ja furchtbar aus. Sag mir nicht, dass jemand versucht hat, dich und das Balg umzubringen?“ „Tu nicht so“, meinte sie abfällig. „Du weißt genau, was passiert ist.“ Er zuckte mit den Schultern. „Na gut. Dann schauen wir mal.“ Er tat, als würde er überlegen. „Hast du noch einmal über das Angebot nachgedacht, Joanne?“ Sie verzog das Gesicht. Die ganze Zeit hatte sie ihren Namen geheim gehalten, aber natürlich musste er es ausplaudern. Er wollte ihr selbst die Gelegenheit nehmen, es ihren Freunden zu erzählen. „Lass uns rausgehen, Michael.“ Sie bemühte sich, ihre Stimme ruhig klingen zu lassen, konnte aber nicht verhindern, dass sie zitterte. „Murphy braucht Ruhe.“ „Mum“, klang Murphys Stimme von hinter ihr. „Mum“, äffte Michael ihn nach. „Das ist süß.“ „Lass uns rausgehen, Michael!“, wiederholte sie mit Nachdruck. „Ich will aber lieber hier mit dir reden, Jojo“, erwiderte Michael. „Immerhin wollen wir dein Möchtegernsöhnchen nicht ausschließen, oder?“ „Michael!“, rief sie aus. Michael kam auf sie zu, seine Hand lag auf der Waffe auf seinem Gürtel. „Eigentlich hatte ich gehofft, diese ganze Sache würde dich zur Vernunft bringen.“ „Der Anschlag?“, fragte sie und kannte die Antwort schon. Er sah sie an, grinste, zuckte mit den Schultern und versuchte sie zur Seite zu schieben. Sie schubste ihn zurück. „Ich werde dir nie verzeihen, dass du diese Sache angezettelt hast, Michael. Hörst du mich? Niemals. Ich will mit dir nichts mehr zu tun haben.“ Sie sollte ihn endlich erschießen. Ihre Waffe steckte im Bund ihrer Hose. Ohne fühlte sie sich einfach nicht sicher. „Ich habe nichts angezettelt, Jojo“, meinte er. „Ich habe einfach nur ein paar Informationen verkauft. Nichts Ungewöhnliches für jemanden wie mich, oder?“ Sie atmete tief durch. Sie konnte nicht verhindern, dass auch ihre Hand zu ihrer Waffe wanderte. Nein, sie musste warten. Sie musste warten, bis sie eine Möglichkeit hatte, mehr über seinen Totmannschalter herauszufinden, diesen aus der Gleichung nehmen. Noch etwas Geduld. Noch ein, zwei Wochen mehr. Wenn sie zu voreilig war, würde sie Murphy nur noch weiter in Gefahr bringen. Von allem was sie wusste, konnte sein Totmannschalter auch ein Hit auf Murphy oder Heidenstein sein. Sie schubste ihn wieder zurück. „Verschwinde von hier, Michael. Verschwinde.“ Kurz wanderte ihr Blick zu Rain, doch dann sah sie Michael in die Augen. „Verschwinde.“ „Oder was?“, fragte er amüsiert. Sie zitterte. „Verschwinde.“ „Du kannst nichts tun, um mich zu zwingen. Ich gehe nicht ohne dich.“ „Was?“ Sie zog ihre Augenbrauen zusammen. Ihr Gehirn brauchte etwas, um zu verstehen. „Dieses verdammte Spiel geht schon viel zu lange so, Joanne“, sagte Michael. „Erst Heidenstein, dann der Junge, jetzt“ – er sah zu Jack – „was auch immer das hier geworden ist.“ Seine Waffe lag in seiner Hand. „Ich hätte wissen müssen, dass diese ganze Sache alles kaputt machen würde.“ Sie machte ein verächtliches Geräusch. Sie wusste, dass eine Waffe auf sie gerichtet war, dass Michaels Waffe gefährlich in Jacks Richtung zeigte. „Darf ich dich daran erinnern, dass es deine Idee war. Du hast mich der Chaostruppe zugeteilt, aus Rache an mir. Du hast mich auf die Mission geschickt Dené zurückzuholen. All das hast du selbst gebaut.“ „Weil ich erwartet habe, dass du verflucht noch mal professionell bist, Joanne!“, rief Michael aus und kam ihr unangenehm nahe. „Du warst doch sonst immer professionell.“ „Nicht, wenn es bedeutet hätte, Kinder irgendwem auszuhändigen“, erwiderte sie. „Es waren keine Kinder, verdammt!“ Er holte tief Luft. „Der Junge hinter dir ist genau so wenig ein Kind. Also hör endlich mit diesem verdammten Spiel auf. Du gehörst mir. Du bist meine Söldnerin. Du bist …“ Pakhet dachte nicht nach, ehe sie sprach. „Ich kündige.“ Michael hielt inne. „Was?“ „Ich kündige“, wiederholte sie. Als ob es überhaupt noch eine Frage gewesen war. Konnte er wirklich glauben, dass sie nach dieser Sache zurückkehrte? Michael lachte. Natürlich lachte er. Es sollte sie nicht überraschen. Er war verrückt. Er war schon immer verrückt gewesen. Nein, nicht verrückt. Er hatte einfach nur kein Gewissen, hielt sich für unantastbar, glaubte jeden, der für ihn arbeitete kontrollieren zu können. Deswegen hatte er sie damals angeheuert. Deswegen hatte er sie die ganze Zeit kontrolliert. „Du kannst nicht kündigen!“ „Doch“, erwiderte sie. „Die Army“, begann er, doch sie unterbrach ihn. „Sucht schon lange nicht mehr nach mir.“ Sie sah ihn in die Augen. „Und selbst wenn wäre es mir egal. Aber Smith hat mir die Wahrheit gesagt. Es sucht schon lange niemand mehr nach mir. Es gibt nicht mal einen Haftbefehl.“ „Das kann ich ändern“, erwiderte Michael. „Michael, bitte. Hör mit diesem Scheiß auf.“ „Komm mit mir mit. Lass uns so weitermachen wie …“ Wieder unterbrach sie ihn: „Warum interessiert es dich so, was ich mache?“ „Weil du gut bist. Gut in deinem Job. Und weil ich verdammt noch mal viel getan habe, um dich …“ „Um sie zu behalten?“, fragte Murphy hinter ihr. Er richtete sich auf. „Sie gehört dir nicht, du Arschloch. Sie ist nicht dein Eigentum.“ „Halt die Klappe, Pimpf“, knurrte Michael. „Es reicht jetzt. Gehen Sie“, mischte sich nun auch Jack ein. Er machte einen Schritt auf Michael zu, der seinerseits zurückwich und seine Waffe hob. „Du misch dich da nicht ein, Boytoy!“ Michaels Waffe war direkt auf Jacks Kopf gerichtet. „Michael!“ Noch immer stand Pakhet vor Murphy, auch wenn der Junge versuchte sie zur Seite zu schieben. Sie würde Michael keine Möglichkeit geben ihn zu erschießen. Verdammt. Wie war es soweit gekommen? Michael war schon immer ein Arschloch gewesen, doch normal hatte er sie nur mit der Drohung ihre Informationen zu leaken bedroht. Warum auf einmal die anderen? Warum wollte er sie so dringend besitzen? Jack hatte die Hände erhoben. Es war ihm anzusehen, dass er darüber nachdachte, Michael anzugreifen. Er überlegte, ob er schnell genug sein konnte. Langsam machte er einen Schritt zur Seite. Michaels Waffe folgte ihm. Wieder öffnete sich die Tür zum Zimmer. „Was zur Hölle …“, erklang Heidensteins Stimme, die verstummte, als er sah, was vor sich ging. Sofort riss Rain ihn am Arm an sich, hielt ihm die Waffe an den Kopf. „Braves Mädchen“, lobte Michael sie, als würde er mit einem Hund sprechen. Heidensteins Augen suchten die ihren. Er schien nicht zu verstehen. Kein Wunder. Ihr ging es nicht viel besser. „Pakhet?“ Sie konnte ihm nicht antworten, wandte ihre Aufmerksamkeit wieder Michael zu. „Hör damit auf, Michael“, flüsterte sie. „Sie haben damit nichts zu tun.“ „Du hast ihn selbst mit herein gezogen, Joanne“, erwiderte Michael. „Vielleicht würde es dir eine Lehre sein. Ich sag dir was, magst du dich für einen der beiden entscheiden?“ Er grinste. „Was sagst du: Die Nutte oder der gute Doctor?“ „Pakhet“, flüsterte Jack. Sie sah zu Michael. „Hör damit auf. Endlich. Es ist nicht mehr lustig.“ „Ich gebe dir fünf Sekunden, sonst mache ich die Entscheidung für dich.“ Er hob die freie Hand, zeigte fünf Finger. „Fünf.“ Er klappte einen Finger. „Vier.“ „Pakhet“, rief Heidenstein aus. Er versuchte sich aus Rain Armen zu befreien, während die Söldnerin all das regungslos beobachtete. Ein weiterer Finger. „Drei.“ Fuck, was sollte sie tun? Ihr Bein zitterte noch immer. Ihre Hand war fest um ihre Waffe gelegt. „Zwei.“ Noch ein Finger. „Eins.“ „Michael!“, rief sie aus. Er grinste, während er den letzten Finger umklappte. Sein Finger am Abzug spannte sich an. Peng. Der Schuss einer Waffe klang ohrenbetäubend durch den Raum. Michaels Körper fiel leblos zu Boden. Ihr Schuss hatte ihn Mittig der Stirn getroffen. Das Blut hatte sich hinter ihm auf Boden und Wand verteilt. Für einen Moment stand die Zeit still. Sie hatte nicht darüber nachgedacht. Sie hatte gesehen, wie Michaels Finger sich angespannt hatte und hatte abgedrückt. Es war ein Instinkt gewesen. Niemand schien zu verstehen, was geschehen war. Ihr Bewusstsein war das erste, was bereit war, zu reagieren. Sie schoss noch einmal, entlockte Rain einen Schrei, als sich die Kugel in ihr Bein bohrte. Dann sprang sie auf die Söldnerin zu, brachte sie zu Fall und riss ihr seine Pistole aus der Hand. Sie warf sie Jack zu, während Heidenstein bei ihr war. Er half ihr Rain auf den Rücken zu drehen, hielt sie fest, während sie die eigenen Handschellen der Söldnerin nutzte, um sie zu fesseln. Ihr Blick traf den Heidensteins. Noch immer sprach Schock und blanke Verwirrung aus seinem Blick. Ihre Wunden schmerzten. Sie ließ sich an der Wand hinabgleiten, nur langsam realisierend, was sie gerade getan hatte. „Fuck“, flüsterte sie. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)