Mosaik von Alaiya (Urban Fantasy Thriller) ================================================================================ [04.11.2011 – J11 – Krankenhausfrühstück] ----------------------------------------- „Was verschafft mir die Ehre?“, fragte Jack und sah dabei beinahe lebendig aus. Er lag im Bett, hatte dieses aber zum Teil aufgerichtet, blickte zu Pakhet hinüber, als diese mit einem Tablett durch die Tür kam. Ihr Blick wanderte von ihm zu Heidenstein, der ebenfalls wach war und am Rand des Bettes saß. „Ich dachte eigentlich, ich tue euch den Gefallen und lasse euch nicht verhungern, nachdem ihr wegen mir beinahe gestorben seid.“ Sie ging zu ihnen hinüber, stellte das Tablet auf dem Nachtschrank zwischen den beiden Betten ab. Dann packte sie Heidenstein bei der Schulter. „Wenn ihr aber nicht brav liegen bleibt, dann könnte ich mir das noch einmal überlegen.“ „Mir geht es wieder halbwegs gut“, meinte Heidenstein. Er warf ihr einen Blick zu, versuchte unschuldig auszusehen, brachte sie jedoch nur dazu, die Augen zu verdrehen. „Magische Heilung hin oder her. Ihr seid gestern beide schwer verletzt gewesen und ich sehe mich gezwungen, darauf zu bestehen, dass ihr euch zumindest heute und morgen schont.“ Heidenstein lachte, legte sich aber hin. „Wer hat dich zum Oberarzt ernannt?“ „Der nervige Arzt, der gerade angeschossen hier herumliegt und genau dasselbe sagen würde, wäre ich diejenige, die in den Bauch geschossen worden wäre.“ Er schmunzelte, hob aber die Hände in einer ergebenen Geste. „Ist ja schon gut. Ist gut.“ „Hoffe ich“, erwiderte sie. Sie ging zur Tür zurück, schloss diese und zog einen Hocker hier herüber, um sich so zwischen die beiden zu setzen. Die Wahrheit war, dass sie sich noch immer furchtbar mies wegen der ganzen Sache fühlte, doch natürlich würde sie das nicht sagen. Beide nahmen sich ein Toast, sahen zu ihr. „Hast du schon gefrühstückt, Sonnenschein?“, fragte Jack. „Sei vorsichtig. Gestern habe ich dir die Spitznamen verziehen, aber solange es dir angeblich besser geht, werde ich nicht so milde gestimmt sein.“ Er hielt sich in einer übertriebenen Geste die Brust. „Die Schmerzen! Oh, die Schmerzen!“ Pakhet sah ihn mit entgeistertem Ausdruck an, schüttelte dann den Kopf und nahm sich den Kaffee, den sie für sich selbst mit heruntergebracht hatte. „Aber ja, Mon Chér, ich habe bereits gefrühstückt. Ein Freund hat hier übernachtet.“ Sie konnte förmlich spüren, wie Heidenstein sich anspannte. „Wer?“, fragte er vorsichtig. „Robert. Mein Jugendfreund“, antwortete sie. „Du erinnerst dich?“ Er leckte sich über die Lippen, holte tief Luft. „Ich erinnere mich.“ Er schloss die Augen. „Du hättest mich fragen können.“ „Du warst ein wenig damit beschäftigt, operiert zu werden“, erwiderte sie. „Außerdem dachte ich, wir sind gleichberechtigte Mitbewohner, oder?“ Wieder leckte er sich über die Lippen, räusperte sich. „Natürlich. Du hast Recht.“ Er sah kurz zu ihr, Schuldbewusstsein in seinem Blick, wandte sich dem Toast zu. „Oh-oh“, kommentierte Jack. Sie sah zu ihm, musterte ihm. Er war noch immer ziemlich blass, was wohl kein Wunder war, wenn man bedachte, dass er gestern einiges an Blut verloren hatte. Doch zumindest schien es ihm alles in allem deutlich besser zugehen. Zum Glück. „Siobhan und die Heilerin sind gestern noch gegangen?“ „Soweit ich weiß“, antwortete Heidenstein. „Ich muss zugeben, dass ich nicht mehr viel weiß.“ „Ich weiß nur, dass ich sie nicht gefunden habe, als ich gestern Abend heruntergekommen bin.“ Sie seufzte. „Sie haben mich nach oben geschickt“, erklärte sie dann. Sie fühlte sich schlecht, die beiden überhaupt allein gelassen zu haben, nicht zuletzt, da sie diese Athea nicht kannte. Heidenstein nickte. Sie , trank ihren Kaffee. Alles in allem sah heute alles besser aus. Die beiden sahen aus, als lägen sie nicht länger im Sterben, und auch Murphy hatte heute morgen bereits wieder freche Erwiderungen hinbekommen. Als sie zu ihm gekommen war, hatte er wieder seine übliche Gestalt getragen. „Wie geht es dir eigentlich?“, fragte Jack. „Gut“, antwortete sie. „Ich bin von ein paar blauen Flecken abgesehen unverletzt.“ „Dann habe ich mir nur eingebildet, dass du zu Boden gegangen bist?“, fragte Jack. Er runzelte die Stirn, als sei er sich ernsthaft nicht sicher, ob seine Erinnerungen der Wahrheit entsprachen. Pakhet schürzte die Lippen, sah zu Heidenstein, der sie ebenfalls ansah. „Dann hast du mir das gestern gezeigt?“, fragte er. „Die Kugel?“, erwiderte sie. „Ja.“ „Was?“, fragte Jack. Pakhet holte Luft. Sie hatte so lang schon drüber nachgedacht und es machte noch immer keinen Sinn. Die verformte Kugel lag oben auf Heidensteins Nachttisch. „Ich wurde gestern getroffen. Von einem Gewehr. Wahrscheinlich ein Scharfschütze“, erwiderte sie. „Aber …“ Es war weiterhin die beste Erklärung, auch wenn sie dennoch wenig Sinn ergab. „Ich habe eine magische Rüstung unter meiner Jacke getragen. Offenbar hat sie es aufgehalten.“ Sie zog den oberen Rand ihres Tops herunter, um einen Teil des blauen Flecks zu zeigen, der an diesem Morgen in noch bunteren Farben, als am Vortag leuchtete. Jack grinste. „Kannst du mir den Hersteller verraten?“ „Ich habe sie einmal einem Schamanen bei der Firma abgekauft“, erwiderte Pakhet. „Auch wenn das Ding eigentlich nur Nahkampfwaffen und eventuell noch kleine Kaliber aufhalten soll.“ „Dann hattest du das Glück, das mir meistens fehlt“, meinte Jack. Er zuckte mit den Schultern. „Darf ich neidisch werden, Cherie?“ „Mach was du willst.“ Heidenstein seufzte. „Nun, ich bin froh, dass dir nicht passiert ist“, meinte er. „Zugegebenermaßen: Ich auch“, antwortete sie. Sie war sich relativ sicher, dass der Schuss sie unter jeder anderen Bedingung getötet hätte. Offenbar hatte der Scharfschütze, der wahrscheinlich als Backup irgendwo auf Lauer gelegen hatte, gedacht, sie hätte den Angreifer sonst getötet. Immerhin schienen die Truppe eigentlich darauf abgezielt zu haben, sie lebendig gefangen zu nehmen. Heidenstein lächelte ihr zu, räusperte sich dann. „Wie es passiert ist, können wir später noch ergründen.“ Sie nickte, wich seinem Blick aber aus. „Ach, komm schon, Sonnenschein“, meinte Jack. „Lass den Kopf nicht hängen.“ Sie schüttelte den Kopf, schürzte ihre Lippen. „Ich frage mich noch immer, warum sie ausgerechnet dich angegriffen haben.“ Es war die andere Sache, auf die sie sich keinen Reim machen konnte. Warum ausgerechnet Jack? „Nun, es ist recht klar, dass ich der Köder sein sollte, um dich herzulocken, oder?“ Jack zuckte mit den Schultern. Pakhet zögerte. Früher wäre sie davon ausgegangen, dass Jack sie verraten hatte. Doch hätte er sich wirklich beinahe umbringen lassen, um sie herzulocken? Mehr noch, sie wollte ihm vertrauen. Er schien so einsam, so verloren zu sein. Sie wollte ihm wirklich vertrauen. „Es könnte sein, dass die Angreifer von Green Point die Information weitergegeben haben“, meinte Heidenstein. „Jack war jetzt bei mehreren der Einsätze dabei. Es klingt nicht so seltsam. Vielleicht gehörten die Angreifer von gestern sogar zur selben Gruppe.“ Letzteres glaubte sie nicht. Auch wenn sie nicht dazu gekommen war, die Angreifer zu verhören, war sie sich beinahe sicher, dass ihre Angreifer vom Vortag zu den Likedeelern gehörten, während der MO der Angreifer an Green Point eher für eine relativ unorganisierte Söldnertruppe sprach. „Ja, mag sein“, sagte sie dennoch. Immerhin war die erste Theorie nicht zu abwegig. „Komm, mach dir darum erst einmal nicht so viele Gedanken“, meinte Heidenstein. „Das wichtige: Du lebst. Wir leben.“ „Eher anders herum“, murmelte sie und holte tief Luft. Sie sah zu ihm. „Ihr seid beide absolute Idioten.“ „Hey, ich möchte anmerken, ich hatte wirklich relativ wenig Agenda darin, angeschossen zu werden“, meinte Jack. „Die Typen haben mich gestern in einer Bar auf dich angesprochen und sind mir später gefolgt. Anders als der gute Doc, habe ich nicht auf mich schießen lassen. Es wurde einfach auf mich geschossen.“ Pakhet sah ihn an. „Wie immer, hmm?“ „Gesamtzahl ist damit auf 24.“ Er grinste. „Siehst du: Du bist ein Idiot.“ Ein Glucksen folgte, dass schnell abbrach, als Jack sich schmerzerfüllt an die Brust griff. Natürlich. Athea konnte unmöglich sämtlichen Schaden beseitigt haben. Pakhet sah ihn an. „Weißt du was, Honigkuchen? Ich schaue mir nachher eure Wunden an.“ „Oh, du willst meine Krankenschwester sein?“, fragte er. Sie schenkte ihm einen entnervten Blick. „Die Art Krankenschwester, die dir einen Einlauf gibt, wenn du zu aufmüpfig wirst.“ Das ließ sein Grinsen nur noch weiter werden. „Kinky.“ Heidenstein räusperte sich und schenkte ihm einen strafenden Blick. „Komm, Jack, nerv sie nicht zu sehr.“ Jack verdrehte die Augen. „Okay.“ Damit ließ er sich weiter in seine Kissen zurücksinken und biss wieder in sein Toast. „Entschuldige, Pakhet.“ Sie runzelte nur die Stirn, schüttelte den Kopf und wandte ihre Aufmerksamkeit wieder ihrem Kaffee zu. Sie würde diese Provokation mit nicht mehr Aufmerksamkeit belohnen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)