Mosaik von Alaiya (Urban Fantasy Thriller) ================================================================================ [12.10.2011 – X23 – Bodyguard] ------------------------------ Es war zu früh für sie, sich wieder in einen Kampf zu begeben. Heidenstein hatte Recht und wie immer hasste sie es, dass er Recht hatte. Ihr Kopf schwirrte. Ihr war Schwindelig. Das war ihr Kreislauf, der deutlich noch nicht wieder bereits für all das war. Doch darauf konnte sie jetzt keine Rücksicht nehmen. Sonst würde sie sterben und der verdammte Williams, ihr Schützling auch. Sie hatte sich zu sehr daran gewöhnt mit Heidenstein, Murphy und den anderen zu arbeiten. Leute, die sie kannte. Leute, denen sie vertraute. Leute, die ihre Taktik, ihr Vorgehen kannten, ihr vertrauten. Doch sie hatte nicht den Luxus, sich aktuell ihre Jobs aussuchen zu können. Sie musste dafür Sorgen, dass Michael aufhörte, Fragen zu stellen und so war sie hier. Williams. Angeblich auf einer Geschäftsreise hier. Sie ging davon aus, dass er irgendetwas Zwielichtiges tat. Immerhin hatte er ganz offenbar die Aufmerksamkeit der Vory auf sich gezogen. Sie war sich zumindest halbwegs sicher, dass die vier Angreifer Vory waren. Sie riefen sich etwas auf Russisch zu. Waren es wohl die Leute, von Heidensteins Victor? Nun, sie konnte nicht fragen. Sie würde erschossen werden und Williams gleich mit ihr. Sein normaler Bodyguard lag bereits auf dem Boden des Parkplatzes. Der Wagen, den sie von der Firma geliehen hatten. Gesichert. Nicht gänzlich kugelsicher, aber besser als die meisten normalen Wagen. Speziell die meisten Leihwagen. Mr Williams und sein kleiner Handlanger, der sich nur als Souvet vorgestellt hatte, hatten ihn direkt mit der dazugehörigen Security gemietet. Sie und ein anderer Söldner namens Knox waren hier, hinter zwei verschiedenen anderen Wagen in Deckung gegangen. Williams war bei ihr, Souvet bei dem anderen. Er war angeschossen. Sie hielt Williams mit der Prothese beim Arm, nachdem er Anstalten gemacht hatte, wild davon zu rennen. Er würde so sicher erschossen werden. Sie schloss die Augen, konzentrierte sich, rief sich die Geographie des Parkplatzes in Erinnerung. Der Parkplatz lag neben einer Mall, die allerdings geschlossen war. Denn natürlich war sie das. Es war doch ein Klischee, oder? Um genau zu sein war die Mall noch nicht eröffnet, wurde noch gebaut. Der Parkplatz war gute eineinhalb Hektar groß, kurzum riesig. Es hatten schon ein paar Leute Fahrzeuge hier abgestellt. Vorrangig, weil hier in der Nähe einige Bürogebäude waren und die Parkplätze daher wahrscheinlich entgegenkommend waren. Vorteil: Sie hatte Deckung. Es gab keine gute Möglichkeit mit Waffen kurzer Reichweite von irgendwelchen Dächern zu agieren. Dafür waren sie zu zentral auf den Parkplatz. Nachteil: Für jemanden mit einem Scharfschützengewehr boten sie ein wunderbares Ziel. Die Situation war dank der Autos unübersichtlich. Sie hatte nicht im Sinn, wo genau ihre Angreifer waren. Unschlüssig: Jemand würde auf kurz oder lang die Polizei oder – wahrscheinlich – die private Sicherheit der Mall rufen. Die Leute in der Gegend vertrauten der Polizei nicht. Nicht ihrer Erfahrung nach. Vier Leute. Eigentlich keine Herausforderung. Doch Williams war einer dieser viel zu paranoiden, panischen Schützlinge, die ständig hektisch waren und sich nicht verstecken konnten. Zwei Parkreihen weiter stand ein anderer Wagen, hinter dem Knox – ein indisch-afrikanischer Mann mit breiten Schultern – zusammen mit Souvet, einem hageren Europäer saß. Da die Fahrzeuge nicht dicht bei dicht standen, war die Situation unübersichtlich, aber nicht unübersichtlich genug, als dass man hätte zwischen den Wagen herkrabbelnd entkommen können. Sie saß mit dem Rücken zu einem Wagen. Vor ihr war jedoch für drei Parklücken keiner. Knox gestikulierte zu ihr. Sein Plan war, um den Heckflügel des Fahrzeuges zu krabbeln, sich in Stellung zu bringen. Seine schwere Pistole hatte Reichweite. Sie schüttelte den Kopf. Sie hörte nur zwei Schützen. Diese wollten sie wahrscheinlich nervös machen, zu genau solchen Manövern bewegen, während die anderen darauf warteten, dass sie sich bewegten oder versuchten zu entkommen. Sie war schon oft genug in diesen Situationen gewesen, um die Taktiken zu kommen. Wieder gestikulierte er zu ihr. „Jetzt oder nie.“ Am liebsten hätte sie laut gestöhnt, doch tat sie es nicht. Sie wandte sich Williams, der seinerseits, ein schlanker, dunkelhaariger Europäer war. Sein eigentlich hübscher Anzug war sehr staubig. „Du bleibst hier“, zischte sie auf englisch. Er sah sie verstört an. „Wir müssen …“ „Ich sage, was wir müssen.“ Sie ließ ihn los, wartete, ob er wegrannte. Er blieb. Gut. Er war nicht ganz dämlich. Sie hockte sich hin, bereitete ihre Sig Sauer vor. Sie benutzte nicht Heidensteins Pfeilpistole, da diese auf lange Distanzen nicht optimal war. Außerdem sorgte nun einmal richtige Munition für größeren Einschüchterungsfaktor. Zwei Schützen. Einer auf halb elf, der andere, von ihrer Position aus, auf zwei Uhr. Sie sollte es schaffen. Doch wenn sie sich nicht ganz irrte, war der auf zwei Uhr in guter Deckung. Da war ein größerer Rover zwischen ihnen. Immerhin hatte er auch auf Knox angelegt. Egal. Wenn er in Deckung war, hatte sie wahrscheinlich auch Deckung vor ihm. Noch einmal holte sie tief Luft, atmete aus und stand dann auf. Sie hob die Waffe, sah, zielte, schoss, noch bevor ihr Bewusstsein verarbeitet hatte, was sie sah. Da hinten, bei einem weißen, alten VW stand einer ihrer Angreifer. Er schoss mit einer halbautomatischen Pistole auf sie. Dann traf ihre Kugel ihn in der Schulter, etwas zu nahe am Zentrum seines Körpers. Er fiel rückwärts, während sie einen Schuss zu ihrer linken hörte. Der andere Angreifer. Natürlich. Wie sie gesagt hatte, er hatte nur darauf gewartet. Sie machte einen Schritt zur Seite. Die Frontscheibe des Wagens neben ihr splitterte. Die Alarmanlage ging nun endlich los. Das hatte lange gedauert. Sie beachtete sie nicht, wandte ihre Waffe. Zielte. Drei Schuss. Zwei auf die Schulter, ein auf das Knie. Zwei trafen, einer auf der Schulter, der andere am Knie. Dann ein Schrei. Knox. Natürlich. Er hatte sein Hauptziel ausgeschaltet, den anderen jedoch nicht gesehen, nicht erwartet. Sie wandte sich um, lief hinüber, während der andere Angreifer, der hinter einem weißen Transporter direkt vor dem Eingang des Einkaufszentrums Stellung bezogen hatte. Fuck. Er hatte eine Uzi. Die Dinger waren nicht genau, aber das war egal. Ging es eigentlich noch auffälliger? Das regelmäßige Knallen der automatischen Waffe durchschnitt die Luft. Sie ließ sich hinter den Wagen, wo auch Knox lag, fallen. Er lebte noch, stöhnte deutlich hörbar vor Schmerzen. Darum konnte sie sich später kümmern. Was für ein Idiot. Warum hatte er nicht gehört? Egal. Noch einer übrig, richtig? Entfernung zu ihrem Ziel waren knapp achtzig Meter. Kurz, sollte man meinen, aber nicht optimal für ihre Waffe. Egal. Sie musste es probieren. Sie hatte ihn gesehen. Solange er Feuer aufrecht erhielt, konnte er seine Position nicht zu stark verändern. Sie rief sich das Bild seiner Position in den Kopf, machte ihren Plan. Dann stand sie auf. Feuerte. Fünf Mal auf verschiedene Höhen, wohl wissend, dass sie ihn tödlich treffen konnte. Zwei trafen. Einer davon nur als Streifschuss. Er ging nicht zu Boden, schrie jedoch auf und ließ die Waffe sinken, um sich die Schulter zu halten. Sie verfluchte sich, sprintete aber los. Sie war schnell. Sehr schnell. Noch sechzig Meter. Er sammelte sich. Noch vierzig. Er hob die Waffe. Noch zwanzig. Er drückte den Trigger. Sie schlug einen Haken, sprang zur Seite. Dann ein loses Klackern. Sein Magazin war erschöpft. Sie hatte glück. Dann tackelte sie ihn, warf ihn zu Boden. Noch während sie zu Boden gingen, traf ihr erster Schlag seinen Solarplexus. Dann riss sie seine Waffenhand nach oben, schleuderte die Waffe aus seiner Hand. Ihr Bein traf ihn gegen die Hüfte. Dann fand ihre Prothese seinen Hals, schlug gegen seinen Adamsapfel. Er kam mit dem Hinterkopf auf dem Asphalt liegen, rührte sich nicht mehr. Sie atmete durch, tastete dann nach seinem Puls. Er lebte noch. Das was besser als gedacht. Dann ein Schrei. Williams. Sie sah sich um, ahnte aber bereits was passiert war. Er war zu Boden gegangen. Mitten auf freier Fläche. Wahrscheinlich einer der zu Boden gegangenen, aber nicht ohnmächtigen Angreifer. Ein weiterer Schuss. Die gute Nachricht: Williams schrie noch. Sie wechselte ihre Waffe gegen die Pfeilpistole, sprintete zurück. Da, der Angreifer von hinter dem Wagen. Sie kam hinter den Wagen. Er bemerkte sie nicht, während er versuchte noch einmal einen Schuss auf Williams abzugeben. Seine Hand zitterte. Dann traf ihr Pfeil ihn in den Arm, er sah sich zu ihr um, zielte auf sie. Doch der Pistol ging weit über ihren Kopf hinweg. Er hatte zu früh abgedrückt. Dann war sie bei ihm, trat die Waffe aus seiner Hand, richtete dann ihre Waffe auf ihn, wartete. Sein Atem wurde heftiger als zuvor. Er war verwirrt. Dann verlor er das Bewusstsein. Noch immer schrie Williams. Wunderbar. Er lebte noch. Sie verdrehte die Augen, ging zu ihm hinüber. Es war nur ein verdammter Streifschuss am Bein. Dramaqueen. Wie konnte sie diese Einsätze einmal genossen haben? Es war einfach nur nervig. Unglaublich nervig. Sie kniete sich neben ihn. „Du hättest nicht laufen sollen.“ In der Ferne erklangen endlich Sirenen. Dem Geräusch nach private Security. Sie hatte es doch gewusst. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)