Mosaik von Alaiya (Urban Fantasy Thriller) ================================================================================ [25.08.2011 – P01 – Polizeikontakt] ----------------------------------- Zu Pakhets Erleichterung fuhren sie nicht nach Pretoria, wo das eigentliche Südafrika-Hauptquartier von Interpol war, sondern zu einem chinesischen Restaurant in Linden. Es war eindeutig besser, als zur Polizeistation zu fahren. Dennoch war es ihr nicht ganz wohl dabei, so öffentlich zu sein. Der Tag war klar, sonnig, etwas kühl, aber noch immer warm genug, als dass Jack ein leichtes, wenngleich langärmliges Hemd ohne Jacke trug. Derweil hätte Pakhet selbst bei Hitze nicht auf ihre Jacke und die Lederweste verzichtet. Jack führte sie zu einem Platz hinten im Restaurant. Der Tisch war leer, doch laut Smith würde das Treffen auch erst in zehn Minuten, um sieben stattfinden. „Gibt es noch etwas, das du mir über diesen Chase erzählen kannst, Mäuschen?“, fragte Pakhet. „Was willst du wissen, Bärchen?“, erwiderte er. Würden sie das die ganze Zeit machen? Sie war mit solchen Spitznamen nicht einmal gut. Aber verdammt, sie wollte sich auch nicht weiter von ihm verarschen lassen. „Also, er kommt aus den UK und  …? Was für eine Art Mann ist Chase?“ „Jemand mit einem übertriebenen Sinn für Gerechtigkeit.“ Jack hob die Hand, um einen der Kellner rüber zu winken und bereits Getränke für sie zu bestellen – ohne Pakhet zu fragen. Sie beschloss, es zu ignorieren, auch wenn sie normal kein Bier trank. Schon gar nicht zu chinesischem Essen. „Inwiefern?“ „Er würde sich auch gegen Vorschriften stellen, um etwas zu tun, dass er als richtig und gerecht erachtet.“ Jack lehnte sich auf dem Stuhl zurück und schenkte ihr wieder seine ungeteilte Aufmerksamkeit. „Du wirst ihn mögen, Bunnybu.“ Sie verdrehte die Augen. Was auch immer das heißen sollte. Sie konnte eine gewisse Nervosität nicht unterdrücken. Egal was Smith sagte, sie misstraute der Polizei, speziell internationaler Polizei. Immerhin war internationale Polizei oftmals auch nicht von Söldnern angetan – sofern sie ihre Dienste nicht gerade dringend benötigten. Ach, es gab so viele Gründe ihnen gegenüber misstrauisch zu sein. Sie trug nicht umsonst eine ihre Baretta in ihrem versteckten Holster. „Sieh an“, meinte Jack und stupste sie an. Sie hatte sich mit dem Rücken zur Wand gesetzt, hatte eine Übersicht und sah zwei Personen, die in Zivil zu ihnen hinüberkamen. Der eine hellhäutig, breit gebaut. Sein Haar rotblond. Er hatte einen kurz gehaltenen Vollbart. Die erste Assoziation, die er bei ihr hervorrief, war ein alter Seemann, nicht ein Polizist. Seine Begleitung war weiblich, afrikanisch. Ihre Haut war dunkel, ihr Haar, ähnlich wie das Pakhets kurz gehalten, aber kraus. Der Seemann nickte Jack zu. Es war wahrscheinlich Chase. Die Afrikanerin war wohl eine Kollegin. Sie kamen beide zu ihnen hinüber. Chase zog einen Stuhl vor, bot ihn seiner Kollegin an, ehe er sich auf den zweiten Stuhl, ihnen gegenüber setzte. „Jack“, meinte er mit einem milden Lächeln. „Ich hätte nicht gedacht, dich so schnell wieder zu sehen.“ Jack hielt sein Bier in der Hand, musterte ihn. „So schnell? Es waren neun Monate, alter Brummbär.“ Also gab er allen Leuten seltsame Spitznamen. „Kam mir weit weniger vor.“ Chase zuckte mit den Schultern. Jack setzte sein Glas ab, musterte die Kollegin, die Chase mitgebracht hatte. „Das wäre wohl der Moment unsere Begleitungen vorzustellen, nicht wahr?“ „Wie du meinst. Das hier ist Officer Lesedi Botha, von der lokalen Division für vermisse Kinder und Kindesmissbrauch.“ Jack schenkte Botha ein gewinnendes Lächeln, das die Frau unsicher erwiderte. Dann wandte er sich Pakhet zu. „Das hier ist Pakhet. Sie ist diejenige, die diesen Ring gefunden und die ganze Operation ins Rollen gebracht hat.“ „Pakhet, hmm?“ Chase musterte sie aufmerksam. „Das ist kein gewöhnlicher Name, oder?“ Sie zuckte nur mit den Schultern. Er wusste wahrscheinlich, dass es ein Codename war, aber sie hatte keine Lust mit ihm darüber zu sprechen. Sie begnügte sich damit, ihr Schweigen mit einem Schluck des Biers zu begründen. Ein Kellner kam zu ihnen hinüber, fragte, ob sie bestellen wollten. Sie wollten. Gut, da es vielleicht einfacher war über dem Essen zu reden. Es war zumindest einfacher Gründe zu finden, nicht zu antworten. „Also, Ms Pakhet“, meinte Chase, „was können Sie mir genau über den Fall erzählen?“ Sie würden so tun, als sei sie kein Söldner, oder? Zumindest würde sie unter dem Vorsatz weiterspielen. „Wir haben eine Webseite im Dark Web entdeckt, auf der Jugendliche verkauft, teilweise versteigert wurde. Vorrangig für Sexarbeit, allem Anschein nach.“ Sie unterdrückte ein Räuspern, wollte nicht zu nervös wirken. „Wir konnten der Spur eines dorthin gebrachten Mädchens folgen und haben ein Gebäude gefunden, in dessen Keller die“ – sie wollte „Kinder“ sagen – „Jugendlichen gefangen gehalten wurden.“ Wie erklärte sie, was passiert war am besten? „Wir waren nur zu zweit und haben nicht mit magischer Verteidigung gerechnet.“ „Magisch?“, fragte Chase. „Dämonen“, erwiderte Pakhet. Bhuta musterte sie. „Was für eine Art Dämonen?“ Wusste sie mehr? Pakhet holte ihr Handy hervor, suchte die Bilder heraus, die sie abgespeichert hatte. „Ein Schakal und eine große Schlange.“ Sie zeigte die Bilder, ohne ihr Handy aus der Hand zu geben. „Und der Beschwörer?“, fragte Bhuta. „Ich habe einen Mann gesehen. In einer Taschendimension. Ich kann jedoch nicht sicher sein, ob er der Beschwörer war.“ Chase runzelte die Stirn. „Das ist ungewöhnlich.“ „Ja“, erwiderte Pakhet. „Ich weiß.“ Sie blickte ihm direkt in die Augen. Er hatte hellblaue Augen. „Wie dem auch sei.“ Nun trank sie doch einen Schluck, um gegen ein weiteres Räuspern anzukämpfen. „Ich habe das Gebäude beobachten lassen. Man hat die Kinder seither fortgebracht. In ein Hotel.“ Für den Moment verschwieg sie die Wasserwerke, sie schienen so deutlich eine Falle zu sein. „Hotel?“ Chase sah Bhuta an. „Das ist nicht ungewöhnlich“, meinte die Frau. Pakhet nickte. Das wusste sie. Es war eigentlich der übliche MO von Menschenhändlern, Kinder von Hotels aus zu verkaufen. So üblich, dass internationale Kinderschutzorganisationen gezielt dagegen vorgingen und Datenbanken von Hotelzimmern anlegten. „Glauben Sie, dass das Hotel auch magisch gesichert wurde?“ Chase sah sie an. Pakhet zuckte mit den Schultern. Natürlich wusste sie es nicht. Doch der Kellner, der die ersten Teller mit dem Essen, gewährte ihr Zeit, die Antwort zu verzögern. Schließlich seufzte sie. „Ich denke nicht, dass man Dämonen im Hotel positioniert hat, sofern der Hotelbetreiber nicht mit der Organisation zu tun hat, was ich nicht ausschließen kann.“ Jack stieß sie leicht an, schenkte ihr einen langen Blick. Er hatte deutlich bemerkt, dass sie die Wasserwerke ausgelassen hatte. Ach, verdammt. „Man hat fünf oder sechs der Jugendlichen auch in das alte Wasserwerk gebracht.“ Sie beobachtete Chase. „Ich nehme an, dass es eine Falle ist. Man wird den Ort sichern.“ Chase strich sich über seinen Bart. Seine Stirn war in Falten gelegt, doch dann nahm er die Stäbchen, die neben seinen Teller gelegt worden waren. „Wie haben sie all das herausgefunden?“ Pakhet tat es ihm gleich. „Gute Spione.“ Sie nahm etwas von dem mageren Hähnchenfleisch, das auf ihren Nudeln lag, auf, führte es zu ihrem Mund. „Ah.“ Auch Chase aß. Für eine Weile herrschte Schweigen. Sie und Chase aßen, Bhute schien unsicher, was sie sagen sollte, und Jack war offenbar genervt. Er räusperte sich. „Weshalb wir hier sind: Wir brauchen Hilfe, um die Jugendlichen daraus zu holen, sie möglichst sicher unterzubringen, sie medizinisch und psychologisch zu versorgen.“ Chase nickte. „Anders gesagt: Ihr braucht ein Einsatzkommando.“ Pakhet ließ ihre Stäbchen sinken. „Ich werde mich um das Wasserwerk kümmern. Auch wenn es zuträglich wäre, würden die Behörden sich danach um die Jugendlichen kümmern.“ „Sie können nicht einfach um Hilfe bitten und dann beschließen, dass Sie sich um einen Teil selbst kümmern“, warf Bhute mit gerunzelter Stirn ein. „Was qualifiziert Sie überhaupt dafür?“ Jack schenkte ihr wieder ein breites Lächeln. Wenn er es für seine Geheimwaffe hielt, war es in Pakhets Augen nicht sehr erfolgreich. „Glauben Sie mir, Pakhet ist sehr qualifiziert.“ Dabei redete er so, als würde er sie tatsächlich kennen. Dabei hatte er sie nicht einmal kämpfen sehen. Doch im Moment sollte sie sich nicht darüber beschweren. Sie konnte nicht zulassen, dass die Polizei sich an den Wasserwerken einmischte. Das war eine Falle, die wahrscheinlich ihr galt und verdammt noch mal ihre beste Chance, Informationen zu die Leute hinter der Organisation zu erhalten. Davon abgesehen widerstrebte es ihrem Stolz, jemand anderes sich darum kümmern zu lassen. Wenn diese Leute glaubten, sie könnten sie in so einem Hinterhalt hinrichten, würden sie schon sehen, was sie davon hatten. „Sind dort auch Kinder?“, fragte Chase. „Von allem, was wir wissen, ja“, erwiderte Pakhet. „Fünf oder Sechs. Meine Spione konnten es nicht genau sagen.“ Sie sah erst ihm, dann Bhute fest in die Augen. „Aber meine Leute und ich können uns darum kümmern. Wir brauchen vor allem Hilfe für das Hotel und für die Unterbringung der Jugendlichen.“ „Ich gehöre übrigens zu ihren Leuten“, erklärte Jack mit einem weiten Grinsen. „Also kein Grund zur Sorge.“ Glaubte er wirklich, dass diese Worte beruhigend wirkten? Chase seufzte, legte seine Stäbchen ab und ließ sich in seinem Stuhl zurücksinken. Er verschränkte die Arme und dachte offenbar nach. „John“, meinte Bhute leise, aber nicht leise genug, als dass sie es nicht hörten. „Wir können nicht einfach einige“ – sie sah zu Pakhet und Jack – „Söldner mit einer solchen Operation  …“ Wahrscheinlich hatte sie tatsächlich so etwas wie Autorität über ihn. Immerhin unterstand Interpol, solange sie in Südafrika agierten, den örtlichen staatlichen Sicherheitskräften. „Wir beauftragen des Öfteren Söldner mit solchen Operationen.“ Er seufzte. „Ich denke wir können darüber reden.“ Er hob selbst sein Glas um zu trinken. „Können Sie uns weitere Bilder, Beweise über die Situation besorgen?“ Pakhet nickte. „Ja. Fraglos.“ „Dann werden wir sehen, was sich machen lässt.“ „Wie schnell?“, fragte Pakhet. „Zwei Tage. Vielleicht drei.“ Er räusperte sich und sah sie an, sagte aber nichts mehr. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)