Mosaik von Alaiya (Urban Fantasy Thriller) ================================================================================ [24.08.2011 – M20 – Kleiderfragen] ---------------------------------- Sie saßen beim Frühstück. Heidenstein hatte gefrorene Brötchen aufgebacken, die er mit Magarine und Marmelade, Pakhet dagegen mit Frischkäse aß. Am Ende aß sie ohnehin wenig zum Frühstück – der Kaffee war dagegen wesentlich wichtiger. Eine große Tasse stand vor ihr auf dem Wohnzimmertisch. Ein leises Klacken ließ Pakhet aufhören. Es klang, als würden Steine gegen das Küchenfenster geworden werden. Die Küche, die eigentlich einmal eine Kaffeeküche gewesen war, ehe Heidenstein diesen Abschnitt des Krankenhauses zu seiner Wohnung umgebaut hatte, lag direkt hinter dem Wohnzimmer und hatte keine Tür, die man hätte schließen können. Da sie im fünften Stock lag, sollte es allerdings auch niemanden geben, der so einfach würde Steine an das Fenster werden können. Sie drehte sich um. „Was?“, fragte Heidenstein und sah auf. Pakhet seufzte, als sie erkannte, was der Auslöser für das seltsame Geräusch war: Eine Dohle klammerte sich an dem sehr schmalen Fenstersims fest zu klopfte mit dem Schnabel dagegen. „Murphy“, sagte sie und ging zum Fenster hinüber, um es zu öffnen. Die Dohle flatterte herein und nahm die Gestalt des schwarzhaarigen, hellhäutigen und ausgesprochen nackten Teenagers an. „Warum zur Hölle hast du deine Kleidung nicht gebunden?“, fragte Pakhet und sah weg. Der Junge trieb sie damit noch zur Verzweiflung. Das Prinzip war eigentlich einfach: Gebundene Kleidung war auf die eigene Aura eingestimmt, weshalb Gestaltwandler sie einfach mit sich verwandeln konnten. Es war eine Methode für jede Art von Gestaltwandler nicht ständig nackt darzustehen. Für alle anderen war es vor allem von Vorteil, um Kleidung mit in andere Ebenen zu nehmen – sei es die Astralebene oder die Anderswelt. Zur Hölle, Murphy hatte Kleidung an sich gebunden, um mit ihr in die Anderswelt zu gehen und jetzt  … „Du musst sehen, Pakhet“, erwiderte der Junge, ohne sich darum zu bemühen, seine Blöße zu bedecken. „Ich bin ein sehr modischer junger Mann. Muss es ja auch sein, als Crashs Manager und alles, nicht? Und da kann ich es mir doch nicht erlauben ständig dieselbe Kleidung zu tragen. Und du weißt wie auszehrend dieser Rituale sein können, oder?“ Er seufzte schwer. „Davon abgesehen will ich doch niemanden diese Aussicht vorenthalten.“ Er gestikulierte seinen ganzen Körper entlang. „Die siehst aus wie ein magerer Teenager“, erwiderte sie und ging zurück ins Wohnzimmer, um den Rest ihres Brötchens und vor allem den verbleibenden Kaffee zu vernichten. „Ein sehr hübscher magerer Teenager“, protestierte Murphy und lehnte von hinten gegen das Sofa. Pakhet trank Kaffee und schenkte sich damit erst einmal keine Antwort. „Ich kann die Kleidung leihen“, meinte Heidenstein und stand auf. „Aber du kleidest dich langweilig“, grummelte Murphy. Pakhet fiel auf, dass er nie etwas zu dem Unterschied zwischen dem „alten Heidenstein“ und dem „nicht ganz so alten“ Heidenstein angemerkt hatte. Dabei war der Junge nie um eine blöde Bemerkung verlegen. Hatte er es auch bereits länger gewusst? „Ich möchte dennoch keine nackten Teenager in meinem Wohnzimmer haben“, murmelte Heidenstein und ging zu seinem Zimmer, dessen Tür direkt neben dem Sofa war, hinüber. Diese Wohnung war erstaunlich gedrängt. „Warum bist du hier?“, fragte Pakhet. „Gibt es etwas neues?“ „Ja und nein“, meinte Murphy. „Ich fliege gleich los und tausche Positionen mit Siobhan, um das Wasserwerk zu beobachten. Der Geist scheint weit weniger Probleme mit Müdigkeit zu haben.“ Er schüttelte den Kopf und zuckte mit den Schultern. Da war allerdings auch ein Ausdruck in seinem Gesicht, der Pakhet neugierig machte. Sie hob eine Augenbraue. „Was?“ „Ach, der Möwengeist ist seltsam.“ Murphy schüttelte den Kopf. „Sehr  … Anschmiegsam, für eine Möwe. Und sie riecht nach Fisch.“ „Wundert dich das?“ Er zuckte mit den Schultern. „Zum Teil schon.“ Heidenstein war aus seinem Zimmer zurück und reichte Murphy das weite T-Shirt, dass er meistens zum Training trug, und eine entsprechende weite Jogginghose. Murphy verdrehte die Augen, schlüpfte aber in die Kleidung, die an ihm aussah, als hätte man ihm eine Zeltplane übergezogen. Heidenstein war weder übergewichtig, noch übermäßig muskulös, doch er war groß gewachsen, anders als der Junge in dieser Gestalt. Und Pakhet war sich beinahe dessen sicher, dass er seine Gestalt nicht wechselte, weil er Energie für die Überwachung sich aufsparen wollte. Er seufzte melodramatisch. „Da könntest du mal passende Klamotten haben.“ „Pass auf, Murphy“, meinte Pakhet amüsiert. „Sonst kaufe ich noch Kleidung für dich.“ Murphy musterte sie, die sie noch immer schwarze Trainingshose und Tanktop trug. „Wäre etwas farblos, aber zumindest  …“ Er hob die Hände, wobei die Ärmel des T-Shirts an seinen Armen schlackerten. „Ich sehe schon.“ Pakhet lächelte matt. Murphy grinste. „Also, ja, ähm. Siobhan wird nachher wohl vorbei kommen“, meinte er. Er wandte sich schon wieder zum Gehen. Wahrscheinlich war die Kleidung wirklich überflüssig gewesen. Dann aber hielt Murphy inne. „Ach ja, und ich habe mit Smith geredet. Wenn du morgen Zeit hast, werde ich mit dir zu einer Magierin fahren, die Tränke und Artefakte herstellt.“ „Okay.“ Pakhet musterte ihn. „Wieso du?“ Murphy wich ihrem Blick aus. „Sagen wir es mal so, ich kenne sie noch.“ Dann erschien wieder sein übliches Grinsen auf seinem Gesicht. Er lief rückwärts in Richtung des offenen Küchenfensters. „Ich muss dann mal, sonst wird mich Siobhan noch zu Tode hacken.“ Damit stolperte er – ziemlich sicher absichtlich – über seine Hosenbeine und nahm noch im Sturz die Gestalt eines Rabens an, der aus dem Fenster flatterte und verschwand. „Ich hätte ihm wirklich keine Kleidung raussuchen müssen, hmm?“, meinte Heidenstein und sammelte Hose und Shirt vom Boden auf. „Nein“, antwortete Pakhet und seufzte. „Vielleicht sollte ich ihm wirklich etwas kaufen.“ Heidenstein sah sie mit einem milden Lächeln an. „Um ihn zu nerven?“ „Um zu verhindern, dass er hier nicht öfter nackt rumspaziert“, meinte sie. „Und ja, vielleicht auch, um ihn etwas zu ärgern.“ Sie seufzte und wandte sich wieder dem Kaffee zu. Ihre Nacht war nicht besonders erholsam gewesen. Sie hatte zu viele Alpträume gehabt. Aber zumindest waren ihre Wunden weiter verheilt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)