Mosaik von Alaiya (Urban Fantasy Thriller) ================================================================================ [20.08.2011 – X10 – Undercover] ------------------------------- Pakhet hatte einen Nachteil, vor allen auf den hohen Schuhen, die allerdings irgendwie zum Kostüm gehörten: Sie war zu groß für eine Frau. Mit den Absätzen war sie größer als diverse Männer. Das war eine Tatsache, die keine Menge an Make-Up, keine Kostümtricks, ja selbst Glamour nicht verbergen konnten, wenn sie sich durch die Menge bewegte. Sie bemühte sich dennoch, es zu überspielen und den abschreckenden Faktor, den die Größe auf viele Männer hatte, zu mindern. Sie hatte sich absichtlich auf deutlich jünger geschminkt, trug eine blonde, leicht lockige Perücke, deren Haar zu einem Zopf gebunden war. Sie hatte beschlossen, dass ein einfacher Zopf reichte, auch wenn sie kurz über Accessoires nachgedacht hatte. Sie trug außerdem Strapse. Vielleicht etwas übertrieben, aber den meisten würde es nicht auffallen. Im Club herrschte Partystimmung. Eine bunte Mischung aus örtlichen jungen und nicht ganz so jungen Leuten, Touristen, Drogendealern und Prostituierten feierte hier. Manche tanzten, einige drückten sich in Ecken herum, andere saßen an der Bar. Pakhet stand noch immer am Eingang, schenkte dem Türsteher ein gewinnendes Lächeln, während er sie musterte. „Zum Arbeiten hier?“, fragte er auf Englisch. „Wonach sieht es denn aus, Liebling?“, erwiderte sie und täuschte einen dicken Akzent vor. Der Mann, ein großer, kräftig gebauter Schwarzer, musterte sie. Kurz zeigte sich der Ansatz eines Grinsen auf seinem Gesicht. „Genau danach.“ Er gab ihr ihren Ausweis zurück. „Weiß Tutu, dass du hier bist?“ „Ja, ich habe ihn dafür bezahlt“, erwiderte sie. Tutu war der Inhaber des Clubs und jedes Mädchen, dass hierhin kam, zahlte den Betrag, um hier Kunden anheuern zu können und dabei die relative Sicherheit des Clubs zu genießen. „340, wie abgesprochen.“ Die Info hatte sie von Smith. „Gut“, murmelte er. Er streckte die Hand nach ihrer Handtasche aus, bekam sie von ihr in die Hand gedrückt. Darin fand er nichts ungewöhnliches: Ihr Handy – in einer klischeehaften Goldhülle – eine dünne Geldbörse, Kondome, Gleitmittel, Make-Up, Pflaster, Schmerztabletten. Er gab ihr die Handtasche zurück. „Dann geh. Erfolgreichen Abend.“ „Danke, Sweetheart“, flötete sie und trat durch die Tür. Im Club schlug ihr der Geruch von Alkohol und Schweiß entgegen – wie man es erwartete. Die Musik war viel zu laut, die Lichter bei der Tanzfläche viel zu flackernd. Sie erlaubte sich ein kurzes Seufzen. Bei so viel Lächeln, würden ihre Mundwinkel am Ende des Tages schmerzen. Doch was sollte man tun? Job, war Job. Vor allem war da ein Mädchen, das gerettet werden sollte und, wenn sie Pech hatten, sonst nach weiß Gott wohin verkauft werden würde. Und wahrscheinlich war da nicht nur sie. Also ging Pakhet zur langen Bar. Der ganze Club war in einem modernen Stil mit viel Metall, viel Schwarz und viel Neon gehalten. Die Steinmauer, die die Grundlage der Bartheke bildete, war silbrig grau angemalt und mit symmetrischen Metallelementen verziert. Unter der schwarzen Oberfläche, waren blaue und violette Lichter angebracht, die die leicht hervorstehenden Elemente bestrahlten, um ein Schattenspiel zu projizieren. Derselbe Stil setzte sich an den Wänden fort. Die Bar war gesamt gute acht Meter lang und bot einigen Platz, der jedoch bereits gut ausgefüllt war. Kaum einer der hohen Hocker war noch frei. Einige der Damen, die dort saßen, den Blick der Tanzfläche zugewandt, waren fraglos Prostituierte. Es war der übliche Stil. Pakhet hatte es oft genug beobachtet. Single und auf Flirttour? Rücken zur Fläche. Prostituiert und auf der Suche nach Kundschaft? Blick zur Tanzfläche, aufreizende Position. Sie lächelte, stakste hinüber, positionierte sich an den ersten freiwerdenden Hocker. Ursprünglich hatte sie überlegt in der normalen Gestalt Stephanies hierher zu kommen, hatte sich aber dagegen entschieden. Sicher, wenn sie eine besonders naive Stephanie spielte, könnte sie vielleicht auch Leute anziehen, aber eher Loverboys, keine Scouts. Davon abgesehen sahen es Loverboys eher auf Teenager ab – und keine Menge Make-Up erlaubte es ihr, als unter zwanzig durchzugehen. Also Prostituierte. Es war ohnehin zielführender, hatte doch auch Dené als Prostituierte gearbeitet. Wenn Thomas, wie Murphy sagte, wirklich ihr Freund gewesen war, war die Wahrscheinlichkeit groß, dass ein Scout sie angesprochen und in eine Falle gelockt hatte. Ein Barkeep schenkte ihr nach vielleicht zwei Minuten Aufmerksamkeit. „Hey, Süße. Dich habe ich hier noch nicht gesehen“, meinte er, füllte ihr einen Drink ein. Sie lächelte ihn an. Er war farbig, dunkelhaarig, jung. „Ja, das stimmt wohl“, erwiderte sie mit einem Schnurren, „ich bin das erste Mal hier. Ich war vorher immer in Corona.“ „Verstehe“, meinte der junge Mann – er war vielleicht sechsundzwanzig oder siebenundzwanzig. „Weiß Tutu Bescheid?“ „Aber sicher“, schnurrte sie. „Alles okay. Ich habe bezahlt.“ Sie zwinkerte. Sie kam sich so albern vor. Der Mann lächelte, entspannte sich etwas. „Cool. Warum bist du denn hierher gekommen?“ Damit gab er ihr den Drink. Billiger Rum, dem Geruch nach. „Ja, weißt du, bei David ist das in letzter Zeit nicht mehr so sicher, weißt du? Er hat immer diese Gangs da und das ist echt  …“ Sie rümpfte die Nase. „Das geht nicht. Die hören nie, wenn man was sagt.“ Er lächelte. „Versteh ich.“ „Und eine Freundin hat mir von dem Laden hier erzählt und das Tutu Arschlöcher im Notfall auch persönlich rauswirft.“ Der Barkeep lachte. „Hat er ein oder zwei Mal gemacht, ja.“ Die Erinnerung daran ließ ihn für einen Moment grinsen. Dann fiel ihm jedoch eine andere Frage ein:. „Wer ist denn deine Freundin?“ „Candy“, erwiderte Pakhet. Das war laut den Unterlagen von Michael der Name unter dem Dené angeschafft hatte. Kein besonders origineller Name. Auch der Barkeep schien ähnliches zu denken. Er runzelte die Stirn. „Ich kenne mindestens drei Candys. Haste 'n Bild?“ „Klar“, flötete sie. Ha, vielleicht konnte sie von ihm Informationen bekommen. Sie holte ihr Handy heraus und rief ein Bild von Dené auf, das nach einem Selfie aussah. „Hier.“ Sie hielt ihm das Handy entgegen. Der Barkeep runzelte die Stirn. „Ah, klar. Die kenn ich. Die ist doch letzte Woche verschwunden.“ Pakhet tat schockiert. „Was? Echt? Davon habe ich ja gar nicht gehört. Was ist denn passiert?“ Der Barkeep schüttelte die Stirn, beugte sich noch weiter zu ihr vor. „Die ist vor ein paar Tagen nachts einfach nicht mehr zurück gekommen und auch in den nächsten Tagen nicht mehr aufgetaucht. Tutu sagt, wir sollen Ausschau halten. Will nicht, dass es seinem Ruf schadet und so.“ „Wieso? Ist sie abgehauen?“, fragte Pakhet, bemüht ihre Augen so groß wie möglich wirken zu lassen. „Ne. Eben nicht.“ Er schüttelte den Kopf. „Tutu glaubt, dass sie wer entführt hat. Hat sie wahrscheinlich weggelockt irgendwie. Wir sollen die Augen aufhalten, sagt er.“ „Oh man. Die arme Candy“, erwiderte sie. Offenbar wusste der Barkeep nichts von der Webseite. Vielleicht besser für ihn. „Weißte denn irgendwas darüber?“ „Ne. Ich hatte an dem Abend frei“, meinte er. „Konnte also nichts sehen. Hey, ich weiß was, du kannst mal Jake fragen.“ Dankbarerweise war er eine Klatschtante. Vielleicht fand sie über die Barkeeps etwas heraus. Irgendjemand musste ja gesehen haben, mit wem das Mädchen die Bar verlassen hatte. Das oder sie hatte Glück und wurde von einem der Scouts angesprochen, sollte sich hier einer rumtreiben. Sie ließ ihren Blick über die Menschenmenge glauben. Auch wenn die Chancen dank der Auswahl wohl sehr gering waren. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)