Mosaik von Alaiya (Urban Fantasy Thriller) ================================================================================ [12.08.2011 – M11 – Neugierde] ------------------------------ Eine Stunde später fuhr sie vor Heidensteins Krankenhaus vor, dessen Parkplatz mittlerweile zu einem Drittel belegt war. Noch immer wirkte es leer, doch bei weitem nicht mehr so verlassen, wie noch vor zwei Monaten. Wenn man bedachte, dass viele Patienten kein Auto hatten, wirkte es sogar recht gefüllt. Wie er das wohl geschafft hatte? Die Sonne war bereits untergegangen, so dass sämtliches Licht den Straßenlampen am Rand des Parkplatzes zu verdanken war. Sie hasste die Gegend bei Nacht. Besser gesagt, hasste sie es um diese Zeit, durch die Flats zu fahren. Zwar konnte sie sich wehren, doch war der Gedanke an einen Überfall deswegen nicht reizender. Es war einer der Gründe gewesen, weswegen sie in den vergangenen Wochen so oft bei Heidenstein übernachtet hatte. Ein mulmiges Gefühl machte sich in ihrer Magengegend breit, als sie die Treppe zur Straßenklinik hinabging. Sie wollte nicht wieder mit ihm sprechen. Noch nicht. Ja, sie wusste, dass sie nicht ewig davonlaufen konnte. Nun, sie konnte, aber es war nicht fair. Aber zwei, drei weitere Tage … wären die wirklich zu viel verlangt? Der Flur der Straßenklinik lag dunkel und verlassen vor ihr. Einzig durch den Spalt der angelehnten Tür von Heidensteins Büro strömte Licht. Stimmen waren zu hören. Murphy und Heidenstein. „Hat sie wirklich gesagt, dass sie kommt?“, fragte Heidenstein. Es klang, als würde er diese Frage nicht das erste Mal stellen. Pakhet hielt inne. Sie wollte wirklich, wirklich nicht mit ihm sprechen. Sie konnte noch gehen. Solange die beiden sie nicht bemerkt hatten, konnte sie … Murphy winkte ab. „Ach was, sie kommt schon. Sie macht sich echt Sorgen um mich.“ Ja, sicher Junge. Hätte mit ihm wirklich etwas nicht gestimmt, hätte sie schon lange von Crash gehört. Zugegebenermaßen wollte sie dennoch sicher gehen, dass seine Wunde verheilt war. „Okay.“ Heidensteins Stimme klang nicht, als würde er ihm glauben. „Du scheinst ja wirklich überrascht zu sein“, meinte der Junge. „Was ist zwischen euch beiden passiert?“ „Nichts“, sagte Heidenstein schnell. Seine Stimme strafte ihn einen Lügner, selbst ohne sein Gesicht zu sehen. Das musste auch der Junge merken, der für so etwas mehr Gespür hatte als sie. „Sicher.“ Murphy klang amüsiert, beinahe hämisch. „Jetzt sag. Ich will die ganzen Details hören!“ „Murphy, es ist nichts zwischen uns passiert.“ Heidensteins Stimme war weiterhin unsicher, sagte jedoch deutlich, dass er nicht drüber sprechen wollte. „Hat sie dir etwa einen Korb gegeben?“, fragte Murphy. Er war dabei erstaunlich nahe bei der Wahrheit. Sie konnte das nicht länger mit anhören. Ach, verdammt, gerade verfluchte sie den Jungen, auch wenn sie fast sicher war, dass es nicht einmal Böswilligkeit war. Es hätte sie nicht gewundert, hätte er versucht, auf diese Art zu helfen. Er nervte dennoch und ja, sie wollte nicht, dass er davon wusste. Es ging ihn nichts an. Mit entschlossenen Schritten trat sie auf die Tür zu und warf sie auf. „Da bin ich“, grummelte sie und schenkte dem Jungen einen strafenden Blick. Er hob die Arme und grinste. „Pakhet!“ „Kid“, erwiderte sie. Sie fixierte ihn für zwei Sekunden, ehe ihr Blick kurz zu Heidenstein wanderte. Sie nickte ihm zu, er erwiderte ihr Nicken, dann senkten sie beide den Blick. Wunderbar, jetzt verhielt sie sich wie ein Teenager. Großartig. Wirklich großartig. „Und da dachte ich schon“, meinte Murphy mit der Miene eines leidenden Dramendarstellers, „dass du dein Kid vergessen hast.“ Sie musterte ihn wenig amüsiert. „Hat der Doc dich schon angesehen?“ „Ich habe ihm Blut abgenommen“, erwiderte Heidenstein. „Zu mehr bin ich noch nicht gekommen, ehe er mich ausgefragt hat.“ Sie nickte, bedachte ihn mit einem weiteren kurzen Blick, ehe sie ihre Aufmerksamkeit Murphy widmete. „Zeig mir dein Bein.“ Jeder andere hätte wohl einfach die Hose hochgekrämpelt. Nicht so Murphy, der die Hose gleich ganz auszog. Zumindest ließ er die Unterhose an und ersparte ihr damit entsprechende Peinlichkeiten. Sie tauschte einen kurzen Blick mit Heidenstein und bugsierte Murphy in den gegenüberliegenden Behandlungsraum. Hier drückte sie erst Murphy auf die Liege, ehe sie die Lampe darüber anschaltete, um sich das Bein besser ansehen zu können. Eigentlich wäre es sinnvoller, wenn Heidenstein ihn untersuchte. Doch sie wollte etwas zu tun haben, wollte einen Grund haben, Heidensteins Blick zu meiden, weshalb sie sich Murphys Wunde ansah – oder das, was davon übrig war. Viel war es nicht. Einzig ein Ring aus hellerer Haut, der sich um sein Fußgelenk zog, war von der Verätzung geblieben. Die Reizungen am Unterschenkel waren komplett verschwunden. Sie machte weiter, so gut sie konnte. Sie maß den Puls des Jungen, seinen Blutdruck, sah in seine Augen, fragte nach Symptomen. „Och, mir geht es blendend“, meinte Murphy und grinste. „Soll ich vielleicht noch einen Fitnesstest machen?“ Sie verstand sehr wohl, was er meinte, grinste aber sardonisch. „Gute Idee. Zwanzig Minuten auf dem Laufband klingen doch super.“ Er zwinkerte, grinste. Offenbar hatte er mit so einer Erwiderung gerechnet. „Kannst du mir nicht einfach glauben?“ „Kann ich das?“, murmelte sie. „Vielleicht sollte ich Crash mal fragen, was er dazu meint.“ „Er wird dir bestätigen können, dass meine Ausdauer in jeder Hinsicht gesteigert wurde.“ Er hustete trocken, ehe er unter dem Atem hinzufügte: „So, wie er mich durch die Gegend jagt.“ Noch ein Husten. „Das meine ich übrigens wortwörtlich, Pakhet. Der bedroht mich.“ „Meistens, nachdem du ihn ärgerst, oder?“ Sie musterte ihn amüsiert. „Ich und ihn ärgern?“ Murphy schaute unschuldig, grinste dann aber wieder weit. „Ja, gut, ein wenig. Ab und an. Wobei Alice das auch kann und die jagt er nie.“ „Du kommst also gut mit ihr aus?“ Langsam fragte sie sich, was es mit dem Mädchen auf sich hatte, das sie bisher nie gesehen hatte. Murphy schenkte ihr einen vielsagenden Blick. „Alice ist super.“ Okay. Vielleicht hatte Crash mehr als einen Grund Murphy durch die Gegend zu jagen. „Zurück zu deiner Gesundheit“, meinte sie rasch. „Also. Keine Übelkeit?“ Ein Kopfschütteln. „Kein Schwindel?“ Wieder Kopfschütteln. „Kopfschmerzen?“ Dasselbe. Sie seufzte und schaute schließlich zu Heidenstein. „Was meinst du dazu?“, zwang sie sich zu fragen. Heidenstein hatte mit verschränkten Armen an der Wand gestanden und kam nun hinüber. „Lass mich mal sehen“, meinte er. Auch er sah Murphy in die Augen, in den Hals und fühlte seinen Puls. Schüttelte schließlich aber den Kopf. „Es scheint alles in Ordnung zu sein.“ „Also kann ich weitermachen, wie bisher?“, fragte Murphy. Pakhet schenkte ihm einen herablassenden Blick. „Solange du verhütest.“ „Immer!“, meinte er. Dann überlegte er. „Na ja, meistens.“ Natürlich. Sie verdrehte die Augen. „Ich werde schauen, was deine Blutwerte sagen. Aber rein symptomatisch gesehen, scheint alles in Ordnung zu sein“, meinte Heidenstein. „Du kannst also beruhigt nach Hause gehen.“ Wieder grinste Murphy. „Juhu.“ Dann wandte er sich an Pakhet. „Was sagst du? Gehen wir zur Feier des Tages ein Eis essen?“ Was hatte er nur mit dem Eis? „Hast du nicht Arbeit zu tun?“ „Nein, für heute Abend bin ich frei“, meinte Murphy und zog gewohnheitsmäßig das Handy aus der Jeansjacke hervor, die er trug. Dann seufzte er schwer, verzog den Mund. „Oder doch nicht. Man, kann der Große denn nichts ohne mich tun?“ „Was ist?“ „Ich soll noch mal mit dem Trainer sprechen oder so“, meinte Murphy und sprang von der Liege, auf dessen Rand er die ganze Zeit gesessen war. „Sorry, Pakhet, das Eis muss wohl bis zu einem anderen Mal warten.“ Sie verdrehte nur die Augen, während er bereits zur Tür stürmte. Hinter dieser blieb er noch einmal kurz stehen. „Danke, dass du hergekommen bist!“ Er hob die Hand zum Abschied und war im nächsten Moment auch schon verschwunden. Sie lächelte matt, schüttelte den Kopf und wurde sich einen Moment später dessen bewusst, dass sie mit Heidenstein allein war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)