Mosaik von Alaiya (Urban Fantasy Thriller) ================================================================================ [14.07.2011 – M08 – Eisdiele] ----------------------------- Murphy wartete vor dem Bayside-Einkaufszentrum auf sie. Wieder hatte er die Gestalt des dunkelhaarigen, hellhäutigen Jugendlichen angenommen. Er grinste, winkte und schien allgemein bester Laune zu sein. Vielleicht, weil er einen festen Job hatte. Vielleicht auch, weil er der Aussicht, sie weiter aufziehen zu können, entgegensah. Pakhet seufzte und ermahnte sich, daran zu denken, warum sie hier war. Den Jungen sämtliche Flausen, Crash weiter zu ärgern, aus dem Kopf zu treiben. Ja. Genau. Und dabei durfte sie versuchen, sich von Murphy nicht unter den Teppich labern zu lassen. „Hey!“, rief er, als sie noch zehn Meter von ihm entfernt war. Sein Grinsen wirkte übertrieben begeistert. „Hey, Murphy“, erwiderte sie. „Na, was macht dein neuer Job?“ „Ach, der ist bestens“, meinte Murphy. „Wir gehen uns Morgen Wohnungen Downtown ansehen.“ Er grinste. „Ist das nicht cool? Eine richtige Wohnung! Vielleicht sogar ein Haus!“ Ein Thema, bei dem sie kaum mitreden konnte. Sie hatte niemals nicht zumindest eine Wohnung gehabt. Ihre Eltern hatten Häuser besessen, dann war sie in eine eigene Wohnung gezogen und zwei Jahre später hatte sie das Haus hier in Kapstadt gemietet. „Sicher“, sagte sie. Schließlich verstand sie, dass es für einen Straßenjungen etwas Überragendes sein musste. „Ich dachte ja schon, dass wir dich gar nicht mehr sehen“, plauderte Murphy weiter. „Immerhin habe ich dich ja so genervt und alles. Warum wolltest du dich mit mir treffen?“ „Weil ich mit dir reden wollte“, erwiderte sie. Nun war er es, der leise seufzte. „Also kein Eis?“ Sie hatte ihn scherzhaft auf ein Eis eingeladen, als sie telefoniert hatten. Sie lächelte. „Wir können gerne in ein Eiscafé gehen, um zu reden.“ „Yay.“ Wieder grinste er. Übertrieb er oder war die Begeisterung ehrlich? Bei Murphy war sie nie sicher. Er schien selten ehrlich zu sein, war gleichzeitig aber oft kindisch. „Dann komm einmal“, meinte sie. „In dem Einkaufszentrum gibt es ein Café.“ „Okay.“ Er grinste und marschierte voran, wartete nach ein paar Schritten aber auf sie. Kurze Zeit später standen sie auf der Rolltreppe in das Obergeschoss des Einkaufszentrums. Es war immer wieder seltsam in der besseren Gegend Kapstadts unterwegs zu sein. Ein Großteil der Menschen hier war hellhäutig – etwas, das sich falsch anfühlte, in dieser Stadt. Und das, obwohl die Apartheit angeblich seit Jahren beendet war. „Also, was hast du in den letzten Tagen gemacht?“, fragte Murphy und drehte sich zu ihr um. Sie wandte ihren Blick ihm zu. „Einen kleinen Job für Michael. Und ich habe Urlaub gebucht.“ Nach der ganzen Sache mit der Chaostruppe hatte sie Urlaub wirklich verdient. „Urlaub? Wo denn?“ „Das sage ich dir nicht, Naseweis.“ Sie schenkte ihm ein distanziertes Lächeln. Sie kamen am oberen Ende der Rolltreppe an, gingen auf die Galerie des Einkaufszentrums. Murphy fuhr fort. „Du warst sicher auch wieder beim Doc, eh?“ Sie schenkte ihm einen fragenden Blick. „Ihr scheint ja gut miteinander auszukommen“, stellte Murphy fest. Nicht er auch noch! „Wieso?“, meinte sie und hielt auf das Eiscafé am südlichen Ende der Etage zu. „Nur so.“ Murphy grinste. Wieder. Er beschleunigte seine Schritte und glitt elegant, fast wie ein Tänzer, um einen der Tische herum, ehe er sich auf einen der Stühle sinken ließ. Angeber. Sie setzte sich ihm gegenüber und schob ihm die Karte hin. Sie war selbst kein Fan von Süßem und würde nur einen Eiskaffee bestellen. Dafür brauchte sie die Karte nicht. Murphy derweil studierte das Menü ausgiebig, hielt dann inne und fixierte Pakhet. „Bin ich eingeladen?“ Sie lächelte. „Solltest nicht eigentlich du mich einladen mit deinem neuen Job?“ „Kann ich machen“, meinte er. Damit hatte sie nicht gerechnet. Sie schüttelte den Kopf und lachte leise. „Ist schon okay, Murph. Such dir was aus. Ich zahle.“ „Danke.“ Er grinste wieder und sah noch einmal in die Karte. „Dann nehme ich den Erdbeer-Schoko-Becher.“ Sie nickte. „Ist okay.“ Damit blickte sie sich um, um zu sehen, wo die nächste Bedienung war. Die Kellnerin – ein junges Afrikaans-Mädchen mit recht heller Haut und schwarzen, zu einem geflochtenen Knoten gebundenen Haar – bemerkte sie und kam zu ihnen hinüber. Murphy zwinkerte ihr zu. Natürlich tat er das. Er versuchte mit beinahe jedem Mitglied des anderen Geschlechts und des eigenen Geschlechts zu flirten. „Also“, meinte Murphy, nachdem sie bestellt hatten, „was wolltest du besprechen?“ Nicht länger prokrastinieren. Wahrscheinlich war es besser so. Sie verkniff sich ein Seufzen, wandte sich dem Jungen gänzlich zu. „Crash. Du hast also vor, wirklich seinen Manager zu spielen, eh?“ Kurz zeigte sich Verwirrung auf seinem Gesicht. Dann ein weiteres Grinsen. „Ja. Das war der Plan.“ „Du weißt, dass du damit Verantwortung hast, ja?“ „Ja, sicher.“ „Wirst du dich entsprechend verhalten?“ Nun runzelte Murphy die Stirn. „Was meinst du damit?“ „Ich meine damit, dass du eine gewisse Neigung hast, egoistisch zu sein und dich anderen gegenüber wie ein Arsch zu benehmen“, sagte sie geradeheraus. Murphy schenkte ihr einen gekränkten Blick. „Ich weiß nicht, was du meinst. Wenn du auf das eine Mal in der Arena da anspielst: Das war so nicht gemeint! Wirklich nicht. Ich dachte halt nur, dass du damit problemlos klarkommst und immerhin bist du das ja auch. Ich konnte ja nur nicht wissen, dass Crash wirklich so stark ist. Ich meine, die anderen waren ja kein Problem, oder? Du bist doch stark!“ Sie musterte ihn. „Ich meine damit, dass ich nicht will, dass du Crash irgendwelche Sachen aufquatscht, die ihm auf Dauer schaden. Crash ist ein ehrlicher Typ und er will seine Schwester beschützen.“ „Seine Cousine“, meinte Murphy. „Was?“ „Seine Cousine. Eigentlich ist Alice seine Cousine. Sie sagen nur sie seien Geschwister. Aber es ist recht offensichtlich, wenn du sie einmal siehst.“ Er grinste. „Du hast sie schon kennen gelernt?“ „Jap.“ Sein Grinsen wurde noch weiter. Wie auch immer. „Es geht mir darum, dass du ihn nicht hintergehst, ja?“ Murphy seufzte schwer. Sein Gesicht wurde ernster. „Ich verspreche, dass ich keinen Scheiß machen werde, okay? Davon abgesehen, dass Crash mich wahrscheinlich aufspießen würde, schieße ich mir damit doch nur selbst ins Bein. Ich meine, wenn er wirklich eine erfolgreiche Sportkarriere macht, dann habe ich auch ausgesorgt, oder?“ Sie musterte ihn für einen Moment. „Hast du, wahrscheinlich.“ „Siehst du?“ Schon wieder seufzte er schwer. „Ehrlich, Pakhet. Ich bin kein totaler Arsch. Und es verletzt mich, dass du so von mir denkst. Wirklich.“ Er zog einen Schmollmund, der allerdings sogleich verschwand, als die Kellnerin mit Eisbecher und Eiskaffee zu ihnen hinüberkam. Murphys Becher war in einer breiten Keramikschale serviert. Rosane, weißgelbliche und Braune Eiskugeln waren kunstvoll arrangiert und mit Sahne, dunkler Soße, aber auch Erdbeeren und Schokostücken garniert. „Danke“, meinte er zur Kellnerin und ein Glänzen zeigte sich in seinen Augen. Er sah auch zu Pakhet. „Danke.“ Dann pickte er sich ein Schokostück von Oben hinab und steckte es sich in den Mund. „Ich liebe Schokolade.“ Er hatte den Blick eines Süchtigen, der das Ziel seiner Sucht nur selten zu sehen bekam. Ein Punkt mehr für Straßenkind. Ach, mittlerweile war es eigentlich keine Frage mehr. Er begann zu Essen, während sie am Eiskaffee nippte. Zumindest war er nicht zu süß. In anderen Cafés hatte sie schon Eiskaffee getrunken, in den man so viel Syrup gegossen hatte, dass der eigentliche Kaffeegeschmack nicht mehr auszumachen war. Mit einem Kaffee der dank der Eiskugel ein leichtes Vanillearoma hatte, kam sie dagegen klar. „Ich weiß was“, meinte Murphy schließlich, als er die halbe Schüssel in Rekordtempo geleert hatte. „Ich mache die ganze Arenasache wieder gut mit dir, ja? Sag mir, was ich tun soll!“ Sie schnaufte. „Du musst nichts tun, Murphy. Es reicht, wenn du dich aufrichtig entschuldigst und so einen Scheiß nicht noch einmal abziehst.“ „Dass werde ich nicht. Sicher nicht. Ehrlich, Pakhet!“ Er zeigte sich reumütig. „Und es tut mir wirklich, wirklich leid.“ War er aufrichtig? Sie war sich nicht sicher. Sie war sich bei ihm nie sicher. Dafür schenkte er ihr einen rehäugigen Blick. „Weißt du, ich will dennoch was tun, um es wieder gut zu mache. Ähm.“ Er gab vor zu überlegen. „Was hältst du davon, wenn ich dich heute Abend zum Essen einlade?“ „Das ist nicht nötig, Junge. Ehrlich nicht.“ „Was ist dann mit einer Bar? Gehst du in Bars? Wir könnten was zusammen machen.“ Langsam kehrte das Grinsen wieder auf sein Gesicht zurück. Er zwinkerte. Moment. Er zwinkerte? „Aha“, meinte sie und seufzte. „Was denn zum Beispiel?“ „Alles, was du willst!“ Er grinste weiter. „Alles, was du willst.“ Er steckte sich einen weiteren Löffel Eis in den Mund, lutschte etwas an diesem. Ein weiteres genervtes Stöhnen entglitt ihr und sie schloss die Augen, um leise bis zehn zu zählen. Dann sah sie ihn wieder an. „Sag mal, Murphy, versuchst du gerade etwa mit mir zu flirten?“ Unglaublicher Weise breitete sich das Grinsen noch weiter aus. „Wieso? Funktioniert's?“ Natürlich passierte ihr so etwas. Natürlich. Womit hatte sie eigentlich gerechnet. „Murphy, Kid, mal ganz unter uns: Wie alt bist du?“ Sein Blick war unschuldig, während seine Augen ihre Farbe veränderten, wechselten von Grün nach Braun. „So alt, wie du willst.“ Sie musste sich ihre Frage also selbst beantworten. „Du bist vielleicht sechzehn, eventuell siebzehn. Kid, ich könnte deine Mutter sein.“ Murphy musterte sie. „Na ja, ich finde, dass ist der falsche Ansatz. Die Sache ist ja, dass du nicht meine Mutter bist, oder? Also  …“ „Kid.“ Sie fixierte ihn kühl. „Du bist zu jung für mich.“ Sie sah den kommenden Satz vorher und antwortete direkt: „Ja, auch für einen One-Night-Stand. Du bist zu jung.“ War es vielleicht zu hart, wie sie auf ihn reagierte? Immerhin war er wahrscheinlich wirklich nur ein hormongesteuerter Teenager. Er ließ ein langes Seufzen hören. „Okay, okay. Ist ja gut.“ Er teilte eine Erdbeere in der Mitte durch. „Ich verstehe ja schon. Dennoch  …“ Sie seufzte. „Also, wenn du es dir anders überlegen solltest.“ „Murphy“, meinte sie mit einem Seufzen. „Ja, ja. Schon verstanden.“ Er runzelte die Stirn, ehe ihm ein anderer Gedanke kam. „Heißt das, du lädst mich dann zum Essen ein?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)