Zum Inhalt der Seite

Blutleer

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

1. Kapitel
 

Feine Schweißperlen flogen durch die Luft, mischten sich mit Blut. Immer und immer wieder schlug die breite Klinge auf den Knochen der Halswirbelsäule. Wieso hatte man auch ausgerechnet den Kopf verlangt? Hätte es nicht eine Klaue oder ein Ohr ebenso getan?

Nein, es musste der Kopf sein. Woher aber sollten diese Tölpel auch wissen dass die Knochen eines Langschwanzbären fast so hart wie Stein waren?

Knochensplitter sausten an seinem Gesicht vorbei, ein lautes Knacken verkündete endlich das Nachgeben der Wirbelsäule. Schwer atmend stand der Waidmann neben der riesigen Bestie, selbst auf der Seite liegend ging ihm der Körper noch bis zur Schläfe. Der Bär tat ihm leid, auf Nahrungssuche trieb ihn wohl sein leerer Magen in diese Gegend. Leid taten ihm aber auch die Kinder, welche seinen Hunger gestillt hatten.

Fisk sammelte seinen Hut wieder ein, welchen er in dem Kampf verloren hatte, und blickte sich ein letztes Mal in der Höhle um damit nichts vergessen wurde. Zuvor hatte er schon den Bären beobachtet und einen Blick in die Höhle geworfen. Zweifellos war er allein, hatte keine Jungtiere, dann nämlich hätte er sich eine andere Lösung einfallen lassen müssen.

Wahrscheinlich eine ohne Bezahlung da sein Auftraggeber explizit den Kopf als Beweis verlangte.

Sei es drum, es war erledigt.

Der Waidmann schob den Zweihänder wieder zurück in die Scheide auf seinem Rücken und packte den Bärenkopf an einem der Ohren.

In Erwartung an blendendes Licht kniff er die Augen etwas zusammen, doch lediglich die Strahlen der untergehenden Sonne begrüßten ihn.

Für einen Moment verharrte er still. Zwitschernde Vögel sangen ihr Lied in den Wipfeln der Nadelbäume. Von hoch oben überblickte er den Wald, welcher sich den Berg hinunter vor ihm erstreckte. Fern war der Sommer nicht mehr, warm und lang waren die Tage bereits. Eine Windbö trug einen herrlichen Duft heran. Gräser, Blumen, Salz des nahen Meeres.

Fisk nieste laut, Vögel flatterten erschrocken davon.

Noch einen Augenblick lang betrachtete er die Baumkronen unter sich und das endlose Meer welches sich dahinter erstreckte. Kleine Rauchwolken stiegen aus schmalen Schornsteinen des Fischerdorfs Berl auf. Einige der Dächer konnte er durch die Bäume hindurch erkennen.

Wenige Minuten noch, dann würde die untergehende Sonne den Horizont küssen und im Meer verschwinden. Zwei Monde zeichneten sich schon deutlich am Himmel ab. Der Dritte würde später dazu kommen.

Veldig trottete seinem Herren langsam entgegen und schnupperte an dem Kopf des Bären. „Vergiss es, sein Fleisch ist ungenießbar. Die Erfahrung haben wir vor Jahren schon gemacht.“

Nachdem er die Trophäe an dem Sattel befestigt hatte, schwang er sich selbst hinein und begann den Ritt hinab in das Tal.

Berl erreichte er bei Einbruch der Nacht, brave Bürger lagen bereits in ihren Betten, alle restlichen befanden sich in der kleinen Spielunke in Hafennähe. Schon von weitem konnte er laute Stimmen hören welche das Rauschen des Meeres fast übertönten.

Schwungvoll stieß er mit einem Fuß die Holztür auf, sogleich verstummte Jedermann.

Augenpaare musterten den von oben bis unten blutbespritzten Waidmann in seiner dunklen Kleidung. Selbst in seinen blonden Bartstoppeln klebten rote Verkrustungen.

„Bei dem dicken Bauch meiner Mutter, nun sieh sich einer dieses riesige Maul an!“ Laut schlug der Wirt mit der Faust auf seinen Tresen und eilte um die Theke herum. Auch einige andere Schaulustige versammelten sich um den Waidmann und dessen Beute.

Das meiste Interesse zeigte ein gebräunter schlaksiger Mann mit kurzem grauen Haar. Dessen blaue Augen blickten fast ehrfürchtig auf den Kopf des Tieres. „Ihr habt es tatsächlich geschafft Nebeljäger. Eurem Ruf werdet Ihr wirklich gerecht.“

Fisk streckte die Hand aus, mit der Innenfläche nach oben. Sofort kramte der schlaksige Mann einen Beutel hervor und legte ihn hinein.

Schweigend steckte Fisk den Beutel weg und überreichte ihm die Trophäe. Fast hätte sie den Mann zu Boden gerissen, trotzt dass er sie mit beiden Händen entgegen nahm. „Wie schwer er ist. Wirt! Was haltet Ihr davon wenn wir dieses Biest ausstopfen und an die Wand hier hängen?“

Bitter verzog dieser das Gesicht und blickte in die Gesichter seiner Gäste. „Besser nicht, Einige möchten lieber vergessen was dieses Vieh hier für einen Schaden angerichtet hat.“

Während noch herum diskutiert wurde, wandte der Waidmann sich ab und wollte gerade die Spielunke verlassen als der Wirt ihm hinterher rief dass er doch noch auf ein Bier bleiben solle. Ablehnend hob Fisk die Hand und antwortete dass morgen ein langer Tag werden würde, und er von dem Kampf aussah, als hätte er ein Bad in Blut genommen. Ihm stand der Kopf nach einem Bottich mit Wasser.

„Ach redet kein Seemannsgarn. Das Bier geht auf´s Haus.“

„Geht auch Rum?“

Etwas verwundert hob der Wirt eine Braue und zuckte mit den Schultern. „Sicherlich.“

Schon im nächsten Augenblick hatte der Waidmann seinen Hut abgenommen und sich einen Platz an dem kleinen Tresen gesucht. Wenn ihm auch der Sinn nach etwas Ruhe stand, konnte er den Einwohnern ihren Wunsch nicht abschlagen und berichtete an diesem späten Abend lange von dem Kampf mit dem Langschwanzbären.
 

Noch vor den ersten Strahlen der Sonne klopfte es an der klapprigen Scheunentür. Stöhnend, mitsamt pochendem Schädel, drückte sich Fisk von seinem kleinen Lager hoch. Zusammen mit Veldig hatte er es sich im Heu gemütlich gemacht um sich vor der noch anhaltenden Kälte der Nacht zu schützen. Gästebetten oder gar ein Gasthaus besaß der kleine Fischerort nicht, doch schon solch eine Scheune bedeutete einen gewissen Luxus für den Jäger. Meist schlief er unter dem Himmelszelt.

„Steht auf! Gleich geht es los.“

Fluchend wurden die müden Knochen gestreckt. Früh aufzustehen war nun wirklich keine Freude.

Lange brauchte der Waidmann nicht, schon hatte er sein ganzes Hab und Gut auf dem Sattel verstaut.

Zusammen trotteten sie die wenigen Schritte hinunter zu dem kleinen Bootssteg. Einer der Fischer wartete schon auf ihn. Man konnte spüren dass sowohl dem Fischer als auch Veldig nicht ganz wohl zumute war. Der Hyna wusste schon was sein Herr mit ihm vor hatte.

Wenn diese Schaluppe auch das größte Boot in ganz Berl war, würde es ein Abenteuer werden Veldig sicher darauf zu verstauen.

„Wie lange wird die Überfahrt dauern?“

„Mit dieser Ladung vermutlich zwei Stunden.“

Ausreichend beschloss Fisk. Ungenügend stand in Veldigs dunklen Augen.

Mit einem kleinen Nickerchen verstrich die Zeit wie im Fluge, als Fisk am Ende den Fischer für seinen Dienst bezahlen wollte, winkte dieser überraschend ab.

„Ihr habt die Bestie getötet die meinen Neffen gefressen hat. Seht es als persönlichen Dank von mir an.“

Nach einer kurzen Verabschiedung ruderte der Mann wieder fort. Zurück blieb der Waidmann in einem Gewimmel aus Menschen. Die Sonne war vorhin aufgegangen und die Fischer der Stadt Dornburg machten sich an die Arbeit um in See stechen zu können.

Überall wurde gearbeitet, geschrien und Lehrjungen verdroschen. Unangenehme Gerüche waren allgegenwärtig. Sogar die ersten Huren standen schon parat für die bald eintreffenden Seefahrer.

Eilig durchschritt Fisk mit langen Schritten das bunte Treiben, Veldig folgte ihm auf den Fuß.

Da er schon ein paar Mal in Dornburg gewesen war, wusste er welches Schiff für ihn infrage kam. Faulige Zahnstummel entblößte der Kapitän als er den Nebeljäger erblickte. „Aye! Lange nicht gesehen. Was macht das Geschäft?“

„Mehr schlecht denn recht. Scheinbar trauen sich die Ungeheuer nicht mehr so nah an die Siedlungen heran oder wir haben schon zu viele von ihnen ausgerottet.“

Natürlich entsprachen die Worte nicht ganz der Wahrheit, aber der Kapitän war ein Schlitzohr. Würde er den armen Mann spielen, musste er nicht all zu viele Silbertaler auf den Tisch legen. Wenn auch flüchtig, man kannte sich eben.

Lachend schlug der Kapitän ihm auf die Schulter. Schnell kamen sie ins Geschäft.

Nachdem Fisk eine kleine Koje bekommen hatte, in welcher er sich nun kaum mehr bewegen konnte da Veldig dort auch seinen Platz gefunden hatte, ging er nochmals an Deck.

Die Unterarme auf die Reling gestützt, den Blick auf das Treiben des Hafens gerichtet und dem Wind im blonden Haar, ließ er sich die frische Brise des Meeres um die Nase wehen. Friedlich schaukelte das Schiff vor sich hin. Mit gewohnten Handgriffen ging die Mannschaft ihren Aufgaben nach. So selten waren diese Augenblicke des Nichtstuns. Zwei Tage lang würde die Überfahrt dauern. Zwei Tage an denen er endlich Schlaf nachholen und sich abends ohne Gewissensbisse einer Flasche Rum hingeben konnte. Herrlich.

Schritte drangen an seine Ohren, mit einem kleinen Paket wedelnd schlenderte der Steuermann auf ihn zu. „Da seid Ihr ja. Hier. Dies sollte ich Euch überreichen.“

„Von wem?“ Fragend schoss eine Braue des Jägers in die Höhe während ihm das Bündel überreicht wurde. Braunes Papier umwickelt mit einer Kordel schützte den Inhalt. Schwer war es nicht, sogar sehr leicht.

„Keine Ahnung. Als wir ablegten drückte es ein schmächtiger Bursche unserem Lehrling in die Hand.“

Skeptisch löste Fisk die Kordel, anschließend riss er ungeduldig das Papier auseinander. Offenbart wurde eine kleine Holzbox, verschlossen durch einen simplen Riegel. Mit dem Rücken an die Reling gelehnt, öffnete der Waidmann sie und klappte den Deckel nach oben.

In der Magengrube des Steuermanns bildete sich ein ungutes Gefühl als sein Gegenüber sichtlich erbleichte während er den Inhalt anstarrte. Fisk zog ein kleines Zettelchen aus der Box und schloss sie, als der neugierige Überbringer einen Blick hineinzuwerfen versuchte.

„Ein schmächtiger Bursche sagtet Ihr? Konnte Euer Lehrling den Fremden beschreiben?“

„Nein, ich habe ihn extra gefragt da ich es doch sehr komisch fand dass für Euch ein Paket abgegeben wurde. Ich meine, Ihr ward nicht angekündigt, woher hätte jemand anders wissen können dass Ihr heute mit uns in See stecht.“

„Gut kombiniert.“ Noch eine Spur fahler wurde Fisks gebräuntes Gesicht als er die Zeilen auf dem Zettelchen überflog. Er drehte dem Steuermann den Rücken zu und verfiel in Schweigen.

„In Ordnung. Wenn Ihr noch etwas braucht, meldet Euch einfach.“ Noch einen Moment starrte er auf den Rücken des Waidmanns, keine Worte, keine Regung, kein Dank für die Überbringung. Auch gut. Es gab Dinge in welche man sich einfach nicht einmischte. Der Steuermann beschloss dass dies eines dieser Dinge war und ging wieder zurück an die Arbeit.

Mit zittrigen Händen umklammerte Fisk die kleine Holzbox. Schwungvoll holte er aus, war schon im Begriff dieses teuflische Ding über Bord zu werfen, in letzter Sekunde aber wurde das Vorhaben abgebrochen. Zwischen gebleckten Zähnen drang ein Fluch hervor. Eilig niedergeschriebene Worte mit schwarzer Tinte echoten in seinem Geist wieder.

Ein Leben. Jeden Tag. Meine Versprechen sind mir heilig Jäger. Geschunden, langsam fast zu Tode gequält liegen sie da, starren unentwegt in den Himmel, weil es nichts mehr gibt womit sie ihre Augen schließen können. Letztlich hacken sie die Krähen aus, zu erschöpft um sich zu wehren. Tot? Nein. Noch nicht. Bald. Niemand da der sie finden würde. Hoffentlich gefällt dir mein Geschenk. A.

Im Inneren der kleinen Holzbox befanden sich zehn getrocknete Stückchen Haut. Halbmondförmig, am Ende ein feiner Kranz dünner Haare. Aroir hatte diesen Frauen die Augenlider abgeschnitten und sie ihm zukommen lassen.

Fisk schmeckte Blut als er sich auf die Lippe biss. Langsam sanken die zitternden Hände wieder hinab. Den Blick weiterhin auf das Meer, den sich entfernenden Hafen von Dornburg gerichtet, steckte der Waidmann die Box in die Innentasche seines Mantels.

Dafür würde Arior büßen. Hundertfach. Nein, tausendfach.
 

Fünf lange Tage schipperte das Schiff über die unruhige See. Eigentlich liebte der Waidmann die Schifffahrt, es hatte etwas erholsames. Sanfte Wellen die einen fortan hin und her wogen, klare Luft, Salz auf den Lippen. Zerzaustes Haar von der frischen Meeresbrise. Weit fort von jedem Auftrag.

Am aller liebsten hätte an Deck gelegen und sich die Haut von der Sonne küssen lassen.

Die Augen geschlossen konnte er so den gesamten Tag verbringen.

Nicht so bei dieser Seefahrt. Warm schien die Sonne am blauen Himmel, Fisk aber sah sie nicht einmal da er seine gesamte Zeit unter Deck verbracht hatte.

Keine Stimmen, keine Unterhaltungen, einfach nur Ruhe. In Ruhe auf der dünnen Matratze hocken, den Rücken an Veldig gelehnt und auf das Kästchen starren. Immer wieder öffnete er es um einen Blick auf die Augenlider zu werfen. Wieso?

Einziges Ergebnis war das abgekühlte Blut neuerlich zum kochen zu bringen. Antworten aber würde er so nicht erhalten.

In Gedanken versunken knabberte Fisk an seiner Unterlippe und zog mit den Zähnen trockene Hautschüppchen ab, bis der Geschmack von Blut ihm Ekel bereitete. Wohin genau die Gedanken des Waidmanns trieben, konnte man nur ahnen. Vielleicht überlegte er schon was er mit Arior anstellen würde. Wenn es doch nur einen kleinen Hinweis gegeben hätte. Nichts. Absolut nichts. Fisk tappte im Dunkeln.

Um Arior in die Finger zu bekommen, musste er sich Hilfe holen. Eines der wachsamen Augen, welche überall in der Welt verstreut umher streiften mussten doch etwas gesehen haben.

Ein Klopfen riss Fisk jäh aus seinen Gedanken. Leise drang die Stimme des Steuermanns durch die Tür ohne dass sie geöffnet wurde.

„In einer Stunde legen wir an.“

„Danke.“

Langsam erhob sich der Waidmann, rieb sich die steifen Glieder und streckte sich halbherzig bevor es daran ging, die Tasche zu packen. Viel hatte er für das Herumsitzen nicht gebraucht.

An Deck riss der Wind den Staub von seiner Kleidung, zerzauste das blonde Haar und blies die Partikel der Dunkelheit hinfort. Grelles Sonnenlicht zwang ihn dazu seine Augen etwas zusammen zu kneifen. Es tat gut die Lungen mit frischer Luft zu füllen.

Was tot war, blieb tot, es war nicht mehr zu ändern. Seine Aufmerksamkeit musste er auf die Lebenden lenken. Auf jene die er noch retten konnte.

Dicht trat er an die Reling und blickte der nahen Stadt Althafen entgegen. Ein großer, prächtiger Platz an dem sich der Waidmann immer gern ein Zimmer genommen hatte.

Dieses Mal aber zog er weiter ohne Rast einzulegen. Lediglich die Vorräte füllte er auf.

Verlockend lag der Duft verschiedener Speisen in der Luft die der Wind vom Markt heran trug. Über den Himmel zogen schneeweiße Kraniche. Jede noch so schmale Gasse in Althafen war sauber, es stank nirgendwo nach Müll, Urin oder anderem Unrat. Kinder rannten lachend im Spiel umher. Fast wie eine perfekte Welt.

Hier war der Umschlagpunkt verschiedener Völker. Elfen standen neben Menschen, plauderten mit weit angereisten Aktar, sogar eine Janama konnte er unter den Besuchern der Handelsstraße entdecken. Über die Köpfe hinweg ragten die Hörner eines Drachen empor, natürlich nicht in seiner ursprünglichen Form, unter Menschen, wenn sie denn unter Menschen wandelten, nahmen sie eine humanoide Gestalt an. Nur die Hörner auf seinem Kopf, die schmalen Pupillen und der lange Schwanz am unteren Rücken verrieten seine wahre Herkunft.

Dafür liebte er Althafen. Ein Ort, Jahrtausende auf dem Buckel und von Dekade zu Dekade immer schöner werdend. Hier war die Welt zuhause.

Doch wohnen tat kaum jemand in dieser Stadt, außer den Händlern und Arbeitern. Diese Stadt lebte für den Handel, das Vergnügen und die Vielfältigkeit des Lebens. Die bunte Seite der Welt, welche sie sich alle zusammen teilten.

Nur wer keinen Groll gegen andere Volksgruppen hegte, war willkommen. Hinter den Toren von Althafen waren alle gleich. Frieden in dieser Form konnte nur mithilfe strenger Gesetze gewahrt werden. Harte Strafen, bei einem Verstoß gegen diese Gesetze, wurden sofort vollstreckt. Unsichtbar und doch immer präsent lauerten die Augen der herrschenden Magier schier überall.

Wer eine Dummheit begehen wollte, suchte sich besser einen anderen Platz dafür aus. In den Rinnsalen Althafens floss kein Blut.

Erstes und wichtigstes Gesetz.

Niemals hatte er eine schönere Form einer Scheinwelt gesehen, obendrein funktionierte es.

Rasch sah er zu diese Stadt hinter sich zu lassen, auch wenn er sich diesem Glanz und dem Vergnügen gern einmal wieder hin gegeben hätte, nun war nicht der passende Augenblick dafür.

Sechs weitere Tage auf Veldigs Rücken lagen vor dem Waidmann. Ohne lange Rast musste es gelingen.
 

Müdigkeit und Erschöpfung waren durch Mark und Bein gekrochen, hatten sich festgesaugt wie ein lästiger Parasit den man nicht mehr los bekam.

Weite Ebenen, dichte Wälder und ein Sumpf lagen hinter ihm, nun war seine lange Reise zu einem Ende gekommen. Vorerst.

Alte knorrige Bäume, deren Rinde mit Moos bewachsen waren, gaben ihm letztes Geleit auf dem Pfad nach Waidmannsheil. Eine ruhige Stadt die winzig klein wirkte im Gegensatz zu der glanzvollen Erhabenheit von Althafen.

Waidmannsheil war der Inbegriff von Gemütlichkeit. Hier und da streiften Reisende dieses Idyll, mit seinen kleinen, aus Stein errichteten, Häusern. Rauch kräuselte sich aus dem Schornstein der Goldschmiede in die Höhe. Neben dem großen Gasthaus ein weiterer Anlaufpunkt für Besucher der Stadt. Der Schmied verstand sein Handwerk wie sonst keiner und fertige Schmuckstücke der besonderen Art.

Waidmannsheil lag direkt an den Ufern des riesigen Schluchsees. Er war von solch immenser Größe, dass man nicht bis an das Gegenüberliegende Ufer schauen konnte. Im Osten streckte sich ein Gebirgszug in die Höhe, dessen Spitzen immerzu mit einer weißen Krone versehen waren.

Saftig grüne Weidegründe umschlossen die Stadt von allen Seiten. Obstbäume verteilten sich auf der Fläche und im Westen befand sich ein Wald durch den man tagelang reiten konnte ohne an dessen Ende zu gelangen.

Fisk liebte diese Stadt, liebte die weite Ferne welche zu allen Seiten präsent war. Ein müdes Lächeln umspielte seine Lippen als er die breite Hauptstraße passierte. Aus dem Augenwinkel sah er auf die glatte Oberfläche des Schluchsees. Wenn auch das andere Ufer nicht zu sehen war, gab es dennoch etwas das einem direkt ins Auge stach. Der Schatten einer breiten Insel malte sich am Horizont ab. Die Insel der Jäger. Im Auge des Schluchsees gelegen, gewährte sie niemandem Zutritt. Niemandem außer den Nebeljägern.

Fisk lenkte Veldig nicht sofort an das Ufer des Sees um eine Überfahrt zu erbitten, zuvor stattete er einer ganz besonderen Gaststube einen Besuch ab.

Ganz am westlichen Ende lag Das glückliche Ferkel, umringt mit einem Zaun welchen längst Efeu für sich eingenommen hatte. Draußen standen einige Tische und Stühle, doch die Luft war noch zu frisch sodass die warme Stube etwas verlockender war. Hinter dem Gebäude lag ein großer Garten mit Gemüse und Kräutern aller Art.

Neben der Eingangstür stand ein großer Bottich mit frischem Wasser wo er Veldig eine Pause gönnte. An den zwei kleinen Stufen streifte er sich bestmöglich den Dreck von den Stiefeln und trat hinein. Die Tür stand offen.

Im Inneren der Stube warteten verwinkelte, gemütliche Sitzecken mit Fenstern die zum größten Teil hinaus in den Garten zeigten. Der Duft von Gewürzen lag in der Luft, mischte sich mit den Geräuschen aus der Küche. Jemand hackte auf ein Brett ein, hielt in seinem Tun aber inne als er die Schritte des Waidmanns vernahm.

Aus der Tür zur Küche schaute der Kopf eines Mannes hervor. Das schwarze Haar trug er kurz und sein Kinn war mit einem dichten, aber nicht sehr langen Bart bedeckt. Eine Reihe weißer Zähne blitzte auf als er grinste.

„Hast du dich verirrt?“

„Könnte sein, wie ich sehe steht noch immer kein Fleisch auf der Speisekarte.“

Fisk erwiderte das Grinsen und nahm an der Theke aus bunten Mosaiksteinchen Platz, seinen Hut legte er neben sich ab und wuschelte sich flüchtig durch das Haar.

Ohne zu Fragen mischte der Schwarzhaarige in einem großen Glas eine ordentliche Portion Rum und ein wenig dunkelbraunen Sirup, welchen er selbst aus Süßrüben herstellte, die in seinem Garten wuchsen.

„Eigentlich hatte ich noch nicht vor was zu trinken, es ist erst Mittag.“

Der Wirt stellte ihm kommentarlos das Glas hin und sein Gast nahm einen Schluck. Erst dann reichten beide sich freundschaftlich die Hand und klopften sich über den Tresen hinweg auf die Schultern.

„Etele altes Haus, wie geht es dir?“

Etele schürzte kurz die Lippen und schenkte sich selbst ebenfalls etwas von der Mischung in ein Glas ein um mit seinem Gast anzustoßen. „Kann nicht klagen. Wie immer ist unsere Stube nicht überlaufen, aber wir können ganz gut damit leben.“

Anfangs hatte Fisk Etele belächelt als dieser mit der absurden Idee um die Ecke kam, eine Gaststube zu eröffnen in der kein Fleisch serviert wurde. Etele und seine Frau liebten Tiere über alles und konnten ihnen kein Haar krümmen. Eteles Leidenschaft war das kochen, und sogar Fisk musste sich eingestehen dass seine Gerichte köstlich waren. Wenn er selbst auch der Ansicht war, ein Mahl ohne Fleisch sei kein richtiges Mahl.

„Nun erzähl mal lieber wie es dir ergangen ist, es muss fast ein Jahr her sein dass ich dich das letzte Mal zu Gesicht bekommen habe.“

„Ach, das Übliche. Hier und da ein Bruch, Prellungen, Schnittverletzungen, Beschimpfungen, Verwünschungen.“ Dass er vor kurzem einen Langschwanzbären erlegt hatte, verschwieg er lieber, auf so etwas war Etele nämlich nicht sehr gut zu sprechen.

„Ist wieder eine Versammlung im Gange, was? In den letzten Tagen sind einige Jäger eingetroffen.“

Die blauen Augen des Waidmanns ruhten auf seinem dunklen Getränk, ein Nicken blieb seine einzige Antwort.

„Ich werde dir mal was zu essen machen, du siehst ziemlich scheiße aus.“

Die Freunde lachten und lockten eine Frau ins Haus. Rotblonde Locken umspielten ihr rundes Gesicht. „Thomas! Welch seltener Besuch!“

Nach einem kurzen Plausch und dem Austausch von Freundlichkeiten mit Anne, Eteles Frau, zückte Fisk das dunkle Lederbuch, welches er an seinem breiten Gürtel befestigt hatte. Einen Moment lang musste er durch die vergilbten Seiten blättern bis er einen lose hineingesteckten Zettel gefunden hatte.

Flüchtig warf er nochmals einen Blick auf das Papier, dann schob er es Anne über den Tresen. „Ein kleiner Auftrag für dich. Würde mich freuen wenn du Zeit dafür finden könntest damit ich meine Vorräte wieder auffüllen kann.“

Selbstverständlich wurde ihm sein Wunsch nicht abgeschlagen und sie machte sich in ihrem eigenen kleinen Laden an die Arbeit. Sie verkaufte dort allerlei Kräutermixturen, Tees, Tränke und ein wenig Edelsteinschmuck. Natürlich selbst hergestellt. Die Beiden versorgten sich in jeglicher Hinsicht selbst. Ihr großer Garten gab ihnen alles was sie brauchten.

Nachdem Fisk sich den Magen mit einer Gemüsepfanne und Kräuterquark vollgeschlagen hatte, machte er sich wieder bereit für den Aufbruch.

Wie gern hätte er mal wieder einen Abend bei den Beiden verbracht, bis tief in die Nacht geplaudert, gegessen und getrunken. Aber ihm mangelte es an Zeit.

Noch einen Blick warf er über die Schulter, bis das grüne Anwesen des Glücklichen Ferkels hinter der nächsten Hausecke verschwand.

Am Ufer des Schluchsees trottete Veldig langsam auf den Steg. Das alte Holz knarzte leise, machte aber einen stabilen Eindruck.

Tief holte Fisk Luft und blies in sein Jagdhorn hinein. Ein dunkler Ton hallte von dem fernen Gebirge wieder.

Geschmeidig stieg der Waidmann von dem Rücken seines Reittieres und streichelte durch dessen beigefarbenes Fell. Ohne einen Blick über seine Schulter werfen zu müssen, war ihm bewusst wie viele Bewohner nun an ihren Fenstern klebten.

Niemand war der Insel der Jäger so nah wie sie, dennoch blieb dieser Ort für alle auf ewig unerreichbar. Daher war es immer ein besonderes Erlebnis wenn ein Jäger abgeholt wurde. Wenn man etwas Interessantes direkt vor der Nase hatte, aber keine Vorstellung davon welches Geheimnis sich dahinter verbarg, schürte es die innere Unruhe seinen Wissensdurst zu stillen um so mehr.

Lange musste Fisk nicht in die Ferne blicken, da malte sich schon eine Silhouette an dem Schemen der Insel ab.

Minute um Minute verstrich bevor das breite Boot aus dunklem Holz die Anlegestelle erreichte. Mit einem Hut auf dem Haupt, dessen Krempe noch breiter war als die Schultern, stieß der dünne Fährmann seinen Riemen in den Grund um das Boot zu bremsen. Gefährlich bog sich dabei der Schaft, brach aber nicht unter der Last.

Nachdem der Fährmann, gekleidet in einen schmucklosen grauen Mantel, welcher ihm bis zu den Knien reichte, das Boot so gedreht hatte dass Veldig ohne Probleme hinein steigen konnte, begrüßte ihn Fisk freundlich.

Wie immer erhielt er keine Antwort, der alte Mann sah nicht einmal unter seiner breiten Hutkrempe auf, als wäre ihm seine Aufgabe lästig und der Jäger nur eine nervige Fliege. Es störte Fisk nicht sonderlich, mit der Zeit gewöhnte man sich an so ziemlich alles.

Geschickt stieg auch der Waidmann in das Boot. Kaum dass er Platz genommen hatte, stieß der Fährmann sie auch schon wieder ab und ruderte los.

Mit festem Stand ließ er den Riemen immer wieder durch das klare, seichte Wasser gleiten. Mal zu seiner Rechten, dann wieder zu seiner Linken.

Von unten warf Fisk einen Blick in das Gesicht des Fährmanns, bis zum heutigen Tag hatte er nicht einmal dessen Namen erfahren. Gebräunte ledrige Haut zeichnete sein eingefallenes Gesicht, die blauen Augen aber waren klar und zeugten von einem wachen Geist.

Er beachtete seinen Passagier gar nicht und ruderte immer weiter über den Schluchsee.

Waidmannsheil wurde langsam immer kleiner und kleiner, Fisks Blick haftete so lange auf dem Festland, bis die Überfahrt bewältigt war.

Trotz dass der Fährmann wirkte, als würde er jeden Moment den Hungertod sterben, strotzten dessen Arme vor Energie. Ohne auch nur einmal innehalten zu müssen brachte er das Boot Zug um Zug an sein Ziel.

Auf der Insel der Nebeljäger gab es keinen Steg, der Rumpf setzte auf dem hellen Sand auf. Geduldig wartete der Fährmann bis der massive Hyna zusammen mit seinem Reiter an Land gegangen war, dann erst ging auch er von Bord und zog das Boot mit kraftvollen Rucken weiter aus dem Wasser hinaus. Wortlos wandte er sich ab und steuerte seine kleine Hüte an. Für heute war Feierabend.

Fisk stieg wieder auf Veldigs Rücken und hielt auf den breiten Hauptweg zu. Hinter dem kurzen Strand führte der Pfad rasch in dichtes Unterholz. Überall lag das Geschnatter verschiedenster Vögel in der Luft. Aus der Ferne drang vertrauter Lärm an seine Ohren. Ohne Zweifel schroff gebrüllte Befehle der Ausbilder an die jungen Jäger.

Hier und da besuchte er das Ausbildungslager auf seiner Durchreise, heute aber fehlte es ihm an Zeit. So blieb er weiter auf dem Hauptpfad, welcher geradeaus einmal Quer über die Insel verlief. Ziemlich genau in der Mitte der Insel gab es einen weiteren See. Den Bruchsee. Auch in dessen Zentrum befand sich eine Insel. Abgeschottet auf einer abgeschotteten Insel. Man nannte sie nur Das Auge. Hier hatten nur die wahren Nebeljäger Zutritt.

Es dauerte fast zwei gesamte Stunden strammen Ritts bis Fisk sein Ziel erreicht hatte. Niemand hatte seinen Weg gekreuzt, die Geräusche des Ausbildungslagers verstummten.

Lange schon hatte er den dichten Wald hinter sich gelassen. Die saftig grünen Wiesen zu beiden Seiten waren von unzähligen Wildblumen überseht. Es könnte das Paradies auf Erden sein.

Könnte.

War man nicht eben das was man war, wenn man das Privileg besaß diese Insel besuchen zu dürfen.

Seufzend tadelte sich Fisk selbst, es könnte durchaus schlimmer sein. Die Insel der Jäger war weit mehr als ein abgeschottetes Trainingslager. Hier durften die Jäger, wenn sie denn wollten, ihre Pausen verbringen. Wohl verdiente freie Tage. Der einzige Beruf auf ganz Dravasuum der diesen Luxus besaß.

Sollte man die Wahl des Schicksals denn als Beruf bezeichnen dürfen.

Fisk erreichte das Ufer des Bruchsees, der um ein vielfaches kleiner war als der Schluchsee, dennoch konnte man ihn nicht eben als klein bezeichnen. Wollte man an dessen Ufern spazieren gehen, dauerte eine gesamte Umrundung bei strammen Gang, einen gesamten Tag.

Veldig betrat ohne zu zögern die massive Holzbrücke. All zu breit war sie nicht, gerade mal zwei Reiter passten nebeneinander. Geradewegs führte sie auf Das Auge.

Diese Insel war verbotenes Land für die Nebeljäger in Ausbildung. Nur jemand der seinem Namen bereits alle Ehre bereitet, und die Abschlussprüfung erfolgreich absolviert hatte, durfte einen Fuß auf dieses Idyll setzen. Wachen brauchte man zur Einhaltung dieser Regel nicht.

Wer keinen Zutritt hatte, gelangte nicht auf die Insel.

Selbstverständlich hatten die Jugendlichen es immer wieder in der Vergangenheit versucht. Es war ihnen möglich die Brücke zu betreten, sie konnten auch stundenlang auf dieser marschieren, kamen aber letztlich niemals ans Ziel. Das andere Ufer kam nicht näher und wenn sie sich herum drehten, fanden sie sich direkt am Anfang der Brücke wieder. Genauso verhielt es sich auch, versuchte man Das Auge schwimmend zu erreichen.

Fisk aber passierte die Brücke ohne Mühe.

Im Osten lag die bewaldete Fläche der Insel, im Westen hingegen das Hauptgebäude. Die Versammlungshalle der Jäger.

Lange musste er den Pfad nicht bestreiten, da erreichte er endlich das Ziel seiner langen Reise.

Ein großes, zweistöckiges Gebäude stand auf einer Anhöhe. Die Wände des Hauses bestanden aus breiten Baumstämmen die fein säuberlich aufeinanderliegend fixiert waren. Die breite doppelflügelige Tür stand weit offen. Das dunkle Holz jener Tür war prachtvoll verziert und stellte eine Waldszene dar. Überall schauten Tiere durch Büsche oder hinter Bäumen hervor. Jedes noch so kleine Detail war sauber in das Holz hinein geschnitzt worden.

Umringt war die Versammlungshalle von einem großen Garten. Kein Blumenmeer, nur ein paar Sitzbänke, kunstvoll zurechtgeschnittene Bäume und Sträucher, ein flacher aber sehr breiter Brunnen und gepflegte Wege.

Fisk glitt von Veldigs Rücken hinab und befreite seinen Freund anschließend von Gepäck und Sattel. Erleichtert schüttelte Veldig sein langes glänzendes Fell, rannte los als gäbe es seinen Reiter gar nicht mehr. Der Hyna kannte sein Ziel.

Kopfschüttelnd blickte Fisk ihm nach. Aber sei es ihm gegönnt. Treu begleitete er den Waidmann in jeden Winkel dieser Welt.

In der Eingangshalle hingen zu beiden Seiten etliche Sattel und Reisegepäck fein säuberlich sortiert auf Holzstämmen. Auch er platzierte sein Hab und Gut, durchschritt den Rest der Halle mit langen Schritten. Viele Fenster ließen Licht hinein, ein kunstvoll gewebter Teppich bedeckte die dunklen Dielen.

Plötzlich erklang ein Glockenschlag. Sieben Mal. Ein Schauer überlief Fisks Rücken, es bedeutete die Nebeljäger waren nun vollzählig, er war der letzte gewesen. Wenn das mal keinen Ärger bedeutete.

Er bog in einen kurzen Korridor ein und erreichte eine große Halle. Überall hingen Trophäen hoch oben an den Wänden. Ausgestopfte Kreaturen blickten vorwurfsvoll auf die Besucher nieder.

In elf Reihen waren lange Tische aufgestellt. Drei Kronleuchter aus massivem Stahl spendeten gemütliches Licht. In jeder Reihe hatten nebeneinander sechs Nebeljäger Platz genommen. Es gab nur noch einen einzigen leeren Stuhl. Den von Fisk.

Alle Jäger, Männer und Frauen, drehten sich zu ihm herum, beobachteten ihn bis er endlich Platz genommen hatte.

Den Hut legte er vor sich auf die Tischkante.

Leises Murmeln war allgegenwärtig. Vor ihnen an der Wand führte eine schmale Wendeltreppe hinauf zu einem Erker. Schritte erklangen.

Eine Frau, gekleidet in einen langen roten Mantel, durchschritt die Tür in dem Erker und stieg die Treppe hinab. Braune Halbstiefel reichten bis etwas über ihre Knöchel, die Beine versteckt unter einer schwarzen Strumpfhose endeten an einen kurzen grünen Rock über dem eine weiße Tunika aus Stoff lag. Um ihre Hüften lag ein schmaler Ledergürtel.

Die große Kapuze warf einen tiefen Schatten auf ihr Gesicht. Erst als sie die letzte Stufe hinter sich gelassen hatte, und vor den Reihen der Nebeljäger in Stellung gegangen war, strich sie sich die Kapuze zurück.

„Schön dass wir endlich vollzählig sind.“

Dunkelgrüne Augen musterten die Anwesenden Nebeljäger. Schwarzes Haar fiel ihr lang über die Schulter hinab.

Zeigefinger und Mittelfinger ihrer linken Hand führte sie an die Stirn, anschließend verdeckte sie mit den selben Fingern ihr linkes Auge bis sie zum Schluss die Faust auf ihrem Herzen ablegte.

Jeder Jäger in der Halle vollführte selbigen Gruß. Langsam sank ihre Hand nach unten.

„Der lange Winter hat sich in unseren Landen zunächst verabschiedet, die heißen Tage werden in den nächsten Monaten auf uns warten.

Viele von Euch haben in diesem Jahr gute Arbeit verrichtet und dürfen diese Zeit genießen. Andere von Euch müssen uns morgen schon wieder verlassen.

Es war ein gutes Jahr, wenn ich auch mit Bedauern über drei Verluste sprechen muss. Ilias, Veras und Morkais Hörner sind für immer verstummt.“

Einige der Anwesenden schlossen für einen Moment die Augen. Es war kein offizielles Verbot, aber die Nebeljäger bildeten untereinander kaum Freundschaften. Manchmal ließ es sich dennoch kaum vermeiden. Jeder der nicht mehr an dieser Sitzung teilnehmen konnte, hinterließ mehr als nur einen leeren Stuhl.

„Mit Freude darf ich aber auch einige neue Gesichter in unserer Runde begrüßen. Sieben Schüler haben die Prüfung bestanden und ziehen am morgigen Tag zum ersten Mal hinaus in die Welt.

Die Erfahrenen unter Euch haben viel erreicht. Wir konnten sogar ein ganzes Nest von Faulvaruls ausrotten dass durch die Mitte des Kontinents Odaris streifte. Zusammen mit dem der sie beschworen hat.“

Die Frau ging an einen breiten Schrank und holte einen Korb hinaus welcher mit Schriftrollen prall gefüllt war.

Langsam ging sie von Tisch zu Tisch und legte jedem Nebeljäger und Nebeljägerin eine Schriftrolle hin, verharrte und sprach persönliche Worte mit allen.

Als ihre Arbeit getan und der Korb leer war, deutete eine Handbewegung den Jägern an, dass sie die Schriftrollen nun öffnen duften. Ein menschlicher Jäger aus der hinteren Reihe, mit einem sehr breiten Kreuz, jubelte laut auf.

Alle Blicke richteten sich auf ihn woraufhin er beschämt, aber breit grinsend wieder auf das Papier in seinen Händen blickte.

Fisk breitete ebenfalls seine Rolle aus, ihm war als würde sein Herz stehen bleiben. Vier ganze Tage waren vermerkt. Vier Tage in diesem Paradies waren ihm für das gesamte Jahr gegeben. Mehr nicht.

Ernüchternd faltete er sein Papier wieder zusammen und seufzte laut auf. Härte trat in seine Miene.

Der Waidmann bemerkte ein zweites Blatt Papier. Ungewöhnlich. Bei dem Anblick des Blattes begann das Blut in seinen Adern in Wallung zu geraten. Es handelte sich um die Zeichnung eines Männergesichts. Fisk hatte ihn sofort erkannt.

„Betrachtet alle das zweite Dokument in Euren Händen.“ Als die Jäger der Anweisung der Frau in Rot folgten, wechselten manche von ihnen verwunderte Blicke.

„Bei dieser Zeichnung handelt es sich um ein Phantombild eines Hexers des zwölften Grades. Arior. Blickt mit Achtsamkeit in die Gesichter um Euch herum. Solltet Ihr diesem Mann begegnen, bringt Ihr mir seinen Kopf. Handelt nicht vorschnell, er ist ein mächtiger Gegner.

Wer ihn erlegt, darf einen ganzen Monat Ruhepause mehr einlegen.“

Ein Raunen ging durch die Reihen der Anwesenden.

„Legt Euch zur Ruhe, doch lasst immer ein Auge offen.

Behaltet im Herzen das Träumen und das Hoffen.

Stellt Euch der Angst, verzaget nicht.

Was immer Ihr auch tut, Ihr könnt nicht fliehen vor dem letzten Gericht.

Schrecken, Grauen, unendliches Leid.

Gute Jäger seid immer bereit.

Waidmannsheil.“, verabschiedete die Frau die Gruppe der Nebeljäger.

„Thomas Fisk und Laturidas, ihr bleibt.“

Ruhig und ohne großen Lärm erhoben sich alle Jäger und verließen die große Halle nachdem sie im Chor mit Waidmannsdank geantwortet hatten. Alle bis auf zwei. Fisk warf einen kurzen Blick über seine Schulter. Laturidas saß drei Reihen hinter ihm, erwiderte den Blick allerdings nicht.

Nachdem der Letzte die Tür hinter sich geschlossen hatte, wanderten dunkelgrüne Augen zu Fisk. „Du weißt wieso du dir nur so wenig Tage verdient hast?“

„Weil ich ein böser Junge war?“ Seine Worte untermalte kein Lächeln, kein Sarkasmus, lediglich kühne Trockenheit. Als Antwort erntete der Waidmann einen noch finstereren Blick.

Ihr roter Umhang wirbelte durch die Luft als sie auf den Fersen kehrt machte und aus dem Schrank eine weitere Schriftrolle hervor holte. „Laturidas komm nach vorn. Fisk erhebe dich.“

Beide taten wie befohlen. Als der großgewachsene Lichtelf neben Fisk trat, tauschten die beiden Jäger einen grimmigen Blick aus. Fisk hasste es wie klein er neben dem Elfen aussah. Gut anderthalb Kopf trennten ihre Scheitel voneinander.

„Wir haben ein ernstzunehmendes Problem. Im Königreich Bernautes gerät ein Nachtschwärmer außer Rand und Band. Etliche Menschen sind in den Dörfern bereits verschwunden. Er macht sie nicht zu seinesgleichen, das wäre aufgefallen, aber die Toten tauchen nicht mehr auf.

Die Miliz weiß wo er sich aufhält, kann aber nichts gegen ihn ausrichten. Wann immer sie versucht haben ihn anzugreifen, wurden sie von seinen Schoßhunden erledigt. Ghule. Was auch das Verschwinden der Leichen wahrscheinlich erklärt.“

Den Jägern wurde die Schriftrolle überreicht. Da Laturidas keine Anstalten machte sie an sich zu nehmen, tat es Fisk.

„Ihr werdet diesen Auftrag zusammen erledigen.“

Fast wäre seinen Fingern die Rolle entglitten, auch der Lichtelf verlor seine kühle Mimik. „Niemals! Ich erledige meine Aufträge immer allein“, empörte sich Laturidas.

Schmerzhaft bohrte sich der spitze Nagel der Frau tief in das Leder des Brustharnisch als sie dem Elfen den Zeigefinger auf die Brust drückte.

„Arroganz hält dich nicht am Leben Jäger. Weil du aus Eitelkeit die meisten Aufträge nie annimmst, bist du weit im schwarzen Bereich. Deshalb hast du dir kaum Freiheit verdient. Solltest du so weiter machen, wird es dich sogar noch das Leben kosten.“

Ihr Finger zog sich zurück um sich fest in die Brust von Fisk zu bohren. „Du hast das schlechteste Ergebnis gemacht, weil du bei deiner Begegnung mit Arior zu viel Magie eingesetzt hast. Vorher warst du mit an der Spitze.

Arior begeht nur wegen dir all diese Morde. Hättest du damals auf dem Weingut genau aufgepasst statt dich zu profilieren, wäre er dir nicht durch die Finger gegangen. Jetzt schon könnte er tot sein.

Genau deshalb müsst Ihr zusammen diesen Auftrag erfüllen. Dann werdet ihr nicht mehr bis zum Hals im schwarzen Bereich stecken. Damit könntet ihr sehr viel wieder gutmachen.“

Fisk verschränkte die Arme vor der Brust und begann sich auf seinen Fersen zu wiegen. „Was sollte uns daran hindern allein zu arbeiten? Ein Nachtschwärmer ist absolut nicht Ohne, aber er will mich ja gar nicht begleiten, sowie ich nicht begleitet werden möchte. Lasst mich diesen Auftrag erfüllen. Allein.“

„Diesen Auftrag erteile ich Euch. Gemeinsam. Es ist ein Befehl.

Legt Euch zur Ruhe, doch lasst immer ein Auge offen.

Behaltet im Herzen das Träumen und das Hoffen.

Stellt Euch der Angst, verzaget nicht.

Was immer Ihr auch tut, Ihr könnt nicht fliehen vor dem letzten Gericht.

Schrecken, Grauen, unendliches Leid.

Gute Jäger seid immer bereit.

Waismannsheil.“, der Abschiedsgruß und ihre finstere Miene sprachen mehr als tausend Worte. Es gab keine Wahl, keine andere Option. Niemand stellte sich gegen die Aufträge der Anführerin.

Geduldig verschränkte sie die Arme hinter ihrem Rücken als die beiden Jäger sie noch immer anblickten als hätten sie bereits den Nachtschwärmer vor sich stehen. Fisk war der erste, welcher sich aus der Starre befreite. Nach einer knappen Verbeugung und dem Gruß „Waidmannsdank“ setzte er sich seinen Hut wieder auf und ging mit langen Schritten auf den Ausgang zu.

Laturidas brauchte noch einen Moment indem er einfach nur in diese herrischen, dunkelgrünen Augen starrte. Schließlich erwiderte auch er den Abschiedsgruß und trat hinaus.

Fisk stand noch an seinem Sattel und nahm einen großen Schluck aus einem Wasserschlauch. Laturidas schritt mit erhobenem Haupt an ihm vorbei, seine Worte waren geschwängert mit Arroganz. „Morgen früh zum Sonnenaufgang werde ich vorn an der Anlegestelle sein.“

„Dann werde ich bereits Waidmannsheil verlassen haben. Ich mache mich direkt auf den Weg.“

Der Lichtelf blieb abrupt stehen und blickte finster mit seinen hellbraunen Augen über die Schulter auf den Menschen. Dieser wedelte mit der Schriftrolle und stützte sich mit einem Ellenbogen lässig auf dem Sattel ab. „Tja. Ich habe die Karte an mich genommen und kenne den Weg. Ihr nicht.“

Laturidas Mundwinkel verzogen sich zu einem hämischen Grinsen. „Kein Problem. Mit Eurem Hyna reitet Ihr so langsam dass ich Euch im Nu eingeholt habe. Es stellt keine Herausforderung dar Eure Spur zu finden. Bevor die Mittagsstunde schlägt, habe ich Euch längst eingeholt.“

Der Elf setzte seinen Weg fort und trat hinaus ins Tageslicht.

Bitter verzog Fisk den Mund und knurrte leise in seine Bartstoppeln. „Arroganter, schleimiger Aal.“

„Ich habe gute Ohren.“

„Ist mir bekannt.“ Ein Grinsen huschte über Fisks Gesicht als der Elf ihm noch einen herabwürdigenden Blick zuwarf.

Schnell aber erlosch sein Grinsen. Ihm wäre es lieber gewesen sich auf die Jagd nach Arior zu machen, aber wo sollte er anfangen? Es gab keinerlei Spuren.

Eine Präsenz schien nahe, aus dem Augenwinkel erblickte er den roten Stoff ihres Umhangs. Lautlos wie immer.

„Warum schickt Ihr mich ausgerechnet mit dem einzigen Elfen aus unserem Orden auf die Reise?“

„Weil du mehr mit ihm gemeinsam hast als du glaubst. Euch wird dieser Auftrag gut tun. Davon bin ich überzeugt. Dieser Nachtschwärmer ist mächtig. Unterschätzt ihn nicht.“

Schweigend standen sie eine Weile lang nebeneinander und blickten hinaus auf das sich im Wind wiegende Gras. Eine frische Brise streifte ihre Gesichter.

„Dieser Steckbrief von Arior... danke dass Ihr nach ihm sucht. Aber bitte lasst mir Neuigkeiten zukommen sobald Ihr etwas von ihm erfahren habt. Ich will es sein der sein Licht auslöscht.“

Ihre Hand legte sich auf die Schulter des Jägers und drückte sie kurz. „Er ist nicht länger nur dein Problem. Deinem Wunsch werde ich nachgehen, aber versprechen kann ich nichts. Sobald wir eine Spur von ihm haben, müssen wir ihn so rasch wie möglich erledigen bevor er noch mehr Schaden anrichtet.“

Fisk ließ die Hände in die Taschen seines Mantels gleiten. Fest umschlossen seine Finger das kleine Kästchen mit den Augenlidern. Ihre Stimme erklang sanft nahe seines Ohres.

„Ich weiß. Glaub mir, dieses Jahr noch werden wir ihn erlegen. Dieser Jagd wird er nicht entkommen. Geh nun guter Jäger. Geh und achte auf deinen Hals.“

2. Kapitel
 

Längst schon war das friedliche Idyll Weidmannsheil aus dem Blickfeld von Fisk verschwunden.

Ein letztes Mal hatte er seinen Freunden im Glücklichen Ferkel noch einen Besuch abgestattet bevor er bei Einbruch der Nacht losgezogen war. Zum Glück hatte Anne sich bereits darum bemüht seinen Auftrag zu erfüllen. Alle Tränke, Mixturen und Mittelchen waren aufgefüllt. Einiges davon würde er auch gebrauchen können wenn sein Auftrag die Erledigung eines Nachtschwärmers verlangte.

Lieber hätte er gegen ein ganzes Nest Langschwanzbären gekämpft als sich diesem Gegner zu stellen. Nachtschwärmer waren ein mehr als gefährliches Volk Dravasuums.

Meistens hielt man Abstand von ihnen, weil auch die Nachtschwärmer lieber unter ihres Gleichen blieben. Eine glückliche Fügung.

Fisk war überzeugt dass es in dieser Welt sehr viel mehr Nachtschwärmer gab als man wusste. Da sie sich dem Aussehen der Menschen sehr gut anpassen konnten, wandelten sie meist unter einem ohne dass man es merkte.

Ein Nebeljäger aber wusste wann unter einer Menschenmenge ein Nachtschwärmer seine Kreise zog. Beide waren von ähnlicher Magie beseelt und spürten einander auf kurze Distanz.

Wie auch ein Jäger wusste wenn ein Ordensmitglied in seiner Nähe war.

Genau wie in diesem Augenblick.

Fisk wusste um Laturidas Anwesenheit ohne sich herum zu drehen, deshalb machte er sich gar nicht die Mühe und blickte weiter geradeaus.

Hufgeklapper drang an seine Ohren, zusammen mit dem Schnauben eines Pferdes. Vielleicht schnaubte Laturidas auch so laut. Bei dem Gedankengang musste Fisk ausgiebig schmunzeln.

Für einen Moment rechnete der Waidmann dass sein Ordensbruder für den Rest der Reise hinter ihm bleiben würde um an das Ziel ihres Auftrages zu gelangen. An einer Unterhaltung waren beide Nebeljäger nicht interessiert.

Um so mehr überraschte es Fisk als Laturidas sein Pferd direkt neben ihn lenkte.

Der Blick des Elfen war stur nach vorn gerichtet. Genau wie Fisk trug der Elf die Kleidung der Nebeljäger. Ein merkwürdiges Auftreten für einen Lichtelfen. Dieses Volk trug niemals Schwarz, nicht einmal Grau. Lichtelfen liebten das Licht, bunte Farben und sich mit dem Glanz der Sonne zu messen mit all ihrem Schmuck und Edelsteinen die für gewöhnlich ihre Gestalt schmückten.

Laturidas aber musste sich dem Willen des Ordens beugen, es gab keine Wahl.

Nein, ganz richtig war das nicht. Eine Wahl blieb jedem. Leben oder Tod.

Gerüchteschmiede munkelten dass Laturidas Wahl fast auf den Tod gefallen wäre, so groß war sein Stolz. Offensichtlich hatte er sich letztlich doch für das Leben eines Ausgestoßenen entschieden.

Unter dem nach vorne hin spitz zulaufendem Hut lag ein spitz zugeschnittenes Gesicht mit hohen Wangenknochen. Alle Frauen im Orden schwärmten für das Antlitz des Elfen, er aber zeigte jedem nur die kalte Schulter.

Langes blondes Haar, so hell dass es fast Weiß erschien, fiel offen an seinem Rücken bis zur Hälfte seiner Schulterblätter hinab.

Nur ein paar Strähnen hatte er mittig an seinem Hinterkopf zu einem Zopf zusammen geflochten. Gegen Fisks dickes Haar wirkte das des Elfen wie Seide.

„Nennt mir das Ziel unseres Auftrags, dann werde ich schon einmal vor reiten.“, befahl der Elf.

„Damit Ihr Euch allein daran macht die Beute zu erledigen und alle Lorbeeren einsammelt? Nein.“

Fisk spürte den zornigen Blick an seiner Seite, betrachtete aber weiterhin die Straße vor sich.

„Euer Hyna ist viel zu langsam! Warum diese Sache unnötig in die Länge ziehen? Wir wollen sicherlich beide so schnell wie möglich dass sich unsere Wege wieder trennen.“

In letzter Sache musste Fisk dem Elfen zustimmen, dennoch durfte er kein Scheitern riskieren nur weil sie beide sich nicht riechen konnten.

„Dies ist ein Auftrag von Ihr persönlich. Ob wir wollen oder nicht, wir müssen es erledigen wie es uns aufgetragen wurde.“

Wütend gab Laturidas seiner dunkelbraunen Stute die Sporen und ritt anschließend ein gutes Stück vor dem Menschen schweigend den Weg entlang. Ob der Weg nun bekannt oder unbekannt war, spielte keine Rolle. Niemals aber würde er hinter einem Menschen her reiten und schon gar nicht an dessen Seite.

Wenn auch dieser Ritt einen Geschmack des Alleinseins trug, wäre Fisk eben lieber allein gereist, statt mit diesem Elfen auf dessen Rücken er immer starren musste.

Hin und wieder schlug Fisk einen anderen Pfad ein, nicht notwendiger Weise, nur um Laturidas zu ärgern damit dieser wieder zurück reiten musste. Statt sich aber hinter dem Menschen einzureihen, ritt er immer wieder voraus und bot Fisk erneut die Gelegenheit an einer Biegung den anderen Pfad zu nehmen.

Sicherlich machten sie auf diese Weise den ein oder anderen Umweg, aber dieses stille Vergnügen war es Fisk wert.
 

Immer weiter nach Westen führte der Auftrag die Waidmänner. Hinter sich ließen sie grüne Weidegründe, dichte Wälder und eine Reihe an kleinen Ortschaften.

Zwei Nächte lang schlug jeder der Jäger für sich ein kleines Lager auf und verbrachte die frühsommerlichen Nächte unter dem Sternen verzierten Dach von Dravasuum.

Kein einziges Wort tauschten sie mehr aus.

Kurz nach Einbruch der Nacht die dem vierten Tage folgte, steckte Fisk die Karte in das kleine Notizbuch, welches an seinem Gürtel befestigt war. Er benötigte sie nicht länger.

Umringt von einem Kranz schroffer Felsen, befand sich in dem kleinen Tal vor ihnen ein Anwesen. Tief versunken zwischen Feldern trockenen Grases das einem ausgewachsenen Mann bis an die Hüften reichte.

Helles Mondlicht beschien das alte Gebäude und verlieh ihm eine friedliche Aura. Fisk wusste wie trügerisch solch ein Frieden sein konnte.

Ein paar wenige Jahre schon musste das Anwesen leer stehen. Fensterläden waren hier und dort aus den Angeln gebrochen, die Farbe von den Balken geplatzt und Efeu schlängelte sich an den Wänden empor.

Niemand hatte sich um dieses Anwesen gekümmert nachdem der Besitzer gestorben war, dafür lag es zu abgeschieden und der Boden war unfruchtbar. Keiner wollte hier draußen in der Einsamkeit sein Leben fristen. Zumindest kein Mensch.

Selbst Reisende mieden dieses Anwesen weil es einem einen eisigen Schauer den Rücken hinab jagte. Gerüchte über Geister und Dämonen verbreiteten sich in ländlichen Gegenden schneller als ein Lauffeuer.

Nachdem er den kleinen Pfad hinab in die Senke beritten war, blieb auch endlich Laturidas stehen und taxierte dabei jeden Winkel des Anwesens ganz genau.

Allein das sanfte Rauschen des Windes unter dessen zärtlicher Berührung sich die Halme wiegten, war zu hören.

Laturidas trieb sein Pferd an und ritt im leichten Galopp die Senke hinab. Fisk kam ihm fluchend nach und zischte. „Bleib stehen du Narr! Wir warten bis zum Morgen und erkunden dann das Anwesen! Die Nacht ist das Element unseres Feindes. Du legst dich ihm geradewegs auf den Teller.“

Nichts weiter als das Summen einer lästigen Fliege waren die Worte für den Elfen. „Meine Augen sind deutlich besser als deine, Mensch. Die Nacht verbirgt vor mir keine Überraschungen. Warte du ruhig bis zum Morgen, dann werde ich den Auftrag längst erledigt haben.“

Fisk zügelte Veldig und machte hinter dem Rücken seines Ordensbruders eine sehr unhöfliche Geste. Sollte er doch in sein Verderben reiten, was kümmerte es ihn?

Stolz und selbstbewusst näherte sich Laturidas dem alten Anwesen. Einst muss es eine prachtvolle Erscheinung gewesen sein, für die Architektur der Menschen. Drei Etagen hoch, viele Fenster die das Licht der Sonne hinein ließen, weiß gestrichene Balken und einen kleinen Balkon im obersten Stockwerk wo noch immer ein verwitterter Schaukelstuhl seinen Platz hatte.

Rosenstöcke hatten den Bereich vor der Veranda bereits vollends eingenommen, nur ein kleiner Bereich vor den drei Stufen des Eingangsbereiches war verschont geblieben als würde sich das Haus nicht gänzlich vor Besuchern verschließen.

Viele Fensterläden waren verschlossen, einige hingen schlaff herab und offenbarten zerborstene Fensterscheiben.

Vom Rücken seines Pferdes konnte Laturidas hier und dort einen vorsichtigen Blick ins Innere werfen, viel zu erkennen gab es allerdings nicht. Möbel standen wüst herum und waren teilweise vor die Fenster geschoben worden.

Kein Laut war zu vernehmen. Es herrschte Totenstille.

Unter flachen Atemzügen rutschte Laturidas von seinem Pferd herunter und tauchte fast lautlos in das hüfthohe Gras neben den Treppenstufen ein. In geduckter Haltung näherte er sich der Westseite des Hauses, beide Hände unter den langen Mantel geschoben.

Seine Finger schmiegten sich um die Hefte der goldenen Dolche, welche am Gürtel seiner Hüften angebracht waren.

Geschmeidig wie eine Katze streifte er um das Haus, bis er an dessen Rückseite eine Lücke zwischen den Rosenstöcken entdeckte.

Im Boden war eine Tür eingelassen, üblicherweise führten sie in einen Keller oder Vorratsraum. Oft bestückt mit einem Geheimgang um bei Gefahr diese Tür für eine Flucht in die Freiheit nutzen zu können.

Die Tür war mit einem wuchtigen Schloss versiegelt. Es wirkte nicht als wäre das Schloss schon einmal aufgebrochen worden, selbst bei genauem Hinsehen konnte Laturidas keine Kratzer erkennen.

Aus einer kleinen Tasche mit vielen Fächern, welche er um seinen rechten Oberschenkel geschnallt hatte, zog er einen schmalen Dietrich heraus und hatte das Schloss in nur einem Wimpernschlag geöffnet.

Das leise Klacken ließ ihn in dieser erdrückenden Stille kurz inne halten. Es verklang ohne jegliche Reaktion. Nichts verriet sich durch ein Rascheln im hohen Gras, dennoch verharrte er einen weiteren Augenblick, wissend dass er nicht der Einzige war, der sich lautlos an seine Beute heran schleichen könnte.

Als nichts geschah öffnete der Jäger langsam das Tor und blickte in einen Schlund der absoluten Finsternis. Vor ihm lagen zwei Stufen, der Rest war in solch eine Schwärze gehüllt, dass selbst die guten Augen eines Elfen nichts mehr zu erkennen vermochten.

Ganz vorsichtig stieg er die Stufen hinab und riss die Augen weit auf, dennoch erkannte er schon bald nicht mehr die Hand vor diesen.

Blind tastete er an an der Rückseite seines Gürtels nach einem kleinen Fläschchen.

Eilig kippte Laturidas den bitteren Inhalt hinab und blinzelte einige Male. Seine Pupillen weiteten sich und verdrängten fast komplett die Iris. Erste Umrisse wurden in der Finsternis sichtbar.

Der Trank würde noch eine Weile brauchen bis er seine völlige Wirkung entfaltete, doch der Jäger hatte keine Zeit für derlei Dinge.

Vorsichtig stieg er weiter die Stufen hinab. Ein ekelerregender Gestank drang in seine Nase ein und drehten ihm fast den Magen herum. Zum Glück lag die letzte Mahlzeit schon eine Weile zurück.

Es roch nach verwesendem Fleisch. Nach Tod.

Laturidas rümpfte die Nase und beschloss weiter durch den Mund zu atmen, doch selbst auf diese Weise schmeckte er den Gestank.

Sein Stiefel stieß auf etwas Hartes und es ertönte ein platschendes Geräusch. Das Ende der Treppe war erreicht.

Vermutlich war Wasser in den Keller gesickert. Langsam und vorsichtig schob der Elf seine Füße weiter. Immer deutlicher wurden die Umrisse in der Finsternis.

Um ihn herum konnte er Regale ausmachen, welche man einst genutzt hatte um Vorräte zu lagern. Es lagen sogar noch drei Säcke Mehl auf dem Boden.

Je weiter Laturidas in das Kellergewölbe eindrang, desto schlimmer wurde der Gestank. Insgeheim hoffend dass der Grund für diesen Geruch nicht das war was er vermutete.

Die Hoffnung starb im nächsten Augenblick. Es kam noch schlimmer.

Aus der Finsternis heraus stürzte sich abrupt etwas auf den Jäger und riss ihn zu Boden.

Ein schriller Schrei schmerzte in des Elfen Ohren und ein enormes Gewicht lag auf ihm.

Matte dunkelrote Augen blickten auf ihn nieder. Knapp unter ihnen begann sich ein großes Maul zu öffnen. Zwischen den krummen Zähnen sickerte zäher Speichel hinaus. Wieder erklang dieser schrille Schrei aus dem Rachen der Bestie. Riesige Hände, bewährt mit vier großen Fingern pressten sich auf seinen Brustkorb. Der starke Gestank raubte Laturidas fast die Möglichkeit zu atmen.

Nachdem das Wesen den Kopf weit in den Nacken geworfen hatte, wollte es seine Zähne mit Wucht in den zappelnden Leib rammen, doch ein Pfeil traf ihn mitten in die Brust.

Der Aufprall war so stark, dass das Monster von dem Elfen hinunter gerissen wurde und heulend aufschrie.

Fisk sprang die Treppe in den Keller hinunter und umfasste den Griff seines Schwertes, welches über seine rechte Schulter ragte.

Anmutig wie eine Katze kam Laturidas wieder auf die Beine und zog blitzschnell seine Dolche. Mit den Klingen voran sprang er auf das sich aufrappelnde Monstrum und stieß zu.

Die lederne Haut war so fest und nahezu undurchdringlich dass die Klingen sie erst durchstießen als Laturidas sie in schneller Folge mehrmals auf die gleiche Stelle niedergehen ließ.

Etwas schleimiges spritzte ihm entgegen. Einer der langen Arme fegte den Elfen beiseite.

Unter lautem Heulen stemmte sich das stinkende Wesen wieder in die Höhe und betastete seine Wunde im Brustkorb. Voller Zorn ging es wieder auf den Elfen los, doch dieses Mal sollte es ihm nicht gelingen.

Ein mächtiger Hieb mit dem Schwert trennte dem Untier seinen muskulösen Hals von den Schultern.

„Was willst du hier?“ Schimpfte der Elf.

„Gern geschehen.“ Erwiderte Fisk und betrachtete das am Boden liegende Wesen. Für ihn war es kein Problem all die Details zu erkennen, er hatte den Trank der Nachtsicht bereits früher als sein Ordensbruder eingenommen.

Der sonst eher dünne Leib war mit einem breiten Kreuz versehen und muskulösen, langen Armen womit es sich beim Gehen auf den Fingerknöcheln abstützen konnte. Kahl war der Schädel, Herberge für ein hässliches Gesicht. Der Jäger wusste sofort was er vor sich hatte. Einen Ghul.

Nun war klar wieso niemals Leichen der verschwundenen Menschen gefunden worden waren, es hatte nichts mehr gegeben was man finden konnte da die Toten im Magen dieses Monsters verdaut wurden.

Da sein Magen dick und aufgebläht war, schloss Fisk darauf dass seine letzte Mahlzeit nicht sehr lange her gewesen sein konnte.

Laturidas klopfte sich den Schmutz von seiner Kleidung und warf nur einen flüchtigen Blick auf seinen Angreifer.

„Du Narr bist ihm geradewegs in die Falle gelaufen.“ Bemerkte Fisk und sorgte bei seinem Ordensbruder damit nicht gerade für gute Stimmung. „Ich sagte dir, wir warten bis zum Tag. Nun weiß er dass wir hier sind.“

Hastig steckte der Elf seine Dolche weg und ging der Aufgabe nach als wäre er nie gestört worden.

In der Ecke wo der Ghul gelauert hatte, gab es tatsächlich einen schmalen Durchbruch in der Wand.

Laturidas musste sich wegen seiner Größe ducken und schob sich langsam in unbequemer Haltung durch den schmalen Gang.

Der Geruch von Moder und Stock lag in der Luft. Feucht und glitschig waren die glatten Wände aus Stein. Hinter ihm erklangen Schritte. Natürlich würde Fisk ihm folgen, natürlich würden sie sich weiter die Nerven rauben, natürlich wusste Laturidas es hinnehmen zu müssen.

Sollte Fisk ihn beim Orden verpetzen, war all die Mühe umsonst gewesen. Wenn er ihn doch nur noch ein wenig mehr auf Abstand hätte halten können. Diesen kleinen Menschen, der es in dem schmalen Gang deutlich bequemer hatte und den Kopf nur leicht einziehen musste.

Am Ende des Tunnels gelangten sie an eine Öffnung in der Decke, welche durch eine Geheimtür verdeckt war. Vorsichtig drückte Laturidas die Dielen in die Höhe. Trotz des Trankes erkannte er nichts.

Rasch wurde klar wieso, die Tür war durch einen Teppich verdeckt worden. Stück für Stück zerrte der Elf an dem Stoff bis er letztlich den Blick in das Innere des Hauses offenbarte.

Die Magie des Trankes erlaubte es keine Farben zu erkennen, aber hell und dunkel waren durch deutliche Kontraste zu unterscheiden. Jede Form war klar. Der massive Holzschrank neben der Tür, der verrottende Sessel mit verschnörkelten Ranken auf den Polstern und der kleine Beistelltisch auf dem noch immer ein Stapel verstaubter Bücher lag.

Die meisten Fenster waren durch die Fensterläden verschlossen und ließen nicht einmal den kleinsten Strahl des Mondlichts hinein.

Vier Türen führten aus dem großen Raum. Überall standen Bücherregale. An einer Wand war sogar ein riesiger Kamin platziert.

Ganz langsam öffnete Laturidas die Geheimtür und kletterte aus dem Loch hinaus. Vorsichtig schlich er einige Schritte voraus.

Ohne dem Beispiel seines Vorgängers zu folgen, kraxelte auch Fisk aus dem Loch, rumpelnd und polternd.

Mit wutverzerrter Miene wandte sich der Elf zu ihm herum. Fisk zuckte mit den Schultern.

„Da du blindlings in die Falle getappt bist und wir dadurch einem schreienden und plärrendem Ghul begegnet sind, müssen wir uns an dieser Stelle nicht bemühen leise zu sein. Er weiß dass wir hier sind.“

„Falle?! Das war einfach Pech gepaart mit Zufall du Narr.“ Zischte Laturidas und richtete sich zu voller Größe auf. Um zwei Köpfe überragte er den Menschen, doch dieser ließ sich davon nicht im Geringsten einschüchtern.

„Der Ghul ist mit dem breiten Kreuz sicher nicht durch den Gang gekrochen. Also kann er nur durch die Außentür dort unten hinein gelangt sein. Da sein Magen voll war, saß er dort unten noch nicht lange fest. Die Tür war mit einem Schloss gesichert dass so aussehen sollte als wäre es schon ewig nicht mehr geöffnet worden um einen Eindringling unvorsichtig werden zu lassen. Zufrieden oder soll ich noch weiter machen?“

Die Worte des Menschen brachten Laturidas Blut zum kochen. Zwei lange Schritte und er hatte seinen Ordensbruder erreicht. Wenn es auch gegen seine Natur und Manieren verstieß, spielte der Elf mit dem Gedanken seinem Gegenüber einige Zähen heraus zu schlagen.

Bevor aber auch nur eine Beschimpfung seine Lippen verlassen konnte, erregte etwas im Türrahmen seine Aufmerksamkeit. Eine kleine Silhouette, vermutlich ein Kind, stand dort und beobachtete sie.

Bevor sich Details formen konnten, rannte das kleine Etwas blitzschnell fort.

Auch Fisk vernahm die kleinen Schritte und drehte sich herum.

„Was war dort?“

„Ein Kind.“ Noch immer starrte Laturidas mit großen Augen auf den Türrahmen. Neben ihm fluchte der Mensch leise.

„Verdammt... dieses Stück Scheiße hat tatsächlich ein Kind zu Seinesgleichen gemacht? Dafür werde ich ihm die Haut in Streifen abziehen.“

Beide Jäger eilten zu der offenen Tür. Fisk zog seine Armbrust und hielt sie bereit. Vorsichtig lehnte er sich in den nächsten Raum und blickte in einen leeren Flur an dessen Ende eine Treppe hinauf in die erste Etage führte.

Eine Fensterscheibe war zerborsten und ließ kühle Luft hinein. An den Wänden hingen zwei Gemälde, welche von der Witterung bis zur Unkenntlichkeit zerfressen waren. Unter den vorsichtigen Schritten der Jäger ächzten leise die Dielen.

An den Stufen der Treppe angekommen, verlief der Flur zu dessen linker Seite weiter. Etwas schaute durch eine geöffnete Tür hindurch zu den Eindringlingen. Die Gestalt war klein, zerzaustes Haar stand vom Kopf ab, aber es war zu weit weg als dass die Dunkelheit das Gesicht offenbaren konnte.

Ganz leise erklang eine weinerliche Stimme. „Verschwindet von hier! Niemand soll mir mehr weh tun!“ Rasch zog es sich in den Raum zurück, ein Schniefen war noch zu hören. Gerade als sie dem Flur folgen wollten, erschallte von oben ein leises Poltern. Stille, und dann eilige Schritte, ein heller erstickter Schrei und das zuschlagen einer Tür. Wieder Stille.

Die Nebeljäger tauschten einen finsteren Blick aus. Laturidas reckte das Kinn nach oben und flüsterte. „Du gehst dem Kind nach, ich sehe mich oben um.“

Fisk schüttelte heftig den Kopf. „Er will uns trennen! Genau das sollten wir nicht tun.“

„Wenn nicht? Wenn hier wirklich noch Gefangene sind und wir ihr Leben retten können?“

Aus dem Raum im Erdgeschoss erklang ein spitzer Schrei, gefolgt von einem dunklen Grollen wie es im Keller schon erklungen war.

Wütend bleckte Fisk die Zähne, warf dem Elfen einen letzten finsteren Blick zu und eilte den Flur entlang. Der Zurückgelassene zog seine Dolche und erklomm langsam die Treppe.
 

Fisk rauschte um die Ecke, die Armbrust im Anschlag. Vor ihm lag die Küche des Anwesens, zwei große Öfen standen ihm gegenüber, rechts davon hatte ihm eine große Gestalt den Rücken zugewandt.

Vor dem Ghul hatte sich das kleine Etwas in eine enge Nische zwischen zwei Schränke gequetscht und stieß abermals einen Schrei aus als das Wesen einen der Schränke mit einem kraftvollen Stoß seiner muskulösen Arme beiseite schleuderte.

Feinste Porzellanteller fielen heraus und machten beim Zerspringen einen Lärm der Tote hätte wecken können.

Der zweite Arm wurde in die Höhe gerissen um seine Beute zu zerschmettern als ihn etwas schmerzhaft in den Nacken traf.

Unter einem lauten, wütendem Schrei wirbelte der Ghul zurück und blickte aus schwarzen Höhlen dem Jäger entgegen. Nur ein Teil der Pfeilspitze war in die dicke, blasse Haut des Monstrums eingedrungen. Im Keller hatte Fisk dem Pfeil Magie beigemischt um ihm mehr Kraft zu verleihen, aber seine innere Stimme riet ihm diese zu schonen.

Ghule konnte Fisk auf den Tod nicht leiden. Neben dem entsetzlichen Gestank der Verwesung den sie abgaben waren sie zwar langsame, aber zähe Gegner denen man meist nur im Nahkampf begegnen konnte. Zudem waren sie in seiner persönlichen Liste der Wesen, welche die Unterwelt hervor brachte, ganz oben auf wenn es um die hässlichste Erscheinung ging.

Ihre hellgraue Haut war von schwarzen Flecken überzogen, hier und dort ragten kleine Büschel von fünf, sechs Haaren aus seinem Schädel. Gelbe Zähne drangen aus dem breiten Maul.

Leise schoss ein zweiter Pfeil durch die Luft und traf das Wesen genau zwischen die Augen. Töten würde es den Gegner nicht, das kleine Hirn war hinter einer Schädeldecke aus Stein verborgen, aber genau dort lag das Gleichgewichtsorgan.

Wütend stampfte der Ghul auf, die Balken des Hauses bebten und zitterten. Dann schlug es mit seinen riesigen Händen auf und stürmte dem Jäger entgegen.

Fisk zog das Schwert aus der Scheide, begleitet von einem leisen Flüstern. Goldene Runen auf schwarzem Stahl leuchteten auf. In diesem Kampf durften keine Fehler geschehen. Selbst ein Kratzer von den spitzen Nägeln des Ghuls konnten Tage später eine tödliche Infektion herbeirufen.

Fisk sprintete seinem Gegner entgegen. Wie erhofft schwankte das Ungetüm leicht durch den Treffer auf der Stirn und schlug daneben. Im Rennen ließ sich Fisk nach hinten fallen und schlitterte zwischen den mageren Beinen des Ghuls hindurch. Hinein in das weiche Fleisch des Magens grub sich die scharfe Klinge. Abgebremst durch den Aufprall des Schwertes, stemmte sich Fisk sofort auf eines seiner Knie und machte einen Ausfallschritt nach vorn. Über seine Schulter hinweg zerrte er an der Klinge bis sie nachgab und ein platschendes Geräusch hinter ihm erklang.

Sich vor entsetzlichen Schmerzen krümmend, brüllte das hässliche Wesen auf und drehte sich herum. Verzweifelt versuchte es noch nach dem Jäger zu schlagen, dieser aber rollte sich über eine Schulter weiter fort um außer Reichweite zu gelangen.

Innereien und das schlagende Herz hingen dem Ghul aus dem aufgeschlitzten Bauch. Zähes Blut bildete unter ihm eine Lache und ließen das Wesen ausrutschen als es versuchte Fisk nachzukommen.

Ein lautes Donnern erklang als er zu Boden ging, kurz war ein Röcheln zu vernehmen dann war das Wesen aus der Unterwelt tot.

In der Nische kauerte noch immer das kleine Wesen und schluchzte.

Nur langsam kam Fisk wieder auf die Beine, das Kind im Blick. Es war keine Gestalt mehr von undurchdringlicher Schwärze. Nun erkannte er ein kleines Mädchen, vollkommen verschmutzt und mit zerzaustem Haar. Ihr Kleidchen war einst hell gewesen, aber nun voller Flecken.

Ihre Augen huschten in der Dunkelheit umher, weit aufgerissen denn im Gegensatz zum Jäger konnte sie kaum etwas erkennen.

„Wer bist du?“ Sprach Fisk leise, noch immer das Heft seines Schwertes mit beiden Händen umfasst.

„Elise.“ Flüsterte das Mädchen.

„Was machst du hier Elise?“

„Ich darf nicht mit Fremden reden hat meine Mama gesagt.“ Murrte sie leise.

Säße ihm wirklich ein Nachtschwärmer gegenüber, würde es Fisk merken. Erstrecht auf diese kurze Distanz. Wenn er auch unsicher war, ob da vor ihm in der Dunkelheit wirklich ein Kind hockte, deutete nichts auf das Gegenteil hin.

„Nun, da hat deine Mama nicht Unrecht. Aber ich habe dir gerade das Leben gerettet und würde schon gern wissen wen ich da vor mir habe.“

„Meinen Namen habe ich dir doch gesagt!“ Schimpfte Elise.

Fisk stöhnte leise, er mochte einfach keine Kinder, genau wegen derlei unsinnigen Diskussionen. Er erhob sich und schüttelte das Blut des Ghuls von seiner Klinge.

„Wenn du nett bist. Helfe ich dir hier raus.“

„Ich habe gesehen wie du durch den Boden gekommen bist, also kann ich da raus gehen und brauche dich nicht.“

Fisk verdrehte die Augen und wandte sich wortlos ab. Für solche Spielchen fehlte ihm die Zeit. Recht hatte sie, sollte sie doch allein in die Freiheit rennen.

„Warte.“ Flüsterte Elise. „Meine Mama ist noch hier. Ohne sie will ich nicht gehen.“

Der Waidmann blieb im Türrahmen stehen und betrachtete das Mädchen in der Dunkelheit.

„Sag mir was du hier gemacht hast, oder wie du her gekommen bist. Dann suche ich deine Mama.“

„Wir waren auf den Feldern und wollten Papa suchen, weil er nicht nach Hause gekommen war. Wir suchten bis die Nacht kam. Als wir gerade nach Hause gehen wollten, überfiel uns ein Mann und es wurde ganz schwarz. Dann sind wir hier in einem Käfig aufgewacht. Meine Mama konnte ich nicht sehen, aber hören.“ Schluchzte Elise leise.

„Wie sah der Mann aus?“ Wollte Fisk wissen.

„Weiß nicht. Es war so dunkel.“

„Hat er irgendwem von euch beiden weh getan?“

„Mir nicht. Ich saß seit drei Tagen in dem Käfig bis ich ihn vorhin endlich öffnen konnte. Meine Mama habe ich seit gestern nicht mehr gehört.“ Zitternd kam das Mädchen auf die Beine.

Fisk kaute auf der Unterlippe herum. Alle Türen waren aus den Angeln gerissen, oder gar nicht mehr vorhanden. Hier konnte er sie nicht zurück lassen. Womöglich schlichen in diesem Anwesen noch mehr Ghule herum.

Fisk öffnete einen der unteren Schränke in der Küche und zog einen großen Kessel hinaus.

„Versteck dich hier und warte bis ich dich hole.“

„Nein! Ich lasse mich nicht wieder einsperren!“ Protestierte Elise energisch.

Stöhnend schloss Fisk die Augen. „Ich habe keine Zeit für so etwas. Du bist mir sonst nur im Weg. Hier drin kannst du dich verstecken. Ich beeil mich auch und suche dafür deine Mama.“

Schluchzend schüttelte das Kind den Kopf und trat ein paar Schritte vor, die Arme in der Dunkelheit ausgestreckt.

„Ich will hier nicht bleiben. Es stinkt.“

Fisk erhob sich und ging dem Mädchen entgegen. „Nun gut. Komm. Aber bleib zurück wenn ich es dir sage. Sei mir nicht im Weg.“

Das Mädchen schrak zusammen als der Fremde sie bei der Hand nahm.

„Du bist kein Mensch ja?“

„Doch bin ich.“

„Wieso kannst du dann so gut sehen? Ich sehe gar nichts außer Schatten.“ Wollte Elise wissen.

„Zauberei. Jetzt sei still, wir müssen leise sein.“ Murrte der Jäger und klemmte sich das Kind kurzerhand unter den Arm als er merkte dass er so nur langsam voran kommen würde. Sobald er eine Kammer oder ähnliches fand wo er das Kind sicher unterbringen konnte, war er sie fürs erste los. Zumindest schien sie resolut zu sein und weinte nicht, was die ganze Sache für ihn angenehmer machte.
 

Laturidas fand sich im ersten Stock in einem größeren Wohnraum wieder. Von unten drangen Schreie eines Ghuls heran. Damit würde sein Ordensbruder schon problemlos fertig werden.

Ihn interessierte vor allem der Nachtschwärmer. Würde er ihn beseitigen, würde das viele abgelehnte Aufträge wieder ausgleichen und ihm mächtig zugute kommen.

Inmitten des Wohnraumes waren alle Möbel fortgeschafft worden. Auf die blanken Dielen hatte man mit Kreide einige Zeichen gemalt. Dem Elfen genügte nur ein flüchtiger Blick um zu sehen dass hier dunkle Magie betrieben worden war.

Amateurhaft hatte jemand versucht Kontakt mit einer verstorbenen Seele aufzunehmen. Manche der Runen waren nicht korrekt gezeichnet worden, andere sogar spiegelverkehrt aufgemalt.

Wahrscheinlich waren hier Kinder am Werk gewesen die ein Buch in die Finger bekommen hatten, dass nicht in Kinderhände gehörte, denn der Kreis um die Runen herum war zwar mit Salz gezeichnet worden, aber mehr als unsauber. Am wichtigsten war auch den Kreis ohne Unterbrechungen zu zeichnen, dieser hier aber wimmelte nur so davon.

Diese Beschwörung war ins Leere gelaufen und wohl kaum ein Grund dafür wenn sich hier ein Wesen der Unterwelt festgesetzt hatte.

Seine langen Ohren zuckten als eine Tür zuschlug. Noch fester umfasste er die Griffe seiner Dolche. Hastig huschten seine Augen umher, doch nichts regte sich. Die Geräusche von unten waren ebenfalls verstummt.

Laturidas schlich weiter und steuerte eine verschlossene Tür am anderen Ende des Raumes an. Als er leicht gegen diese drückte, gab sie sofort nach und öffnete sich glücklicherweise ohne einen Laut von sich zu geben.

Als er in den Raum hinein spähte, erblickte der Jäger einen Sekretär auf dem noch einige Schreibutensilien verstreut lagen.

Vorsichtig drang er in den kleinen Raum ein. Papiere lagen zerstreut auf dem Boden und verrotteten langsam. Durch das offene Fenster war Regen eingedrungen, in dem Bücherregal an der Wand konnte er sogar ein altes Nest entdecken was sich ein Vogel einst gebaut haben musste.

Da sich in dem Raum nichts weiter von Bedeutung finden ließ, kehrte Laturidas in den Wohnraum zurück und erstarrte. Etwas war falsch.

Mit zusammen gekniffenen Augen blickte er sich um, dann erkannte er was nicht stimmte.

Inmitten des falsch gemalten Beschwörungskreises lag etwas auf dem Boden.

Beim langsamen Näherkommen ließ sich ein Vogel erkennen.

Nicht irgendein Vogel. Vor seinen Stiefelspitzen lag ein Goldschweiffalke. Weder hier in diesem Land, noch auf diesem Kontinent kamen diese sonst so prachtvollen Vögel vor.

Es gab sie nur in den Wäldern rund um Ithamea, Hauptstadt der Lichtelfen. Zwischen diesem Ort und dem Reich der Elfen lag eine monatelange Reise.

Der Kopf des Tieres war auf den Rücken gedreht und auch die Flügel standen in einem Winkel ab, den die Natur so nicht vorgesehen hatte. Schon vor langer Zeit musste der Tod über das stark verweste Tier gekommen sein, doch noch immer waren die Spitzen seiner langen Schwanzfedern golden.

Laturidas rümpfte die Nase und wanderte mit seinem Blick ganz genau jeden Winkel des Raumes ab, überall lag eine feine Schicht aus Staub. Lediglich an einem schmalen Pfad zerstört von seinen eigenen Fußspuren.

Langsam auf den Fußspitzen schleichend näherte er sich der letzten Tür.

Leise knarzend zog er sie auf und spähte hinein. Weit konnte der Nachtschwärmer nicht mehr sein, denn alle Fenster in diesem Raum hatte man mit Vorhängen zugezogen, um sich vor dem Licht des Tages zu schützen. Sonnenlicht verbrannte einen Nachtschwärmer zu Asche.

Ein süßlicher Gestank raubte Laturidas den Atem, der ihm mehr als vertraut war.

Beide Dolche fest in der Hand drang er in den Raum ein.

Kaum dass seine Sohle die Schwelle übertreten hatte, schlug die Tür hinter ihm mit einem lauten Knall zu.

Unter einem nicht vorhandenen Wind bäumten sich die Vorgänge einer nach dem anderen auf und sanken anschließend zu Boden.

Durch Ritze in den Brettern, die man vor den Fenstern angebracht hatte, drang das Licht der Monde herein und offenbarte dem Elfen einen Anblick der ihm den Atem raubte.

Wieder befand er sich im selben Raum wie zuvor, denn am Ende ihm gegenüber konnte er durch die geöffnete Tür den Sekretär mit den Schreibutensilien ausmachen.

Dieses Mal aber lag kein toter Vogel inmitten des falsch gezeichneten Bannkreises. Die Ursache für den vorherrschenden Gestank war eine stark verweste Leiche.

Helles Mondlicht beschien den kleinen Leib. Allein anhand des verrotteten Stoffes erkannte Laturidas dass es sich um ein Mädchen gehandelt haben musste.

Der Elf griff nach der Tür hinter sich, tastete nach dem Knauf, doch seine Finger fuhren nur über blanke Bretter. Sie war nicht mehr da.

Mit gestrafftem Rücken trat er näher an den Leichnam heran.

Ihre Beine waren an den Knöcheln zusammen geschnürt, ihre Arme lagen zu beiden Seiten ausgestreckt. Leere Augenhöhlen starrten an die Decke.

Maden tummelten sich auf ihr, störten sich nicht an dem dörren Fleisch ihrer Mahlzeit.

Genau betrachtete der Elf die gemalten Runen. Mit einem Satz des Herzens musste er feststellen dass sie dieses Mal richtig gezeichnet waren. Doch der Kreis um all die Zeichen war noch immer nicht ohne Unterbrechungen gemalt und machte somit die Formel unwirksam.

Angewidert riss er sich von dem Anblick los und steuerte die einzige Tür in dem Raum an. Selbe, durch die er diesen Ort erst betreten hatte, im Raum davor.

Die Klinke ließ sich zwar runter drücken, doch die Tür war dieses Mal verschlossen.

Hinter ihm ertönte ein Geräusch dass ihm die Nackenhaare zu Berge stehen ließ.

Als würden Krallen über Schiefer kratzen.

Langsam sah Laturidas über seine Schulter und starrte auf das Kind. Es hockte inmitten des Bannkreises und zog mit einem kleinen Stück Kreide den Kreis nach.

Mit langen Schritten ging der Elf auf die Tote zu, ihr langes Haar verdeckte Gesicht und Schultern. Durch die Luft wirbelten seine Dolche und würden sie erreichen bevor der Kreis fertig gezeichnet war.

Wie sehr er sich irrte.

Unter einem ekelhaften Knacken riss das Kind den Kopf herum, unter dem Haar klappte ihr Kiefer auf. Was erklang war eine dunkle Stimme die nicht dieser Welt entspringen konnte.

„Du zuerst!“

Ein Windstoß donnerte heftig gegen den großen Elfen und riss ihn von den Füßen.
 

Fisk konnte das Donnern unter seinen Stiefelsohlen spüren als sei etwas schweres umgestürzt. Sofort erstarrte er und drückte das Kind hinter sich. Zwei Stufen noch fehlten ihm um das erste Geschoss erklommen zu haben.

Wartend lauschte er in die Stille hinein. Nichts.

„War sicher nur der Wind. Viele Fenster sind kaputt.“ Flüsterte das kleine Mädchen leise um ihn zu beruhigen. Ihre kleinen Fäuste gruben sich in seinen Mantel und zitterten.

Schweigend ging Fisk weiter, eine Hand immer am Knauf seines Schwertes dass auf seinem Rücken nur darauf wartete frei gelassen zu werden.

Wie sein Ordensbruder betrat er den Raum mit dem toten Vogel auf dem Boden. Nachdenklich kniff er die Augen zusammen und betrachtete das stumpfe Gefieder. Diese Art war ihm nicht bekannt.

„Igitt!“ Schrie das kleine Mädchen auf und zerrte an seinem Umhang. „Lasst uns doch gehen! Bitte, bitte!“

„Ruhe jetzt.“ Befahl Fisk harsch und das Kind gehorchte wimmernd.

Langsamen Schrittes durchquerte er den Raum um in das Zimmer mit den vermoderten Schreibutensilien zu treten. Etwas hielt ihn davon ab. Ein Vibrieren auf seinem Rücken. An sein Ohr drang ein Flattern.

In aller Ruhe drehte er sich herum, der Leib des Mädchens war vor Schrecken erstarrt.

Der tote Vogel hatte sich aufgesetzt und betrachtete die Beiden aus seinen matten Augen. Ruckartig warf er den Kopf von Rechts nach Links.

Ein dunkles Krächzen rief er dem Jäger entgegen und zitterte mit den zerzausten Flügeln.

Nur ein klein wenig gewann das Schwert auf Fisks Rücken an Freiheit als abermals das Krächzen erklang und sich veränderte.

„Es wird dir nichts nützen Jäger. Ihr seid verloren. Euer Hochmut lockte Euch in mein Haus. In Euer Grab. Lange noch werde ich das Fleisch von Euren Knochen nagen können bis sie weiß sind.“

Greinte der kleine Vogel und gackerte anschließend als würde er lachen.

Fisk zog die Nase kraus und entließ sein Schwert gänzlich in die Freiheit. Leere Drohungen hatten noch nie Wirkung auf ihn gezeigt.

Schnell wie der Blitz schoss der Nebeljäger vor und ließ die dunkle Klinge mit den goldenen Runen durch die Luft sausen.

Unbeirrt blieb der Vogel sitzen. Das Schwert zerteilte den kleinen Leib und eine Explosion von Federn schoss durch die Luft.

Sich hin und her wiegend segelten die kleinen Federn zu Boden. Sie waren stumpf und klebten zusammen.

Der Körper des Vogels war zerschmettert und sein Kopf lag schlaff auf einer Seite. Plötzlich fing er wieder an zu gackern. „Ich sagte doch bereits, es wird dir nichts nutzen. Ihr seid mein Spielzeug bis ich eurer müde werde.“

Wütend zerschmetterte Fisk den Kopf mit dem Stiefel.

„Wo bist du, du blutsaugendes Scheusal? Zeig dich und kämpfe fair gegen mich!“

Nichts mehr. Stille war das was blieb.

„Ich habe Angst.“ Weinte das kleine Mädchen.

„Deshalb sagte ich dir auch dass du dich unten verstecken sollst. Mir fehlt es an Nerven und an Zeit sich um eine heulende Rotznase zu kümmern.“ Fisk nahm das Kind bei der Hand und zerrte es hinter sich her. Es musste laufen um mit seinem Schritt mitzuhalten.

Um das Mädchen nun doch vorübergehend in den Schrank zu sperren, wo es sicher war, bis er die Sache hier erledigt hatte, fehlte ihm noch immer die passende Möglichkeit.

Die kleinen Finger wurden seiner Hand entrissen. Als Fisk sich auf dem Absatz herum drehte stand das kleine Mädchen am anderen Ende des Raumes. Die Augen vor Schreck aufgerissen zitterte es am ganzen Leib.

Knarrend öffnete sich die Tür zu ihrer Linken.

Fisk rannte los, zeitgleich riss etwas unsichtbares das Mädchen von den Füßen und schleuderte es durch die Luft. Ihr Schrei erstarb als sie durch die offene Tür flog, welche sich auch sogleich hinter ihr mit einem lauten Knall schloss.

Heftig zerrte der Jäger an dem Knauf der Tür, riss sie fast aus den Angeln, öffnen aber wollte sie sich nicht.

Fluchend trat er einen Schritt zurück und trat mit aller Kraft gegen das morsche Holz. Einige Splitter flogen davon, mehr aber auch nicht.

Wieder griff er nach seinem Schwert. Ein Klicken brachte ihn dazu in der Bewegung inne zu halten.

Einladend öffnete sich die Tür einen Spalt weit und beschloss ihm Einlass zu gewähren.

Fisks Nasenflügel bebte während er die Tür mit den Fuß weiter aufdrückte.

Dahinter erwartete ihn ein Raum, der exakt so aussah wie jener, in dem er sich befand.

Inmitten des Raumes lag Elise auf dem Rücken und rührte sich nicht.

Ganz langsam übertrat er die Schwelle.

Fisk bemerkte dass sie in einem Kreis lag. Während er versuchte die Runen zu lesen, schlug die Tür hinter ihm mit lautem Knall zu.

Das Vibrieren seines Schwertes wurde stärker. Plötzlich zuckte der Körper des kleinen Mädchens zusammen. Stöhnend schlug sie ihre Augen auf und rieb sich den schmerzenden Kopf.

„Elise! Bleib liegen. Rühr dich nicht.“ Sprach Fisk beruhigend.

In einer Ecke regte sich ein Schatten.

„Ich kann nichts sehen!“ Jammerte Elise und kauerte sich mit umschlungenen Knien zusammen.

Der Schatten erhob sich. Fisk erkannte die Gestalt einer Frau. Das lange Kleid hing nur noch in Fetzen von ihrem dürren Leib. Das Haar stand ihr wild vom Kopf ab.

Als sie das Gesicht hob, starrten dem Nebeljäger zwei rotglühende Augenhöhlen an. „Elise?“ Sprach sie leise.

„Mama?“ Ruckartig riss das Kind den Kopf in die Höhe und erhob sich auf die zitternden Beine.

Ein Grinsen breitete sich auf dem Gesicht der Mutter aus. Im Gegensatz zu dem Kind konnte Fisk das Boshafte darin erkennen.

„Bleib unten! Das ist nicht deine Mutter.“

„Aber ich erkenne doch ihre Stimme.“ Jammerte die Kleine leise und streckte ihre Hände in der Dunkelheit aus von wo sie die vertraute Stimme her vernommen hatte.

Fisk eilte an Elise vorbei und stellte sich zwischen Mutter und Kind.

Taumelnd machte die Tote kleine Schritte und ging den beiden entgegen.

„Einen Nutzen gebe ich dir. Sag mir wo der Nachtschwärmer ist.“ Knurrte Fisk

Die Tote blieb stehen, ihr Körper schüttelte sich, dünne Fäden Blut tropften von ihren Lippen.

„Tu meiner Mama nichts!“ Greinte Elise hinter ihm.

Wie das leise Flüstern des Windes drangen Worte an sein Ohr, wenn sie auch nicht sprach, musste die Stimme der Mutter gehören.

„Alles was hier auf dich wartet ist der Tod Nebeljäger. Du bist zu mir gekommen wie ich es wollte. Er wird mich reich entlohnen wenn ich ihm deinen Kopf vor die Füße lege.“

Fisks Finger umklammerten das Heft seines Schwertes noch fester.

„Von wem sprichst du?“

Seine Antwort war ein Gackern. Die Tote legte den Kopf weit in den Nacken und lachte sich förmlich die Kehle aus dem Leib.

Mit einem Schlag verstummte das Gelächter. Ihr Kopf rollte über eine Schulter nach vorn.

„Elise, mein liebes Kind. Komm zu mir. Komm. Komm in meine Arme. Ich habe dich so vermisst.“

Fisk bleckte die Zähne, für derlei Spielchen hatte ihm schon immer die Geduld gefehlt. Bevor das Kind auch nur einen Schritt machen konnte, rannte er nach vorn und holte mit seinem Schwert weit aus.

Überrascht riss die Mutter die Augen auf und schrie aus voller Kehle das ihm die Ohren schmerzten.

Der Waidmann holte aus um den dürren Leib in der Mitte zu zerteilen, geschmeidig wie eine Katze duckte sie sich unter dem Angriff weg und wich dabei ein Stück zurück.

Wieder schrie sie ihn an und krümmte ihre Finger zu Klauen. Fisk nutzte seinen Schwung, drehte sich einmal um sich selbst und setzte mit einem zweiten Hieb nach. Vor dem Gesicht kreuzte Elises Mutter ihre Arme um sich zu schützen. Für den Bruchteil einer Sekunde musste Fisk innerlich lachen über ihren plumpen Versuch. Im nächsten Moment war die Belustigung Schrecken gewichen.

Kleine Funken entstanden als sein Stahl auf ihre Haut traf. Zitternd vor Anstrengung hielt sie ihre Arme hoch um sich dem Druck seiner Klinge entgegen zu stellen.

Der Waidmann wusste nicht wie das möglich war. Weder ein Geist noch ein Untoter wäre dazu in der Lage.

Heftig riss sie ihre Arme zur Seite und entging so seiner scharfen Schneide direkt vor ihrem Gesicht. Flink machte sie einen Satz fort von ihm und raste los. Direkt auf Elise zu.

„Verdammt!“ Brüllte Fisk und setzte der Toten nach. Nur wenige Schritte trennten ihn von ihren Fersen, doch er wusste es würde ihm auf die kurze Distanz nicht gelingen das Kind vor ihr zu erreichen.

Der Waidmann riss seine linke Hand nach vorn, um seine Finger bildete sich ein schwaches, violettes Leuchten. Ein unsichtbarer Stoß riss die Frau von ihren Füßen und ließ sie wenige Zentimeter über dem Kind durch die Luft sausen.

Begleitet von einem lauten Krachen donnerte sie gegen die breite Fensterfront. Hinter den Brettern konnte man Glas splittern hören.

Schnaufend kämpfte sie sich auf die Beine, Fisk aber war bereits bei ihr und ließ die schwarze Klinge mit den goldenen Runen auf sie hinab sausen.

Schnell und geschickt formte sie einige Zeichen mit den Fingern und richtete die Handinnenflächen anschließend auf den Jäger. Fisk erstarrte mit einem Schlag und war nicht mal mehr in der Lage auch nur seinen kleinen Finger zu bewegen.

Er kämpfte gegen ihren Zauber an, seine Zähne knirschten so fest presste er seine Kiefer aufeinander. Was hatte von ihr Besitz ergriffen dass sie in der Lage war solch einen Zauber zu formen? Ihn zu bannen war weit mehr als ein Taschenspielertrick.

Auch ihr Gesicht war vor Wut verzerrt. Plötzlich aber verformte es sich und nahm ganz andere Züge an. Das Kinn wurde breiter, die Augen schmaler. Ihr Haar wuchs ebenfalls wie ihre Ohren in die Länge.

Der Waidmann traute seinen Augen kaum als die tote Mutter des Kindes vor seine Augen zu Laturidas wurde. Seinem ungeliebten Ordensbruder.

„Komm endlich zu dir du Narr! Ich bin es!“ Brüllte der Elf dessen eigentlich hellbraune Augen violett leuchteten.

Die Umgebung begann zu flimmern und hinter Fisk erklang ein dunkles Kichern. Eine krächzende Stimme, nicht von dieser Welt säuselte ihm zu.

„Wie schade aber auch. Meine Hoffnung war dass ihr beiden euch gegenseitig zerfleischt. Oh wie hätte ich das genossen! Ihr Spielverderber.“

Fisk versuchte den Kopf zur Seite zu drehen, doch selbst das war unter Laturidas Zauber nicht möglich.

„Lass mich gehen Elf!“ Befahl er und endlich löste sich der Zauber.

Des Elfen Augen nahmen wieder ihre normale Farbe an während Fisk sich langsam zu Elise herum drehte. Es war nicht mehr das kleine Mädchen von zuvor was ihn begleitet hatte, viel mehr war es das was von dem Kind übrig war nachdem der Tod sie vor einer Weile mit seinen eisigen Händen berührt hatte.

Ihre vertrocknete Haut klebte eng am Knochen, das Grinsen legte eine Reihe schmutziger Zähne frei, umgeben von faulig schwarzem Zahnfleisch.

Leere Höhlen, dort wo einst ihre Augen gewesen waren, starrten ihn boshaft an. Zitternd erhob sie sich auf die dürren Beine und deutete in seine Richtung.

„Ihr werdet den Morgen nicht mehr erleben. All das nur weil ihr Beide an eurem Egoismus festhaltet. Jeder will besser sein, sich mehr Jahre verdienen und dem anderen nicht einen Tag gönnen.

Nun habt ihr noch mehr der wertvollen Zeit verloren. Dämliche Narren die ihr seid.“ Krächzte sie.

Laturidas kämpfte sich wieder auf die Beine und raunte leise. „Gut informiert das kleine Miststück.“

„Ein wenig zu gut für einen einfachen Geist.“ Erwiderte Fisk missmutig.

Einen Schritt trat der Elf vor und hielt seine beiden Dolche weiterhin griffbereit in der Hand.

„Wo ist der Nachtschwärmer?“

Statt einer Antwort, warum auch sollte sie zwei todgeweihten noch eine liefern, grinste Elise nur noch mehr. Mit einem Schlag aber verschwand das Grinsen aus ihren Zügen und sie riss weit den Mund auf.

Aus ihrer Kehle drang ein lauter Schrei der Fisk dazu zwang sich die Ohren zu zuhalten. Laturidas, im Besitz eines noch sehr viel besseren Gehörs, sank auf die Knie und krümmte sich vor Schmerz. Ihm war als jagte man ihm eine Klinge durch den Schädel.

Elise breitete die Arme zu beiden Seiten aus und schwebte einige Meter über dem Boden. Ihre Beine lösten sich in dunklen, violetten Rauch auf der so dicht war dass man glauben könnte er sei schwarz.

„Eine Banshee!“ Brüllte Laturidas, noch immer die Ohren zuhaltend.

Der Schrei verhallte, dafür begann der Boden wie wild zu rütteln.

Inmitten des Kreises den das tote Mädchen gezeichnet hatte, begann die Luft zu flirren.

Zischend gingen die Zeichnungen in Flammen auf und lodernde Hitze schlug den Nebeljägern entgegen.

Elise kreischte abermals auf und jagte durch den Raum. Schnell wie ein Blitz raste sie auf die beiden Männer zu. Ihre langen Krallen nach vorn gestreckt um sie in das zarte Menschenfleisch zu graben.

Laturidas schwankte als er aufsprang, noch immer die Hände auf die Ohren gepresst. So schnell hätte er niemals seine Hände erneut um seine Dolche schlingen können wie die Tote auf ihn zuraste.

Dafür sauste eine andere silberne Klinge durch die Luft und zwang die Banshee dazu von ihrem Kurs abzuweichen.

Ihr Schrei raubte Fisk schier alle Besinnung und neben ihm ging der Elf erneut auf die Knie und stieß selbst einen Klagelaut aus.

Immer mehr Funken stoben auseinander und brachten das Feuer dazu, sich rasch auszubreiten. Der Waidmann wusste, würden sie sich noch länger von der Banshee in Schach halten lassen, würden sie hier drin als ein Haufen Asche enden.

Mit langen Schritten sprintete Fisk auf Elise zu, doch es gelang ihr auszuweichen.

Gegen alle Vernunft und Elises Erwartungen, folgte ihr der Waidmann inmitten der Flammen. Das letzte was sie sah waren die goldenen Runen auf dem schwarzen Teil seines Schwertes und die tanzenden Flammen die sich in den Augen des Menschen widerspiegelten.

Fisk spürte nur einen leichten Widerstand als er den dürren Leib zerteilte. Ihr greller Schrei verebbte rasch, hinterließ dennoch ein lautes Pfeifen in seinen Ohren.

Den Schwung seines Angriffes nutzend, machte er eine Drehung in der Luft und sprang aus dem Feuer hinaus das bereits an ihm leckte.

Wie der Boden unter ihm bereits nachgab bemerkte Fisk und rannte weiter.

Laturidas kniff die Augen zusammen als die Sicht durch den beißenden Rauch immer schlechter wurde.

Wie sein Ordensbruder riss er den schwarzen Schal hoch und bedeckte damit Mund und Nase.

Längst hatte das trockene Holz an den Wänden ebenfalls Feuer gefangen und das alte Herrenhaus würde bald vollends in Flammen stehen und verzehrt werden.

Fisk rannte ihm entgegen und deutete auf die Fenster hinter dem Elf.

Laturidas hechtete zu den Brettern und versuchte sie von den Fenstern zu reißen. Allerdings hatte jemand ganze Arbeit geleistet und sie mit dutzenden von Nägeln an die Rahmen genagelt.

Fluchend richtete er seinen Blick auf das Feuer. Beide Hände darauf richtend, schloss er die Augen.

Rasch begannen seine Hände zu zittern, Fisk hustete laut neben ihm. Aus den Flammen und fliegenden Funken formte sich ein Feuerball der im Nu die Größe eines Fasses angenommen hatte. Kraftvoll machte der Elf eine halbe Drehung und riss dabei die Arme in Richtung des Fensters als würde er einen schweren Gegenstand werfen.

Der lodernde Feuerball schoss durch das Zimmer und krachte gegen eines der Fenster. Splitter flogen durch die Luft, Glas zerbarst und das Haus erbebte.

Laturidas packte Fisk am Arm und rannte mit ihm auf das Loch zu was nun in der Wand klaffte.

Der Rauch versperrte ihnen die Sicht, wissend aber dass sie sich im ersten Stock befanden sprangen sie blind in die Tiefe.

In dieser Nacht stand das Glück für einen Moment an der Seite der beiden Nebeljäger. Unter ihnen befand sich lediglich ebener Boden den sie noch im rechten Augenblick einzuschätzen vermochten und sich abrollen konnten.

Über ihnen leckten Flammen in die Luft und das Herrenhaus ächzte unter dem Hunger des Feuers welches es rasch verschlang.

Röchelnd und hustend schnappten beide nach Luft und beeilten sich Distanz zu dem Haus zu gewinnen, bevor es einstürzte.

„Da drin befand sich sicherlich kein Nachtschwärmer. Wir sind schön in die Falle gelaufen die man uns gestellt hat.“ Der Vorwurf in Fisks Stimme war deutlich heraus zu hören.

Laturidas aber schenkte ihm keinerlei Beachtung denn im hohen Gras regte sich etwas.

Der Geruch von Tod und Fäulnis lag in der Luft. Mischte sich unter verbranntes Holz.

Ghule rannten aus allen Richtungen auf die beiden Waidmänner zu.

Fisk schob sich seinen Schal wieder über Mund und Nase während er mit der anderen Hand nach seinem Schwert griff.

Dieser Kampf war noch nicht gewonnen. Wer auch immer vorsah dass sie ihren Tod in den Flammen finden sollten, wollte sicher gehen dass ihr Schicksal besiegelt war, falls sie es doch schafften einen Weg hinaus in die Nacht zu finden.

3. Kapitel
 

An seinem eigenen Blut erstickend ging er zu Boden. Schnappte noch ein letztes Mal nach Luft bevor sich sein zuckender Leib zur letzten Ruhe bettete. Unter dem Ghul bildete sich eine Lache schwarzer Flüssigkeit. Von seiner Art war niemand mehr übrig.

Allein die beiden Nebeljäger standen schnaubend in der lauen Nacht im Licht der drei Monde.

Blut klebte an ihrer Kleidung und tropfte von den Waffen. Fisk schloss für einen Moment die Augen, nur langsam beruhigte sich sein Atem wieder.

Vom Wind zärtlich gestreichelt, ging ein Rauschen durch die hohen Gräser. Sonst herrschte Stille.

Laturidas schob seinen Hut zurecht und blickte zu seinem Ordensbruder. „Ich höre niemanden mehr. Das waren scheinbar alle.“

Beide drehten sich herum, zu dem Anwesen das fast schon komplett herunter gebrannt war. Nur noch kleine Flammen tanzten auf ihrem Mahl.

Die Banshee war in den Flammen verbrannt da sie den Ort, an welchem ihre Knochen ruhten, nicht verlassen konnte.

Lange noch waren ihre Schreie zu hören gewesen.

„Hier wird sich der Nachtschwärmer wahrscheinlich nicht mehr aufhalten. Vielleicht sollten wir in das nahe Dorf reiten um uns dort nach ihm umzusehen.“ Schlug der Elf vor und warf einen Blick in den Himmel. Lange würde die Nacht nicht mehr anhalten. Er schätzte dass die Sonne in etwa zwei Stunden aufgehen sollte.

Fisk leckte sich knapp über die Lippen und wandte den Blick ab, auf den Pfad der durch die kleinen Hügel hinab zum Dorf führte. Dabei stieß er einen hellen Pfiff aus und hörte schon sehr bald wie sich Veldig näherte.

Nach einer kurzen Begrüßung kramte der Waidmann eine Rolle aus einer der Satteltaschen. Auf dem Papier war die Karte der Gegend nieder gezeichnet die er vor dem Aufbruch erhalten hatte.

„Wonach suchst du?“ Wollte der Elf neben ihm wissen und warf aus der Ferne einen desinteressiert wirkenden Blick auf die Karte.

„All diese Ghule müssen von irgendwo her gekommen sein. Sie vertragen genau wie der Nachtschwärmer kein Tageslicht. Ich habe so eine Ahnung wo wir unseren Gastgeber finden können.“

Fisk deutete auf einen Punkt der Karte.

„Hier. Wie ich vermutet habe. Ein Anwesen wie dieses, abseits des Dorfes ist meist lange im Besitz einer Familie. Diese Familien schotten sich nicht nur im Leben ab, sondern auch im Tod und besitzen meist eine eigene Gruft.“

Nun trat der Elf doch etwas näher heran und schaute sich den Punkt genauer an, auf welchen sein Ordensbruder deutete. Es war ein kleines Häuschen am Rande der Senke eingezeichnet wo das Anwesen lag. Mittig in dem kleinen Häuschen war ein Kreuz zu erkennen.

Laturidas steckte sich Zeigefinger und Daumen in den Mund und stieß nun ebenfalls einen Pfiff aus um sein Pferd zu rufen.

Jemand packte seinen Arm. Fisk funkelte ihn düster an.

„Dir gefällt es genau so wenig wie mir diese Aufgabe in ungeliebter Begleitung zu erledigen. Aber dieses Mal stürmst du nicht einfach kopflos voran nur um mich abzuhängen. Ich sage es ungern aber dieser Geist hatte Recht. Wir stehen uns selbst im Weg und müssen zusammen arbeiten. Nur dieses eine Mal.“

Beide Waidmänner blickten sich lange und äußerst finster in die Augen. Schließlich stieß Laturidas einen tiefen Atemzug aus seinen Nasenlöchern aus und nickte.
 

Zusammen ritten sie Seite an Seite, aber mit großem Abstand über die Ebene zu der kleinen Gruft die am Rande einer Anhöhe stand.

Das Gebäude sah besser gepflegt aus als das Anwesen selbst. Der kleine Garten hinter dem Eisengitter, das diesen Platz vor Eindringlingen schützen sollte, war erst seit kurzer Zeit dabei zu verwildern.

Fisk drückte das Tor des Gitters vorsichtig auf, nur soweit dass beide hindurch schlüpfen konnten.

Schweigend näherten sie sich der eisernen Tür und tauschten einen letzten grimmigen Blick aus.

Als sich die Pforte in die Gruft öffnete empfing sie ein modriger Geruch gepaart mit einer eisigen Kälte.

Direkt hinter der Tür gab es einen kleinen Raum mit einem runden Fenster an der gegenüberliegenden Wand, welches ein wenig Mondlicht hinein ließ. Darunter stand ein Altar, bedeckt mit altem Laub und Schmutz.

Noch ein paar alte Kerzen die zur Hälfte hinab gebrannt waren, standen an den Rändern. Rechts und Links an den Wänden blätterte die Farbe einstiger Wandmalereien ab. Laturidas musterte kurz die Dame zu seiner Rechten und den Herren zu seiner Linken. Vermutlich waren es vor langer Zeit einmal sehenswerte Kunstwerke gewesen, nun erkannte man lediglich einige Umrisse.

Auf beiden Seiten gab es Öffnungen in der Wand. Stufen führten hinab in die Dunkelheit.

Laturidas streckte seine Hand mit der Innenfläche nach oben aus.

Eine Kugel aus Licht bildete sich darin, welche den Schein einer Fackel deutlich übertraf. Fisks linke Augenbraue schoss in die Höhe.

Den fragenden Blick bemerkend, rümpfte der Elf seine Nase und ging auf eine der Türen zu. „Wenn ich auch ein Verstoßener meines Volkes bin, heißt das nicht, dass mir die Natur mein Erbe verweigert hat. Natürlich besitze ich auch diese Art der Magie.“ Etwas leiser fügte er noch etwas an, den Blick abgewandt. „Zusätzlich zu der Anderen.“

Fisk stieg hinter ihm die breite Treppe hinab, viele Stufen waren es nicht, da gelangten sie in einen breiten Korridor. In den Wänden waren tiefe Einbuchtungen eingelassen. Jede von ihnen war Heimat eines Sarges. Darunter befanden sich kleine Messingschilder in welche man Namen und das Datum der Geburt, sowie das Datum des Todes eingelassen hatte.

„Ich hörte dass die Magie von Lichtelfen vom Sonnenlicht abhängig ist. Stimmt das?“

Am missmutigen Tonfall war zu erkennen dass Laturidas die Frage nicht sonderlich zu gefallen schien. „Diese Gegebenheit ist eines der bestgehüteten Geheimnisse meines Volkes. Ich will gar nicht wissen woher du diese Information hast, aber ich verbiete dir darüber jemals ein Wort an Außenstehende zu verschwenden.“

Einer von Fisks Mundwinkeln zuckte kurz. Der Elf war von seinen eigenen Leuten verstoßen worden, hielt aber dennoch zu seinen Wurzeln. Irgendwie amüsierte es den Waidmann, ihm waren die Ursprünge seiner Wurzeln egal. Er ist loyal jenen gegenüber die loyal ihm gegenüber sind. So einfach.

Beide Jäger erstarrten als sie vernahmen, dass jemand applaudierte.

Laturidas hielt seine schwebende Lichtkugel ein wenig Höher. Sein Ordensbruder griff nach der Armbrust, welche am Köcher mit einigen Pfeilen, an seinem Oberschenkel befestigt war.

Aus den Schatten des langen Korridors schälte sich eine Gestalt.

Ein Mann, gekleidet in feine schwarze Stoff Hosen, kniehohe Stiefel und einem dunklen Mantel über dem schwarzen Hemd, blieb einige Klafter von ihnen entfernt stehen.

Auf seinen dünnen, blassen Lippen lag ein Lächeln. Kurzes schwarzes Haar thronte auf seinem Haupt. Rote Augen, umrahmt von einem fast weißen Teint, starrten ihnen entgegen.

Das Lächeln des Fremden erlosch während er seine Hände sinken ließ.

„Nun sollte es doch so sein dass Ihr beiden mich gefunden habt. Ich muss gestehen dass ich hoffte ihr würdet den Flammen zum Opfer fallen, dann müsste ich nicht diesen Ort des Friedens hier mit Blut beschmutzen.“

In seinem ganzen Leben hatte Fisk bisher nur drei Male einem Nachtschwärmer gegenübertreten müssen.

Ihnen haftete eine mächtige Magie an, welche ihm jedes Mal eine Herausforderung geboten hatte, auf die er jetzt gern verzichtet hätte. Zum ersten Mal war er froh diesen Elfen an seiner Seite zu haben.

Blitzschnell hob Fisk seine Armbrust und feuerte ab, bevor Laturidas überhaupt bemerkte dass sein Ordensbruder die Hand hob.

Der Pfeil surrte durch die Luft und verlor sich in der Dunkelheit des Korridors. Der Nachtschwärmer war in sich zusammengefallen wie ein schwindender Schatten. Eine schwarze Masse aus tausenden flirrender Partikel tummelte sich dort wo er zuvor gestanden hatte. Ganz langsam formte sich die Masse wieder zu etwas humanoiden. Rote Augen starrten sie an, während die dunkle Stimme in ihren Köpfen erklang.

„Ihr werdet alt, Jäger. Der sechsunddreißigste Sommer scheint nicht spurlos an Euch vorbei gezogen zu sein. Dabei hörte ich dass Eure Lebenserwartung über der eines... nun ja, normalen Menschen liegen soll.“

Ein dunkles Lachen folgte während die Waidmänner zusehen konnten wie sich die schwarze Masse wieder in den Nachtschwärmer verwandelte.

„Wie langweilig. Dann hätte ich mir all die Mühe mit den Menschen in dieser Gegend gar nicht machen müssen um dich in eine Falle zu locken.“

Fisk verengte seine Augen, die Armbrust ließ er trotz des verpatzten Schusses, nicht sinken.

„So? All die Morde sollten nur dienen um Aufmerksamkeit zu erregen? Denkst du ich wäre blöd auf diese Farce hinein zu fallen? Jeder unseres Ordens hätte kommen können. Ich hasse es wenn dumm herum gefaselt wird. Alles Zeitverschwendung.“

In einer schnellen Drehung des Handgelenks betätigte Fisk einen kleinen Auslöser an seiner Armbrust, auf dass sich die Arme wieder einklappten. Während er mit langen Schritten los preschte befestigte er die Waffe wieder in der kleinen Halterung an seinem Köcher. Seine andere Hand schloss sich um den Griff des Schwertes.

Sofort reagierte auch der Elf an seiner Seite und rannte dem Nachtschwärmer mit gezogenen Dolchen entgegen.

In aller Ruhe hob die Kreatur der Nacht eine Hand, sobald er auch nur das erste Zucken bemerkte, und schnippte mit dem Finger.

Am Ende des Korridors entflammten auf einmal dutzende von Kerzen die auf dem Boden um einen Stuhl standen.

Die Waidmänner erstarrten im Lauf als ihre Blicke auf das verzerrte Gesicht einer guten Bekannten fielen.

Auf dem Stuhl saß eine Frau. Blut klebte an ihrer dunklen Kleidung. Kleidung des Ordens der Nebeljäger.

„Irmila.“ Flüsterte Fisk und riss seine hellblauen Augen auf.

Irmila war an den Stuhl gefesselt und ein Knebel in ihrem Mund machte ihr das Sprechen unmöglich. In der Lehne direkt neben ihrem Gesicht steckte Fisks Pfeil.

Ihre Wangen waren schmutzig und eingefallen. Tränen hatten den Staub verschmiert. Sie saß nicht erst seit kurzer Zeit hier unten. Wenn auch Angst in ihrem Blick zu lesen war, erkannte Fisk eine Müdigkeit die einen Menschen ereilte, sobald er alle Hoffnung aufgegeben hatte.

„Natürlich musste ich Eure Anführerin bitten dass sie Euch sendet, Fisk. Da ich richtig in der Annahme lag dass sie dies nicht einfach so tun würde, musste ich ein wenig Druck ausüben und habe ihr... einen Finger meiner Beute geschickt damit sie weiß wie ernst es mir ist.

Ich gestattete ihr, dir einen Freund zur Seite zu stellen, damit du nicht ganz so allein reisen musst. Eine interessante Wahl hat sie da getroffen muss ich sagen.“

Den Blick noch immer auf die gefesselte Jägerin gerichtet, knurrte Fisk mit Zorn in der Stimme.

„Was soll der Scheiß? Was willst du von mir?“

Einmal klatschte der Nachtschwärmer in die Hände und richtete seine Augen auf die Decke.

„Kann ich Euch sagen. Euren Kopf aufgespießt auf einen Pfahl. Denn Euer Blut ist es was ich brauche um ein ganz spezielles Ritual abhalten zu können.“

Als der Nachtschwärmer seinen Blick wieder sinken ließ, waren seine Züge entstellt von unsagbarem Zorn.

„Ihr hattet Kontakt mit einem ganz speziellem Hexenmeister. Ein Hexenmeister der sich lange Zeit zur Ruhe gesetzt und uns allen einen riesigen Gefallen damit getan hatte. Dank Euch aber streift er nun wieder durch die Welt und spielt sein altes Spiel weiter.“

Alle Farbe wich aus Fisks Gesicht. „Arior?“

„Ganz genau. Euch haftet seine Essenz an. Durch Euer Blut kann ich die Spur des Hexers aufnehmen. Sterbt in dem Gedanken dazu beigetragen zu haben, diese Kakerlake endgültig vernichtet zu haben. Es sollte sich als ein schöner Tod für Euch gestalten oder?“

Ganz langsam ging den beiden Jägern ihre Beute entgegen.

„Was sollte Arior mit Euch Nachtschwärmern am Hut haben?“ Wollte Fisk wissen.

Theatralisch stieß der Nachtschwärmer ein Stöhnen aus und verdrehte die Augen so weit dass nur noch das Weiße darin für einen Moment zu sehen war.

„Wie habt solch ein Trottel wie Ihr es nur so lange geschafft zu überleben? Hm? Hexen lieben Knochen, Haare, ach es würde ewig dauern alles aufzuzählen was diese Kakerlaken benutzen um ihre Rituale zu vollführen. Was glaubt Ihr wie wertvoll unsere Knochen dafür sind? Ganz genau.“

Das Wesen der Nacht schleuderte seinen rechten Arm feste nach unten als wolle er etwas Klebriges von seinen Fingern los werden. Ein leuchtend roter Blitz erschien und schon einen Wimpernschlag später befand sich ein schmales Kurzschwert in seiner Hand. Der Griff war Schwarz, die Klinge aber rot. Es wirkte als würde feuchtes Blut jetzt schon an ihr kleben. Fisk wusste nur zu gut dass es keine Täuschung war.

Ihm stand eines der wenigen Wesen ganz Dravasuums gegenüber das in der Lage war, Blutmagie zu wirken. Nicht die stärkste Form von Magie aber einer der Gefährlichsten.

Mit der freien Hand schnippte der blasse Mann und über dem Kopf von Irmila erschien ein waberndes Etwas. Binnen weniger Sekunden hatte es einen roten, spitzen Pfahl gebildet. Kleine Tröpfchen fielen auf das Haupt der Jägerin. Ganz leise seufzte sie in den Knebel in ihrem Mund hinein und schüttelte sich.

„Tötet mich und sie ist tot. Versucht Euch zu wehren und sie ist tot. Einzige Möglichkeit für Euch zu entkommen Elf, natürlich mit der werten Dame, ist dass Ihr mir nicht im Weg steht wenn ich mir jetzt hole was ich will.“ Versprach der Nachtschwärmer und bedachte den Elfen mit einem dunklen Schmunzeln. Dieser warf einen Blick auf seinen Ordensbruder und schien die Sache tatsächlich abzuwägen.

Ganz langsam ließ er die Dolche wieder in die Halterungen in seinem Gürtel gleiten. „Gut. Einverstanden. Ich konnte den Menschen sowieso noch nie leiden.“

Mit dem schallenden Gelächter des Nachtschwärmers in den Ohren warf Fisk dem Elfen einen fassungslosen Blick zu und straffte den Rücken. Dieser aber schien ihn überhaupt nicht mehr zu beachten und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Dein verdammter Ernst jetzt?“ Blaffte Fisk ihn an, doch von seinem Ordensbruder erhielt er als Antwort nur einen kalten Blick.

„Ach ist das schön! Ich hatte schon solch eine Freude dabei Euch zu betrachten als ihr die Bruchbude betreten habt. Euer Hass ist köstlicher als das Blut eines Mädchens das noch unberührt ist.“ Amüsierte sich ihre Beute und ließ dabei das Schwert durch die Luft wirbeln.

Über seine schmalen Züge legte sich ein breites Grinsen und offenbarte zwei spitze Eckzähne die er nutzte, um das Fleisch seiner Opfer zu durchschlagen. Anschließend labte er sich an ihrem warmen Blut bis es vollends leer war.

Einzige Nahrung die ein Nachtschwärmer zum Überlegen brauchte.

Fisk verzerrte sein Gesicht vor Zorn und drohte dem Elfen mit der Faust, auf seinem Handrücken glänzte ein Metallring mit Nieten im fahlen Schein der Kerzen. „Du dreckiger Elf. Ich hätte dir wirklich noch das Gesicht einschlagen sollen als ich die Gelegenheit dazu hatte.“

Die Klinge des Nachtschwärmers sauste durch die Luft, eigentlich hätte er wirklich Spaß daran gehabt dabei zuzusehen wie sich die beiden zerfleischten. Aber er hatte keine Zeit um dem Vergnügen zu frönen. Seine Arbeit wollte er rasch erledigt wissen.

Nur knapp wich Fisk der Klinge im letzten Augenblick aus und machte einmal eine Drehung um sich selbst.

Auch der Nachtschwärmer wirbelte herum und hieb direkt dorthin, wo er sein Ziel wusste.

Fisk bog seinen Oberkörper weit nach hinten und spürte noch wie die rote Klinge das Leder seines Wamses streifte. In gleicher Bewegung griff er nach seinem Schwert, drehte sich abermals herum und ließ sich auf sein Knie sinken.

Gerade noch in letzter Sekunde riss er seine Klinge herum und blockierte damit einen Streich, welcher seinen Kopf in zwei Teile hätte spalten sollen.

Das empfindsame Gehör des Nachtschwärmers nahm schnelle Schritte wahr. Mit Überraschung musste er feststellen dass Laturidas unterdessen voran geprescht war wie der Wind. In einem übermenschlichen Tempo rannte er auf die gefangene Nebeljägerin zu.

Es genügte nur ein Gedanke von ihm um den Pfahl in ihren Kopf niedergehen zu lassen, aber kaum dass er diesen stummen Befehl wirken wollte, durchfuhr ihn ein brennender Schmerz.

Fluchend trat er einen Schritt zurück und blickte nieder auf den Pfeil, der in seiner Wade steckte.

Das Blut in seinen Adern verwandelte sich in Feuer und er stöhnte leise obgleich des Schmerzes. „Was?“

Fisk schmunzelte leicht. „Meine Pfeile habe ich in Weihwasser getaucht. Ganz so unvorbereitet bin ich nicht wenn ich weiß dass ich ein Treffen mit einem Nachtschwärmer habe.“

Mit schmerzverzerrter Miene warf das Wesen der Nacht den Kopf herum zu dem Elfen und konzentrierte sich auf den Pfahl.

Er ging nieder und bohrte sich in Fleisch, befreite die rote Flüssigkeit des Lebens. Laturidas presste die Zähne zusammen und schnaubte.

Die letzten Klafter hatte er nochmal alles gegeben und war dem Stuhl entgegen gesprungen. Mit vollem Körpereinsatz prallte er gegen sein Ziel und riss das Möbel samt der Jägerin um.

Während er sich wieder aufrappelte zischte er vor Schmerz. Der Pfahl hatte sich in die Rückseite seines Oberschenkels gebohrt.

Dennoch zögerte er nicht eine Sekunde und durchtrennte mit einem seiner Dolche die Fesseln von Irmila.

Eilig half er ihr auf die Beine und versuchte dabei sein verwundetes Bein nicht all zu sehr zu beanspruchen. Durch den Stoff ihrer Kleidung merkte er wie sie nur noch Haut und Knochen zu sein schien. Ihre Wangen waren eingefallen und die Farbe ihrer Haut wirkte selbst im warmen Kerzenlicht fahl.

„Holt sie euch!“ Brüllte der Nachtschwärmer durch den Korridor. Noch als ihnen das Echo seiner Worte in den Ohren hallte, vernahm Laturidas im Dunkeln der Gruft donnernde Schritte und einen immer stärker werdenden Leichengestank.

Drei Ghule stampften aus der Finsternis in den Schein der Kerzen. Laturidas wurde übel, nicht allein wegen dem Gestank. Er reichte der Jägerin einen seiner Dolche.

Fisk schenkte der sich bietenden Szene nur einen flüchtigen Seitenblick. Rasch warf er sich dem Nachtschwärmer entgegen und tauschte mit ihm einige Hiebe aus. Nur knapp konnte Fisk der Blutklinge manches Mal ausweichen. Sein Gegner war schnell und er selbst schon etwas erschöpft von der Auseinandersetzung im Haus.

Dem Elf erging es noch schlechter, sein blutendes Bein duldete kaum Belastung, dennoch konnte er keine Rücksicht darauf nehmen. Drei Ghule suchten noch den Tod.

Irmila versuchte durch einen schnellen Ausfallschritt hinter eine der Kreaturen zu gelangen, doch die geschwächte Jägerin war zu langsam. Der Ghul schlug mit seiner gewaltigen Pranke zu und schleuderte die Frau an die Wand. Regungslos blieb sie am Boden liegen.

Laturidas sah sich nun drei stinkenden Monstern entgegen und eines seiner Beine gehorchte ihm kaum noch.

Der Elf schloss die Augen und rief die alte Magie seines Blutes an. Die Magie der Lichtelfen. Im Gegensatz zu den Anderen seines Volkes, hatte die Göttin ihn nur mit sehr wenig dieser Magie in die Welt entsandt. Zudem war es im Bauch dieser Gruft dunkel und er konnte weder das Licht der Sonne noch das der Monde um seine Hilfe bitten.

Doch jeder Schweißtropfen auf seiner Stirn war es wert. Ein Ball aus Feuer begann sich in seiner Hand zu bilden und rotierte als er seine hellbraunen Augen aufriss.

Kraftvoll schleuderte er das Feuer auf einen der Ghule. Das Biest schrie entsetzt auf während die Flammen Blasen auf seiner Haut erzeugten und das Fleisch schwärzten.

Vom Schmerz benebelt bekam es nicht mit wie der Elf sich unter seinen Beinen hindurch rollte und somit den Angriffen der beiden Anderen aus dem Weg ging.

Mit einem Sprung auf den Rücken des Ghuls, umklammerte Laturidas das Biest und musste gegen den Brechreiz ankämpfen den der Gestank des Körpers absonderte.

Die Klinge seines Dolches schnitt in die Kehle, immer wieder bis das Wesen gurgelnd auf die Knie sank und langsam an seinem Blut erstickte.
 

Fisk hingegen tanzte noch immer den Tanz des Todes mit dem Geschöpf der Nacht. Sein Gegner schien zunehmend verärgert über die Tatsache zu sein dass er es noch immer nicht geschafft hatte, diesem Wurm das Leben zu nehmen.

Stattdessen schaffte es der Waidmann sogar, nach einer Finte, dem Nachtschwärmer einen weiteren Pfeil zwischen die Rippen zu stoßen.

Das Blut, welches durch seine Adern floss brannte immer mehr. Es würde ihn nicht töten, aber es schwächte ihn so sehr dass Fisk immer mehr in die Offensive ging statt sich gegen ihn verteidigen zu müssen.
 

Laturidas tropfte Schweiß von seinem Kinn. Immer schlimmer verschwamm ihm das Blickfeld. Das Blut des Pfahls tobte in seinem Leib. Dennoch wollte er ihn nicht hinaus ziehen, sonst würde er verbluten ehe einer der Ghule sich den Geifer von den Lippen lecken konnte.

Irmila blinzelte ihre Benommenheit fort. Vernebelte Umrisse formten sich zu Laturidas und zwei Ghulen.

Als ihr Kopf zur Seite schwankte, sah sie Fisk im verbissenen Kampf mit dem Nachtschwärmer. Ganz kurz fielen ihr die Augen zu. Diese Narren. Aber wie sollten sie es auch besser wissen?

Wie sollten sie wissen dass sie längst zu spät waren, bevor sie diese Reise begonnen hatten? Sie war verloren. Alles was sie liebte war verloren. In ihren Gedanken brannte sich das Gesicht ihres Mannes ein, und das ihres kleinen Sohnes der noch nicht einmal seinen zweiten Sommer erlebt hatte. Der einzige Mann der akzeptierte was sie war und jeden Kompromiss mit ihrer Lebensweise geschlossen hatte. Nie wieder würde sie seine Wärme spüren oder das lachende Gesicht ihres Sohnes sehen. Verloren.

Alles was sie noch gewinnen konnte war dieser Kampf. Ihren Ordensbrüdern noch ein paar Sommer mehr schenken, wenn es denn das Schicksal so wollte.

Irmila hockte sich auf die Fersen und öffnete das Kästchen in ihrem Inneren. Das Kästchen was die Magie in sich bannte. Jedes einzelne Siegel brach sie.

Als die Jägerin ihre Augen wieder aufriss, strahlten sie in einem hellen Violett.

Beide Handinnenflächen riss sie nach oben und deutete damit auf die Ghule. Plötzlich schrien die Kreaturen auf und warfen die Köpfe weit in den Nacken. Ihre massiven Körper blähten sich auf und aus ihren Kehlen drang ein gurgelndes Geräusch.

Irmilas Hände zitterten, fest kniff sie ihre Augen zusammen, das violette Leuchten flackerte noch stärker auf.

Laturidas blickte die Frau entsetzt an. Irgendetwas brüllte er ihr noch zu, aber sie hörte es nicht.

Der Elf starrte auf die Ghule, die Adern unter ihrer grauen Haut pulsierten, entsetzliche Laute brachten sie hervor während einer von ihnen immer wieder auf seine Brust trommelte.

In letzter Sekunde sah der Elf zu dass er das Weite suchte, und humpelte hinter eine der Nischen aus denen die Ghule hervorgekommen waren.

Nur einen Wimpernschlag später gab es einen gewaltigen Knall. Irgendwas plätscherte zu Boden.

Als er im die Ecke schaute, entdeckte er die Ursache für dieses Geräusch. Das was einmal in den Ghulen drin gesteckt hatte, war nun auf den Wänden, der Decke und dem Boden verteilt.

Wie eine überreife Tomate waren sie geplatzt. Direkt vor ihm lag ein matschiger Augapfel, welcher ihn entsetzt anzustarren schien.
 

Unter ihren Füßen gab es eine gewaltige Erschütterung. Der Nachtschwärmer vernahm die Klagelaute und schaute hinüber zu seinen Schöpfungen. Er sah wie sie förmlich explodierten. Unbändiger Zorn schwoll in ihm an.

Ruckartig sah er wieder nach vorn um diesem nervigen Jäger endlich den Todesstoß zu verpassen. Das letzte was er in seinem Dasein noch erblicken durfte waren die himmelblauen Augen Fisks direkt vor ihm. Diese Augen nahmen sein ganzes Sein ein.

Noch bevor er das Schwert aus dem Augenwinkel wahr nahm, wusste er um diesen dummen Fehler. Nur einen kleinen Augenblick hatte er sich ablenken lassen. Einen kleinen Augenblick zu lang.

Der Kopf des Nachtschwärmer flog im hohen Bogen davon. Einen glatten Schnitt hatte sein Schwert gemacht. Hart prallte der Körper auf seine Knie und kippe vornüber während der Kopf über den Boden rollte. Noch immer waren die Augen vor Schrecken weit aufgerissen als er schließlich gegen die Wand kullerte und dort liegen blieb.

Tief atmend richtete sich Fisks Blick auf die Stelle wo sein Ordensbruder gerade noch gegen die Untoten gekämpft hatte. Nun klebten sie überall.

Laturidas war zu Irmila gesprintet. Die Jägerin war in sich zusammen gesunken. Ihre Augen wirkten leer als sie die Decke anstarrte.

Schnell war auch Fisk an ihrer Seite und schlang einen Arm unter ihr hindurch, um der Frau beim Aufsetzen zu helfen.

„Du Närrin... wie kannst du deine Magie nur so leichtsinnig einsetzen? Dieser Angriff hat dich sicherlich ein gesamtes Jahrzehnt gekostet.“ Tadelte sie Fisk mit eisenharter Stimme.

Müde ließ die Jägerin ihren Kopf zur Seite rollen um zu ihm aufzublicken. Leise waren ihre Worte, kaum mehr als ein gequältes Flüstern.

„Es war für mich schon längst zu spät. Sein Gift wütet in mir.“

Flüchtig wechselte Laturidas mit Fisk einen Blick. Vorsichtig schob der Elf das Halstuch der Jägerin beiseite und entdeckte an ihrer Kehle eine Bisswunde. Die Haut hatte sich längst dunkel verfärbt.

In der Natur eines Nachtschwärmers lag es dass er keinerlei feste Nahrung benötigte, allerdings musste er in regelmäßigen Abständen Blut trinken. Es liegt in seinem Ermessen wie viel er von seinem Opfer trinkt. Lässt er dem Gebissenen genug um am Leben zu bleiben, wird es für ihn keine Folgen haben, sobald man sich von der Erschöpfung erholt hatte.

Trinkt er aber so viel dass das Opfer stirbt, kann er aus dem Leichnam einen Ghul wiederauferstehen lassen. Die dritte Möglichkeit welche sich ihm bot, wäre noch dem Gebissenen, vor dem sicheren Tod, von seinem eigenen Blut zu trinken zu geben. Dann verwandelt sich das Opfer in einem langen, qualvollen inneren Kampf selbst in einen Nachtschwärmer.

An den dunklen Adern rund um die Bisswunde erkannten die beiden Nebeljäger sofort dass sie von dem Blut getrunken hatte.

Ihre Metamorphose war eingeleitet worden. Sobald sie starb, würde sie als Nachtschwärmer wieder erwachen und von dem selben Hunger nach Blut getrieben werden wie das Wesen dass ihr diesen Zustand angetan hatte.

„Bitte. Tötet mich.“, wandte sich Irmila an ihre Ordensbrüder. „So etwas will ich nicht werden.“

Fisk drückte sie noch etwas mehr an sich heran.

„Hat er dir irgendwas gesagt? Warum er nach Arior sucht, zum Beispiel?“

Kraftlos versuchte Irmila ihren Kopf zu schütteln. Die Geste war nur zu erahnen. „Nein... er hat mir nichts gesagt. Nur dass ihr sicher schon auf dem Weg zu ihm seid“

Fisk stand die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben.

„Werdet Ihr es tun? Bitte.“ Flehend sah sie dem Menschen und dem Lichtelf abwechselnd in die Augen.

Laturidas Blick war auf ihren Gürtel gerichtet, er mied es der jungen Frau in die Augen zu blicken.

„Werden wir. Ihr bekommt ein ehrenhaftes Begräbnis wie es einem Nebeljäger gebührt.“ Versprach er ihr und erhob sich langsam.

„Bringen wir sie hinaus. Dann können wir all das hier dem Erdboden gleich machen.“

Fisk hob die schwache Frau hoch und trug sie wie eine Braut. Erschöpft lehnte sie ihren Kopf an sein Brust.

Laturidas ging an der Leiche des Nachtschwärmers vorüber und rümpfte die Nase als er den blutenden Stumpf sah, welcher einst einmal ein Hals gewesen war.
 

Veldigs goldene Augen fixierten seinen Herren, doch er erwiderte den Blick nicht. Noch immer starrte er auf die Flammen welche die Gruft mehr und mehr verschlangen. Was das Tier nicht wusste, es waren nicht diese Flammen die er so eindringlich betrachtete, es waren jene von dem kleinen Scheiterhaufen den er vor der Gruft aufgebaut hatte.

Irmila war nie eine Freundin gewesen, aber sie hatte lange Jahre dem Orden gut gedient. Außerdem war sie stets eine angenehme Person gewesen, es hatte nie einen Grund gegeben wieso man sie nicht hätte mögen sollen.

Tief in sich drin verspürte er Zorn. Er war wütend dass sie diesem Nachtschwärmer in die Hände gelaufen war, wütend darüber dass sie bei dieser Begegnung ihr Leben verloren hatte, wütend darüber dass die Herrin des Ordens ihnen nichts gesagt hatte als sie aufgebrochen waren, und wütend war er auch darüber dass es nicht diesen Elfen getroffen hatte.

Laturidas hatte es übernommen ihr den Kopf abzuschlagen, dabei hatte seine Miene nicht einmal gezuckt.

Fisk hatte ihm angeboten diesen Pfahl aus seinem Bein zu ziehen, aber auch das wollte der Elf allein erledigen und hatte es mit den Worten getan, dass Fisk den Pfahl nur nutzen würde um ihn direkt mit zu beseitigen.
 

Laturidas setzte seinen Hut wieder auf das hellblondes Haar und wandte sich ab.

„Wir sollten in das nahe Dorf reiten und den Bewohnern Bescheid geben dass ihr Land wieder sicher ist.“ Sprach ihn Fisk an, während dieser ebenfalls wieder seinen Hut platzierte. „Außerdem solltest du mit deiner Wunde vielleicht keine weiten Strecken reiten.“

Während Laturidas die Zügel seiner Stute nahm und ihr beruhigend auf den Hals klopfte, würdigte er den Menschen keines Blickes. „Erledige du das. Ich reite weiter gen Norden.“

„Wir müssen noch den Auftrag abliefern.“ Erinnerte ihn Fisk mit grimmiger Miene.

Unter einem Zischen und einem leisen Fluch über sein schmerzendes Bein, schwang sich der Elf auf den Rücken des Pferdes. „Behalte du den Lohn. Du brauchst es dringender.“

Stumm wunderte sich Fisk über das großzügige Angebot, doch er sah es gar nicht ein diesem Schnösel auch nur eine kleine Gefälligkeit zu schulden.

Mit seinem Zeigefinger bohrte er in den blutigen Verband und erhielt sogleich die übelsten Beschimpfungen, gespickt mit einer Drohung ihm werde gleich ebenfalls die Kehle aufgeschnitten.

„Ich lade dich auch auf einen Wein ein. Ihr Elfen sauft doch diesen Fusel statt etwas ordentliches zu trinken.“

Schweigend betrachtete Laturidas ihn einen langen Augenblick. „Euer Wein schmeckt nicht besser als der Urin eurer Pferde. Aber ich nehme die Einladung an.“

„Du hast Pferdepisse getrunken?“ Wollte Fisk mit einem Schmunzeln auf den Lippen wissen. Wenn auch das Volk der Lichtelfen dieses Exemplar hier verstoßen hatten, so war er doch noch immer in seiner Natur einer von ihnen. Kein Volk dieser weiten Welt betrank sich so gern wie die Lichtelfen.
 

Zweimal noch grüßten sich die Monde und die Sonne am Horizont bis der Morgen über der kleinen Insel graute.

Ein feiner Dunst lag über dem vom Tau feuchten Gras. Unzählige Spinnennetze glänzten im fahlen Licht als hätte man sie mit kleinen Perlen aus Glas gespickt.

Lange schon hatte sie in der Ferne das Horn eines Jägers vernommen der um eine Überfahrt auf ihre Insel bat.

Sie wusste wer kam. Sie wusste dass diese Begegnung erfreuliches und weniger erfreuliches mit sich bringen würde.

Mit auf dem Rücken verschränkten Armen wartete sie auf oberster Stufe des Versammlungshauses.

Lange musste sie nicht warten, da zeichneten sich zwei Reiter im feinen Nebel des Morgens ab.

Einer von ihnen ritt ein Pferd und der Andere einen Hyna.
 

Laturidas und Fisk stiegen ab. Sie blickten von unten zu der Frau im roten Umhang auf. Wie immer hatte sie die Kapuze tief in ihr Gesicht gezogen. Ein Schatten legte sich über die dunkelgrünen Augen ohne sie gänzlich zu verschlingen.

Fisk warf ihr die Papiere des Auftrags vor die Füße. Die blutrot geschminkten Lippen zuckten kaum merklich.

„Erledigt. Aber das wisst Ihr vielleicht schon. Wie Ihr auch wusstet dass dieser Nachtschwärmer Irmila in seiner Gewalt hatte. Vielleicht sogar dass er sie schon mit seinem Gift verdorben hatte.“ Verlautete Fisk mit dunkler Stimme.

„Letzteres wusste ich nicht. Habt ihr sie erlöst?“ Erfragte sie.

„Ich habe ihr den Kopf abgeschnitten und verbrannt.“ Antwortete Laturidas mit weniger Bitterkeit in der Stimme als sein menschlicher Kollege.

„Eure Wut kann ich verstehen, aber mir blieb keine Wahl. Mich erreichte ein Schreiben in welchem der Nachtschwärmer darum bat ihm Fisk zu schicken. Gerne in Begleitung damit es ihm nicht all zu langweilig werde. Sollte ich euch einweihen oder mehr entsenden, drohte er mit der Vernichtung des ganzen Dorfes.“ Sprach sie ruhig.

„Der Orden der Nebeljäger lässt sich von einem jämmerlichen Nachtschwärmer erpressen?“ Entrüstete sich Laturidas und legte ein spöttisches Lächeln auf.

„Ihr habt doch gesehen was er aus einem der Kinder des Dorfes gemacht hat. Aus Elise.“ Nur leicht erhob sie ihre Stimme, fasste sich sogleich aber wieder und sprach ruhig weiter. „Es stand ein Leben gegen das von Vielen.“

„Zwei. Denn er wollte mich. Was hat es damit auf sich? Er wollte durch mein Blut die Spur Ariors aufnehmen.“ Fisk trat mit einem Fuß auf die erste Stufe.

In den grünen Augen konnte er Staunen erkennen, noch ein Detail dass sich ihr entzogen hatte.

„So ist das. Ich vermutete einen Racheakt für den Nachtschwärmer den du im letzten Jahr tötetest. Allerdings lag es mir fern euer beider Leben zu riskieren. Zusammen würdet Ihr einen Nachtschwärmer zur Strecke bringen.“

„Wir konnten unsere Haut nur retten weil wir von unserer Magie Gebrauch machten!“ Wetterte Fisk wütend los. „Irmila hat unser Leben gerettet weil sie das ihre fast vollkommen aufgezehrt hatte als sie einen Zauber wirkte, um drei verdammte Ghule zu vernichten.“

„Einen davon hatte ich schon getötet.“ Verbesserte ihn Laturidas.

„Wäre Laturidas nicht in einem Anfall von Selbstüberschätzung in das Haus gestürmt, sondern hättet Ihr Eure Umgebung und die Beute beobachtet wie es sich für einen erfahrenen Jäger gehört, wäre diese dumme Falle auch nicht zugeschnappt.“ Ihre Stimme erhob sich wie ein nahendes Gewitter. Noch immer ruhig aber grollend warnte der Sturm vor seinem Kommen.

„Es war kein Zufall dass ich Euch beide zusammen auf diese Reise entsandte. Mit Gewissheit kann ich sagen dass ihr euch dessen auch bewusst seid. Nicht wahr?“

Laturidas blickte auf eine kleine Spinne die sich ihren Weg über die Grashalme suchte um ihre Mahlzeit zu fangen. Eine kleine Fliege die ihr ins Netz gegangen war. Eine kleine Fliege die sich wahrscheinlich heute morgen schon an einem dampfenden Haufen Mist genährt hatte.

Wie sich auch die Wut der beiden Jäger genährt hatte. Die Wut war berechtigt, nur hatten sie diese auf die falsche Person gerichtet.

Auch Fisk schien das zu merken und nahm seinen Fuß wieder von der Stufe.

Unter dem roten Mantel, der ihr bis zu den Knöcheln reichte, entspannten sich etwas die gestrafften Schultern. „Wir alle scheinen etwas gelernt zu haben. Ruht euch aus. Ich gewähre euch eine Woche lang. Unterdessen werde ich versuchen herauszufinden warum die Kinder der Nacht Interesse daran haben diesen Hexer zu finden.“

Den beiden bereits den Rücken zugewandt, brachte sie Fisk dazu nochmal inne zu halten.

„Wenn Ihr etwas herausgefunden habt, lasst es mich bitte wissen. Heute noch werde ich die Insel verlassen.“

„Wie du willst.“
 

Als die Schatten im Inneren des Hauses die Herrin der Jäger verschluckt hatten und ihre Schritte kaum noch zu vernehmen waren, tauschte Fisk einen Blick mit Laturidas aus.

„Du bleibst sicher.“

„Selbstverständlich. Ich spüre mein Bein kaum noch. Außerdem wäre es dumm eine geschenkte Woche auszuschlagen. Aber du warst noch nie für deine Weisheit bekannt, Mensch.“

Fisks linker Mundwinkel zog sich leicht in die Höhe.

„Zu allen Göttern die es auf dieser Welt geben soll werde ich beten dass ich nie wieder mit dir zusammenarbeiten muss.“

Fisk saß auf Veldig auf und lenkte ihn in Richtung des kleinen Pfades, welcher wieder zu der Brücke führte die den einzigen Weg darstellte um diese Insel wieder zu verlassen.

„Fisk. Waidmannsheil.“

„Waidmannsdank.“

Wenn er auch immer noch diesen Elfen nicht ausstehen konnte, so gab es sicherlich schlimmeres. Sie alle hatten ihre Lektion gelernt. Ihr Geschmack war bitter gewesen.

Viel später zeigte sich oft erst der Nutzen von bestimmten Dingen. Wie vielleicht auch von dieser Begegnung.

Schnell aber wurden des Waidmanns Gedanken in einen dunklen Strudel gezogen während sein Hyna langsam über den sandigen Pfad trottete. Wieder hatten Menschen das Leben verloren weil ihm dieser Hexer durch die Finger gegangen war.

Einst aber würde der Tag grauen da er seine Beute erlegte. Dieses Mal würde er es nicht schnell machen, so wie er es einst gelernt hatte. Nichts leiden lassen, schenke einen schnellen Tod. Nein, Arior hatte diese Milde nicht verdient. Er würde schreien. Tag und Nacht. Bis er heiser war und noch viel länger.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu dieser Fanfic (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück