Wegweiser ins Licht von Cognac ================================================================================ Kapitel 26: My Condolences -------------------------- Kapitel 26: My Condolences Es war ein furchtbarer Tag. Ein Tag, den sich weder Shinichi noch Shiho gewünscht hatten. Es war windig, kalt. Schwere Wolken verhingen den Himmel. Er drückte ganz fest ihre Hand, als die Dudelsackspieler ihre Musikinstrumente stimmten und auf Kommando anfingen zu spielen, als der Trauerzug sich in Bewegung setzte. Shinichi konnte spüren, wie ihre Hand in seiner zitterte. Vielleicht war es aber auch seine eigene die so bebte. Er wusste es nicht. Mit langsamen Schritten und gesenkten Köpfen folgten sie dem Sarg, welcher von sechs Mitgliedern des FBI getragen wurde. Direkt dahinter die Trauergäste. Alle waren gekommen, um Shuichi Akai die letzte Ehre zu erweisen. Agent Camel, Jodie, James Black, aber auch bekannte Gesichter der Tokioter Polizei, wie Takagi, Sato und Inspektor Megure, die in den letzten Monaten viel und eng mit dem Agenten zusammengearbeitet haben, waren erschienen. Shinichi schaute neben sich. Er sah, wie Shiho ihr Gesicht in den Stoff seines Mantels drückte. Er konnte sie leise weinen und schluchzen hören, während sie sich an seinem Arm klammerte, als wäre er alles, woran sie noch Halt finden könnte. Auch wenn es sich Shinichi nicht so sehr anmerken ließ, so fühlte und litt er genauso wie seine trauernde Freundin. Doch ganz anders als sie, hatte er nicht erneut jemanden aus der Familie verloren. Die Qualen, die dieser Verlust in Shiho verursachen musste, ließe sich wohl kaum in Worte fassen. Bei diesem Gedanken blickte der Schwarzhaarige nach vorne, an die Spitze des Zuges, den die -in schwarzgekleideten- Gäste bildeten und seine Augen hafteten an Masumi. Sie war ganz allein zur Beerdigung erschienen und stand nun als einziges Familienmitglied inmitten ihr fremder Gesichter, um ihren großen Bruder zu Grabe zu tragen. Shinichi befürchtete, sie konnte das was geschehen war immer noch nicht so recht verstehen, wollte es womöglich sogar gar nicht. Auch sie hatte ihn doch erst vor kurzem zurückbekommen. Das alles empfand der junge Detektiv als so unglaublich ungerecht und allein sich das schmerzlich dreinschauende Gesicht Seras vorzustellen, machte ihn rasend; vor Trauer, als auch vor Wut. Sie versammelten sich schweigend um das vorbereitete Grab. Ein letztes Mal spielte die Musik und Soldaten feuerten auf Kommando mehrere Gewehrsalven in die Luft. Mit glasigen feuchten Augen verfolgte Shinichi, fast schon abwesend, wie der Sarg, eingehüllt in das Banner des Federal Bureau of Investigation, in die vorher ausgehobene Grube hinabgelassen wurde. Dieser Kampf war realer denn je geworden und hatte gleichzeitig, mit dem Tod seines Freundes, ein ganz neues Level erreicht. Es ging nicht länger nur um die Wahrheit, es ging verdammt nochmal ums nackte Überleben und dieser Überlebenskampf sollte schmutzig werden und sich keinerlei Regeln verpflichtet fühlen. Als der Sarg im Erdreich verschwand und auf dem Grund abgesetzt wurde, brach eine Frau mit auffällig großer Brille und blauen Augen an ihrem Platz zusammen und weinte bittere Tränen. Es war Jodie, bei der sich Shinichi nicht einmal ausmalen wollte, wie es in ihrem Inneren wohl aussehen musste. Er konnte nur vermuten, dass sie es sich wohl nicht verzeihen konnte, dass sie Japan und Shuichi verließ, obwohl die Gefahr nicht gebannt war und sie ihm somit nicht helfen konnte, als er sie brauchte. Diese Vorwürfe mussten die junge FBI-Agentin regelrecht zerreißen. Der Anblick Jodies trieb auch Masumi die Tränen mehr und mehr in die Augen, auch wenn sie weiterhin versuchte stark zu sein. Doch wozu? Sie musste niemanden etwas beweisen. Sie musste nicht zeigen, wie stark sie war, das wusste Shinichi auch so und gewiss keiner würde daran zweifeln, selbst wenn sie sich in diesem einen Moment der Trauer hingeben würde. Es wäre okay. Die Lippen des Fräuleins -mit den Augen der Familie Sera- bibberten und sie presste sie aufeinander und dies einigermaßen unterdrücken zu können. Sie griff in eine große Schale, gefüllt mit feuchter Erde und ließ diese langsam und mit ausgestrecktem Arm, auf den Sarg ihres Bruders rieseln. So ging es schließlich immer weiter und jeder der Gäste bekam die Möglichkeit, ein letztes Mal Abschied zu nehmen. Einer nach dem anderen Schritt an der Grube vorbei, flüsterte etwas und warf eine Hand voll Erde hinunter auf das elegant verarbeitete Holz des Sarges. Letztlich war es nur eine verdammte Kiste, in der jedoch sein Freund lag, dachte sich Shinichi, als er an der Reihe war. Shiho war vor ihm dran gewesen, hatte jedoch nichts gesagt, sondern nur schnell etwas Erde in das Loch geworfen, ehe sie sich wieder entfernt und in den Armen Jodies Trost suchte. Sie wollte sich nicht verabschieden und niemand machte sich vermutlich mehr Vorwürfe über den Tod Shuichis als die rotblonde Wissenschaftlerin. Shinichi stellte sich an die Kante des Grabes und sah hinunter auf den -schon zu einem großen Teil- mit Erde bedeckten Sargdeckel. Zitternd griff er nach der Erde und drückte diese in seiner Hand zusammen. Sie war schwer durch die Nässe und roch modrig, so wie der Tod. Der schwarzhaarige Detektiv schloss seine Augen. „Ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, um sie aufzuhalten.“, flüsterte er zu sich selbst. „Ich werde sie zerschlagen, ein für alle Mal und ich werde es für dich tun, für Masumi und vor allem für Shiho.“ Shinichi bemerkte, wie trocken sein Mund plötzlich wurde. Etwas Feuchtes bewegte sich über seine Wangen, hinunter bis zu seinem Kinn. „Ich lasse sie nicht allein und werde auf sie aufpassen. Du sagtest selbst, du würdest diese große Bürde niemand anderem anvertrauen wollen als mir und ich will das du weißt, dass ich mein Bestes geben werden und noch mehr.“ Shinichi wischte sich die Tränen beiseite und öffnete seine Hand, damit die Erde hinabfallen konnte. „Hoffentlich bist du nun an einem besseren Ort und kannst von da aus auch in Zukunft ein Auge auf uns werfen.“ Damit machte er kehrt und stellte sich an den Rand der Menschenmenge. Er vermied es dabei irgendjemanden in die Augen zu sehen. Eine große schlanke Frau, gekleidet in einem schlichten, aber gleichzeitig anmutigen und eng geschnittenen schwarzen Kleid stellte sich unauffällig neben den trauernden Detektiven. Sie trug einen großen ebenso schwarzen Hut mit breiter Krempe, von dessen Rand ein Trauerschleier das Gesicht der jungen Dame verdeckte. „My condolences“, flüsterte die Frau, dessen langes platinblondes Haar ihr über die Schulter fiel. Shinichis Augen blitzten kurz auf, als er die Stimme neben sich erkannte, wagte es aber nicht sich zu ihr zu drehen. Stattdessen starrte er mit einem sogleich fest entschlossenen Blick weiter geradeaus und sah zu, wie die Angehörigen des ersten Polizeidezernats, einen großen Blumenkranz niederlegten. Seine Reaktion ließ schon beinahe vermuten, dass er mit ihrem Erscheinen gerechnet hatte. „Wie hast du es geschafft?“, war alles was er von sich gab. Der Hut samt Schleier wandte sich leicht in seine Richtung. Der Blick der Frau somit auf Shinichi gerichtet. Falls sie verblüfft über seine Reaktion war, so ließ sie es sich nicht im Geringsten ansehen. „Das ist eine lange Geschichte. Zu lange, um sie hier und jetzt zu erzählen, meine Silverbullet.“ Sie musterte ihn eine Weile ausgiebig. „Bist du denn gar nicht überrascht mich zu sehen?“ „Nein“, kam die schnelle Antwort. „Du hast nachgelassen. Shuichi hat mir kurz vor seinem Tod berichtet, dass du für die Einbruchsspuren in der Wohnung Kisaki verantwortlich bist. Mary hat dich dabei beobachtet und deine Verkleidung als Hauswart ziemlich schnell durchschaut. Deine Absicht Masumi und ihre Mutter heimlich zu beschatten erwies sich schlussendlich als fataler Fehler in deiner Tarnung.“ Ein schwaches Lächeln von dunkelroten Lippen blitzte unter dem Schleier hervor. „Ich verstehe. Ich hätte wohl nicht nach ihrer derzeitigen Größe urteilen dürfen.“ Nun wandte sich Shinichi doch mit seinem Blick an die -neben ihm stehende- Frau. „Was wolltest du überhaupt mit all dem bezwecken? Und was sollte diese ganze Versteckspielerei? Wir hielten dich für Tod. Ich hielt dich für Tod.“ Ihr Lächeln erkaltete. „Und vielleicht war es ganz gut, dass ihr das bisher geglaubt habt.“, entgegnete Wermut. „Ich war gezwungen für lange Zeit unterzutauchen, nachdem ich damals nur knapp mit dem Leben davon kam.“ „Erzähl mir was passiert ist?“, verlangte Shinichi von ihr. „Ich sagte doch nicht hier.“, behaarte die einstige Schauspielerin Sharon Vineyard. „Mir wurde sehr schnell klar, dass alles nur ein abgekartetes Spiel war und ich hatte euch von Anfang an versucht zu warnen, doch ihr wolltet ja nicht auf mich hören.“, gab sie sich auf einmal vorwurfsvoll, sodass Shinichi etwas beschämt den Kopf hängen ließ. „Mir ist nun klar, dass wir wohl besser auf dich gehört hätten.“, gestand er sich ein. Wermut war allerdings nicht daran interessiert eine lange Standpauke zu vergeben oder sich Entschuldigungen ihrer Person gegenüber einzuholen. Das alles kümmerte sie nur wenig. „Ich wurde, seitdem was damals in dem Komplex vorgefallen war, unaufhörlich durch meinen Widersacher gejagt, der es versäumt hat, mich endgültig zu beseitigen.“, fing Wermut an zu berichten, als sich die beiden unauffällig ein Stück von der Menge entfernt haben. „Sollten sie von seinem Patzer Wind bekommen, würde ihm das sicherlich Kopf und Kragen kosten.“ Shinichi runzelte nachdenklich die Stirn, verkniff es sich aber Wermut unterbrechen zu wollen. „Nachdem ich von der Explosion in der Detektei erfuhr, wurde mir klar, dass sie nun auch wieder Jagd auf euch machen würden. Vielleicht wollten man mich somit auch gleichzeitig aus der Defensive locken. Ist ja im Grunde auch egal. Um mich und auch euch zu schützen, tarnte ich mich als harmloser alter Hauswart. Ich versuchte euch im Verborgenen den Rücken zu decken, falls die Organisation die Absicht verfolgte erneut zuzuschlagen und selbst als du und Shiho widerwartend eure alten Körper zurückerlangt hattet, habe ich, wenn auch ungefragt das gebe ich zu, meinen Beitrag zur Vertuschung geleistet.“ Shinichi stupste einen Stein, der vor ihm auf dem Schotter ihres Weges lag, mit der Spitze seiner schwarzen und polierten Lederschuhe beiseite. „Ja ich weiß und wir sind dir wahrscheinlich zu Dank verpflichtet.“, murmelte er halblaut. „Ich habe den Brief bekommen, den du mir hast zukommen lassen.“, ergänzte er ohne Verzögerung. Wermut nickte schwach. „Eine andere Form der Kommunikation wäre bis dato zu gefährlich gewesen. Auch die Familie von Shuichi wäre in Gefahr gewesen, welche ich ebenfalls nur beschützen wollte. Das es Akai selbst erwischen würde, damit hätte ich wahrlich nicht gerechnet und das ist auch der Grund, wieso ich nun der Meinung bin, dass die Zeit der Zurückhaltung ein Ende haben muss.“ Sie legte eine Hand auf Shinichis Rücken, um ihrer folgenden Aussage Nachdruck zu verleihen. „Wir müssen nun alle gemeinsam gegen die Organisation in den Kampf ziehen.“ Der junge Detektiv vergrub, in einer Haltung der Unzufriedenheit, die Hände in den Hosentaschen. „Viele glauben du seiest von Anfang an Teil des Plan der Männer in Schwarz gewesen. Jodie und das FBI würden dir niemals Glauben schenken, da die von dir gesendeten Daten unvollständig gewesen sein mussten.“ „Ich bin nicht diejenige, die diese Daten an euch übermittelt hat.“, begegnete Wermut den Vorwürfen nüchtern. Shinichis Augen funkelten plötzlich vor Neugierde. „Die Organisation hat sich selbst bekämpft. Nach allem was ich weiß, gab es innere Unruhen und einen Umsturz. Eure Einsätze in aller Welt waren die Grundpfeiler für den wohl ausgeklügelsten Putsch aller Zeiten mit dem Ziel Anokata zu Stürzen und im geheimen eine neue Organisation aufzubauen, direkt vor unseren Augen und mit dem Wissen, dass wir glaubten, sie seien besiegt.“ Der junge Kudo hatte große Mühe damit seinen Gesichtsausdruck nicht sichtbar für alle anderen entgleisen zu lassen. „Ist das wirklich wahr?“, fragte er und wirkte nicht gänzlich überzeugt. „Shinichi!“ Er horchte auf als sein Name über ihre Lippen kam. „Ich bin nach wie vor auf eurer Seite und wir müssen einander vertrauen, wenn wir gegen das, was auf uns zukommt, bestehen wollen.“ „Wie hast du es nur geschafft, die einstürzende Basis zu verlassen?“, verlangte Shinichi, dem es kaum überraschend nach mehr Informationen dürstete, als er bisher erhalten hatte. „Das hebe ich mir wohl lieber für ein anderes Mal auf.“, erklärte Wermut und deutete dabei unauffällig auf eine sich nähernde rotblonde Frau. „Ich werde mich bald wieder bei dir melden.“, versicherte sie ihm. „Du kannst Shiho übrigens ruhig in alles einweihen und ihr von meinem Überleben erzählen. Man soll ja bekanntlich seine Freundin nicht anlügen und sie mit an Bord zu haben, sollte einiges vereinfachen.“ Shinichi nickte, allerdings verschwieg er die Tatsache, dass Shiho immer noch keinen blassen Schimmer davon hatte, dass die Organisation wieder zurückgekehrt war. Er hat es einfach nicht übers Herz gebracht, ihr sofort die Wahrheit über Shuichis Mörder zu erzählen und wollte damit noch bis nach der Beerdigung warten. Ihm wurde nun aber mehr denn je bewusst, dass es immer wichtiger wurde klar Tisch zu machen, aus wenn dies bedeutete, Shiho das letzte bisschen von einem Gefühl der Sicherheit zu nehmen, welches sie in den letzten Monaten so mühselig gewonnen hatten. Er wandte sich ein letztes Mal an Wermut, musste jedoch feststellen, dass sie bereits verschwunden war, wie vom Erdboden verschluckt. Allein wie sie sich unbemerkt der Beerdigung nähern konnte, ohne dass das FBI dies bemerkt hat, war nur ein weiteres Rätsel, welches sie ihm ungelöst zurückließ oder bewusst für sich behielt. „Was machst du hier ganz alleine?“, flüsterte eine kaum wahrnehmbare Shiho auf einmal neben ihm. Shinichi drehte sich zu seiner Freundin um. Sie sah ihn nicht direkt an, sondern starrte einfach nur geradeaus auf seine Brust, als würde sie auf eine Wand einreden. Er konnte spüren, dass sie einfach nur von hier weg wollte, dass sie nicht auch nur eine weitere Beileidsbekundung vertragen konnte. Er legte einem Arm auf ihre zerbrechlich schwach wirkende Schulter. „Komm lass uns gehen. Ich werde Jodie bitten uns und Masumi nach Hause zu fahren.“ Damit schritten sie Richtung Ausgang, ein großes geschwungenes Tor aus Stahl mit vielen blattähnlichen Verzierungen, eingelassen in eine dicke schwere Ziegelmauer, welche das Gelände des Friedhofes vom umliegenden Bezirk Tokyos abschirmte. Der kalte Wind jagte durch die großen Bäume, welche verteilt auf dem Gelände standen. Ein Windzug erfasste Shinichi, blies ihm über den Nacken, sodass er sich noch ein letztes Mal zu der Stelle umdrehte, an der er sich mit Wermut unterhalten hatte. Shiho musste zu abgelenkt gewesen sein, um ihre Präsenz während der Zeremonie zu spüren. Selbst die Konversation danach mit ihm, scheint die junge Wissenschaftlerin nicht bemerkt zu haben. Für den Bruchteil einer Sekunde war sich Shinichi unschlüssig, ob er nicht unter Wahnvorstellungen litt und versuchte sich jemanden herbeizuwünschen der gar nicht… Nein sie war da gewesen, dachte er sich, als der Wind erneut durch die Äste glitt und diese hin und her schwenken ließ. Wermut war nach wie vor verschwunden, doch spürte er den Nachhall ihrer Gegenwart. Große Fragezeichen umgaben den jungen Detektiven. Es war unklar was die Zukunft bringen würde. Einer Sache war es sich allerdings vollends bewusst. Es würde nie mehr so sein wie früher. Es war kein Wunder, dass Shiho in der folgenden Nacht keinen Schlaf fand. Wie sollte sie auch? Die Ereignisse des Tages geisterten in ihrem Verstand umher. Sie kam einfach nicht zur Ruhe, konnte nicht abschalten. Sie wälzte sich in ihrem Bett, doch egal was sie auch versuchte, ihr Körper wollte sich nicht der Müdigkeit hingeben. Erneut musste sie an Shuichi denken. Ihre Augen füllten sich unweigerlich wieder mit Tränen. Sie schob die Decke, unter der sie sich zusammengekauert hatte, zur Seite und schaltete die Wandlampe neben ihrem Bett ein. Ein schwaches gelbes Licht füllte ihr Kinderzimmer in der Villa Agasa. Shiho hat darauf bestanden diese Nacht nicht bei Shinichi zu schlafen, sondern allein. Ihr war absolut klar gewesen, dass es keine angenehme Nacht werden würde und von daher wollte sie nicht auch noch ihrem Freund den so nötigen Schlaf rauben. Außerdem empfand sie es auch als nicht verkehrt, ein wenig allein zu sein und alles für sich zu verarbeiten, so wie sie es von früher gewohnt war. Sie sah auf ihre Uhr: Es war gerade mal kurz nach Elf. Die rotblonde Frau erhob sich und tapste auf dicken Wollsocken hinaus aus ihrem Zimmer und auf den Flur. Vielleicht könnte ein warmes Glas Milch mit Honig ihr dabei helfen einzuschlafen. Im ganzen Haus war es schon stockfinster. Der Professor musste wohl auch früher zu Bett gegangen sein als üblich, doch als sie den Lichtschalter im Flur zu betätigen versuchte, um den Abstieg der Treppe besser zu sehen, geschah nichts. Shiho runzelte die Stirn und klickte das Feld unter ihren Fingern mehrmals noch unten und wieder nach oben, aber es blieb weiterhin finster. War etwa eine Sicherung herausgeflogen? Sie sah zurück in ihr Zimmer. Das Licht ihrer Bettlampe leuchtete nach wie vor. Seltsam. Zögerlich ging sie voran und klammerte sich an die Wendeltreppe, der sie vorsichtig hinunter ins Wohnzimmer folgte. Der Sicherungskasten befand sich unten im Labor. Mit einem Arm nach vorne ausgetreckt, versuchte sie die Tür zum Keller zu finden. „Aua“ Ohne zu wissen, wo sie hintrat, stieß Shiho nicht gerade sanft mit ihrem linken Fuß gegen den Sessel des Professors. Ihre Zehen gaben ihr ohne Umschweife zu verstehen, dass sie von diesem Zusammenstoß nicht erfreut waren. Ein unangenehmer Krampf machte sich in ihrer Sohle breit. Nun bereute sie es, nicht ihr Chronometer aus dem Zimmer mitgenommen zu haben, denn das hätte ihr wohl einiges erspart. Als sie ihre Fußspitze betasten wollte, fiel ihr ein bläulicher Lichtschimmer auf, welcher aus der Küche zu kommen schien. Was konnte das nur sein? Sie vergaß das Labor und den Kasten mit den Sicherungen und bewegte sich stattdessen auf das Licht zu. „Professor?“, rief zögerlich und vielleicht auch etwas zu leise, da sie keine Antwort erhielt. Eine Eiseskälte überzog ihre Haut. Als sie an der Tür ankam, unter der das helle Blau in das Dunkel des Wohnzimmers hindurchsickerte, vernahm sie ein seltsames Rascheln aus der Küche. Shiho bekam es zunehmend mit der Angst zu tun. Was war das? Sie bewegte ihre Hand mit der Absicht die Tür zu öffnen, zögerte allerdings und überlegte, ob es nicht besser sei Shinichi anzurufen. Sie überlegte noch für einige Sekunden, bis sie schließlich den Türknauf fest umklammerte. Wenn sie jetzt überreagiert, würde sie damit nur erreichen, dass Shinichi sich noch mehr Sorgen um sie machen würde als ohnehin schon. Sie ist doch kein hilfloses Kind. Hierfür gab es sicherlich eine harmlose Erklärung. Ohne weiter nachzudenken riss sie die Tür auf. Was folgte, war ein gewaltiger Schreck. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)