Welt ohne Grenzen von SoraNoRyu ================================================================================ Kapitel 42: Die dunkelste Stunde (Nyx Scientia) ----------------------------------------------- Nova ist mein Freund. Einer meiner besten Freunde. Es war nicht immer leicht – unsere Väter sind verfeindet. Wir hatten beide unsere Schwierigkeiten, in der Klasse Anschluss zu finden. Ich, weil mein Vater blind war und nicht jeder geglaubt hat, dass er trotzdem ein echter Held ist. Nova, weil sein Vater ein dummer Politiker ist, der den Menschen mehr schadet als hilft. Und, weil seine Mutter ihn als Baby verstoßen hat. Und seine Krankheit… Das hat es selbst mir schwer gemacht, ihn lieb zu haben. Aber was dahinter steckt… die Wahrheit… ist noch viel schlimmer. Ich weiß jetzt, warum Novas Mutter weggegangen ist. Weggehen musste. Warum Nova jedes Mal, wenn er krank war, ohne echte Erinnerungen zurückgekommen ist. Wie er den Kristall und den Ring berühren konnte ohne zu sterben. Und auch, wo sein Vater das Miasma für seine Magitech her hat. Klone. Hunderte identischer Klone. Jeder in seinem eigenen Kokon, alle gleich alt. Ein perfekter Ersatz. Wenn dein Hamster stirbt, bekommst du einen neuen. Hundert neue Novas, falls einer kaputt geht. Mir ist schlecht. Aber das ist nichts… Nichts gegen das, was Nova durchmacht. Nova Nummer sieben. Der arme Kerl hat sich in einer Ecke zusammengekauert und starrt apathisch auf die vielen anderen Novas, wie sie in ihren Kokons schlafen. Jederzeit bereit, infiziert oder geweckt zu werden. Neue Magitechkerne oder ein neuer Nova, je nachdem, was Rashin braucht. Die Berichte, die hier liegen, machen es sogar halbwegs verständlich… der erste Nova war ein echtes Kind. Er starb kurz nach seiner Geburt bei einem tragischen Unfall… Rashin wird nicht genauer dabei, seine Frau gibt sich selbst die Schuld dafür und will nicht damit leben. Also klont er das Kind, präsentiert seiner Frau kurz darauf Nova Nummer zwei. Die will den Ersatz nicht, schimpft ihn einen Verrückten und geht. Für die erste Zeit… war es wohl nur das. Nur ein Ersatzlager für Nova, falls er nochmal stirbt. Rashin war wohl kein guter Vater – oder Nova sehr tollpatschig – denn Unfälle, wegen denen ein Ersatz nötig war, kamen öfter vor. Nova musste jeden Abend in ein Tagebuch einsprechen, was er erlebt hat, damit auch seine Erinnerungen erhalten bleiben. Der neue Nova hat die dann abgehört – nur eine Geschichte. Deswegen konnte er sich emotional nicht mehr erinnern. Ich blicke hinüber zu Nummer Sieben, der so schnell eine Verbindung zu mir aufgebaut hat. Schneller als die vor ihm. Er ist ein wenig rebellischer als die anderen Klone, vielleicht war es das. Ich schlage seufzend den Ordner mit den Berichten zu und gehe zu meinem Freund hinüber. Crowe tätschelt ihm liebevoll die Schulter, aber Nova nimmt sie gar nicht wahr. Er lauscht nur auf die leise Stimme, die aus dem Diktiergerät kommt – die Stimme eines früheren Novas, der von seinem Tag erzählt. Ich komme darin vor, wie ich ihn darauf angesprochen habe, dass er anders ist als vorher. Das muss Nummer Drei gewesen sein… ihn hatte ich damit konfrontiert, dass er anders ist als Nummer Zwei, den ich bis dahin gekannt hatte. Bei Nummer Vier und Fünf ist es mir auch aufgefallen, aber da habe ich geschwiegen, um nicht wieder geschimpft zu werden. Fünf muss derjenige gewesen sein, der den Kristall berührt hat. Nummer Sechs habe ich nur kurz getroffen, bevor ich mit den anderen abgereist bin, ihn hat der Ring der Lucii getötet. Nummer Sieben blickt mich mit leeren Augen an. Er weint… und ich nehme ihn einfach in den Arm. Ich will etwas sagen, aber ich weiß nicht, was. Ich will ihm gern helfen, aber ich weiß nicht, wie. „Du hattest Recht“, murmelt er schließlich, „Ich wurde wirklich ausgetauscht. Ich bin nicht der Nova, mit dem du befreundet warst… ich bin überhaupt nicht Nova.“ „Aber mein Freund bist du“, widerspreche ich, „Vielleicht kennen wir uns noch nicht so lang, wie wir gedacht haben, aber wir sind trotzdem Freunde. Das spürst du doch auch, oder?“ Nova schweigt, senkt nur wieder den Kopf. Ihn so zu sehen bricht mir das Herz… Ich wusste, dass er ein anderer ist als vorher. Vielleicht fällt es mir deswegen leichter, damit umzugehen. Aber Nova hat es sicher auch gewusst; deswegen wollte er mit uns hier her kommen. Weil er gewusst hat, dass etwas grundlegend falsch läuft. Und doch… haben wir sicher beide gehofft, dass sich alles als albern herausstellt. Eine kindische Angst, wie so viele, die mir mein Vater so einfach nehmen konnte. Wie das Monster unter dem Bett oder die Schatten an der Wand. Auch, was echte Freunde sind, hat Papa versucht mir zu erklären. Er hatte Recht; wenn man echte Freunde gefunden hat, weiß man es. „Du bist echt“, murmle ich, „Vielleicht nicht der erste Nova, aber mein echter Freund. Vielleicht sogar mehr als die vorher. Deswegen sind wir ja hier. Weil wir zusammen den Mut haben, nach der Wahrheit zu suchen.“ „Wir haben wohl mehr Wahrheit gefunden, als wir vertragen“, gibt Nova kleinlaut zu. Aber er wehrt sich nicht gegen meine Hände auf seinen Schultern. Crowe umarmt ihn nochmal. „Vielleicht brauchst du einfach einen neuen Namen“, vermutet sie, „Einen eigenen Namen, nur für dich.“ „Einen… eigenen Namen?“ „Ja, natürlich. Wir können dich ja nicht Nova Nummer Sieben nennen.“ „Nummer Sieben, was?“, murmelt Nova leise. „Klingt irgendwie traurig, oder?“, meint Crowe. „Ziemlich traurig“, stimme ich zu. „Sieben… Septem… Nein, ich komme auf nichts.“ „Vielleicht denkst du in die falsche Richtung? Du bist schließlich keine Nummer, sondern ein Mensch“, überlege ich, „Du bist klug, mutig und rebellisch. Du bist der, der die Wahrheit sucht. Und durchhält, auch wenn es schwer fällt. Ein richtiger Held.“ „Wie Luneth?“ „Zum Beispiel.“ „Als wir hier rein gegangen sind, haben wir die Namen der Zwiebelritter angenommen. Als ob es ein Spiel wäre, hier die Wahrheit zu finden. Aber es ist kein Spiel… es ist Ernst, und Böse, und grausam. Aber… das war die Dunkelheit auch. Im Anime und im echten Leben. Also… geht es vielleicht, wenn ihr mich wirklich Luneth nennt.“ „Luneth klingt gut. Hell wie der Mond und tapfer genug, sich der Dunkelheit zu stellen. Egal, ob sie aussieht wie eine fiese Hexe, oder… oder wie das hier.“ Ich weise auf die Kokons um uns herum und die vielen Novas, die da drin schlafen. Ersatz für ein totes Baby… Puppen für einen Vater, der mit echten Kindern nicht umgehen sollte. „Dann bist du jetzt wirklich Luneth!“, jubelt Crowe und umarmt Luneth herzlich. „Bin ich. Danke, Crowe. Du bist süß.“ Crowe lächelt erfreut, für ein Mädchen in dem Alter ist ‚süß‘ wohl ein Kompliment. „Gehen wir weiter oder willst du noch was lesen, Nyx?“ „Nein, ich hab alles durch“, versichere ich. „Mehr will ich gar nicht lesen.“ Wirklich nicht. Erst recht nicht den Teil, in dem Rashin einzelne Novas infiziert hat, um sie zu Miasma und damit Treibstoff zu machen. Ich bin kein Psychologe, aber die Nummer mit dem von Trauer gebeutelten Vater nehme ich dem Psycho nicht mehr ab. Es gibt keine Entschuldigung für das, was er hier tut. Ihm geht es nur noch um Macht. „Dann gehen wir“, beschließt Luneth, „Wir finden den Ring und dann sagen wir den Menschen, wer der echte König von Lucis ist.“ Er steht auf, wischt sich die letzten Tränen ab und wendet sich zur Tür. Wir treten zurück auf den dunklen Gang, bereit für die nächste Begegnung mit Siechern. Aber es kommen keine, diesmal haben wir Glück und kommen zügig in dem Raum an den Nova… Luneth gesucht hat. Ein großer, runder Raum mit einer domförmigen Kuppel, die die schweren Generatoren über uns stützt. Generatoren die, wie wir jetzt wissen, den Strom schon lange nicht mehr aus Erdwärme machen, sondern aus dem Blut des Planeten. Dunkelheit in ihrer reinsten Form, wie es sie schon lange nicht mehr geben sollte. Aber die Menschen finden immer einen Weg, das Böse zurückzubringen. Der Ring der Lucii liegt in einer kleinen Vitrine in der Mitte des Raumes. Eigentlich könnten wir ihn einfach nehmen, dummerweise sind wir nicht mehr allein. Rashin ist hier und er sieht aus, als hätte er uns schon erwartet. Ich lege mir gerade die Worte zurecht, mit denen ich mich herausreden werde, da fällt mir im schwachen Licht unserer Taschenlampen etwas Beunruhigendes auf. Dunkelheit… Rashin ist dabei, sich in einen Siecher zu verwandeln. Einen großen Siecher. Aus dem wenigen, was an seiner Sprache noch verständlich ist, höre ich Wörter wie „König“ und „Unsterblich“ oder „Herrscher der Welt“, aber es ist fast nichts Menschliches mehr in dem Mann. Wir können beinahe zusehen wie er wächst. Riesengroß, bis er fast an die Decke reicht und seine Form mehr der eines gehörnten Affen oder einer Eidechse ähnelt. Sogar ein zweiter Satz Arme ist ihm gewachsen. Ich weiche unbewusst zurück, aber die Tür zum Gang hat sich geschlossen. Während ich mich zitternd an die Wand drücke und den Siecher entsetzt anstarre tritt Crowe mutig nach vorne und zieht ihr Schwert. „Pump dich wieder ab“, bellt sie, und ihre dünne Stimme hallt in der ganzen Kuppel wieder, „Ich bin Crowe Amicitia, der Schild des Wahren Königs, und ich habe keine Angst vor dir!“ Rashin lacht, ein widernatürlicher Klang, der die Wände erzittern lässt. Ich weiß ohne lange nachzudenken dass das ein Gegner ist, gegen den wir Kinder keine Chance haben. Aber weglaufen können wir auch nicht. Crowe hat Recht; Angst hat keinen Platz mehr. Es ist sinnlos – wir können sterben, oder wir können kämpfen und dann sterben. Ich entscheide mich für die Variante, bei der mehr Zeit für ein Wunder übrig bleibt und mein Herzschlag normalisiert sich fast sofort. Keine Angst mehr, nur stille Gewissheit. Ich lade meinen Revolver durch und fokussiere meine Magie. Rashin ist jetzt ein Siecher. Eine Sternhülle wird ihn für eine gewisse Zeit schwächen, lenkt aber seine Aufmerksamkeit auf mich. Allerdings könnte Luneth die Schwäche für einen starken Zauber nutzen, eventuell den Ars Quintae Zauber, den ich vorhin synthetisiert habe. Ich stoße einen leisen Pfiff aus und wir drei gehen hinter einer Säule in Deckung, damit ich meine Strategie mit den anderen besprechen kann. „Wir haben keine Chance gegen ihn“, gebe ich zu, „Aber wir geben auch nicht auf. Vielleicht können wir ihn etwas schwächen, oder zumindest lange genug aushalten, bis Hilfe kommt.“ Motiviert springen wir wieder heraus und ich feuere die Sternhülle ab. Gleißendes Licht erfüllt den Raum, schnell gefolgt von dem der fünf Explosionen von Luneths Zauber. Rashin brüllt und schleudert eine dunkle Magiekugel auf uns zu, der wir nur knapp ausweichen können. Ich feuere ein Magazin voll Kugeln ab und gehe hinter Crowe in Deckung, die in einem der vorherigen Räume einen leichten Schild gefunden hat. Etwas zu groß für ein Kind, aber Crowe ist stark genug, wenn sie ihn mit beiden Händen fasst. Es wird nicht viel nützen, aber hinter ihr fühle ich mich ein bisschen sicherer. Luneth schleudert einen weiteren Zauber auf Rashin, aber es scheint kaum einen Effekt zu haben. Ganz anders als der Gegenangriff des Siechers – Luneth kann nur ganz knapp ausweichen und selbst der letzte Rest des Windschattens um den Angriff ist noch mächtig genug, den armen Kerl zu Boden zu werfen, wo er zitternd liegen bleibt. Wir eilen zu ihm und ich helfe ihm hoch. „Er greift wieder an!“, warnt Crowe, aber wir sind zu langsam zum Wegrennen und ihr Schild ist zu klein um den Feuerball zu blocken. Instinktiv greife ich nach dem Talisman in meiner Tasche und schließe die Augen. Es gibt ein Pfeifen wie von einem Murmeltier und auf einmal ist alles leise um uns. Als ich die Augen wieder öffne sehe ich erst mal nur ein grünes Licht, das sich wie ein Schleier über uns drei gelegt hat. Vor Crowe sitzt ein kleines Tier, etwa so groß wie ein Kaninchen, mit einem großen roten Edelstein auf der Stirn und riesigen Ohren, das uns freundlich anblickt. Es zwinkert uns mit seinen schwarzen Knopfaugen zu und verschwindet durch ein schwarzes Loch im Boden, das vorher noch nicht da war. Sein Schutzschild bleibt bestehen, und dafür bin ich dankbar. Rashin schlägt wütend mit seinen vier Vorderläufen gegen den Schild, aber seine Krallen gleiten einfach an dem grünen Licht ab. Auch seine Feuerbälle sind machtlos gegen den magischen Schild. Wir sehen mit offenen Mündern zu, wie der Siecher sich die Zähne ausbeißt, da fällt mir auf, wie ein zweites schwarzes Loch neben der Vitrine auftaucht. Karfunkel klettert heraus, fasst den Ring der Lucii in seinem kleinen Mäulchen und verschwindet wieder in seinem Loch. Nur einen Herzschlag später taucht es unter dem Schild wieder auf und beide Löcher verschwinden. Den Ring legt es mir in die Hand. Ich zittere in Erinnerung an das letzte Mal, dass ich den Ring angefasst habe. Aber diesmal ist es vielleicht unsere beste Chance. Ich habe schon die Schwerter der alten Könige, nun liegt auch ihre Zauberkraft in meinen Händen. Es ist schwer, den Ring anzuziehen – alles in mir wehrt sich gegen die Bewegung. Aber letztendlich besiege ich die Angst. Diesmal zieht der Ring mich nicht in die seltsame Geisterwelt, dafür spüre ich die Macht der Könige als mehr als nur Stimmen – nur rohe Magie. Und sie ist gewaltig, viel größer als alles, was ich je aus meiner Umwelt gezogen habe, und ganz anders, viel roher und älter, von ganz anderer Struktur als die zahme Magie, die wir in Flakons füllen, damit sie jeder benutzen kann. Das hier… das ist echte, wilde Magie, gereift über Generationen von Männern und Frauen, die ihr Leben dem Schutz unseres Kontinents, nein, der ganzen Welt verschrieben haben. Lucis Caelum… von der ersten Generation an wieder und wieder von Schmerz und schwerem Schicksal gebeutelt. Ich spüre ihr Leid, aber auch den unbeugsamen Willen, dem Schicksal die Stirn zu bieten. Ein Wille, der nun auch mir den Mut gibt zu tun, was möglich ist und eine Weisheit, die mein Alter bei weitem übersteigt. Trotzdem ist mir bewusst, dass unser Kampf aussichtslos ist, selbst mit all der geborgten Kraft sind wir nur drei Kinder, die dem sicheren Tod ins Auge blicken. Karfunkel verschwindet mitsamt seinem Schild und ich hebe die Hand, um mit der Macht des Rings einen neuen aufzubauen. Einen kleinen Wall nur für uns… er zehrt an meiner Kraft, lange werden wir auch damit nicht haben. Vielleicht halte ich ein paar Minuten durch. Rashin holt zum nächsten Angriff aus und sein Feuerball trifft mich so hart, dass ich ihn nur mit Mühe abwehren kann. Der winzige Wall zittert und bricht und ich sinke geschlagen auf die Knie, brauche alle Kraft, wieder zu Atem zu kommen. Rashin holt erneut tief Luft für den nächsten Angriff und Crowe baut sich mit ihrem Schild vor mir auf, entschlossen, mich zu schützen oder bei dem Versuch zu sterben. Luneth nimmt mich bei den Armen und hilft mir hoch, aber wie ich kann er nur ängstlich die Augen schließen, als der riesige Feuerball auf uns zu schießt. Es gibt ein gewaltiges Donnern, als der Angriff den Schild trifft, aber wir sind nicht tot. Als ich die Augen öffne steht Crowe immer noch vor mir, unverletzt, Schild lose in der Hand. Aber es war nicht sie, die den Angriff geblockt hat – es war ihr Vater. Riesengroß, die Uniformjacke über seinen breiten Schultern steht er da, den linken Arm locker in der offenen Jacke, den rechten im Ärmel mit der Hand an einem mannshohen Schild aus schwerem Stahl. Seine wilde Mähne ist wieder etwas grauer als bei unserer letzten Begegnung, aber sein Stand ist fest und Rashin taumelt getroffen zurück. Ich verspüre plötzlich einen ungeheuren Respekt für den Mann… und für den ungeheuren Vorsprung an Erfahrung und Kraft, den die Erwachsenen tatsächlich haben. „Bei euch noch alles dran?“, fragt der Mann und blickt über seine Schulter zu uns herab. Ich kann nur nicken, sehe Crowes Vater zum ersten Mal so, wie es viele andere schon seit Jahren tun; als Hauptmann der Königsgarde, Schild des erwählten Königs und Retter der Welt. Kein peinlicher Vater, sondern ein Mann, dem Respekt gebührt, weil er ihn sich verdient hat. Rashin setzt zu einem neuen Angriff an, mit den Klauen diesmal. Wir Kinder weichen erschrocken zurück, aber Hauptmann Amicitia zuckt nicht mal, bleibt einfach entspannt stehen. Und er kann es sich leisten, den Schild unten zu lassen, denn Rashins Angriff reicht nicht bis zu uns – ein Zauber explodiert in seiner Seite. Ars Quintae, wie der den ich Luneth gegeben habe, aber anstatt schwach an dem Siecher zu verpuffen reißt ihm diese Serie magischer Explosionen glatt einen seiner vier Arme ab. Ich suche nach der Quelle des Zaubers und meine Augen weiten sich vor Freude. „Papa!“ Mein Vater kniet auf der Vitrine, in der bis vor ein paar Minuten der Ring der Lucii gelegen hat. In seiner Rechten hält er noch immer den Magieflakon, aus dem er den Zauber geworfen hat – es ist keiner von meinen. König Noctis muss ihn gefüllt haben, und sein Zauber ist weit mächtiger als alles, was ich mit meiner geringen Erfahrung je herstellen könnte. Und bei allem Naturtalent, das Luneth hat, mein Vater kann dem Zauber noch weit mehr Kraft mitgeben. Weil er es schon seit Jahren tut und gelernt hat, wie er sein eigenes Talent dafür nutzen kann. Unsere Erfahrung beschränkt sich beinahe auf das, was wir in der Schule gelernt haben und das Bisschen, was Iris mir und Crowe beigebracht hat. Ich bin froh, dass unsere Väter jetzt da sind. Erleichtert, dass ich mich wieder im Hintergrund verstecken kann, während die Erwachsenen kämpfen. Die können das besser als wir. Und tatsächlich… so groß und böse wie Rashin uns als Siecher erschienen ist, unseren Vätern macht er kein bisschen Angst. Ich habe Papa immer nur als einen Mann gesehen, der im Haus bleibt, als jemand der kocht, putzt und aufräumt oder gute Ratschläge gibt. Ich wusste, dass er ein Held war. Aber ich habe ihn nie kämpfen gesehen. Nie so wie jetzt. Papa ist so cool! Prompto hat das oft behauptet, aber richtig vorstellen konnte ich es mir nie, selbst, wenn er mir Fotos gezeigt hat. Fotos sind nur ein Moment… das hier ist die Realität. Und in echt ist Papa noch viel cooler als auf den Bildern in Promptos Album. Viel, viel cooler als ich es mir je hätte vorstellen können. Er setzt dem Siecher mit Dolchen, Lanzen und Zaubern zu, wechselt so schnell zwischen den Waffen, dass meine Augen kaum folgen können und bewegt sich dabei so schnell dass ich fast denken muss, er warpt sich, statt zu springen. Rashin kommt kaum hinterher, aber wenn er dennoch einen Angriff versucht, wirft Vater ihn einfach zurück. Crowes Papa kämpft nicht aktiv mit, er steht einfach still vor uns und hebt seinen Schild hoch, wann immer ein Querschläger in unsere Richtung schießt. Er wirkt beinahe entspannt, aber das kann er auch sein. Papa ist Rashin auch alleine gewachsen. Es dauert nicht lange, da versiegt der letzte Rest Miasma im Boden und Papa springt an unsere Seite. Er wirkt erschöpft, verschwitzt und müde, aber auch erleichtert und stolz. „Hier alles in Ordnung?“, fragt er ruhig und fasst dabei vor allem mich ins Auge. Ich will fast mit ‚gut‘ antworten, aber ich weiß, dass ich Papa nicht anlügen soll. Er würde es eh merken. Er hat es immer gemerkt. „Wir sind unverletzt“, sage ich stattdessen, „Aber wir haben Dinge erfahren, die… sehr weh getan haben. Vor allem meinem Freund. Wir nennen ihn jetzt Luneth, nicht Nova. Du wirst verstehen warum, wenn ich dir etwas zeige.“ Ich nehme Papa bei der Hand und führe ihn zurück auf dem Weg, durch den wir gekommen sind. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)