Welt ohne Grenzen von SoraNoRyu ================================================================================ Kapitel 23: Königsgräber (Iris Amicitia) ---------------------------------------- Die Luft ist kühl hier draußen. Die Kälte der Nacht hängt noch in den Felsen, während am Horizont langsam die Sonne aufgeht. Gerade noch habe ich mit Noctis hinter dem Motel gestanden, und jetzt sitze ich hier bei offenem Fenster im Beifahrersitz des Star of Lucis und versuche zu begreifen, was gerade passiert ist. Ich kann immer noch nicht fassen, dass Noct mich einfach so beiseite genommen hat. Und was er mir gesagt hat war sogar noch unglaublicher. Nyx, der neue König von Lucis? Noch weiß der Kleine selbst nichts davon. Ich soll ihn nicht belügen, aber sagen muss ich es ihm nicht, wenn er nicht fragt. Nur Talcott werde ich wohl einweihen müssen und dürfen. Fürs Erste sollen wir nur mit den Kindern zu den Königsgräbern laufen, während alle von Noct und Luna abgelenkt sind. „Eigentlich wollte ich ihn noch eine Weile nur Kind sein lassen“, hatte Noct gesagt, „Aber jetzt ist vielleicht die beste Zeit… unter dem Wall ist es sicher, es gibt keine Siecher und weniger Monster. Jetzt kann er ohne große Gefahr zu den Gräbern der alten Könige gehen und deren Waffen entgegennehmen. Später hat er vielleicht nicht mehr die Gelegenheit, bevor er sie braucht.“ Gut hat er ausgesehen, so im Halbdunklen hinter dem Motel. Über meine kindische Verliebtheit bin ich weg, die Jahre ohne Noct waren heilsam in der Hinsicht. Dachte ich. Aber wie er da so im Mondschein an der Hauswand gelehnt hat, ganz leger und menschlich… da kann eine Frau doch mal ein bisschen träumen, oder? Luna hat unglaubliches Glück. Ich kann nicht leugnen, dass ich ein wenig neidisch bin. Dabei wusste ich schon seit meiner frühsten Kindheit, dass meine Liebe für Noct ewig unerfüllt bleiben würde. „Hoffentlich finden wir in den Königsgräbern auch, was wir suchen“, murmle ich leise ins Lenkrad. „Und hoffentlich treffen wir nicht zu viele Monster.“ Die Kinder waren von vorne herein viel zu begeistert von dieser Reise. Wenn sie jetzt noch erfahren, dass wir nur zu viert in dreizehn gefährliche Dungeons vordringen werden, während Noct seine langweilige Rede in jedem Ort wiederholt… ich blicke auf den rostigen Schlüssel, den Noct mir gegeben hat. Als er damals die Königswaffen gesucht hat, waren die Tunnel voller Siecher… das zumindest ist heute nicht so. Sicher will er deshalb, dass Nyx sich die Waffen jetzt holt. Es ist weniger gefährlich, ein Kind in Tunnel ohne Siecher zu schicken, als einen Jugendlichen in welche mit. Zumal Talcott und ich ja dabei sind. Talcott, Buttler unserer Familie, aber auch ein verdienter Jäger mit einer Ausbildung, die der eines Königsgarden gleichkommt. Ich, die älteste Tochter der Amicitias, der Schild des neuen Königs. Noch gibt es keine offizielle Zeremonie und kein Tattoo für mich, aber das wird nachgeholt, sowie sich die Gelegenheit bietet. In Lestallum vielleicht. Aber das ist noch nicht wichtig. Erstmal geht es nur darum, still und leise die Waffen der alten lucischen Könige zu sammeln. Dreizehn an der Zahl… das vierzehnte, Nocts, werden wir zum Glück nicht lange suchen müssen. Ob ich der Aufgabe gewachsen sein werde? Ich bin stark, sicher. Stärker als die meisten es mir zutrauen, zumal ich als Frau mich meist dazu drängen lasse, eher heilende als kämpfende Tätigkeiten auszuführen. Aber ich bin eine Amicitia, ich kann kämpfen. Wer weiß, vielleicht kann Cidney mir ja anständige Kampfhandschuhe basteln? Welche mit Metallbeschlägen wären schön. Vielleicht besorge ich mir auch richtige Schlagringe? Dazu schwere Stiefel und meine treue Mogrypuppe. Aber was mache ich mir auch vor, die Monster sind es nicht, was mir Sorgen bereitet. Mit denen werde ich locker fertig. Nein, es ist nur meine kleine Nichte, die mir Sorgen macht. Sie ist… mutig. Etwas zu mutig für eine Sechsjährige, die das Wort ‚Gefahr‘ nur aus dem Fernsehen kennt. „Aber wenn wir ganz kleine Monster treffen, darf ich gegen sie kämpfen, ja?“, hatte sie begeistert gefragt, als wir Lucis verlassen haben. Sie hat für das Abenteuer extra einen echten, kleinen Dolch bekommen, den sie wie ein Schwert führen kann. Gladdi hat ihr die notwendigen Vorsichtsmaßnahmen beigebracht, trotzdem fühle ich mich nicht wohl dabei, meine kleine Nichte so munter mit der scharfen Waffe fuchteln zu sehen. Schlimmer noch: Nyx trägt eine echte Handfeuerwaffe. Keine Luftdruckpistole, sondern eine mit echten Kugeln, die Monster und Menschen töten kann. Klein und leicht, eher für die Handtasche der feinen Dame zu Hofe, aber doch mehr als tödlich. Hoffentlich hat ihm Prompto nebst Schießen auch das Sichern der Waffe beigebracht… ich mag Prompto, wirklich, er ist ein netter Kerl und Gladdis Freund, aber doch manchmal etwas zu unbesonnen. Um nicht zu sagen verplant. Ich weiß, dass er Nyx schon als ganz kleines Kind mit zum Schießstand genommen und dem Kleinen einiges beigebracht hat, was er eigentlich nur für den Jahrmarkt hätte brauchen sollen. Und das Kind ist vernünftig und besonnen genug, sicher mit einer Waffe umzugehen. Anders als Crowe. Trotzdem… auch Nyx ist erst acht. Letztendlich musste ich Crowe versprechen, dass wir, sollten wir ein wirklich ganz kleines Monster finden, dieses für sie einfangen würden, damit sie und Nyx das Kämpfen üben können. Crowe war ganz begeistert und wird mich sicher an das Versprechen erinnern, Nyx dagegen war still. Er ist generell nachdenklicher als sonst in letzter Zeit. Ich frage mich, ob er schon etwas ahnt. Wundern würde es mich nicht, der Junge ist so klug wie sein Vater und versteht oft schon erheblich mehr, als je gesagt wurde. Gruselig, aber für einen König sicher nicht schlecht. Zumindest wird er sich nicht leicht hereinlegen lassen. Inzwischen steht die Sonne so hoch, dass das Licht mich durch die Fenster des Autos blendet. Die Kühle der Nacht verschwindet, und langsam kriechen die Männer und Frauen unserer Truppe aus ihren Zelten und Wohnwägen. Ich stecke den rostigen Schlüssel in meine Tasche und steige aus dem Auto. Zeit, Talcott in unsere Mission einzuweihen. Vielleicht kann er mir helfen einen Plan zu schmieden, wie wir die Kinder von der Gefahr fernhalten und sie trotzdem bis zu den Königsgräbern bringen können, ohne Verdacht zu erregen. Ich kann wissendes Getuschel hören, als ich an Talcotts Tür klopfe. Warum nur denken alle, wir wären zusammen? Sicher, Talcott ist nett und ein gutaussehender Typ, aber… er ist auch deutlich jünger als ich und mir nur als Buttler verpflichtet. Eine solche Beziehung hätte auch nicht mehr Chancen als meine Liebe für Noctis, und Gladdi würde das sicher niemals gutheißen. Gut, ganz unattraktiv ist der Mann nicht und mit seinen inzwischen siebenundzwanzig Jahren auch nicht mehr ganz unreif, aber deswegen bin ich ja nicht gleich in ihn verliebt. Auch wenn ich zugeben muss dass mir gefällt, wie sein durchtrainierter Oberkörper aussieht, wenn hinter ihm die aufgehende Sonne durchs Fenster scheint. Erst recht natürlich in Bewegung, während er Crowe durchs Motelzimmer jagt, weil die Kleine sich nicht anziehen lassen will. Lachend versperre ich dem Mädchen den Weg und hebe es einfach hoch, um die Jagd zu beenden. „Na hör mal, Crowe, eine feine Dame rennt doch nicht ohne Unterhose herum!“, mahne ich, während Talcott, ganz außer Atem, mir das fehlende Kleidungsstück reicht. „Aber die ist Rosa!“, beschwert sich Crowe empört, „Und ich bin keine feine Dame, ich bin ein Krieger!“ Talcott seufzt tief, faltet die Unterhose zusammen und durchsucht Crowes Reisetasche nach einer in einer kriegerhafteren Farbe. Ich kann ihn etwas grummeln hören was wie „Rosa, Rot, Fuchsia… ist doch alles das selbe“ klingt. Crowe streckt seinem breiten Rücken die Zunge heraus. Schlussendlich lässt sich ein zufriedenstellend nicht-rosa Höschen finden und Crowe fängt einen Streit über die Oberbekleidung an, die der arme Talcott ihr ausgesucht hat. Ich bin kurz davor die Göre zu fragen, warum sie sich nicht einfach selbst anzieht, aber die Diskussion hatten wir schon: Wozu haben wir denn einen Buttler, reiche Leute ziehen sich nicht selber an. Ich seufze tief und schubse Nyx aus dem Bett, der sich noch einmal die Decke über den Kopf gezogen hat. Im Gegensatz zu seiner kleinen Freundin hat er kein Problem damit, sich selbst einzukleiden. Eilig nimmt er die Kleidung, die Talcott ihm zurechtgelegt hat, und verschwindet damit im Bad, aus dem er keine zehn Minuten später voll bekleidet heraus kommt – geduscht und frisiert, als müsste er beweisen, was er alles schon alleine kann. Crowe diskutiert derweil noch darüber, warum sie denn unbedingt zwei gleichfarbige Socken anziehen muss. Unsere Mission ist sowas von zum Scheitern verurteilt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)