Forced Fortune von Elnaro ================================================================================ Kapitel 9: Kapier es endlich! ----------------------------- Wenn ich von den Zeiten einmal absah, in denen sich Alex vollkommen in sich zurückzog, oder anders gesagt, sich wie ein absoluter Arsch verhielt, lief unsere Freundschaft super. Er hatte Filme als DIE große Bildungslücke bei mir ausgemacht, welche er meinte, unbedingt beheben zu müssen. In der Adventszeit klopfte Alex nachmittags oft an meine Tür und wir schauten uns dann irgendwelche Blockbuster auf Amazon Prime an. Ich hatte mir dafür extra einen Studenten Account besorgt. „Pulp Fiction“, „Doom“ und „Stirb Langsam“ waren die ersten drei Filme, die wir sahen. Danach beäugte er mich erwartungsvoll und fragte, welchen ich am liebsten mochte. Er schien einen klaren Favoriten zu haben, den er mir aber nicht verraten wollte. Wie gern ich ihm meine Antwort auch auf den Leib schneidern wollte, ließ er nichts durchsickern. Für ihn war das ein Zeichen, einfach weiterzumachen, bis mich ein Film so richtig vom Hocker reißen würde, eine schöne Idee, die mir entgegenkam. An den Weihnachtsfeiertagen fuhr ich dann nach Hause, doch da meine Eltern bereits ab dem 27. Dezember wieder arbeiten gingen, verbrachte ich den Rest der vorlesungsfreien Zeit damit, einen Beleg für Rovas Modul „Recht I“ zu erarbeiten und mich auf die Prüfungen vorzubereiten, obwohl diese erst Ende Januar anstanden. Sebastian war zu Hause in Linz und sogar das Studentenwohnheim glich einem Geisterhaus, so ruhig war es. Nachdem wir vor Weihnachten schon viel Zeit miteinander verbracht hatten, rechnete ich natürlich damit, dass Alex auch am Nachmittag des 31. bei mir klopfen würde, um gemeinsam mit mir Silvester zu feiern. Meine Konstitution war nicht gerade die Beste, hatte doch in der Nacht zuvor meine verspätete Regelblutung eingesetzt, die mir krampfartige Schmerzen bereitete. Verkriechen wollte ich mich trotzdem nicht. Ich warf einfach eine Schmerztablette ein und wartete auf ihn, doch Alex erschien nicht. Das war bis zu diesem Zeitpunkt noch nie passiert. Zuverlässigkeit war immerhin eine seiner größten Stärken. Ich beschloss, den Spieß umzudrehen und bei ihm zu Klopfen. Nur einen Spalt breit öffnete er mir die Tür. Er hatte wohl nicht damit gerechnet, dass ich den Mumm hatte, ihn zu besuchen, denn er war weder gekämmt noch ordentlich angezogen. Halbnackt, nur mit einer Jogginghose bekleidet, stand er da und ein eisiger Wind wehte mir aus seinem Zimmer entgegen. Ich hatte diesen Raum noch nie gesehen und versuchte vergeblich an diesem ungezogenen Kerl vorbeizuschauen. Ein wenig lag das aber auch daran, dass sein Körper meinen Blick ablenkte, denn er war deutlich besser gebaut, als ich vermutet hatte und mit offenen Haaren sah ich Alex auch zum ersten Mal. Das schwarze Perlenarmband, das er stets an seinem linken Handgelenk trug, rundete seine Erscheinung erstaunlich gut ab... „Sorry Lyz, aber ich fühle mich nicht so gut. Wir lassen es heute ausfallen“, stöhnte er mir monoton entgegen, als wolle er mich am liebsten sofort wieder loswerden. Das passte mir so gar nicht, hatte ich doch extra für ihn eine Tablette genommen. „Ich glaub, ich höre schlecht! Heute ist Silvester. Da will ich nicht wegen dir alleine rumsitzen!“ Er seufzte, als sei er vollkommen überfordert mit mir. Es musste sich um einen dieser Tage handeln, an denen er sich veränderte. Das war die Gelegenheit, herauszufinden, warum er sich so launisch verhielt. „Bittest du mich nun endlich mal rein, oder kommst du mit rüber?“ Ohne ein Wort zu sagen, ging er in sein Zimmer hinein. Er ließ die Tür offenstehen, was wohl hieß, ich dürfe eintreten. Neugierig sah ich mich um und wunderte mich nicht, warum er immer mich besuchte. Er hatte die vorgefertigte Möblierung aus Pressspan nicht das kleinste bisschen personalisiert. Kein „Metallica“ Poster oder ähnliches war hier zu finden. Da lagen nur ein paar Klamotten auf dem Boden und das dunkelgrau bezogene Bett war unordentlich. Alex bemerkte, dass ich fröstelte, schloss das Fenster und lehnte sich dann an den Schreibtisch, der davor stand. Gegen sein Zimmer war der Hausflur noch die reinste Sauna gewesen, so eisig war es bei ihm und doch trug Alexander nicht einmal ein Oberteil. Er verhielt sich wirklich seltsam. Da dieser Raum genauso aufgebaut war wie meiner, setzte ich mich auf sein ungemachtes Bett. Das hatte er auch bei mir getan und konnte er gern als Retourkutsche verstehen. Alex schwieg, beobachtete mich unzufrieden und legte dann eine Hand vor seinen Mund. „Wollen wir was gucken? Oder magst du mir erzählen, was mit dir los ist?“, fragte ich absichtlich aufgesetzt fröhlich. „Wie erträgst du dich eigentlich selbst?“, warf er mir hart als Gegenfrage entgegen, ohne die Hand aus dem Gesicht zu nehmen. Für den normalen Alex wäre das völlig üblicher Sarkasmus gewesen, doch dieser hier meinte es ernst. Er wendete den Blick von mir ab und fuhr emotionslos fort: „Deine falsche Fröhlichkeit macht mich krank und jetzt musst du dich mir auch noch so aufdrängen wie ein streunendes Tier, bei dem man den Fehler gemacht hat, es einmal zu Füttern.“ Das war gemein und mehr als ich ertragen konnte. „Dann sag doch einfach mal, was los ist! Hast du deine Tage, oder sowas?“ „Tss, ne, aber du“, schnaubte er karg, leicht nach vorn gebeugt und nun wieder zu mir schauend, mit einem starren eigenartigen Blick, den ich bei ihm noch nie gesehen hatte. Seine Hand beließ er noch immer vor dem Mund und ich bildete mir ein, dass sie begann zu zittern. Wie konnte er von meiner Regelblutung wissen? Zögerlich sprach ich diese Frage aus, doch er reagierte gar nicht darauf, sondern starrte mich einfach nur weiter an. Das wurde mir langsam unheimlich. „Irgendwas stimmt doch nicht mir dir. Ich erkenne dich ja gar nicht wieder.“ „Heute ist Vollmond, Prinzesschen und dann blutest du auch noch mein Zimmer voll. Hast du auch nur den leisesten Schimmer, wie scheiße es mir deshalb geht?“, schnauzte er mich an, doch ich verstand nicht, was er damit sagen wollte. Ich schüttelte den Kopf und überlegte, ob seine schlechte Laune mit diesen Ereignissen zusammengefallen sein konnte. Er ging zu seiner Tasche, wühlte kurz darin herum und nahm sein Handy heraus. Nachdem er mit zitternden Händen eine kurze Nachricht getippt hatte, legte er es wieder zurück, erhob sich und machte da weiter, wo er zuvor aufgehört hatte. „Ich sag dir jetzt mal was. Ich habe keine Lust mehr, Rovas Clown zu spielen. Weißt du eigentlich, was für ein altkluger Rotzbengel er ist? Vor kleinen Mädchen wie dir lässt er den großen Macker raushängen, aber hinter den Kulissen, hah! Unsicher wie ein Kind, aber will der Spross des Grafen sein?“ „Verhält er sich anders, wenn ich weg bin? Warte, er ist der Sohn eines Grafen? Alex, warum erzählst du mir das alles so plötzlich?“ Er entschied sich zwar dafür, Fragen zu beantworten, aber nicht unbedingt jene, die ich gerade gestellt hatte. „Ich kapier das nicht. Du musst das doch merken. Merken, dass wir vom SOLV anders sind. Du willst wissen, was für eine Organisation wir sind? Unser früherer Name lautete 'Society Of Loyal Vampires' oder besser gesagt, die Loyale Vampirgesellschaft und du bist Rovas Braut, im Grunde also schon ein Teil von uns und weißt es nicht mal. Das gibt‘s doch nicht. Ich hab genug von diesem hirnrissigen Schauspiel.“ „Vampire…?“, wiederholte ich ungläubig mit dünner Stimme. Was erzählte er da für Märchen? Oder hatte ich doch richtig gelegen mit meiner Vermutung darüber, dass der SOLV eine Sekte war, vielleicht so eine Art Vampir-Rollenspiel-Sekte mit Rova als Vampirguru in ihrer Mitte? Ich stellte sie mir nun wie eine Mischung aus einem LARP und Okkultisten vor. Ich hatte keine Zeit mehr, weiter darüber nachzudenken, denn in diesem Moment schloss Rova die Zimmertür auf und knallte sie schwungvoll hinter sich zurück ins Schloss. Der von der Tür verursachte Windzug ließ dabei seinen dunkelblauen Mantel wehen. Geschockt krallte ich meine Finger instinktiv in Alexanders Bettlaken. Diese ganze Situation überforderte mich so langsam. Was ging hier eigentlich ab? Am besten war, ich verhielt mich so unauffällig wie möglich, denn zwischen den beiden Männern zog eine gewaltige Gewitterfront auf. „Wieviel hast du ihr erzählt?“, fragte Rova schroff an Alex gerichtet. Zur Antwort strich sich dieser durchs wilde, schwarze Haar und lachte: „nur, dass du ein altkluger Vampiradelsspross bist“, was Rova dazu brachte, schief zu grinsen. „Bei Vollmond wirst du ja ganz schön zynisch. Das musst du dir unbedingt abgewöhnen.“ Er drehte sich zu meiner verängstigten Gestalt, sah wehleidig zu mir herab und hauchte in einer ganz anderen, warmen Tonlage: „Oh Lyz, ich hatte mir so gewünscht, dir alles selbst zu erzählen, aber du hast nie gefragt. Das habe ich immer sehr bedauert. Heute wird es schwierig für dich mit uns beiden, wenn ich deinen Zustand bedenke. Weißt du, meine Rose, es gibt keinen schlechteren Zeitpunkt zwei Vampiren zu begegnen, als an Vollmond und wenn du einen derart delikaten Blutgeruch absonderst.“ Kalter Schweiß stand mir auf der Stirn. Woher konnte auch Rova davon wissen? Das war mir wirklich unangenehm, obwohl ich mich doch eigentlich nicht für meine Weiblichkeit schämen müsste. Ganz davon abgesehen, dass es aus irgendeinem Grund offensichtlich zu sein schien, dass ich menstruierte, versuchte mein Verstand nach irgendeiner plausiblen Erklärung für all das zu suchen. Vampire,… das waren Fantasiegestalten. So etwas gab es in der realen Welt nicht und wenn doch, wären sie wohl kaum unerkannt geblieben. Sicher wollten mir die beiden nur Angst einjagen und verwechselten Silvester mit Halloween. Ein so perfider Streich passte in mein Bild von Alex. Rova konnte ich nicht einschätzen, weshalb ich ihm auch alles zutraute. Der einschüchternde goldblonde Mann zog seinen Mantel aus und warf ihn auf die Küchenzeile, auf der schon andere schwarze Kleidungsstücke von Alexander lagen. Dann kam er sanft lächelnd auf mich zu und setzte sich zu mir auf das Bett, wobei ich ein Stück von ihm wegrutschte. Am liebsten wollte ich einfach nur noch weg von den beiden, einfach raus aus dieser Situation. „Sei unbesorgt, Lyz. Auch wenn du jetzt weißt, was wir sind, haben wir uns nicht verändert. Ich werde dich auch weiterhin beschützen“, hauchte er sanft und strich mir über den Arm. Gänsehautalarm! „Was bedrückt dich denn noch, Liebes?“ fragte er, wahrscheinlich, weil ich mich von ihm ganz leicht weggedreht hatte. Erst als ich nicht antwortete, weil mir jedes Wort im Hals stecken blieb, kam die erneute Nachfrage mit Nachdruck. „Ich kann dir nicht helfen, wenn du mir nicht sagst, was los ist.“ „Lass sie doch! Da kommt nix mehr“, warf Alex arrogant klingend in den Raum, worauf ihn Rova rügte: „Wenn du mich nochmal so respektlos von der Seite ansprichst, streiche ich dir den 'UV-Blocker'.“ Danach war Alex ruhig. Unter großem Druck versuchte ich herauszufinden, wie ich reagieren sollte. Immer weiter sank ich in mich zusammen, weil ich nicht wusste, was Rova eigentlich von mir erwartete, ja nicht einmal, was er von mir wollte. Wie konnte ich ihn nur zufrieden stimmen, damit er mich wieder in Ruhe ließ? Sollte ich vielleicht auf das Rollenspiel einsteigen? Aber als was? Als Opfer, oder seine Braut, wie Alex mich bezeichnet hatte? Das war doch verrückt! Ich musste die Sache anders angehen, vielleicht versuchen, etwas herauszufinden. Rova beobachtete mich geduldig dabei, wie ich auf der Stelle herumrutschte und mich irgendwie überwand. „Rova, ich… naja, ich habe eine Frage an dich… schon lange.“ Er lächelte, rückte wieder ein Stück auf und antwortete erfreut: „Na endlich. Bitte, frag mich alles, was du möchtest. Ich verspreche dir auch, dass ich dich diesmal nicht anlügen werde.“ Das „diesmal“ versuchte ich zu überhören und stellte, kaum hörbar leise, meine Frage: „Warum ich?... Warum hast du ausgerechnet… Interesse an mir?“ Alex begann düster in sich hineinzulachen. Er war noch immer wie ausgewechselt, was mich fassungslos machte. „Darf ich es ihr sagen? Bitte, Rova!“, kicherte er. Das brachte das Fass nun zum Überlaufen, denn sein Chef stand blitzschnell auf, legte die Spitze seines Zeigefingers auf die Brust seines halbnackten Gefolgsmanns, der immer noch am Schreibtisch lehnte und sich sofort nach hinten zurück beugte. Ich dachte ja, mein Pulsschlag sei schon schnell, aber diese aggressive Bewegung auf ihn zu, hatte mich richtig geschockt. Ich konnte beobachten, wie Rova seinem Angestellten mit dem Fingernagel über den Oberkörper strich. Das sah erst einmal gar nicht so schlimm aus, bis ich bemerkte, dass an der roten schmalen Spur, die er hinterließ, Blut heraustropfte. Ich schnappte nach Luft und drehte mich von den beiden weg. Es war krass, mit welcher Selbstverständlichkeit er Alex verletzte. Ob er mich auch körperlich züchtigen würde, wenn ich nicht so funktionierte, wie er es sich vorstellte? Dagegen war Alex' genervtes Verhalten noch niedlich gewesen. Wo war ich da nur hineingeraten? „Ich erhalte langsam den Eindruck, du nimmst mich nicht richtig ernst, mein Lieber. Meine Drohung vorhin war übereilt, das stimmt. Wenn ich dir den 'UV-Blocker' streiche, kannst du meine Lyz nicht mehr begleiten, deshalb bin ich heute gnädiger als sonst. Ich werde mir eine andere Bestrafung für dich überlegen“, fauchte Rova wütend. Was sollte dieser “UV-Blocker“ eigentlich sein? Vielleicht eine Droge, von der Alex abhängig war? Ein momentaner Entzug hätte auch sein enthemmtes Verhalten und die Hitzewallung erklärt. Nachdem Rova ihm dem Rücken zuwandte, ergänzte er streng: „Lerne endlich mit dem Rausch umzugehen! Junge Leute wie du ermüden mich.“ Okay, es ging wirklich um Drogen, aber warum dann Rausch, statt Entzug? Das passte alles hinten und vorne nicht zusammen. Rova sah zu mir, fand sein Lächeln wieder und reichte mir die Hand. „Lass uns zu dir gehen. Sicherlich ist es bei dir deutlich wärmer und die Gesellschaft ist besser." Ich spurte. Was blieb mir auch anderes übrig, nachdem ich sah, was passieren konnte, wenn es nicht nach seinem Willen ging? Es kostete viel Kraft, ihm entgegenzukommen, nur leider schaffte ich es nicht, das Zittern meiner eiskalten Hand vor ihm zu verbergen. Sofort legte er sanft seine Zweite auf meine, wodurch seine Wärme in mich einströmte. Ein schönes Gefühl und das, obwohl er damit nur einen Moment zuvor noch seinen Angestellten gezüchtigt hatte. Alex schien so extrem neben sich zu stehen, dass er nicht einmal für ein paar Minuten den Mund halten konnte. Ich verstand ja, dass er sich körperliche Bestrafung nicht bieten lassen wollte, aber Rova in dieser Situation noch zu provozieren, war sicher nicht besonders klug. Ermattet keuchte er: „Verdammt, wenn du Sari wenigstens nur ein einziges Mal so angesehen hättest wie dieses eingeschüchterte, naive Mädchen... Sie hat alles für dich getan und ist sogar für dich gestorben. Ist dir das überhaupt klar, undankbarer Idiot!“ Rova richtete sich erneut auf und wendete seinen Kopf zu seinem Angestellten, der sich die Hand auf die blutende Wunde presste. Dass Alexander nun auch mich mit hineinzog, war gemein und fühlte sich für mich wie ein Stich ins Herz an. Recht hatte er trotzdem, denn was er sagte, spiegelte genau meine eigenen Gedanken wider. Ich war überzeugt davon, Sari sei ein viel wertvollerer Mensch gewesen als ich es je sein konnte. Das trieb mir die Tränen in die Augen. An Saris Ende zu denken, war einfach zu viel für mich. Rova verstand meine Tränen wahrscheinlich falsch, denn seine Drohungen wurden härter. „Ich werde mich bestimmt nicht vor dir rechtfertigen, Alexander. Lass mich nicht an deiner Loyalität zweifeln, sonst endest du wie dein Freund Peter, hast du das verstanden?“ Da Alex verärgert das Gesicht abwendete, brüllte Rova noch einmal: „Ob du das verstanden hast, hab ich dich gefragt!“ „Verstanden, Eure Hoheit“, rief Alex schließlich widerwillig. Auch wenn ich hundert Fragezeichen vor mir hatte, nachdem Rova nun schon als Prinz, Sohn eines Grafen und Hoheit betitelt wurde, zweifelte ich zumindest nicht mehr an seiner adligen Herkunft. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)