Forced Fortune von Elnaro ================================================================================ Kapitel 6: Unerwünschte Unterstützung ------------------------------------- Zwei Wochen hatte ich Zeit, um mich selbst emotional wieder herzustellen und auf das Studium vorzubereiten. Ich dankte Rova für meine Freiheit, denn eigentlich gehörte ich vor ein Gericht, aber genug davon. Ich hatte so langsam akzeptiert, dass ich nichts wert war, ihm aber trotzdem etwas an mir lag, also gab ich mir Mühe, weiterzumachen. Mein kleines neues Zuhause bestand aus einem schlicht möblierten Zimmer im Studentenwohnheim, das mir meine Eltern bezahlten. Sie mochten sein, wie sie wollten, mein Studium unterstützten sie. Allerdings nicht meinen Umzug, den musste ich allein bewältigen. Ich holte meine paar Sachen mit dem Zug, denn eigenes Auto besaß ich keins und meine Eltern ließen mich auch nicht mit ihren fahren. "Aushängeschilder" nannten sie ihre beiden silberfarbenen Mercedes’, an die keine Fahranfängerin wie ich herangelassen werden durfte. Dieser Neustart sollte mir helfen, all meinen Kummer hinter mir zu lassen. Keine Eltern, welche Platons Politeia zu genau nahmen und mich deshalb fast weggegeben hätten, kein schweres Verbrechen an einer jungen Frau und kein Minderwertigkeitsgefühl sollten mich mehr stören. Ich musste diesem neuen fremden Leben die Hand reichen und mit ihm voranschreiten. Vielleicht würde ich dann auch endlich herausfinden, was Glück bedeutete. Meine erste Vorlesung startete ein paar Tage später mit dem stimmigen Titel „Jugend und Soziale Arbeit“. Ich setzte mich ins vordere Drittel des Hörsaals und drehte mich nach hinten um, damit ich sehen konnte, wer alles mit mir studieren würde. Die Reihen füllten sich mit vielen ebenso neugierigen und unsicheren Gesichtern wie meinem. Viele der jungen Leute waren bunt gekleidet, hatten Piercings oder waren sonst auf irgendeine Art und Weise auffällig. Es freute mich, dass ich mich mit meinem weißen Spitzenkleid gut einreihte. Tatsächlich wollte ich nichts anderes mehr tragen, als das Geschenk des einzigen Menschen, der an mich glaubte. Da ich aber auch ein wenig Wechselkleidung benötigte, hatte ich mir vor ein paar Tagen ein ähnliches im Internet bestellt. Zu meiner großen Freude blieb ich nicht lange allein auf meinem Platz, denn eine junge Frau, namens Hanna, setzte sich neben mich und wir unterhielten uns nett. Es war im wahrsten Sinne zu schön, um wahr zu sein, denn kurz darauf betrat eine schwarze Gestalt den Saal, eine, die direkt schmerzhafte Erinnerungen weckte, Alexander. Seine bloße Anwesenheit kratze mich auf und zu allem Überfluss kam er auch noch auf die Idee, sich auf den anderen Platz neben mich zu setzen. Auch er passte mit seinen langen Haaren, seinem schwarzen „SLAYER“ Shirt und der Lederjacke besser als gedacht in diese Gruppe, denn er schien nicht der einzige Metal-Fan zu sein. Ich hoffte, er würde sich mit diesen anderen Studis anfreunden und mich in Ruhe lassen, was natürlich nur ein netter, kleiner Traum von mir war. Zwar sagte Alexander zunächst kein Wort, ihn zu ignorieren war mir trotzdem unmöglich. Ich entschuldige mich bei Hanna und drehte mich zu Alex, den ich direkt schnippisch anblaffte. „Was machst du hier?“ Er grinste schräg und warf sich seinen langen schwarzen Zopf auf den Rücken. „Was glaubst du wohl? Studieren natürlich, Prinzesschen.“ Prin-… wie bitte? Überrascht von seinen frechen Worten, wendete ich meinen Blick wieder Hanna zu, die uns irritiert beäugte und dann vorsichtig flüsterte: „Darf ich fragen, wer das ist?“ „Das ist Alexander, ein ehemaliger Mitar…-“ „ihr Freund!“, warf er unüberhörbar, an mir vorbei zu Hanna schauend, ein. Auch einige Studenten hinter uns bemerkten es, denn sie stellten kurz ihre Gespräche ein und blickten erst zu ihm und dann zu mir. Oh, wie ich es verabscheute, im Rampenlicht zu stehen. Der Kerl musste doch spinnen, so etwas zu behaupten! „A-also wenn überhaupt, dann Exfreund, klar?“, rief ich schließlich, um die Sache zu entspannen. Er beugte sich näher zu mir, ich mich aber sofort von ihm weg. Was fiel ihm ein? „Ha, gut gekontert. Ich hab was weniger Pfiffiges erwartet. Dein Ex, echt süß. Das hättest du wohl gern, hm?“ „Wa-? Du kannst mich mal gernhaben, du- du Stalker!“, warf ich zurück, was sein Lächeln einschlafen ließ. Diese Bezeichnung hatte ihm nicht geschmeckt und auch, wenn es eigentlich mein Ziel war, ihn damit zu treffen, tat es mir sofort unglaublich leid. Mann, ich war für solche frechen Konversationen einfach nicht geschaffen. Manchmal hasste ich mich tagelang für eine kopflos ausgesprochene Dummheit. Als Kind hatte ich meiner Mutter einmal gesagt, sie sei eine Eiskönigin, aus bekannten Gründen. Ich machte mir ewig Vorwürfe dafür, denn so war ihre Zuneigung sicher nicht zu gewinnen. Immerhin gab Alex erstmal Ruhe und es dauerte auch keine Minute mehr, bis der Professor den Hörsaal betrat. Die Vorlesung war spannend und das Themenfeld genau das, was ich mir vorgestellt hatte. Nur dieser Kerl neben mir störte. Das Schlimmste an ihm wusste ich in diesem Moment ja noch nicht einmal. In seiner Gegenwart war es mir nämlich nicht möglich, auch nur ein vernünftiges Gespräch mit meinen Kommilitonen aufzubauen. Immerzu warf er einen sarkastischen Kommentar dazwischen, wenn ich etwas sagte oder zog die ganze Aufmerksamkeit auf sich. Mit meiner Befangenheit hatte ich keine Chance gegen ihn. Außerdem kamen andauernd Fragen dazu, wie wir zueinander standen. Ich hatte keine Lust mehr, mich gegen ihn zu wehren und ließ ihn herumerzählen, ich sei seine Flamme. „Das Prinzesschen ist mein Mädchen, also Pfoten weg!“, behauptete er mit stolzgeschwellter Brust, dieser Macho. Als ob! Ein schönes Märchen hatte er sich da zusammengereimt. Nach einer vierten Einheit endete der offizielle Teil des Tages. Ohne ihm Bescheid zu geben, machte mich auf den Weg zu meinem Termin im Cosmopolitan Club. In einer E-Mail meinten sie, ich solle mal vorbeikommen, weil ich doch einen Austauschstudenten betreuen wollte. Voller Vorfreude lief ich los, doch Alex verfolgte mich wie ein Schatten. „Ich brauche keinen Aufpasser. Was soll mir hier schon passieren?“, knurrte ich in seine Richtung. „Mir egal, was du denkst“, war alles, was er dazu zu sagen hatte, doch so schnell gab ich diesmal nicht auf. „Sag Rova, dass ich auf dich verzichten kann!“ „Sag's ihm doch selbst!“ Ich stampfte verärgert auf den Boden und lief einen Schritt schneller, doch das schien ihn kein bisschen zu beeindrucken. Ein Kontrollblick über meine Schulter verriet mir, dass er amüsiert lächelte. Mann, der Typ war durch nichts aus der Ruhe zu bringen. Ein wenig musste ich nach dem Büro suchen, doch selbst auf Nachfrage verriet ich Alex nicht, wohin ich unterwegs war. Ich fand den Raum schließlich auch ohne seine Hilfe. Immerhin hatte er so viel Anstand, draußen zu warten. Lukas, ein freiwilliger Helfer des Clubs, empfing mich. Er trug denselben Namen wie mein ehemaliger Klassenkamerad, der total nette kleine Bruder meines Exfreundes. Das machte ihn sympathisch, aber leider versuchte er mich schnell wieder abzuwimmeln. Es sei zu früh für mich, einen Austauschstudenten zu betreuen, weil ich als Ersti vom „Tuten und Blasen noch keine Ahnung“ hätte und deshalb auch niemandem helfen könne. Ganz schön herablassend. Das hätte der Lukas, den ich kannte, niemals gesagt. Vielleicht wusste er aber nur nichts von meiner besonderen Eignung. Mit allerhand Argumenten versuchte ich ihn zu überzeugen, doch er stand auf und komplimentierte mich nach draußen. „Tut mir Leid. Komm im nächsten Semester wieder. Bis dahin kannst du uns bei unseren Aktivitäten unterstützen und uns über die Schulter schauen, abgemacht?“ Nix da, abgemacht! Na toll! Trotz innerer Gegenwehr gab ich nach und ging hinaus. Alexander bemerkte meine Verstimmung sofort und quetschte mich auf dem Weg zum Wohnheim darüber aus. Es war etwas eigenartig, aber er wollte wirklich hören, was ich für Probleme hatte. Solcherlei Fragen wurden mir üblicherweise nicht gestellt. Verständnislos schüttelte er nach meiner Erklärung den Kopf und schimpfte: „Schwachsinn, wir werfen unsere Noobs auch gleich ins kalte Wasser und das funktioniert wunderbar. Ich klär das für dich.“ Ich konnte ihn nicht davon abhalten, zurückzustürmen und den armen Lukas einen Kopf kürzer zu machen. Sein Auftritt war mir extrem peinlich. Ich wusste nicht, ob ich mich je wieder im Cosmo Club sehen lassen konnte, doch zu meiner Überraschung bekam ich durch ihn tatsächlich einen Austauschstudenten zugeteilt, einen österreichischen Maschinenbaustudenten aus dem dritten Semester, der sein Auslandssemester bei uns absolvierte. Bei ihm könne ich nichts versauen, denn er käme zur Not auch gut ohne Hilfe zurecht, erklärte Lukas. Okay, das kam unerwartet und war… einfach genial! Alex hatte etwas für mich erreicht, das ich alleine nicht schaffte. Ich wusste nicht, ob sich je schon einmal jemand so für mich eingesetzt hatte. Gut, ich gab es zu, damit rückte Alex in seiner Beliebtheit bei mir ein ganzes Stück nach oben, auch wenn er den ganzen Tag genervt hatte. Wahrscheinlich war er im Studiengang „Soziale Arbeit“ doch nicht so schlecht aufgehoben, wie ich zunächst dachte. Menschen zu helfen, lag ihm. Doch eigentlich recht zufrieden mit meinem ersten Tag, machte ich mich auf den Heimweg zum Studentenwohnheim. Merkwürdigerweise folgte Alex mir auch dorthin, sogar bis vor die Tür meiner Einzimmerwohnung. Ich wollte ihn schon zurechtweisen, da holte er einen Schlüssel aus seiner schwarzen Umhängetasche und öffnete damit die Tür neben meinem Zimmer. „D-Du willst jetzt nicht sagen, dass du neben mir wohnst?!“ „Nö, ist doch offensichtlich“, grinste er, wobei mich einer seiner Zähne anfunkelte. Dann verschwand Alex in seinem Zimmer. Na super, Adios Neuanfang, willkommen ihr Albträume! Ich wusste nicht, wie ich sein leidendes, tränennasses Gesicht vergessen sollte, nachdem ich… Ich wusste ja nicht einmal, wieso er überhaupt ein Wort mit mir wechselte. Ich war das Letzte! Klar kam es, wie es kommen musste. Kaum fiel die Tür hinter mir ins Schloss, lehnte ich mich an sie und fing schon wieder an zu heulen. So war das alles nicht geplant. Warum tat Rova mir das an? Konnte er nicht jemanden schicken, den ich nicht kannte? Wie sollte die Lava in mir abkühlen und zu Gestein werden, wenn er die fest werdende Gesteinsdecke immer wieder zersprengte? Am besten, ich setzte mich an ein paar Hilfeforen und beantwortete zwei, drei Fragen nach einer ausgiebigen Recherche. Das half mir abzuschalten und brachte sogar noch jemandem etwas. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)