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Die Farbe Grau

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Disclaimer: alles nicht mir. ;) Komplett anzeigen

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Quid pro quo

Omi lehnte sich erschöpft in seinem Schreibtischstuhl zurück und schloss die brennenden, überanstrengten Augen. Wieder nichts, wieder nur ein totes Ende, eine Sackgasse, die ihn nicht weiterbrachte auf der Suche nach ihrem seit sechs Tagen verschwundenen Anführer. Frustriert presste er die Handballen auf die Augen und versuchte zum hundertsten Mal, sich einen Reim darauf zu machen, was geschehen war. Manx‘ Version, dass Aya sie verraten hatte, glaubte er nicht. Aya war schließlich Aya, er würde sich eher ein Körperteil herausreißen, als sich von eben jenen Verbrechern korrumpieren zu lassen, die er so sehr verabscheute.

Alleine, dass die Bewacher, die Birman an die Seite seiner Schwester gestellt hatte, ermordet im Krankenhaus aufgefunden worden waren, sprach in Omis Augen gegen die Theorie, dass Aya sich freiwillig mit denjenigen, die ihn und seine Schwester geholt hatten, verbündet hatte.
 

Auch das sah Manx natürlich anders und so hatten sie die letzten Tage im heftigen Streit miteinander verbracht, der das ganze Team lahmgelegt hatte. Die Diskussionen, die sie innerhalb von Weiß und außerhalb mit Kritiker geführt hatten, waren hitzig und zum Schluss so verletzend gewesen, dass sie sich seit gestern Abend aus dem Weg gingen und erst einmal Abstand suchten. Vollumfassende Niederlagen, mochte Omi meinen, zwischen denen ein einziger Sieg stand, der auf sein Konto ging: die Rückkehr ins Koneko. Denn was, verdammt nochmal was brachte es, sie von Safehouse zu Safehouse zu verschieben, wenn Aya aus dem Erstbesten entführt und Youji sowie die ihn bewachenden Agenten schlafen gelegt worden waren? Da konnten und mussten sie zurückkehren ins Koneko, wo sie wenigstens ihr Equipment zur Verfügung hatten um bei der Aufklärung zu helfen.

Es hatte ihn einen ganzen Tag gekostet, das Manx klar zu machen und im Nachhinein war dies einer der wenigen produktiven Tage gewesen in der letzten Woche, denn trotz allem waren sie momentan on hold, nur für Notfälle. Die offizielle Begründung dafür? Die Rückschläge, die das Team hatte hinnehmen müssen – dass Omi nicht lachte. Das Team war handlungsfähig und handlungswillig, nur Kritiker wollten es nicht.
 

Nun saß er hier und suchte sich die Finger wund nach Spuren, die ihn zu seinem Anführer brachten und die auf den Informationen basierten, die er in den letzten Tagen erhalten hatte, unter anderem von Youji, der ihm detailliert das wiedergegeben hatte, was Aya ihm über die Geschehnisse bei Lasgo mitgeteilt hatte. Lasgo, Schwarz, Takatori… jedem kleinen Fitzel an Information war er nachgegangen, ohne auch nur eines seiner nutzlosen Gefühle über diese Katastrophe zuzulassen, doch erfolglos. Er wusste weder, wer Aya hatte noch warum und wann genau er verschwunden war.

„Scheiße“, fluchte er leise. „Scheiße, Scheiße, Scheiße.“

Er hatte bisher alles versucht, was möglich war, doch nichts. Die Überwachungskameras der Straße zeigten ihm nichts. Der angrenzenden Straßen ebenfalls nicht. Das Haus selbst hatte keine elektronische Überwachung gehabt. Der einzige Hinweis, den er über Umwege, also einem Kritikeragenten in ihrer Zentrale, mit dem er in der Vergangenheit regelmäßig geschlafen hatte, erhalten hatte, war das Zeitfenster, in dem die bewachenden Agenten eingeschlafen waren. Aber auch das hatte nichts ergeben.
 

Müde erhob er sich und schaltete den Monitor aus. Der Rechner selbst würde weiterlaufen und nach den von ihm vorgegebenen Parametern suchen, doch dazu brauchte er Zeit. Zeit, die Omi damit verbringen würde, etwas Schlaf zu erhaschen, zumindest solange, bis ihm die Alpträume eben jenen raubten. Das war bisher jede Nacht geschehen und hatte Omi entsprechend dünnhäutig zurückgelassen, weswegen es erst zu diesem verheerenden Streit gekommen war.

Er erhob sich langsam und streckte sich vorsichtig eingedenk der wie unter einem Muskelkater schmerzenden Muskeln. Bis auf das und ein paar farbenfrohe Hämatome hatte er nichts davongetragen und auf eine perverse Art und Weise war er froh um die Spuren der Folter. Denn wer hätte ihm denn geglaubt, was Schwarz ihm angetan hatten, wenn er unversehrt zurückgekehrt wäre? Er selbst an allererster Stelle hätte es nicht geglaubt, hätte es für eines von Schuldigs mentalen Spielchen gehalten.
 

Omi schauderte alleine beim Gedanken an das, was der Telepath getan hatte.
 

Er hatte alles daran gesetzt, dass er eher aus dem Krankenhaus entlassen worden war, unter anderem auch aus dem Grund, dass sein Körper wenig Spuren körperlicher Gewalteinwirkung aufwies und die durchgeführten Tests nichts Abnormales feststellen konnten. Die Erinnerungen an jene Stunden standen aber auf einem anderen Blatt und waren weniger verblasst, im Gegenteil. Er hatte brachiale Angst davor, alleine zu sein, auch wenn die Gesellschaft seines Teams trügerisch war in ihrer vermeintlichen Sicherheit. Schließlich würden weder Ken noch Youji ihm helfen können, wenn Schwarz ihn ein weiteres Mal holen kamen.
 

Omi verbarg diese Angst, um sein Team nicht noch weiter in die Instabilität zu treiben.

Was er aber nicht verbergen konnte, war seine Abscheu gegen die Nähe von Youji, der in seiner Körpergröße Schuldig so sehr glich, dass das Gesicht seines Freundes manchmal mit dem des Telepathen verschmolz und Omi abrupt die Flucht ergriff, nur um sich in seinem Zimmer einzusperren und in seinem Kleiderschrank zu verstecken, ebenfalls aus der trügerischen Hoffnung heraus, dass Schuldig ihn dort nicht finden konnte.

So hatte er es als kleiner Junge nach seiner Entführung auch gehandhabt und schlussendlich hatte ihm das bei der Bewältigung des Traumas geholfen, das heute kaum mehr war als ein verblasster Schatten in den Tiefen seines Bewusstseins.
 

Omi war sich bewusst, dass es kindisch war, doch er wollte nicht davon ablassen.
 

Während er die Treppe hinaufstieg, hörte er, wie sich Ken und Youji ihrer klassischen Abendunterhaltung hingaben: irgendwelche Shows mit quietschenden Moderatoren und weitaus quietschigeren Teilnehmern. Für die Beiden war es eine Art Entspannung, für Omi aber ein Grauen, aus dem er sich, wie Aya ebenso, heraushielt so oft es ging. Auch jetzt machte Omi einen großen Bogen darum, aber er war dankbar dafür, dass Youji und Ken trotz all den Spannungen, die momentan zwischen ihnen herrschten, in der Lage waren, gemeinsam auf ihrer Couch zu sitzen und sich den Scheiß anzuschauen.
 

Omi schlich sich an ihnen vorbei in die Küche und holte sich eine Flasche Limonade und eine Packung Schokoladenriegel, die im ersten Moment so aussah wie der Müsliriegel, den Farfarello ihm aufgezwungen hatte. Abrupt hielt Omi inne und schauderte, als ihn Erinnerungen daran überkamen und an die Todesangst, die er im Angesicht des vernarbten Iren empfunden hatte. Bis heute konnte er das Verhalten des Mannes nicht begründen, das – objektiv betrachtet – in punkto Grausamkeit ihm gegenüber ganz hinten rangierte. Wenn er den Angriff auf Birman außen vorließ, über den Youji augenscheinlich mehr wusste, es aber ihnen beharrlich verschwieg. Er sagte es nicht mit Worten, aber seine Augen sprachen da eine andere Sprache. Doch noch hatte Omi nicht die Kraft dafür gehabt, den Ältesten damit zu konfrontieren.

Seine Gedanken kehrten zurück zu Farfarello, der ihm gegenüber nicht grausam gewesen war. Eher pragmatisch hatte er ihn zu Dingen gezwungen, die letzten Endes gut für Omi gewesen waren. Die Müsliriegel. Der Tee. Die Dusche und die saubere Kleidung und schlussendlich die Rückkehr zu seinem Team.

Das alles war das Letzte gewesen, mit dem Omi gerechnet hatte, als er sich dem Iren gegenüber gesehen hatte.
 

Müde stieg er ihre Treppe nach oben in sein Zimmer und schloss die Tür hinter sich, blendete damit wirksam das aufgeregte Gedudel aus dem Wohnzimmer aus. Erschöpft lehnte er die Stirn an das kühle Holz und seufzte tief, während er mit der anderen Hand nach dem Lichtschalter tastete und das Licht anschaltete. Vielleicht konnte er diese Nacht ruhig schlafen und vielleicht würde ihm das morgen mehr helfen, nach Aya zu suchen.

Ein leises Räuspern ließ ihn erstarren und herumfahren, auch wenn er sich dumm vorkam, sich von seinem Team soviel Angst einjagen zu lassen.
 

Nicht von seinem Team, wie er feststellte, als er sich umdrehte und beinahe gleichzeitig die Fähigkeit verlor, sich zu bewegen und zu sprechen, genauer gesagt um Hilfe zu rufen, wie er nun feststellte. Naoe saß unweit von ihm auf seinem Bett an das Kopfteil gelehnt, die Arme locker verschränkt. Ausdrucklos maß er ihn und hielt ihn an Ort und Stelle, während Omis Herz nach einer gefühlten Ewigkeit des Nichtschlagens nun einen brachial schnellen Takt anschlug vor Angst und Panik vor dieser Gabe, die ihm soviel Schmerz bereitet hatte. Da war er, sein ganz persönlicher Alptraum, an den sich jede einzelne seiner Körperzellen erinnerte. Naoe würde ihn wieder zu Schwarz verschleppen, hier aus dem Koneko, im Beisein seiner Freunde. Oder er würde sie alle töten. War der Ire auch hier, der Rest von Schwarz? War er etwa schon an Youjis und Kens Leichen vorbeigegangen, zu dumm, zu leichtsinnig und zu arrogant, um so etwas zu vermuten?
 

„Wenn ich dir deine Fähigkeit zu sprechen wiedergebe, wirst du dann schreien?“, fragte der Schwarz ruhig, aber leise durch das panische Rauschen in seinem Körper und Omi hätte ihm in diesem Moment die Frage nicht beantworten können, selbst, wenn er es gewollt hätte. Die Angst in ihm flüsterte ihm zu, sich die Seele aus dem Leib zu schreien, sobald er die Gelegenheit hatte. Die Vernunft, so tief vergraben sie auch war, wies ihn an, die Reste seines Teams nicht zu gefährden, wenn sie denn noch lebten. Und die Hoffnung, getränkt durch Pragmatismus, verschwindend gering, begriff, dass der feindselige Junge ihm gegenüber vermutlich die einzige Möglichkeit war, etwas über Ayas Verbleib herauszufinden.
 

Auch wenn Omi kaum dazu in der Lage war, ruhig zu atmen, schüttelte er den Kopf und wurde schließlich von dem Druck auf seinen Lippen befreit.

„Leben Ken und Youji?“, presste er hervor und der Schwarz hob die Augenbraue.

„Sie sehen sich in eurem Wohnzimmer eine dieser Shows an, als ich so mühelos in dein Zimmer gegangen bin“, war es amüsierter Spott, der sich Omi hier entgegen trug und er konnte den erleichterten Laut nicht unterdrücken, der sich nun die Bahn brach.

„Wo ist Aya?“, fragte er weiter, bevor ihn der Mut verließ und er seine Stimme alleine dadurch verlor, dass er am ganzen Körper zitterte. Er überraschte Naoe damit, das sah Omi selbst in den beinahe ausdruckslosen Gesichtszügen.

„Ich befinde mich in deinem Raum und das sind die ersten beiden Fragen, die du mir stellst? Nicht, warum ich hier bin, was ich von dir möchte oder ob du in Gefahr bist?“, stellte der Schwarz die ruhige, aber verständnislose Gegenfrage und Omi hielt mit Mühe dem Blick stand. Jetzt, wo der akute Adrenalinschub bereits abebbte, reagierte sein Körper mit Übelkeit und Schwindel auf die anhaltend wirkende Gabe des Schwarz und sein Sichtfeld tauchte sich bereits in verräterisches Grau, das, so wusste er aus der Vergangenheit, ihm in den nächsten Minuten das Bewusstsein kosten würde.

„Lass mich los“, murmelte er über das Rauschen in seinen Ohren hinweg in den Raum hinein und wurde, entgegen seiner Vermutung, ohne viel Federlesens auf seinen Sessel verfrachtet. Keinen Moment später wurde er losgelassen und Omi atmete tief durch, zittrig erst, dann immer sicherer, immer ungehinderter. Minuten vergingen zwischen ihnen, in denen es einzig sein Atem war, der die Stille des Raumes mit Leben erfüllte, bis Omi wieder in der Lage war, klar zu denken.
 

„Ich muss dir nicht sagen, dass weder schreien noch fliehen zu deinen Optionen gehört, richtig, Bombay?“ Schweigend nickte Omi und stellte mit schlotternden Händen die Limonade und den Schokoriegel auf den niedrigen Tisch neben sich. Er schloss die Augen und verschränkte die Arme um seinen Brustkorb, wieder aus einem unsinnigen Gefühl des Schutzes heraus. Gerade jetzt würde er sich gerne in dem Schrank hinter Naoe verkriechen und so tun, als wäre der Schwarz ein weiterer Alptraum und nicht bittere Realität.
 

„Was willst du hier?“, fragte Omi schließlich und wünschte sich, dass seine Stimme fest klang, was ein durch und durch frommer, aber unerfüllter Wunsch blieb. Er fürchtete sich und was er auch an Ruhe versuchte, in sich hineinzuatmen, wurde durch den bloßen Gedanken zunichte gemacht, dass keine zwei Meter von ihm der Telekinet des feindlichen Teams saß. In seinem Zimmer. Im Koneko. Unerkannt von Ken und Youji. Die Frage, woher Naoe wusste, wo sie wohnten, sparte er sich. Wenn sie schon ein Safehouse fanden, dann war ihre Tarnung hier sicherlich schon lange aufgeflogen und sie befanden sich seitdem unwissentlich in letaler Gefahr. Omi öffnete seine Augen und bohrte den Blick in den Teppich, den er vor einem Monat frisch gereinigt hatte und der jetzt schon wieder Fusseln aufwies.

„Meine Sachen holen, die du ja augenscheinlich nicht mehr brauchst.“

Omi nickte. Wenn es nur das sein sollte, dann würde der Schwarz bald wieder weg sein, oder? Er würde sich nicht lange hier aufhalten, oder?
 

Oder?
 

„Sie liegen in dem Schrank hinter dir“, erwiderte Omi ohne Naoe anzusehen mit dem Blick fest auf den Boden gerichtet, der um soviel sicherer schien als die grauen Augen des Schwarz.

„Sei so gut und hole sie mir, ich möchte mich nicht durch deinen Schrank wühlen.“ Nun schoss Omis Blick doch hoch. Um an seinen Schrank zu kommen, musste er Zentimeter an dem Schwarz vorbei. Das war viel zu nah, viel zu… unsinnig, da der Telekinet eine Reichweite hatte, die ihn selbst im Nachbargebäude gefährlich machte.

Omi wagte es, den Blick auf Naoe gerichtet zu halten. Erst jetzt fiel ihm auf, dass der Telekinet nicht seine übliche, langweilige Schuluniform trug, sondern beinahe ganz normal aussah in seiner Jeans, dem Pullover und der Jacke. Das machte ihn weniger surreal und gruselig, es machte ihn beinahe menschlich und ließ in Omi den Eindruck entstehen, dass auch er so etwas wie ein Privatleben kannte abseits von ihren Aufträgen.
 

„Wo ist Aya?“, wiederholte er seine Frage vom Anfang vorsichtig, ließ sich dazu verleiten, dem Schwarz nicht augenblicklich zu gehorchen, der er sich auf seinem Bett gemütlich gemacht hatte und nun die Augenbraue hob, den Blick sorgsam neutral.

„Meine Kleidung, Tsukiyono“, wurde er noch höflich darum gebeten, den ihm gestellten Befehl auszuführen und Omi erhob sich vorsichtig.

„Seine Schwester ist verschwunden, die Wachen wurden ermordet im Bad gefunden und Aya wurde aus dem Haus entführt, das nach eurem Auftauchen im Koneko als Safehouse gelten sollte. Das trägt eure Handschrift“, sagte er, während er einen Schritt nach vorne trat, möglichst weit ab von dem Schwarz, dessen Augen seinen Weg aufmerksam verfolgten.

„Tut es das?“, fragte Naoe lapidar und Omi überwand vorsichtig die übrige Distanz zu seinem Kleiderschrank. Ganz hinten, ganz unten lag die Kleidung, die Farfarello ihm gegeben hatte. Die er hatte tragen sollen, zum Unmut des Telekineten. Ruckartig zog er sie hervor und warf sie neben Naoe auf das Bett, entfernte sich so schnell es ihm möglich war, aus der direkten, körperlichen Reichweite des Anderen.

„Foltert ihr ihn gerade, so wie ihr mich gefoltert habt?“, fragte Omi und stellte entsetzt fest, dass ihm Tränen in die Augen schossen, die hier weder passend noch erwünscht waren. Er wollte nicht, dass der Schwarz ihn so sah, daher drehte er sich weg und griff zu der Limonadenflasche. Als die ersten Tränen fielen, schraubte er die Flasche auf und erstickte sein Schluchzen mit einem Schluck des süßen Gebräus.
 

Doch natürlich ließ Naoe ihn nicht. Unnachgiebig zog er ihn an seinen Oberarmen zu sich herum um sich an seinen Tränen zu laben. Omi hing stocksteif in dem Griff, doch er traf weder auf Sadismus noch auf Schadenfreude.

„Du vermisst deinen Anführer“, stellte Naoe stirnrunzelnd fest und Omi schnaubte.

„Würdest du es nicht?“

„Das ist eine Schwäche.“

Omi grollte, um eben jene verräterischen Tränen zu überdecken, die immer weiter seine Wangen hinunterliefen und ihn kitzelten. Aber es war auch Wut über die Worte des Anderen, die sich darein stahl. „Dann bin ich eben schwach. Und? Nichts Anderes habt ihr mir doch deutlich gemacht vor einer Woche. Erst Schuldig, dann Crawford, dann du!“

„Das hast du korrekt erfasst. Allerdings ist temporäre Schwäche aufgrund von Schmerzen und Angst nicht zu vergleichen mit dauerhafter Schwäche aufgrund von unnötigen, freundschaftlichen Verbindungen zueinander“, winkte Naoe ruhig ab, anstelle wütend zu werden und Omi hielt in dem Moment inne, in dem er begriff, dass es wohl der längste Satz war, den der Schwarz zu ihm gesagt hatte und, viel schlimmer, dass sie tatsächlich gerade miteinander diskutierten.
 

Nicht, dass es die Umstände nur einen Deut besser machte.
 

„Foltert ihr ihn?“, fragte Omi erneut und Naoe schüttelte tatsächlich mit dem Kopf. „Aber er ist bei euch?“

Der junge Schwarz öffnete den Mund, hielt inne und lächelte dann eben jenes Lächeln, das Omi zuletzt bei Crawford gesehen hatte. Angewidert schauderte Omi. „Was bekomme ich für diese Information, Weiß?“, fragte er mit einem Unterton, der keinen Spielraum für Interpretationen ließ. Eine Gegenleistung.

Er hätte es sich denken können. Er hätte damit rechnen sollen. „Was willst du haben?“, fragte Omi zähneknirschend, auch wenn er bereits wusste, dass er weder Kritiker noch sein Team verraten würde. In den grauen Augen, die ihn aufmerksam musterten, erkannte er, dass Naoe das durchaus bewusst war und dass er ebenso damit gerechnet hatte.

„Was bist du bereit zu geben?“, fragte derjenige, der bereits auf seinem Bett saß, und Omi fiel es wie Schuppen von den Augen. Unwillkürlich huschte sein Blick von Naoe auf das Bett, in dem er es noch mit niemandem getrieben hatte, zu eben jenem wieder zurück. Unwillkürlich tat er einen Schritt nach hinten, dann noch einen.

„Was habe ich dir über eine Flucht gesagt?“, fragte Naoe lauernd und Omi schüttelte den Kopf.

„Ich werde nicht mit dir schlafen, Schwarz!“, grollte er voller Unglauben und hielt den Blick der sich weitenden, grauen Augen und der langsam, aber sicher rot werdenden Wangen. Omi vermeinte so etwas wie ein indigniertes Schnauben zu vernehmen, kurz bevor der Telekinet sich ruckartig von seinem Bett erhob und ihn wütend angrollte.

„Was ist falsch mit dir, Bombay? Erst das chinesische Bordell, dann das jetzt. Denkst du eigentlich nur an Sex?“
 

Mehr als alles Andere nahm das Omi zielsicher den Wind aus den Segeln. Reichlich perplex stand er an der Tür und blinzelte nun seinerseits verlegen, während seine Wangen und Ohren verräterisch heiß wurden und er wusste, wie hochrot sein Kopf gerade wurde. Er hatte falsch gelegen. Richtig falsch und ausgerechnet ein Schwarz hielt ihm vor, wie falsch.
 

Omi schluckte in die peinlich berührte Stille zwischen ihnen beiden und selbst das ließ ihn sich wünschen, einfach im Boden zu versinken. Wenigstens ein Gutes hatte diese ganze Peinlichkeit hier. Seine Tränen flossen nicht mehr.
 

„Nein?“, presste er schließlich hervor und versuchte sich seinerseits an verschränkten Armen und einer Begründung, warum er so dachte und dass er eben nicht nur an Sex dachte. „Du sprichst von Gegenleistungen und sitzt auf meinem Bett, was soll ich da…“

„Nicht jeder vergnügt sich mit dem Feind“, fuhr ihm Naoe eiskalt über den Mund und Omi wich unwillkürlich zurück vor der Wut, die er in den Augen des Telekineten sah. Hatten Crawford und Schuldig Naoe also erzählt, was er getan hatte. Natürlich. Seine Schuld, mit Lasgo geschlafen zu haben, wog schwer und sie brannte in ihm. Dass er sich so leicht hatte benutzen lassen, dass er so leicht aufgeflogen war, war ein Punkt, der ihm immer noch große Angst machte, denn der andere Mann hätte ihn ohne Weiteres töten können während ihres Stelldicheins. Omi schluckte mühsam.

„Ich hätte es nicht getan, wenn ich gewusst hätte, wer er ist. Das habe ich aber nicht!“, hielt er aufgebracht dagegen. „Und ich wüsste auch nicht, warum ich mich vor dir dafür rechtfertigen muss, mit wem ich schlafe.“
 

Naoe runzelte sturmgeweiht die Stirn, sagte aber sonst aber nichts dazu und ließ das gesprochene Wort zwischen ihnen beiden im Raum stehen. Schließlich schüttelte er abschätzig den Kopf und griff sich seine Sachen, bevor er sich daran machte, zu dem bodentiefen Balkonfenster zu gehen, durch das er anscheinend hereingekommen war. Noch bevor Naoe jedoch verschwinden konnte, hatte Omi sich gefangen und den suizidalen Plan gefasst, den Anderen aufzuhalten. Ohne darüber nachzudenken packte er ihn am Oberarm und drehte ihn zu sich herum. Doch anstelle gegen die nächste Wand geschleudert zu werden, wie Omi es erwartet hatte, maßen ihn die Augen in dem hochroten Gesicht aufmerksam, aber kampfbereit.

„Bitte sag mir, ob ihr ihn habt und ob es ihm gut geht. Bitte, Naoe. Bitte“, flehte Omi und rechnete jeden Moment damit, dass er ausgelacht und weggestoßen werden würde. Doch nichts dergleichen passierte.
 

Naoe seufzte schließlich tief. „Ja und ja.“
 

Omi blinzelte und es waren erneut Tränen, die in seine Augen schossen und die dem Schwarz ein Augenrollen abverlangten.

„Ist er freiwillig bei euch?“, nutzte er seine vermutlich letzte Chance auf Informationen und hoffte, bangte um einen Krümel an irgendetwas. Ein verächtliches Schnauben antwortete ihm.

„Was denkst du denn, Weiß?“, stellte Naoe die Gegenfrage und machte sich von ihm los, schob ihn zurück.

„Kommen wir nun zu deiner Gegenleistung, Tsukiyono“, lächelte Nagi mit einem dunklen Unterton, der Omi unwillkürlich schaudern ließ, erkannte er in der Betonung doch deutlich den Amerikaner des feindlichen Teams wieder, der hier in Miniform vor ihm stand und sich Omi fragen ließ, ob Naoe tatsächlich Crawfords Sohn war und sie die verschiedenen Namen nur zur Tarnung nutzten.
 

„Was, wenn ich mich weigere?“, fragte Omi mutiger und selbstmörderischer, als er sich wirklich fühlte und die hoch erhobene Augenbraue des Schwarz deutete ihm an, wie dumm die Frage war.

„Würde das zu deiner weißen-Ritter-Ehre passen, Bombay?“, schlängelte sich die lauernde Gegenfrage durch den stillen Raum und unwillkürlich zuckte Omi zusammen. Naoe hatte Recht, das würde es nicht tun – in Normalfall. Bei Schwarz war es doch etwas Anderes. Oder? Was nutzte es, einem von Grund auf verdorbenen und bösen Team wie Schwarz ein gutes Leben vorzuleben? Insbesondere, wenn er sich den jungen Mann vor sich ansah, der die Jahre, in denen sie bereits schon aufeinandertrafen, immer an der Seite dieser Sadisten verbracht hatte? Was konnte aus ihm etwas Anderes werden als ein ebensolcher Sadist?
 

Omi verschränkte die Arme und leistete noch halbherzigen Widerstand gegen die Forderung des Telekineten. Denn selbst wenn er die Frage des Anderen mit ja beantwortete, so blieb immer noch dessen Gabe, die ihm zusetzen konnte, bis er einwilligte, was auch immer zu tun. Zumal, wie eine kleine, tatsächlich rechtschaffene Stimme in ihm anmerkte, Naoe seine Fragen ehrlich beantwortet hatte, obwohl er es nicht hätte tun müssen.
 

„Was willst du wissen?“, gab er seinen eigenen Wertevorstellungen schließlich nach und wieder maßen sie sich eine lange Zeit schweigend.

„Was hat es mit den Fotos von meinem und deinem Anführer auf sich?“, stellte Naoe am Ende der Stille ausgerechnet die Frage, die Omi ihm am Wenigsten beantworten konnte und wollte, weil sie zu eben jener Katastrophe geführt hatte, die ihm fast das Leben gekostet hatte und jedes Mal, wenn er seine Augen schloss, in seinem Inneren als perverser, persönlicher Film ablief. Hinzukam, dass er sich an fünf Fingern abzählen konnte, dass Naoe ganz und gar nicht erfreut über seine Antwort wäre und ihn vermutlich mithilfe seiner Kraft auseinanderreißen würde, ohne, dass es Ken und Youji unten mitbekamen.
 

Unsicher knibbelte er an seinen Fingern und wandte den Blick von Naoe ab, zurück auf den staubigen Boden, wo er unstet versuchte, einen Fixpunkt zu finden, der nicht Prodigy hieß.

„Wieso fragst du nicht deinen Telepathen?“, murmelte Omi schließlich in der Hoffnung, dass Naoe von ihm abließ. „Der weiß mehr als ich.“

„Das ist nicht schwierig, Bombay. Nichtsdestotrotz frage ich dich und ich will für meine großzügige Antwort auf deine Fragen nun eine einfache Antwort auf meine. Also?“

„Ich möchte aber nicht darauf antworten“, gestand Omi ehrlich und gewährte Naoe einen kurzen Einblick in seine Augen. Was er in denen des Schwarz sah, verhieß nichts Gutes. Das, was er wollte, war Naoe vollkommen egal, er wollte Antworten und das möglichst schnell und möglichst ausführlich. Er sollte die Zeit des Schwarz nicht weiter verschwenden.

„Also weißt du mehr.“

„Ich…“

Die Luft um Omi herum begann sich elektrisch aufzuladen, als der Telekinet ihm nonverbal sehr deutlich machte, dass er weitere Verzögerungen mitnichten tolerieren würde und dass Omi am Ende seiner Möglichkeiten war, die geforderte Antwort aufzuschieben. Erschrocken zuckte Omi zurück, auch wenn es so etwas wie ein Zurückweichen im gleichen Raum mit Naoe und seiner Kraft nicht wirklich gab. Er würde nicht aus der Reichweite des Schwarz kommen.
 

Das erleichterte ihm die Entscheidung, wie Omi vor sich selbst zugeben musste, als er sich innerhalb von Sekundenbruchteilen für die Möglichkeit des geringeren, oder zumindest späteren Schmerzes entschied. „Die Fotos zeigen Aya und deinen Anführer in einer kleinen Wohnung bei Lasgo“, presste er unsicher hervor und ungeduldig bedeutete Naoe ihm, fortzufahren und Omi war nicht mutig oder dumm genug, sich dem nicht zu fügen.

„Auf den Bildern sieht es so aus, als ginge es deinem Anführer schlecht und Aya würde ihm helfen.“ Das war eine gute, neutrale Zusammenfassung des weitaus schlimmeren Geschehens.

Doch sie reichte Naoe nicht. „Und weiter?“, fragte dieser stirnrunzelnd.

„Und dann hat er ihn gerettet und nach Tokyo zurückgebracht.“ Wieder ließ er einen Großteil dessen aus, was anscheinend geschehen war und fand eine gute Basis zwischen Halbwahrheiten und Auslassungen – befand er. Naoe jedoch schien da anderer Ansicht zu sein.

„Und weiter?“

„Nichts und weiter.“

Der Schwarz lachte trocken. „Du bist kein guter Lügner, Tsukiyono. Sicherlich hat dich Oracle nicht für „nichts und weiter“ fast zu Tode geprügelt.“
 

Die so nonchalant dahingeworfenen Worte verschlugen Omi die Sprache. Kein Ton wollte seinen Lippen entkommen, kein Fluch und keine Beleidigung. Stumm stand er da und starrte Prodigy ins ausdruckslos Gesicht. Hatte er einen besseren Beweis für den Charakter des Schwarz als diese mit einem inhärenten Lächeln ausgesprochenen Worte, die verharmlosten, was passiert war? Sollte Omi vielleicht auch noch dankbar dafür sein, dass er nur wieder und wieder geschlagen worden war und nicht gleich umgebracht?

Worte ballten sich unter seiner Zunge und drängten danach, heraus zu kommen. So wie bei Crawford auch war es unbändige Wut, die ihn erfasste und die seine Angst auslöschte. Cholerische Wut, die Naoe anschreien und schlagen wollte, ohne Sinn und Verstand.
 

Die Möglichkeit bestand für ihn nicht, also nutzte sein gequälter Geist das, was für ihn am Greifbarsten war.
 

„Nein, dafür nicht, Prodigy. Aber dafür, dass ich ihm an den Kopf geworfen habe, was wirklich mit ihm passiert ist und was er sich anscheinend nicht eingestehen wollte. Denn augenscheinlich war ich nicht der Einzige, der mit dem Feind geschlafen hat. Dein ach so herrisches Orakel hat sich nämlich von dem Menschenhändler ficken lassen müssen und genau davon hat Aya ihn befreit. Lasgo hat deinen allmächtigen Anführer als Sexsklaven gehalten, Naoe. Ist dir DAS jetzt Wahrheit genug?“, spuckte und spie er dem jungen Schwarz das vor die Füße, was verletzen sollte, was die eiserne Beherrschung und Überlegenheit in dem Telekineten zerreißen sollte.
 

Klug war das nicht, ganz und gar nicht.
 

Wieder kehrte Ruhe zwischen ihnen beiden ein und tauchte den Raum in eine geladene Stille. Nur dass es dieses Mal nicht Omi war, der entsetzt auf die gesprochenen Worte reagierte, sondern Naoe, der ihn mit weit aufgerissenen Augen anstarrte, während ihm jede Farbe aus dem Gesicht wich und seine Hände sich zu Fäusten ballten. Nein, es war nicht klug, einen Telekineten zu verstören, der ihm auch dazu noch ganz und gar nicht freundlich gesonnen war.

„Du lügst“, flüsterte Naoe, doch die Unsicherheit in seiner Stimme betrog die Kälte in den Worten. „Du lügst!“, wiederholte er, als könne er es dadurch unwahrer machen. Omi schnaubte und ging zu seinem Schreibtisch. Wortlos riss er die Schublade auf und warf Naoe den Umschlag auf das Bett.

„Sieh hin“, zischte er. „Das sind die Fotos. Sieh sie dir an und beantworte dir die Frage.“
 

So zittrig, wie der Andere vor ihm stand, so zittrig erhob sich nun auch der Umschlag und wurde von unsichtbaren Fäden in die Hände des Schwarz gelegt, der zögerlich, beinahe widerstrebend die Bilder aus dem Umschlag nahm. Schweigend ging er sie durch, Bild für Bild sezierte er. Omi beobachtete ihn dabei und stellte fest, dass das mühevoll unterdrückte Entsetzen in den Augen des Schwarz nicht gespielt war. Er sah den Puls in der Halsschlagader pochen, er sah die verkrampften Hände und er spürte, wie die Luft zwischen ihnen flirrte.
 

Naoe hatte nichts davon gewusst. Weder von den Bildern noch von dem berechtigten Verdacht, den Weiß hatte, das erkannte Omi nun und fand sich in dem Moment mehr in Naoe wieder als er es wahrhaben wollte.
 

Mit Vorsicht nahm er zur Kenntnis, dass der Telekinet die Bilder wieder sorgsam in den Umschlag steckte und ihn in die Schublade zurückschweben ließ, die sich ordentlich und leise schloss. Die Ordnung, die dieser Handlung innewohnte, gruselte Omi mehr als es der ruhige Blick jemals konnte, der sich nun auf ihn richtete und ihn schweigend, aber durchdringend maß. Es war Omi, der das Schweigen zwischen ihnen brach.

„Warum hat euer Anführer Aya entführt?“, fragte er ins Blaue hinein und sah anhand der Reaktion des Telekineten, dass er ins Schwarze getroffen hatte. Der dunkle, wütende Schatten, der über die Züge des Anderen huschte, war ihm Antwort genug auf seine Frage.
 

Doch eine Antwort erhielt er nicht und anstelle dessen drehte sich Naoe von ihm weg. Schweigend trat er zu dem Balkon und wollte das Zimmer verlassen. Omi griff ein weiteres Mal nach ihm, doch dieses Mal drängte ihn die unsichtbare Kraft zurück, bevor er Hand an Naoe legen konnte.

„Fass mich an und ich verteile dich in kleine, mundgerechte Häppchen in deinem Zimmer“, drohte Naoe Omi mit einer Stimme, die dem Weiß das Blut in den Adern gefrieren ließ.

Doch der Drohung folgte nichts. Naoe sah auf seine Armbanduhr und ging einfach, ließ Omi mit tausend Fragen zurück, auf die er vermutlich niemals eine Antwort bekommen würde. Doch wenigstens lebte er, wie ihm sein schnell schlagendes, flattriges Herz unmissverständlich mitteilte.
 

Wenigstens das, auch wenn er retrospektiv betrachtet keine Gelegenheit ausgelassen hatte um dem Telekineten einen Grund zu geben, ihn umzubringen.
 

~~**~~
 

Sterile, weiße Wände hatten schon immer etwas Anziehendes und Beruhigendes auf ihn gehabt. Mochte es daran liegen, dass er selbst noch nie längere Zeit im Krankenhaus verbracht hatte, schon gar nicht bettlägerig. Mochte es der Geruch von Desinfektionsmitteln sein oder die Ruhe, die ihn sich sammeln ließ und die seine Gedanken von den weitläufigen Geschäften und zwangsläufig damit verbundenen kleinen und großen Zwistigkeiten abkehrten und sie auf ein Ziel lenkten.

Auf das einsame Zimmer am Ende des Ganges zum Beispiel. Fast schon ein wandelndes Klischee war das, ebenso wie die Leichtigkeit, mit der er das Gebäude betreten hatte. Alles, was er dazu benötigte, waren ein gefälschter Ausweis, eine gefälschte Zutrittskarte und eine gute Perücke.
 

Er lachte in sich hinein. Nein, ganz sicher Klischee, aber es änderte nichts an der Tatsache, dass sie dort lag, dort für die nächsten Wochen liegen würde, bevor man sie in irgendeines der Rehabilitationszentren entließe, wenn sich die Beweise gegen sie nicht derart erhärteten, dass ihre Organisation ihr wegen Verrats eine Kugel durch den Kopf jagte und ihre Leiche anonym verbrennen ließ, als wäre sie nie auf der Welt gewesen.
 

Lasgo grinste.
 

Er wäre zu gerne dabei gewesen, als der Verrückte von Schwarz sie angeschossen hatte, ohne sie damit direkt umzubringen. Erstaunlich eigentlich, aber amüsant. Alles nur, um seinen Anführer zu rächen, den er leicht auf den ihm vorgesehenen Platz gezwungen hatte. Crawford, wie er jetzt war, war sein Werk und seine Schöpfung. All die Angst, die Verzweiflung, die Anstrengung, sich wieder ins tägliche Leben einzugliedern und das hinter sich zu lassen, was geschehen war, all die Wut und der Zorn, all das gehörte ihm und er hatte es mit seinen eigenen Händen erschaffen. Durch ein paar einfache, psychologische Tricks. Hier ein wenig Gewalt, da ein wenig mehr Demütigung, eine Prise Schmerz und haufenweise in den Staub getretener Stolz.
 

Birman war ihm da eine willkommene Komplizin gewesen, die mit ihrem Handeln den letzten Tropfen hinzugefügt hatte in dem überquellenden Fass zur Zerstörung des Anführers von Schwarz. Eine attraktive, junge und ehrgeizige Frau, bei der es gar nicht mal so viel gebraucht hatte um sie auf seine Seite zu ziehen.

Er hatte sich gerne mit ihr umgeben, doch eine wirkliche Bindung zu ihr verspürte er nicht. Ihm dürstete es nach dem Mann, den er hatte entkommen lassen…vorerst. Nach dessen wohlgeformtem Körper, der wie pure Sünde schien und der durchaus süchtig machte in seiner Art des Widerstandes, den er aufbrachte. Der, der ruchlos die ihm gestellten Aufgaben erfüllte und dennoch so hilflos und ahnungslos war wie ein blindes Kind.
 

Doch seine Gedanken sollten sich nicht um Crawford drehen, auch wenn er gerade jetzt Lust darauf verspürte, ihn wieder in sein Bett zu holen und sich an der widerwilligen Lust des PSI zu laben. Aber für den Schwarz würde er sich noch lange genug Zeit lassen können.

Lasgo ließ seine Erinnerungen zu Birman zurückkehren. Er hatte sie kennengelernt und sich ausreichend Informationen über sie geben lassen und über die vielfältigen Möglichkeiten sinniert, die sich ihm mit ihr boten. Ihr unterschwelliger Hass auf die Hilflosigkeit von Kritiker war ein guter Ansatzpunkt gewesen. Ihre Unzufriedenheit mit dem nach Gerechtigkeit gierenden, rothaarigen Mann. Ihre absolute Verachtung für Crawford selbst, der für sie das pure Böse darstellte, wie er Takatoris Bruder immer und immer wieder vor den Zugriffen von Kritiker schützte. So simpel und doch so einfach war es gewesen, diese Punkte zu erkennen und zu nutzen und sie für seine Zwecke einzuspannen.
 

Für ihre Zwecke.
 

Sie war seine Dame gewesen, die er bereit war zu opfern um das Spiel zu gewinnen. Doch das bedeutete noch lange nicht, dass er nun im Nachteil war, ganz im Gegenteil. Die besten Partien gewann man ohne die Dame, nur mit den unberechenbarsten aller Figuren.

Lasgo drückte die Klinke hinunter und öffnete die Tür. Er warf einen Blick auf die armselige Gestalt auf dem Bett. Sie hatte wahrlich ihren Teil erfüllt. Gute Dienste, doch nun unbrauchbar und ein scheußlicher Anblick.

„Birman, meine Liebe“, grüßte Lasgo sie mit einer charmanten Verbeugung und hob die Augenbraue. Schmerzerfüllt richtete sie ihren Blick auf ihn und überrascht weiteten sich ihre Augen.

„Lasgo? Was tust du hier?“, presste sie mühevoll hervor und er kam zu ihr. Beruhigend strich er ihr über die erhitzte Haut. „Der verrückte Ire war das. Er hat mir… in den Buach geschossen…“
 

Lasgo lächelte. Das weiß ich schon, antwortete er in Gedanken. Das weiß ich alles schon längst.
 

~~**~~
 

Crawford sah von seinen Auftragsunterlagen auf, die er am heutigen Tag erhalten hatte, als sich ein Grollen durch die Stille des Raumes zu ihm trug, das unzweifelhaft von dem Mann stammte, der seit seinem Erwachen vor zwei Tagen nicht dazu zu bewegen war, seine Aufmerksamkeit auf etwas Anderes als auf das Schachbrett zu richten, an dem sie beide erst eine, dann zwei und schlussendlich drei Partien gespielt hatten und der Weiß mit seiner chaotischen Spielweise Crawford klar an seine logischen Grenzen gebracht hatte.
 

Nicht nur damit, denn so zuverlässig, wie der Mann, der gerade mit dem Rücken zu ihm saß, seine Visionen katalysierte, so zuverlässig verhinderte er auch, dass Crawford Fujimiyas eigenes Handeln voraussagen konnte, was ihm in den letzten beiden Tagen mehr Aufwand als Nutzen eingebracht hatte.

Insbesondere dann, wenn es darum ging, den trägen Geist, der sich immer noch in der Heilungsphase befand, zu etwas zu bringen, was dieser nicht wollte. Drohungen? Hatte er vergessen können. Fujimiya besaß weder die Angst noch die Weitsicht, diese Drohungen als solche wahrzunehmen, sonst würde er nämlich nicht schon wieder hier sitzen. Oder sich abends, wenn Crawford noch über seinen Unterlagen gesessen hatte, in sein Bett geschlichen haben. Oder ohne jede Scham ihren Kühlschrank geplündert haben in wiederholten Fresstattacken.

Befehle? Da konnte er auch gegen eine Wand reden und so musste er warten, bis er wieder bei altem, klaren Verstand war und so mit Crawford kommunizierte, wie dieser es von ihm gewohnt war.
 

Dazu zählten sicherlich keine sinnlos in eine Konversation eingeworfenen Sätze und Bemerkungen, die Schuldig ein hämisches Lachen nach dem anderen entlockten und Jeis Interesse für den Weiß erweckten. Crawfords einziger Trost war dabei, dass er dem Telepathen verboten hatte, einen Abstecher in die Gedankenwelt des Weiß zu machen. Viel zu gefährlich war zum jetzigen Zeitpunkt der Heilung en weiterer Eingriff in dessen Gedankenwelt, so minimal der auch war. Was Jei anging, so amüsierte es Crawford wiederum, dass Fujimiya selbst für ihn in den letzten beiden Tagen ein unerklärliches Mysterium blieb, ganz zur Unzufriedenheit des Iren selbst.
 

Trotz der gegenseitigen Schadenfreude waren die Spannungen, die insbesondere zwischen Schuldig und ihm geherrscht hatten, abgeebbt und Crawford hatte das untrügliche Gefühl, dass es mit ihrem Gespräch von vor sechs Tagen zu tun hatte. Seine Überraschung hätte nicht größer sein können, dass Schuldig ihm nicht mit Spott und Hohn über seine Schwäche begegnet war, sondern mit…Unterstützung. Loyalität, die er niemals von Seiten des Telepathen erwartet hatte. Seine Schwäche hatte zu Verständnis geführt, Fujimiyas Erinnerungen zu einer Entspannung der Lage, deren Ausmaß er nicht vorhergesehen hatte. Es ließ ihn schlafen, wenigstens ein paar Stunden in der Nacht. Es schenkte ihm tagsüber die Ruhe, die er brauchte um zu planen und sich auf seine Visionen zu konzentrieren.
 

Crawford speicherte seine Recherchen auf ihrem Server und verfügte sie zur Weiterbearbeitung an Nagi, damit dieser sie auswerten konnte, wenn er von seinem unsinnigen und gefährlichen Stelldichein mit dem Weiß zurückkehrte Natürlich hätte er es sich denken können, dass eben dieser jedes Mittel wählen würde, seinem verzweifelten Rachedurst und unleugbarem Takatorierbe eine Stimme zu geben und Nagi mit einer Wahrheit belasten würde, die dieser nur schwerlich verkraftete. Crawford knirschte mit den Zähnen. Die Krux war, dass Nagi, egal, welchen Weg der Zukunft er gewählt hätte, davon erfahren hätte. Crawford hatte sich die zeitlich naheliegendste aller Möglichkeiten entschieden, weil es nichts brachte, es weiter hinauszuzögern. Die Schadensbegrenzung auf diesem Weg würde die am Leichtesten zu bewältigende sein, so bitter es für den Telekineten auch war.
 

Mit Tsukiyono selbst würde er aber ein langes, ausführliches Gespräch führen, wenn all ihre Aufgaben hier erledigt waren.
 

Ein Geräusch ließ Crawford aufsehen. Fujimiya hatte sich zu ihm umgedreht und der Blick hatte wenig Ähnlichkeit mit den nachdenklichen, in die Ferne gerichteten Augen der letzten beiden Tage. Scharf und missbilligend lag die Aufmerksamkeit des anderen Mannes auf ihm, gewohnt, doch im ersten Moment irritierend.

„Du hast es angeordnet“, stellte die nunmehr wieder ablehnende Stimme in den Raum zwischen sie beide und Crawford fragte sich, wann in den letzten vier Stunden, in denen der Weiß mit sich selbst Schach gespielt hatte, dieser wieder zu seinem alten Ich zurückgefunden hatte, ohne dass es Crawford gemerkt hatte.
 

„Ich habe keinen Sinn für Ratespielchen, Fujimiya. Drücke dich klar aus“, legte Crawford all sein Missfallen über die letzten beiden Tage in seine Worte, gab seiner beinahe schon hilflosen Frustration über dessen unsinniges Verhalten eine Stimme, die sich nun über den Weiß ergoss.

„Dass er in meinen Geist eindringt.“ Wieviel Hass doch in einem kleinen Wort wie er liegen konnte. Dort, wo er Schuldig vorher unterstellt hatte, dass dieser zu gut gearbeitet hatte, fragte Crawford sich nun, ob der Telepath die Erinnerungen des Weiß überhaupt gedämpft hatte, wie er es ihm befohlen hatte.

„Selbstverständlich habe ich das“, erwiderte er ruhig, die Genugtuung, die hinter den Worten lauerte, sorgsam verborgen.

Fujimiya schnaubte. „Also hast du ebenso autorisiert, dass er mich bricht, falls ich ihn nicht freiwillig hineingelassen hätte? Das und die Methoden, die er dafür gewählt hätte?“

Crawford ließ ein minimales, stummes Hochziehen seiner Lippen die Antwort auf diese Frage sein. Zunächst. Ihm war nicht danach, die Worte richtig zu stellen.

„Das ist widerlich.“ Pure Verachtung verließ die Lippen des Weiß und Crawford nickte bedächtig. In Ruhe schloss er auch die anderen Ordner auf seinem Rechner und speicherte die notwendigen Daten, bevor er ihn herunterfuhr.

„Gerade du solltest wissen, was es bedeutet“, wurde er weiter mit Vorwürfen bombardiert und mit dem erlischenden Bildschirm erhob Crawford sich. Unweit von Fujimiya blieb er stehen und sah auf seinen Gast hinunter. Ein billiger Trick an Dominanz, doch sehr wirkungsvoll, wie er jetzt feststellte, so wie sich Fujimiya anspannte und den Nacken verrenken musste, um zu ihm hoch zu sehen. Geschah dem selbstgerechten Weiß recht.
 

„Gerade ich weiß, was es bedeutet, da hast du Recht, Abyssinian. Und gerade du weißt, was es bedeutet, damit zu drohen“, setzte er nach einer kleinen Pause hinterher und erlebte mit Freuden, wie sich die Gesichtsfarbe des sitzenden Mannes in einer Rekordzeit von der normalen Blässe in ein tiefes, dunkles Rot verfärbte. Mit Genugtuung beobachtete Crawford die unter der Haut schwelenden Emotionen, die ihre Grenze an zusammengepressten Lippen fanden, die bloß nicht herauslassen wollten, dass ihr Besitzer nicht einen Deut besser war als diejenigen, die er jagte.

Das war deine Rache für mein Tun?“, presste Fujimiya schließlich hervor und Crawford neigte den Kopf.

„Unter anderem.“

„Nur, dass er es getan hätte, wenn ich mich nicht dafür entschieden hätte, ihm freiwillig Zugang zu gewähren.“ Der Weiß machte es ihm aber auch einfach, befand Crawford und runzelte die Stirn.

„Wenigstens hat er dir eine Wahl gelassen“, konterte er scheinbar nonchalant und die Schuld, die er in Fujimiyas Augen fand, ließ diesen auch körperlich zurückzucken. Sie wussten beide um das, was geschehen war und dass es lediglich Fujimiyas überpräsente Schwester gewesen war, die ihn vor Schlimmerem bewahrt hatte. Schuldigs – auch noch – leere Drohung würde in ihm kein schlechtes Gewissen hervorrufen. Dass Schuldig Fujimiya so zugesetzt hatte, ebenfalls nicht.
 

Wie es schien, kam auch der Weiß zu dem Schluss. Nach und nach verschwand die Wut in den Augen, machte einem Ausdruck Platz, den Crawford nach endlosen Sekunden des gegenseitigen Schweigens als widerwillige Akzeptanz identifizierte.

„Quid pro quo, also?“, fragte Fujimiya schließlich und Crawford lächelte dunkel. Er trat soweit zurück, dass der Weiß ohne Probleme von seiner Position am Schachbrett zu ihm aufsehen konnte.

„Ich nehme an, dass du wieder bei Verstand bist, wenn du mir Vorwürfe machen kannst und anschließend in der Lage dazu bist, dir deine Fehler einzugestehen. Damit ist deine Schonzeit vorbei und ich erwarte, dass du dich zusammen mit Prodigy in deinen ersten Auftrag einarbeitest“, wich Crawford der Frage des Weiß aus und legte eine angebrachte Kälte in seine Worte. Als dieser keine Anstalten machte, ihm darauf zu antworten, deutete er gönnerhaft in Richtung Tür.

„Nach dir, Abyssinian. Es gibt Abendessen und wie du dich sicherlich daran erinnerst, hast du in diesem Haus häusliche Pflichten.“
 

Anscheinend war die Erwähnung von Essen das Codewort, was es brauchte, um Fujimiya zum Aufstehen zu bewegen. „Ich kann gerne für euch kochen, wenn du schon so fragst“, trugen sich ironische Worte zu ihm. Crawford hob die Augenbraue und vergrub die Hände in seinen Hosentaschen. Er würde es nicht zugeben, aber die bissige Seite des Weiß war ihm lieber als der bekiffte Vielfraß der letzten Tage.

Crawford schnaubte. „Netter Versuch, uns umzubringen, Weiß. Der Herd ist für dich tabu. Du kümmerst dich um den Rest. Abwaschen, wenn du weißt, wie das geht“, spiegelte er Fujimiya dessen Worte, die er an ihn gerichtet hatte in dem kleinen, alten Apartment. „Selbstverständlich wartet keine Tasche auf dich“, setzte er nach, weil er einfach Lust dazu hatte und kam nicht umhin, sich zu fragen, wie hell die violetten Augen vor Wut noch werden konnten. Er war versucht, es herauszufinden.
 

Nach dem Abendessen, beschloss Crawford, denn mit seinen Visionen war auch sein Appetit zurückgekehrt.
 

~~**~~
 

Aya folgte Crawford, wenn auch widerwillig, in die Küche der Schwarz, die für ihn eingedenk der letzten Begegnung mit Schuldig nur schlechte Erinnerungen bereithielt. Aya schauderte unterdrückt, als er in seinen Erinnerungen sich selbst am Boden liegen sah. Vor wie vielen Tagen war das gewesen, dass der Telepath ihn erst in den Keller gezerrt und dann…

Er würgte die seltsam gedämpfte Erinnerung an die Erlebnisse dort ab und kam damit unweigerlich auf eine Frage, deren Antwort ihm offen gestanden Angst machte. Wie würde es sein, wenn Schuldig nun Zutritt zu seinen Gedanken hatte? Wie würde es sich anfühlen und vor allen Dingen: war er dem Spott und dem Sadismus des Schwarz gewachsen? Er wusste es nicht.
 

~Dann ist es wohl höchste Zeit, das herauszufinden.~
 

Brachial zuckte Aya zusammen und sah im Augenwinkel, wie das die Aufmerksamkeit des Orakels errang. Doch das schien unwichtig im Angesicht des Unmöglichen. Unzweifelhaft war es Schuldig und ebenso ohne Zweifel war dieser mit seiner Kraft in Ayas Geist eingedrungen. Ayas Puls schnellte in die Höhe und er erwartete jede Sekunde, wieder unter dem reißenden Schmerz, den der Telepath in ihm verursacht hatte, zusammen zu brechen, doch nichts geschah.

Nicht in den ersten Sekunden. Nicht in der Zeit danach. Doch Schuldigs Eindringen war zu einfach und zu schmerzlos gewesen um wahr zu sein und Aya verharrte in Erwartung eines neuen Schlages.
 

Aber da war nichts außer dem ungewohnten Gewicht einer anderen Präsenz in seinem Kopf, dem leichten Kitzeln hinter seinen Schläfen, dem beinahe unmerklichen Druck.

~Da wird auch nicht mehr kommen, es sei denn, ich möchte es so~, mischte sich der Verursacher in seine Überlegungen ein und misstrauisch wog Aya dessen Worte…Gedanken?... ab. Sicherlich konnte er Schuldig nicht vertrauen, aber was für eine Wahl hatte er denn? Wollte er ab jetzt für immer in Angst und Schrecken leben, ob Schuldig sich seiner bemächtigen würde?

~Wenn es nach mir ginge, würdest du das, für das, was du gewagt hast zu tun~, erwiderte Schuldig und Aya wurde mit seinen eigenen, schambehafteten Erinnerungen an das, was er Crawford beinahe angetan hätte, konfrontiert.
 

Ohne Gnade ließ Schuldig ihn das sehen und erleben, was er seinem Anführer angetan hatte, gerade so, als wären die Erinnerungen in messerscharfer Qualität konserviert worden. Für die ersten Momente ertrank Aya in dem, was Schuldig ihm aufzwang, er ging unter der Schuld und der Scham, doch dann war da etwas Anderes.

Aya verstand, was Schuldig tat. Er wandte sein schlechtes Gewissen, seine Scham gegen ihn. Doch so sehr er beides auch für seine Taten gefühlt hatte und immer noch fühlte, so wenig würde er zulassen, dass der Telepath der Omi gefoltert hatte, ihn damit zerstörte. Also griff er nun seinerseits zu der Waffe, die er hatte: Wut, unbändige Wut.

Wut auf den Telepathen, die ihn vor dem Untergang rettete. Er hielt Schuldig entgegen, was Omi ihm erzählt hatte. Wort für Wort holte er hervor und schleuderte es gegen Schuldigs Versuch an, ihn ertrinken zu lassen. Er ließ ihn jede Träne seines Taktikers sehen, jedes geflüsterte Wort, was dieser hervorgepresst hatte, bevor Kritiker ihn mitgenommen hatten.
 

Abrupt hörte der Ansturm der schlechten Erinnerungen auf und Aya atmete erleichtert durch.

~Was glaubst du, was du da tust, Weiß?~, fragte Schuldig lauernd mit eiskalten Hass in der gedanklichen Stimme und Aya grollte.

~Glaube ja nicht, dass ich als Einziger hier Schuld auf mich geladen habe. Für das, was du Omi und vor ihm dutzenden anderen Unschuldigen angetan hast, verdienst du die Hölle.~

Ein Lachen geisterte durch Ayas Gedanken und dessen Widerhall kratzte widerwärtig an den Innenseiten seines Schädels.

~Oh ja, das tue ich. Aber im Gegensatz zu dir gestehe ich es mir ein, Fujimiya. Das macht dich zu einem bigotten Lügner und mich zu einem ehrlichen Sadisten. Was hat wohl mehr Wert, wenn wir uns da unten wiedertreffen?~

~Als wenn meine Tat mit deinen…~
 

„Es reicht.“
 

Die Worte des Amerikaners waren noch nicht einmal laut ausgesprochen, im Gegenteil. Leise und mit Bedacht standen sie zwischen Schuldig und Aya im Raum und beendeten den gedanklichen Disput mit einer Forderung nach Gehorsam und einem Versprechen an Gewalt, das Aya zum ersten Mal erkennen ließ, warum jemand wie Crawford mit einer wenig brutalen Gabe unangefochtener Anführer eines solchen Team war.

Ein Blick in die hellen, stechenden Augen des Orakels sagte Aya nichts Anderes. Er war gewarnt worden, einmal. Eine zweite Warnung würde es nicht geben.
 

Interessanterweise schwieg auch Schuldig, der, so sah Aya jetzt, unweit von ihm in der Küche stand und ihn nun unverhohlen hasserfüllt musterte.

„Wenn unser Anführer deinen nutzlosen Schwertarm nicht mehr wünscht, Abyssinian, werde ich dich dazu zwingen, dich selbst mit deinem Katana aufzuspießen, langsam und genüsslich.“

„Schuldig“, erhielt der Telepath seine zweite Warnung und Aya begnügte sich mit einem Blick in die eisigen, blauen Augen.

Komm und versuch es, du unfähiges Stück Dreck, dachte er sich im Stillen und empfand eine seltsame Befriedigung dabei, dass es eben nicht im Stillen war, sondern dass Schuldig seine Gedanken ganz genau lesen konnte.
 

„Das Geschirr, Fujimiya“, erinnerte ihn Crawford an seine täglichen Sklavenarbeiten und Aya wandte sich dem Anführer von Schwarz zu. Ein freudloses Schmunzeln lag auf seinen Lippen, insbesondere jetzt, da auch noch der Jüngste von Schwarz die Küche betrat und ihn einen Moment lang zu intensiv maß, als dass Aya sich nicht unwillkürlich fragte, was in dem Kopf des Telekineten gerade vor sich ging und was er in ihm sah.
 

„Natürlich Crawford. Welches darf es denn sein?“

Das Orakel hob die Augenbrauen. „Das Weiße.“
 

Aya brachte alles auf, was er an Disziplin und innerer Beherrschung zu bieten hatte, um seine Mimik auf Ausdruckslosigkeit zu schulen, seinen Stolz hinunter zu schlucken und dem Befehl des Schwarz zu folgen.
 


 

~~~~~~~

Wird fortgesetzt.


Nachwort zu diesem Kapitel:
:D Tadaa, das ist er wieder. Faule Tomaten, anyone? Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2019-01-25T19:01:47+00:00 25.01.2019 20:01
+reinpurzel+ Kawamm! :D

Hach, allein, wenn ich schon lese, dass es noch 400 Seiten sind, hüpft mein Herz *_* Ich freu mich über jede einzelne, auch wenn mir Hasenfuß manche Szenen einfach nicht schmecken können xD (Btw, einmal wöchentlich ist eigentlich ein ziemlich entspannter Rhythmus … sonst kommen wir doch alle mit dem Lesen gar nicht mehr nach! :D So sehr ich auch am liebsten alles auf einmal verschlingen würde, aber … nein, Vorfreude ist auch etwas Feines :3)

Mhwaah … Dinge, die jetzt noch nicht offensichtlich sind, so, so … :D ich reibe mir die Hände und harre der Dinge, die da noch kommen werden! Du überraschst mich eh immer, da bin ich doppelt und dreifach sicher, dass da ganz viel Tolles dabei sein wird *_* Das Chibi-Pairing hab ich jetzt auf dem Schirm … im Hinterkopf. Vorne ist leider (leider? Niemals! xD) alles mit Brad x Aya belegt, die beiden haben es sich da bequem gemacht und scheinen mich immer gern mitfiebern und leiden zu sehen, hehe. (Der Gedanke an eine einseitige Bindung macht mich gerade etwas traurig :< stell dir vor, Brad wäre das „passiert“ – und Aya kann/will das gar nicht erwidern, wenn die mal soweit sind :O ahh … nein, nein, nicht zu viele Sorgen machen …) Deine Idee zu Aya-chan klingt btw gut – das wäre vielleicht sogar ganz cool, wenn sie mal nicht die komatöse Passivität in persona wäre, sondern zumindest zeitweise nochmal einen Teil im Leben ihres Bruders darstellt – wobei dem sicher das Herz brechen würde, würde sie sich von ihm abwenden, oder? Andererseits ist sie auch schon so ewig im Koma … und er hat sein Leben für sie ohnehin schon weggeworfen (das klingt jetzt irgendwie fataler, als es sollte xD).

Maginisha hatte mir neulich den Link (etwas weiter unten hier im Blog) zu einem LJ gegeben und ich habe mir Schwarz I und Schwarz II erstmal durchgelesen, dann nach den Hörspielen gesucht und nochmal mitgelesen. Ich mag die Seiyuus doch sehr … die Story, naja, schwierig, aber WK ist ohnehin so ein Fandom, bei denen gute Fanfics viiiel besseren – und nachvollziehbareren, durchdachteren! – Plot haben als der Canon selbst xD Ich hoffe, ich hab jetzt keine falschen Hoffnungen geweckt; ich meinte „nur“ die Übersetzungen zur den Hörspielen ^^'

Schuldig hab ich mir btw geklaut. Ausgeliehen. Dauerhaft. *_* Ich hab ihn schon immer unheimlich gern gemocht, aber du pellst hier noch die eine oder andere Seite hervor, die ihm nicht nur sehr gut steht, sondern ihn noch liebenswerter (oh ja, das Attribut gönn ich ihm jetzt mal xD) macht :D Der King of Scheißigkeit will es nicht hören … aber wenn er meckert, stecke ich ihn wieder in seine DHL-Uniform. Mit Mütze! xD Ich freue mich jetzt jedenfalls auf das neue Kapitel und bin wie immer gespannt, was passieren wird :o Endlich kann ich mal wieder lesen und direkt schreiben und nicht erst Stuuunden hinterher kommentieren, weil ich meine Neugier nicht mehr im Zaum halten konnte. (Gestern war ich einfach nur zu müde. Dieses Praktikum … saugt mich aus :'D)

Omi und die Rückkehr ins Koneko – und ich musste sofort wieder an die Fenster denken … xD verzeihst du mir das? Omis Angst vor Schwarz finde ich unheimlich spannend; du hast die wieder so leise und fingernägelkauend erwähnt, dass man geneigt ist, sie einen Moment zu vergessen – und dann schnappt die Falle zu und Albtraum und Angst sind wieder da. Ich mag die Überlagerung Schuldig-Youji, auch wenn sie so bitter ist … vor allem ist das interessant, weil Youji ja auch immer noch einen Teil der Informationen, die er hat, nicht teilt, was ihn wiederum auf diese sehr unangenehme Art undurchsichtig macht – und das kann man in einem Team, vor allem in dieser Situation, eben einfach nicht gebrauchen. (Wobei ich immer wieder – jetzt ausnahmsweise mal nicht nur gedanklich xD – anmerken muss, wie viel mehr TEAM tatsächlich in Schwarz als in Weiß steckt, mmh~) – whoa, Nagi! Ich hab mich mit Omi erschreckt xD Da ahnt man nichts Böses und liest einfach weiter und – zack! Ist Nagi durchs Fenster gekommen? Aahh, Fragen über Fragen! xD Meine Herren, was für ein Auftritt … er ist aber auch ein kleiner Creep, wenn er (oder du?! 8D) will, oder? Ich hab hier beim Lesen wirklich die Luft angehalten, und war so erleichtert, als Nagi nur nach seinen Klamotten gefragt hat – du hast mir vielleicht wieder einen Schrecken eingejagt … aber das liebe ich ja auch so an deiner Geschichte :3 Viel Liebe btw für Omis Feststellung, dass Nagi sowas wie ein Privatleben haben könnte. Ich mag es so sehr, dass die Jungs lernen, sich gegenseitig auch mal als das zu sehen, was sie sind – nämlich Menschen. Du erweichst mein Herz wirklich für Omi, und ich muss gestehen, dass mir die Ich-versenk-ungelenk-meinen-Blick-in-mein-Getränk-Masche, wenn mich was auf dem falschen Fuß erwischt oder ich kurz vorm Weinen bin, sehr, sehr (unangenehm ^^') bekannt vorkommt; Nagis Gegenfrage auf Omis Sex-Absage war dann aber der Eisbrecher xD oh ja, die beiden könnten mir zusammen wirklich gefallen, hihi. (Oh Lord, Nagi ist wirklich durch das Fenster gekommen! xD Ich freue mich gerade so sehr!) – holy moly … das habe ich jetzt gerade verschlungen, und zwar mit heftig klopfendem Herzen. Nagi weiß es nun also auch … brrr, du hast mich so gefangen genommen, dass ich mich gerade erstmal ordnen muss. Eine tolle, wahnsinnig eindringliche Szene! Meine Herren, wo ist das Sauerstoffzelt …

… hier nicht, denn hier ist Lasgo. Oh Mann. Wie sehr habe ich ihn n i c h t vermisst? xD Er ist so widerlich, so gefährlich, so verdammt gruselig, und sehr ich Angst vor seiner Screentime habe, so sehr muss einem (mir? xD) die Gefahr durch ihn doch wieder ins Gedächtnis gerufen werden. Coco, Lasgo ist so furchtbar. Ich kann dir kein anderes Kompliment für einen Antagonisten machen als das, und das muss einfach raus. Effektiv macht Lasgo hier ja nichts – aber seine bloße Anwesenheit und das Wissen um seine Boshaftigkeit sind einfach genug, um aus ihm, selbst wenn er nur diesen Flur hinuntergeht, wieder das Monster zu machen, das er ist. Mal schauen, wie das mit den beiden noch weitergeht, wenn Lasgo Birman überhaupt leben lässt? Schwierig. Vielleicht bewahrt er sie sich doch noch auf, so eine Dame ist für den einen oder anderen Zug doch verdammt nützlich, aber auch vom Bauern kann sie geschlagen werden, hehe.

Ahh, Rettung naht! xD Siehst du, bei Ayas chaotischer Spielweise ist mein Lächeln zurückgekehrt :D Über Farfarello, der aus Aya nicht (mehr) schlau wird, musste ich auch grinsen … hach ja, da haben sich ja auch zwei gefunden. Dass Brad vorhergesehen hat, dass Nagi sich seine Informationen bei Omi holt, ist spannend – zumal das ja der am „angenehmsten“ zu händelnde Weg gewesen sein soll. Je nach dem, wie da die Folgen aussehen, wenn die zwei wieder aufeinandertreffen, bleibt natürlich die Frage, wie viel schlimmer die anderen Varianten gewesen wären xD Brad und Aya sind zusammen einfach nur herrlich. Ich liebe dieses Gekeife, das aber nie die Grenze zum Lächerlichen überschreitet, sondern – in meinen Augen – zu den beiden passt und bei dir so wunderbar authentisch ist. Der bissige Aya ist mir btw auch lieber, der andere war so … so un-Aya :D an dieser Stelle auch nochmal eine Tonne Kudos für deinen Brad. Ich habe das Gedankenspiel von Schuldig und Aya so genossen, dass ich mich direkt ertappt gefühlt habe, als Brad das Ganze beendet hat xD dass Nagi jetzt auch wieder auf den Plan tritt, uhh … das könnte unter Umständen zu atmosphärischen Spannungen beim Essen führen – auf Brads Vorhaben zum Dessert bin ich ja auch gespannt. Aya und er haben so eine tolle Dynamik, ich könnte den beiden ewig zuhören (zu...lesen? xD)!

Die faulen Tomaten nehme ich übrigens mit. Schuldig trägt den Eimer, damit niemand auf die Idee kommt, die noch nach dir zu werfen :o

Das Kapitel war großartig! *_*v
Von:  Meggal
2019-01-24T22:05:14+00:00 24.01.2019 23:05
Hui,

nee, ich serviere dir hiermit frischen Tomatensalat mit extra Basilikum!
Ich war bisher ja immer nur stille Mitleserin, aber ich melde mich und sei es auch nur, um dir die Angst vor ner Tomatendusche zu nehmen ;)

Rechtschreibung und Grammatik top!
Geschichte: aargh! Ein Auf und Ab der Gefühle und eine Woche ist natürlich viel zu lang zum warten! Ich bin gespannt, wie es sich weiter entwickelt.

Bei Lasgo wird mir immer kalt und übel, ich will gar nicht wissen, was er noch vorhat^^'

Guten Gruß,
Meg
Antwort von:  Cocos
24.01.2019 23:38
Ommnommnomm, danke dir. :3 Fürs Kommentieren und für den frischen Tomatensalat, du nicht mehr stille Mitleserin! ;)

Die Kritik, dass die eine Woche zu lang ist, habe ich aufgenommen und auf meine To-Do-Liste gesetzt, wobei es da eigentlich schon seit längerer Zeit draufsteht und ich auch fleißig versuche, die Postsequenz auf zweimal wöchentlich zu heben. Aber da kommt meist etwas dazwischen. >_<

Ich würde mich ja für das Auf und Ab entschuldigen, aber *hust* also... ich verspreche hoch und heilig, dass da auch ruhige Zeiten kommen. Es wird zwar noch einiges Turbulentes kommen, aber grundsätzlich stelle ich mir die Herrschaften schon gechillt in Sesseln sitzend vor.

Was Lasgo vorhat, wirst du ganz bald erfahren, versprochen! ;)

Vielen Dank nochmal für dein Lob und deinen Kommentar!

Viele Grüße zurück :)


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