Heiratskandidaten von _Delacroix_ ================================================================================ Wäre sie nicht so nervös gewesen, sie hätte die Downing Street mit all den Regierungsgebäuden sicher interessant gefunden. So aber war sie einfach nur froh, als ein wortkarger Hauself sie endlich einließ. Rodolphus’ Wohnung schien deutlich kleiner zu sein, als das Haus ihrer Eltern. Es gab kein Obergeschoss, sondern nur einen schmalen Flur, von dem aus eine Handvoll Türen abging. Hinter einer von ihnen verbarg sich ein Studierzimmer. Es war ein kleiner Raum, der durch die Regale ein wenig vollgestopft und unförmig wirkte. Aber irgendwie war er auch charmant und das machte ihr Mut.   Andromeda trat an ein Regal heran und zog probeweise an einem Buch. „Die Entwicklung des magischen Rechtssystems“, schien eine recht spezielle Lektüre zu sein, aber scheinbar hatte sie Rodolphus gefallen. Das Buch sah ziemlich zerlesen aus. Rechts davon stand „Ein Leitfaden zur öffentlichen Ordnung“, so glänzend neu, als hätte er es gerade erst gekauft. Andromeda schüttelte den Kopf, während sie das Regal weiter abging. „Magische Tierwesen - Ein- und Ausfuhrbestimmungen“, „Der Dementor, eine Fallstudie“, „Verbotene Kräuter und Substanzen“. Ein Titel nach dem Anderen erweckte ihre Aufmerksamkeit. Sollte Rodolphus sie länger warten lassen, sie würde sich zumindest nicht langweilen.   Probeweise griff sie nach: „Magische Verbote innerhalb des Commonwealth“ und begann darin zu blättern. Es war schon interessant zu sehen, dass die Australier mit so viel weniger Regeln zurechtkamen als sie. Hinter ihr klappte die Tür und sie beeilte sich, das Buch wieder zurückzustellen.   Rodolphus schenkte ihr einen entschuldigenden Blick. „Ich hoffe, du wartest noch nicht so lange“, begrüßte er sie. „Ich wollte früher hier sein, aber Selwyn kam wie immer zehn Minuten vor Dienstschluss mit einem ganzen Stapel an Anträgen, die natürlich alle dringend noch abgezeichnet werden mussten. Ich weiß gar nicht, welche kriminelle Organisation er an einem Dienstagabend festzunehmen hofft, aber jedenfalls habe ich ihm alles unterschrieben.“   Andromeda lächelte dünn. „Ist nicht schlimm. Ich bin selber gerade erst gekommen“, klärte sie ihn auf. „Als Bellatrix gesehen hat, dass ich ausgehen will, dachte sie glatt, ich will mit zu ihrer Salongesellschaft gehen. Kannst du dir das vorstellen? Ich neben Mrs. Crabbe und Mr. Nott, die darüber diskutieren, ob wir eine Kennzeichnungspflicht für Muggelgeborene einführen müssen? Nein, das ist wirklich nichts für mich.“   Rodolphus nickte. „Als Bellatrix mich das letzte Mal mitgenommen hat, ging es um die Frage, ob Zwangssterilisation wohl eine Maßnahme ist, um auffällig gewordene Muggelgeborene daran zu hindern, sich weiter auszubreiten. Ernsthaft, würden wir jeden sterilisieren, der dieser Tage irgendwie auffällt, wir hätten bald keine Kinder mehr. Aber ich nehme an, das ist es nicht, worüber du mit mir sprechen wolltest, oder?“   Andromeda schüttelte den Kopf. „Nein, ich -“ Sie zögerte einen Augenblick, dann holte sie tief Luft, „Ich weiß nicht, ob du es schon gehört hast, aber Lucius hat sein Interesse an mir zurückgezogen.“ Rodolphus Miene änderte sich kein Stück. Vermutlich hatte er es bereits gehört. Von Bellatrix, von Lucius oder von sonst wem, dem ihre Mutter die Nachricht brühwarm hatte auftischen müssen. „Jetzt überlegt meine Mutter, ob sie mich mit Amycus Carrow verheiraten kann.“   Rodolphus räusperte sich. „Nun, die Carrows sind eine altehrwürdige Familie und - Du findest die Idee ganz fürchterlich, habe ich recht?“   Andromeda nickte. „Natürlich finde ich die Idee fürchterlich. Hast du Amycus mal kennengelernt? Der glaubt doch, Eugenik könne man essen.“   „Das ist eine äußerst interessante Vorstellung, aber warum kommst du damit zu mir? Ich glaube nicht, dass deine Mutter sonderlich viel Wert auf meine Meinung legt.“   Dem musste Andromeda zustimmen. Ihre Mutter legte schließlich nicht einmal wert auf ihre Meinung. Und immerhin war sie die künftige Braut. „Ich dachte nur ... Du bist ein Mann. Du hast männliche Freunde und vielleicht fällt dir ja jemand ein, der etwas weniger ...“   „Carrow ist?“   Sie nickte. „Es würde mir wirklich viel bedeuten“, beteuerte sie und beobachtete, wie sich Rodolphus grübelnd an das Regal lehnte. „Nun, da ist Selwyn“, eröffnete er, „Aber ich fürchte, der ist zu alt für dich. Genau wie Yaxley. Wobei ich glaube, den würdest du eh nicht mögen. Deine Mutter ist eine Rosier, nicht wahr? Dann können wir die wohl auch ausschließen. Die Bulstrodes haben nur eine Tochter, die Parkinsons haben Peregrine gerade erst verlobt ... Haben die Potters nicht einen Sohn?“   Andromeda verzog das Gesicht. „Haben sie“, stimmte sie Rodolphus zu, „Aber James ist zwölf. Ich heirate keinen Zwölfjährigen, auch wenn er nett ist.“   Rodolphus legte sich die Hand ans Kinn. „Zugegeben“, murmelte er, „Zwölf ist in der Tat ein bisschen jung.“   „Ich hatte schon über Burke nachgedacht“, erklärte Andromeda, „aber da gibt es ja diese Geschichten.“   „Ich glaube nicht, dass das nur Geschichten sind“, widersprach Rodolphus, „Ich denke, den heiratest du besser auch nicht.“   „Was ist mit den Fawleys?“, fragte Andromeda weiter, doch Rodolphus schüttelte prompt den Kopf.   „Wenn ich das richtig verstanden habe, will Aubrey bei nächster Gelegenheit nach Fidschi ziehen. Willst du nach Fidschi ziehen?“   „Ehrlich gesagt ... nein. Ich spreche kein Fidschi und das Land ist bettelarm.“   „Ich habe gehört, die Magier da hexen noch mit Tierblut und Ziegenköpfen und allerlei anderem schaurigen Zubehör.“   Andromeda rümpfte die Nase. Sie konnte mit vielem leben, aber ein Ziegenkopf gehörte eindeutig nicht dazu. „Ich glaube, dann ist Aubrey auch keine Option für mich.“   Rodolphus nickte nachdenklich. „Ich könnte dir Travers vorstellen, aber seine politischen Ansichten sind auch ein bisschen schwierig, oder ... Oh, ich weiß, wie wäre es mit Lestrange?“   Andromeda runzelte die Stirn. „Lestrange?“, wiederholte sie, „Rodolphus, ich glaube nicht, dass meine Mutter mir erlauben wird, Rabastan zu heiraten. Immerhin heiratest du meine Schwester. Das sieht dann doch ein bisschen komisch aus.“   „Ich hatte auch nicht an Rabastan gedacht“, verbesserte Rodolphus und für einen Augenblick war Andromeda verwirrt. Ihre Mutter hatte ihnen doch lang und breit den Stammbaum der Familie Lestrange vorgebetet und so weit sie wusste, gab es in ihrer Generation nur die beiden Brüder. Und wenn Rodolphus nicht von seinem Bruder sprach, dann musste er - Die Röte schoss ihr ins Gesicht. „Rodolphus, das können wir nicht machen“, platzte es aus ihr heraus. „Denk nur mal an Bella!“   „Ich denke immerzu an Bella“, entgegnete er trocken, „Darum gefällt mir die Idee. Sieh mal, mein Vater erwartet, dass entweder Rabastan oder ich eine Black heiraten. Er hat mit keinem Wort erwähnt, welche. Meine Wahl ist nur auf Bellatrix gefallen, weil wir uns aus der Schule kennen und miteinander auskommen. Die Verbindung bedeutet uns nicht mehr, als dir die zu Lucius. Und sein wir ehrlich: Bellatrix will mich nicht heiraten. Bellatrix will zu ihren politischen Salongesellschaften gehen. Sie will ihre Überzeugung vertreten und ich bin da höchstens ein Mittel zum Zweck. Wir beide dagegen, wir verstehen uns. Ich mag dich, und wenn du mich magst, wäre es das einzig Richtige.“   „Nun, es würde mich vor der Verlobung mit Carrow bewahren“, murmelte Andromeda, „Aber Bella wird ihn sicher auch nicht wollen und ich ... Ich kann ihr doch nicht den Verlobten ausspannen. Sie ist immer noch meine Schwester. Sie wäre doch auch nicht glücklich mit ihm.“   „So wie du nicht glücklich wärst“, erinnerte sie Rodolphus, dann hielt er plötzlich inne und seine Mundwinkel deuteten den Hauch eines Lächelns an. „Was hältst du davon, wenn ich noch mal mit Lucius spreche?“, fragte er plötzlich.   „Mit Lucius? Ich glaube nicht, dass er mich wieder haben will. Und selbst wenn, ihn will ich auch nicht.“   Rodolphus schüttelte den Kopf. „Du sollst ihn auch nicht wieder nehmen. Aber schau mal. Er hat eure anstehende Verlobung gekippt. Das setzt auch ihn unter Zugzwang. Reinblütige, junge Damen wachsen nicht auf Bäumen und viele vielversprechende Partien sind bereits gemacht. Er ist doch kein schlechter Kerl. Er passt nur nicht zu dir. Dafür passt er vielleicht ... “   „Zu Bella“, brachte Andromeda seinen Gedankengang zu Ende. „Sie sind beide politisch sehr aktiv.“   „Und er ist in keinem Fall eine schlechtere Wahl als ich.“   „Und sie kennen sich bereits. Rodolphus, du bist genial!“   „Ich weiß“, entgegnete er, „Was mich wieder zur Kernfrage meines Vorschlags bringt. Magst du mich?“   Andromeda strahlte ihn an. „Dumme Frage, natürlich mag ich dich.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)