Nachtschatten - Tanz der Lüfte von Romy-chan ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Nachtschatten – Tanz der Lüfte Langsam verabschiedete sich die Sonne für diesen Tag und machte Platz für das Licht der Nacht. Während sich damit die meisten Menschen, Tiere und viele andere Wesen zur Ruhe begaben, begann mit den Leuchten des Mondes das Volk der Nachtschatten zu erwachen. Sie waren Wesen von etwas kleinerer Statur. Fast könnte man sie für Kinder halten, wie sie so im Dunkeln zwischen den Bäumen und auf den Felsen umher huschten, wären da nicht ihre fledermaus ähnlichen Flügel. Die Sippe schien aufgeregt zu sein und eine gewisse Vorfreude hing in der Luft, denn schon in wenigen Nächten würde Niala gefeiert werden. Niala war ein Fest, welches statt fand wenn einer ihresgleichen, im Alter von 12 Jahren, der Eintritt zum Erwachsensein gewährt wurde und dann würden sie auch das erste Mal ihre Flügel zum Fliegen ausbreiten dürfen. Die Protagonistin der anstehenden Feier jedoch hatte sich etwas zurückgezogen und saß nun auf einen der höheren Felsen, während ihr Blick in Richtung der Menschensiedlungen. - Verdammt noch mal Jamke. Was musstest du dumme Nuss auch unbedingt heimlich fliegen? In ein paar Nächten hätte ich es eh offiziell gedürft, aber nein, ich konnte ja nicht abwarten und jetzt hab ich die Kacke am Dampfen. - Unwillkürlich glitt ihre Hand zu einen ihrer Flügel um dort zu verharren. Sie hatte es einfach nicht mehr ausgehalten, wollte unbedingt fliegen und so hatte sie sich vor ca. einer Woche einmal weggeschlichen. Abseits und unbeobachtet von ihrer Familie hatte die junge Frau sich zuerst zaghaft, doch dann immer enthusiastischer in die Lüfte erhoben. Höher und immer höher ging es hinauf. Bei den Gedanken daran bildete sich ein kleines Lächeln auf ihren Gesicht, doch die Freude war nur von kurzer Dauer. Eine plötzlich auftretende Windböe nahm ihr die Kontrolle über den Flug und so stürzte sie einige Meter in die Tiefe. Auch wenn sie es nie zugeben würde, so hatte der Sturz schlimmere Folgen als sie sich zuerst eingestehen wollte. Ihr Fall wurde in jener Nacht von den hohen Bäumen des Waldes abgebremst, was ihr auch einige Kratzer einbrachte. Doch die kleinen Schrammen waren nicht das eigentliche Problem, Jamke war schon immer ein Wildfang und häufig hatte sie irgendwelche kleinere Verletzungen, wodurch auch diese niemanden groß kümmerten. Das Problem war ein langer Riss in einen ihrer Flügel. Mit diesen würde ihr das Fliegen nicht möglich sein und so etwas konnte Monate dauern bis es wieder vollständig geheilt war. - Verdammt, verdammt, verdammt! Wenn ich bis zum Vollmond nicht fliegen kann, finden sie heraus, dass ich das Tabu gebrochen habe. Mein einziger Ausweg wäre ein Schamane. Ich habe von ein paar anderen gehört, dass einer von ihresgleichen Menschen und auch anderen Wesen mit seiner Magie und Tinkturen bei allerlei Problemen helfen kann.- „Argh, abgebrochene Birkenrinde.“, mit einen letzten gezischten Fluch machte das Wesen sich schließlich heimlich auf den Weg in das nächste Dorf. Keiner der Sippe schenkte dem Fehlen von Jamke Beachtung, zu beschäftigt war jeder einzelne von ihnen, um auf den kleinen Wildfang zu achten. Nachdem der junge Nachtschatten genügend Abstand zu ihrer Familie hatte, wurde aus ihren vorsichtigen und leisen Schritten ein flotter, fast schon forscher Gang. Die Nacht war bereits weit voran geschritten, als die ersten Lichter der Menschensiedlung zwischen den Bäumen hindurch blitzten. Doch je näher sie den Häusern kam desto langsamer wurde sie. Jamke hatte zwar schon manchmal einen Menschen gesehen, der zu später Stunde noch in ihren Gebieten umherwanderte, doch gezeigt, geschweige den geredet hatte sie noch nie mit einen dieser Art. Als sie schließlich die Baumgrenze erreichte blieb sie stehen. Nur wenige Meter weiter befand sich ein kleines Steinhäuschen und dort an einer Feuerstelle saß jemand. Jamke stockte der Atem und ihr Herz schlug ihr bis zum Hals. Das musste der Schamane sein, nur noch ein paar Schritte trennten sie von ihrem Ziel. - Jetzt komm schon nur ein Schritt, ein kleiner Schritt nur. Verkohlter Tannenzapfen, bewegt euch endlich Füße. - Leider half alles gut zureden nichts, ihre Füße schienen festgewachsen zu sein. Kalt und taub klebten sie am Waldboden und bildeten somit das genaue Gegenteil zu der Wärme und den fast schon schmerzhaften Pochen in ihre Brust. Während Jamke so dastand und mit sich selbst haderte, bemerkte sie gar nicht, dass der Mensch immer wieder in ihre Richtung blickte. „Na Kindchen, möchtest du mir vielleicht Gesellschaft leisten?“ Obwohl seine Worte ruhig gesprochen waren, zuckte sie heftig zusammen. - Hat er mich etwa bemerkt? Vielleicht hat er aber auch jemand anderes gemein. Ist hier etwa noch irgendwer? - Mit angehaltenen Atem blieb der Nachtschatten bewegungslos im Schutz der Bäume stehen und wartete, wartete, ob sich irgendwer den Mann zeigen würde, doch alles blieb still. - Hat er etwa doch mich gemeint? - Zögerlich schaffte sie es nun doch einen Schritt nach vorne zu machen. Nach einigen weiteren blieb sie jedoch abermals stehen. Sie war jetzt gut sichtbar für den Menschen, aber noch nahe genug am Waldrand um schnell wieder darin verschwinden zu können sollte die Situation dies erfordern. „Ha-Hallo.“, brachte sie stotternd und auch sehr leise hervor. Der Schamane betrachtete das kleine Wesen stumm, erkannte jedoch bald, dass dieses nichts weiter sagen würde. „Ein Nachtschatten.“, nachdenklich strich er sich über seinen Bart, „Ist schon eine ganze Weile her seit ich einen deinesgleichen gesehen hab.“ Der Alte hatte schon öfters jemanden ihrer Art als Kunden. Die blau-graue Hautfarbe und die Fledermaus ähnlichen Flügel waren ein sicheres Zeichen ihresgleichen. Auch konnte er erkennen, dass ihre Niala Feier noch nicht vollzogen wurde, da ihr noch der traditionelle Schmuck der Erwachsenen fehlte. Noch immer stand Jamke wie angewurzelt da und brachte keine Silbe über ihre Lippen, so beschloss der alte Mann ihr etwas entgegenzukommen. „Mein Name ist Bellius. Sagst du mir vielleicht auch, wie du heißt junges Fräulein?“ „Jamke.“, antwortete die Angesprochene zaghaft. „Also gut Jamke, was führt dich den zu den alten Bellius hier? Benötigst du meine Dienste als Schamane?“ Zwar nickte der junge Nachtschatten bestätigend mit ihren Kopf, sagte jedoch wieder nichts. Anstatt genervt zu wirken oder wütend über ihr Verhalten zu werden, wartete er nur geduldig. „Ich, also ich …“ Den Blick von den Mann abwendend wanderte ihre Hand fast schon unbewusst wieder an ihren verletzten Flügel. Auch ohne das sie es aussprach, schien der Schamane zu verstehen, den ein kleines wissendes Lächeln bildete sich auf seinen Lippen. Dies irritierte die Kleinere, jedoch beschloss sie dies vorerst zu ignorieren, schließlich gab es im Moment für sie wichtigeres. „Dein Flügel also, dann zeig doch mal her.“ Vorsichtig öffnete Jamke ihre Flügel und Bellius konnte nun deutlich den langen Riss sehen, welcher diesen durchzog. „Hm, dir ist bekannt, dass ich immer eine Gegenleistung für meine Diente verlange? Je schwieriger oder bedeutungsvoller der Auftrag, desto höher ist auch der Preis.“, erklärte er. Der Nachtschatten zuckte sichtbar zusammen und wand wieder einmal ihre Augen von ihn ab. - Abgebrochene Birkenrinde, ich weiß zwar das seine Hilfe nicht umsonst ist aber was mach ich, wenn ich ihn nicht bezahlen kann? Ich kann doch nicht … ich muss doch … - Bellius, der ihre aufkeimende Panik bemerkte lenkte schnell ein. „Keine Sorge, auch wenn dein Flügel und seine Reparatur für dich etwas unglaublich wichtiges ist, so bildet die Herstellung der benötigten Tinktur für mich keine allzu große Herausforderung. Ich habe bereits sämtliche erforderlichen Zutaten vorrätig und auch die Zubereitung selbst dauert nicht besonders lange.“ Langsam atmete Jamke die Luft, welche sie unbewusst angehalten hatte, wieder aus. Die Anspannung in ihren Muskeln blieb jedoch weiterhin erhalten. - Dem Schöpfer sei Dank, ich hätte nicht gewusst was ich machen sollte wäre der Preis recht hoch gewesen. Ich hoffe nur, dass das was er von mir verlangt im Bereich meines möglichen liegt. - „Was ich als Gegenleistung von dir verlange, ist eine Blume.“ „Blume?“, verwirrt blickte der Nachtschatten den Schamanen an. „Ja, eine Blutblume. Sie wächst an den felsigen Hängen etwas nördlich von hier und mit meinen alten Knochen schaff ich es einfach nicht mehr sie selbst zu besorgen. Ich würde dich deshalb bitten hinaufzufliegen und mir ein paar dieser Blüten zu holen. Natürlich nachdem ich mich um deine Verletzung gekümmert habe.“, erklärte Bellius nun ausführlicher. - Eine Blume holen? Das soll alles sein? Aber Moment, er hat gesagt ich müsste hinauffliegen, um daran zu kommen und damit müsste ich das Tabu noch einmal brechen. Andererseits, wenn ich es nicht mache, wird er meine Verletzung nicht behandeln. Mit dem Riss ist es mir unmöglich zu fliegen und damit würde zum Vollmond die ganze Sippe wissen, dass ich unerlaubt geflogen bin. - Einige Augenblicke haderte Jamke mit sich selbst, letztendlich nickte sie einfach und gab somit ihre Zustimmung. „Gut, ich fang dann gleich mal an. Mach es dir doch derweil gemütlich.“ Genau wie der Alte es gesagt hatte, dauerte es wirklich nicht sonderlich lange die Tinktur zuzubereiten. Schnell wurde diese auch auf den Flügel gestrichen und man konnte fast schon zusehen, wie der Riss zu heilen begann. „Ein paar Minuten braucht es noch, bis der Flügel vollständig repariert ist, aber da wir ja auch ein Stückchen gehen müssen um zu den Felshängen zu gelangen, ist das überhaupt kein Problem.“ „Da wären wir. Im hellen Mondlicht sieht man die Pflanzen sogar recht gut.“, meinte der Schamane gut gelaunt. Zur Verdeutlichung zeigte er mit den Finger in die besagte Richtung. Noch einmal zögerte die junge Frau kurz, schluckte dann aber doch ihre Zweifel hinunter. Vorsichtig öffnete sie ihre Schwingen und breitete sie zu ihrer vollen Größe aus. Zufrieden stellte sie fest, dass die Heilung beendet war. Nicht einmal eine verräterische Narbe war zurückgeblieben. Ein zweimal fächerte sie mit ihren Flügeln, ehe sie sich mit kraftvollen Schlägen vom Boden abhob. Zu beginn war Jamke etwas vorsichtiger, nur zu gut erinnerte sie sich an das Desaster bei ihren letzten Versuch. Schnell jedoch war diese Unsicherheit vergessen und der Nachtschatten schwang sich höher und immer höher in die Lüfte. Ein unglaubliches Glücksgefühl breitete sich in ihren Körper aus, schien, bis in jede einzelne Zelle ihres Körpers zu gelangen und diesen zu wärmen. Zur gleichen Zeit streifte der kühle Nachtwind über ihre Haut während Jamke im Rausch ihrer Emotionen Kreise, Saltos und Schrauben vollführte. Selbst eine plötzlich auftretende Windböe meisterte sie gekonnt, ohne ins Schleudern zu geraten. Am Boden zurückgeblieben stand Bellius und blickte mit einem Lächeln auf den Lippen zu Jamke hinauf, welche im hellen Mondlicht noch immer umherflog. Dies war der eigentliche Preis für seine Hilfe, den für die Blutblume, hätte er genauso gut einen der jungen Burschen aus dem Dorf beauftragen können. Die unbändige Freude und Begeisterung des Nachtschattens war fast schon ansteckend. Der alte Mann liebte es diese Wesen beim Fliegen zu sehen, wie sie mit ihren zierlichen Körpern in den Nachthimmel tanzten, den genau das war es für ihn, ein Tanz. Fast schon etwas wehmütig war er, als die Tänzerin stoppte und schließlich die von ihn gewünschten Blüten holte. Doch das machte nichts, Jamke war nicht die Erste und wird wohl auch nicht die Letzte ihrer Sippe sein, die um seine Hilfe bitten würde. Gekonnt landete die junge Frau wieder vor den Schamanen. „Reichen die?“ Ihre vorherige Scheu scheinbar vergessen blickte sie den Alten nun direkt in die Augen und streckte ihn ihre Hände voller Blüten entgegen. „Das ist vollkommen ausreichend. Vielen Dank junges Fräulein.“, bedankte Bellius sich höflich und nahm ihr vorsichtig die Blüten ab. „Nein, nein. Ich habe zu danken. Vielen, vielen Dank für deine Hilfe.“, wehrte der Nachtschatten ab. Die Nacht war inzwischen auch schon weit voran geschritten und auf Jamke wartete noch ein langer Fußmarsch zurück. Ein weiteres Mal noch bedankte sie sich überschwänglich bei ihren Retter. Noch immer im Adrenalinrausch von ihren Flug ging sie schließlich in den Wald, zurück zu ihrer Familie. Der alte Mann ging derweil lächelnd und mit der Erinnerung an einen Tanz der Lüfte nach Hause. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)