Crimson Fate von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Kapitel 1 Blutrotes Erwachen Blut. Überall Blut. Wie endlose Wasserfälle floss es ins Nichts hinab. Dazwischen die seelenlosen Worte, die sich aus der Ferne ins Gehör brannten. „Du bist nun einer der meinen. Mein Nachkomme. Erfreue dich an dem kostbare Geschenk, das ich dir gab.“ Doch da war noch etwas anderes. Ein Schrei, der sich fast wie eine Vibration ohne Klang selbst das Knochenmark erschaudern lies. Dies war kein Ort, vielmehr eine Wahrnehmung, die sich wie ein Schleier über die Sinne legte. Schon bald flossen die Blutfälle ab und die Wahrnehmung verflüchtigte sich. Dann, mit einem Mal öffnete er seine Augenlider und er kam zu sich. Kopfschmerzen und Übelkeit. Dies waren die ersten Sinneseindrücke, die Rion zu spüren bekam. Durch mehrfaches blinzeln erhoffte er sich, dass seine verschwommene Sicht etwas besserte. Mit mäßigem Erfolg. Während er dann mit seinen Finger sich die Augen rieb, fing er langsam an mehrfaches Pieken und Kitzeln im Nacken und am Hinterkopf wahrzunehmen. Er als sich seine Sicht nach dem Reiben der Augen klärte und er sich umblickte, bemerkte Rion, dass er in einer Scheune zu sich gekommen war. Langsam und mit pochendem Herz versuchte er sich aufzurichten. Dabei wurde der Schwindel zunehmend stärker, wodurch sich alles drehte. Einige Momente saß er da, mit gesenktem Kopf und versuchte sich zu sammeln. Dabei wusste er nicht einmal, mit welcher Frage er sich zuerst beschäftigen sollte. Warum er hier lag, wie er hierher kam und wo er überhaupt war, diese Fragen stellte er sich sogar erst als zweites. Zuerst hatte er sich gefragt, ob er nicht sogar gleich jeden Moment sterben würde. Der rasende Puls, die Übelkeit durch die sich alles drehte und das unerträgliche Stechen im Kopf. All dies belastete ihn zunächst am Meisten. Doch zu der allgemeinen Verwirrung über die Situation trug es ungemein bei. Aber letztendlich kam er zu dem Entschluss, dass er keine Antworten bekommen würde, wenn er weiterhin nur hier sitzen würde. Rion erhob seinen Kopf und blickte sich noch einmal in der Scheune um. Er lag auf einem Haufen Stroh an der hinteren Wand. Mitten im Inneren stand ein altes, verrostetes Auto. Ein Pick-up Truck, der einmal rot gewesen zu sein und dessen Räder abmontiert waren. Sonst befand sich bis auf ein paar Stützpfeiler und noch mehr Heu am Boden nichts weiter in der Scheune. Das einzige Licht dran durch die geöffnete Eingangstür und durch einige Spalten zwischen den Brettern der Wände. So konnte Rion bereits erkennen, dass es draußen ein nebliges, feuchtes Wetter war. Mit einem Ruck richtete er sich auf. Erneut fing wieder alles an sich zu drehen und mit wackeligen Beinen drohte er nach vorne umzukippen. Mit den Händen stütze er sich auf dem alten Auto ab und atmete mehrere Male tief ein und aus. Als sich nach dann der Schwindel wieder legte, versuchte er weiter zu gehen, lehnte sich dabei aber weiterhin gegen das Auto. Je weiter er dem Eingang kam, umso mehr stieg ihm ein eigenartiger Geruch in die Nase. Dieser roch seltsam vertraut, irgendwie metallisch. Aber gleichzeitig auch wie etwas völlig surreal Neuartiges. Fast schon verlockend, Neugierde erweckend. Als Rion dann am Eingang ankam, sah er, dass vor dem Auto und auch teilweise an dessen Stoßstange sich eine nicht unbeachtliche Menge an Blut befand. Fast schon wie Farbe, tauchte es das am Boden liegende Heu in ein tiefes Rot. Rion starrte erschrocken das Blut an. Fast schon aus einem Instinkt heraus zog es ihn irgendwie an. Dennoch wollte er sich der Lache nicht nähern. Besonders aus der Situation heraus beunruhigte es ihn nur noch mehr. Mittlerweile machte ihn die Antwort auf die Frage, was hier wohl geschehen ist, mehr und mehr Angst. So wie er sich fühlt konnte er sogar nichtmal ausschließen, dass dies sein Blut war. Ist er überfallen worden? Mit einem Schreck kam ihm dieser Gedanke und sofort prüfte er seine Taschen. Die vorderen Taschen seiner bauen Jeans, leer. Allerdings hatte er darin nur selten Gegenstände. In der hinteren Tasche war zu seiner Erleichterung wie gewohnt sein Geldbeutel. Schnell prüfte er noch die Taschen seiner schwarzen Kunstlederjacke, die er meistens trug. Sein Handy, seine Schlüssel, alles war noch da. Zumindest waren dies die Sachen, die er normalerweise bei sich führte. Ob er noch etwas anderes bei sich geführt hatte, das wusste er im Moment nicht. Aber lange hier stehen zu bleiben und sich den Kopf darüber zu zerbrechen half ihn auch nicht weiter, so dachte er sich. So ging er weiter nach draußen. Verließ die Scheune und fand sich auf einer Wiese wieder, die von Bäumen umringt war. Noch einmal atmete er tief durch und lies die kalte, feuchte Luft seine Lunge füllen. Rechts führte ein Weg durch die Bäume und schien in einigen Metern Entfernung in einer Straße zu enden. Während Rion dem Weg folgte, schien sich sein Kreislauf langsam zu stabilisieren. Das Herzrasen nahm ab, genauso wie der Schwindel. Nur die Kopfschmerzen blieben. Seine schwarzen Schnürstiefel, die ihm bis zum Schienbein ragten, wurden beim Durchstreifen des Gras ebenfalls immer feuchter. Doch schon bald kam er auf der asphaltierten Straße an. „Verdammte Scheiße“, sagte Rion leise, als er an der Seite der Straße stand und sich umblickte. Allmählich wusste, wo er sich befand. Er sah in die Richtung, in die er musste. Vor ihm zeigte sich ein Bild, das ihm unter anderen Umständen wohl sogar gefallen hätte. Die nasse und teils mit Pfützen versehene Straße führte geradewegs in eine Richtung, bis sie ihm Nebel verschwand. Nur schemenhaft waren im Nebel Bäume und kleinere Berge auszumachen. An beiden Seiten des Asphalts erstreckten sich einige gepflügte Felder hinter denen noch mehr Wald lag. Vereinzelt standen dazwischen ein paar alte Häuser aus Holz. Der Himmel war tief grau, so als ob es jeden Moment wieder das Regnen anfangen könnte. Eine kalte und trostlose Herbstlandschaft. Ein Szene, wie Rion sie sonst liebte. Doch nun konnte er nicht den Moment genießen. Aus der Innentasche seiner Lederjacke holte er noch einmal sein Handy heraus. Montag, 6:42 Uhr. Als er es wieder einsteckte, ging er weiter und folgte der Straße. Er musste zurück in die kleine Stadt Westwood, das etwa 5 Kilometer entfernt lag. Dort, wo er nicht nur zur Schule ging, sondern auch wohnte. Wie ist er also so weit davon entfernt in eine Scheune gelangt? Vor allem, da er sein Zimmer nur ungern verließ. Jedenfalls hoffte er bald Antworten zu finden. Nach einem Gefühlt endlos langen Fußmarsch kam Rion schließlich am Campus der Westwood High School an. Da sich noch einige andere Schüler auf dem Gelände herumtummelten, nahm er an noch nicht zu spät zu sein. Doch das Durcheinander der vielen Menschen irritierte ihn in dem Moment und versetzte ihn zunehmend in Stress. Er hatte das Eigenartige Gefühl jeden einzelnen von ihnen zu spüren. Ihren Herzschlag zu hören und die von ihren Körpern ausgehende Energie wahrzunehmen. Seine Sinne schienen von den vielen Reizen überflutet zu werden. Er vergrub sein Gesicht in seinen Händen. Das Stechen in seinem Kopf wurde immer stärker und fing regelrecht das Pochen an. Am liebsten wollte er sich hier auf dem Gehweg zu Boden schmeißen und verkriechen. Doch da riss ihn ein Druck auf den Schultern aus der Situation. „Alles gut bei dir?“, sagte eine vertraute Stimme freundlich, aber doch verwundert. Rion erhob sein Gesicht und schaute in das Gesicht von Korey, seinem wohl besten Freund. Dieser blickte Rion von seiner dunkelblauen Baseballmütze hervor mit hochgezogener Augenbraue an. Korey sah wie immer, mit seinen um den Hals hängenden Kopfhörern und seinem schwarzen Pulli mit nichtssagendem Logo so aus, als wäre er gerade vom Skateboard fahren gekommen. Rion schaute ihn nur einige Momente an. Auch von ihm konnte er eine deutliche Präsenz spüren. Und besonders das Schlagen seines Herzen und wie das Blut seine Adern durchfloss drang deutlich in seine Ohren. Ein Geräusch, das ihn nervös machte. So, dass er einfach nicht wusste, wie er reagieren sollte. Er verspürte einen Drang. Was dies allerdings für ein Drang war, konnte er nicht zuordnen. Er wusste nur, dass es ihn immer unruhiger machte. „Alter, hast du gekifft?“, fragte Korey mit einem Ton, von dem Rion sich nicht sicher war, ob das nun ein Scherz war oder eine tatsächlich ernste, besorgte Frage. Aber Rion war froh, dass er nun überhaupt eine Frage gestellt bekam, die ihn von diesen Geräuschen und diesen nervös machenden Drang ablenkte. „Hä? Was? Nein! Wieso?“, entgegnete Rion sichtlich irritiert. „Deine Augen sehen so seltsam aus. Und allgemein bist du so blass und total wackelig auf den Beinen. Ist alles okay bei dir?“ „Keine Ahnung. Ich fühl mich beschissen. Hey Korey, kannst du mich eventuell krank melden? Glaube es ist besser, wenn ich mich hinlege“, sagte Rion, als ihm gerade klar wurde, dass er sich tatsächlich am liebsten erst einmal in sein Bett verkriechen wollte. „Klar, so wie du aussiehst hätten sie dich sowieso sofort ins Bett geschickt“, antwortete Korey. „Danke man, wir sehen uns“, entgegnete Rion noch, während er sofort weiterging. Er spürte noch, wie Korey ihm hinterher blickte. Doch er ging einfach nur weiter. Vereinzelt kamen ihm noch Schüler entgegen, die zur Schule eilten. Rion würdigte diesen hingegen aber nichtmal eines Blickes. Er folgte dem Gehweg neben der Straße so lange, bis das Schulgelände in einen angrenzenden, fahlen Plattenbau endete. Das Wohnheim für die Schüler, deren Eltern nicht in der Nähe wohnten. Auch Rion wohnte hier. Allerdings ging er nur selten während der Wochenenden oder den Ferien Nachhause, weshalb sein Zimmer im ersten Stock die meiste Zeit über sein festes Heim war. Vor dem Eingang des Gebäudes lag noch ein kleiner Vorgarten, mit unförmigen Hecken und notdürftig gepflegten Blumenbeten. Rion durchquerte diese und schleppte sich die vier steinernen Treppen nach oben, die zur gläsernen Eingangstür führten. Das Glas einer der beiden Doppeltüren war zerbrochen. Scheinbar hatte eins ein übermütiger Schüler einst diese eingetreten und bisher hatte niemand es für nötig gehalten, dies zu reparieren. Es war nicht das erste Mal, dass sich Rion fragte, was der Hausmeister überhaupt hier trieb. Ein finsterer Gang offenbarte sich im Inneren. Links und rechts befanden sich überall abgeschlossene Türen zu den Zimmern. Zwischen den Türen hingen zahlreiche Plakate für Veranstaltungen oder diverse Fotos. Nichts was Rion jemals wirklich interessiert hatte. Er ging direkt auf eine Abzweigung rechts in der Mitte des Ganges zu. Diese führte zu der Treppe in den nächsten Stock. Dabei fiel ihm erst auf, wie ruhig es hier war, wenn alle im Unterricht waren. So konnte er beim Besteigen der Stufen in Ruhe seinen Gedanken nachgehen. Da kam ihm der Geistesblitz. Tara, seine Schwester. Ihm fiel wieder ein, dass er letzten Abend mit ihr etwas unternommen hatte. Doch die Erinnerungen waren vage und verschwommen. Aber wenn jemand wüsste, was letzte Nacht passiert ist, dann am wahrscheinlichsten sie. Also entschloss er sie nach dem Unterricht aufzusuchen. Im ersten Stock, der dem Erdgeschoss identisch sah, ging er zur vorletzten Tür. Rion Kodiak stand auf dem Namensschild. Er holte den Schlüssel heraus und versuchte ihn ins Schlüsselloch zu stecken. Erst dabei fiel ihm auf, wie sehr er tatsächlich zitterte. Nach einigen Versuchen schaffte er es schließlich den Schlüssel hineinzustecken und er sperrte die Tür auf. Sofort hastete er hinein, schlug die Tür hinter sich zu und zog seine noch feuchten Stiefel aus. Ohne zu zögern ging er zum Spiegel an der Tür seines Kleiderschranks. Er wollte wissen, was Korey damit meinte, dass seine Augen seltsam aussahen. Und sofort bemerkte er es selbst. Seine normal grünen Augen waren nun ganz deutlich blutrot. Sofort schossen ihn tausend Theorien durch den Kopf. Aber er kam zu dem Entschluss, dass ihn vielleicht wirklich jemand erschlagen hat und nun deswegen auch seine Augen mit Blut angelaufen sind. Oder jemand hatte ihn gegen das Auto in der Scheune gestoßen und er hatte sich daran verletzt. Aber wer hätte das tun sollen? Und wieder war die Frage, wieso er überhaupt dort gewesen ist. Er hoffte inständig, dass Tara die Antwort kannte. Doch als er seufzte, viel ihm noch etwas auf. Er öffnete seinen Mund und konnte nicht glauben, was ihm der Spiegel zeigte. Seine Eckzähne waren deutlich länger und spitz. „Was zum…? Was ist das?“, murmelte Rion erschrocken vor sich hin. Ihm schoss der offensichtlichste Gedanke durch den Kopf. Aber was er sofort versuchte zu vergessen, das hielt er für lächerlich. Mit dem Daumen drückte er leicht gegen die Spitze seines linken Zahns und ohne großartigen Druck auszuüben floss sofort Blut aus dem Daumen. Mit dem Zeigefinger klopfte er hinterher erst gegen den Zahn und versuchte ihn dann herauszuziehen. Aber nichts zu machen. Er fühlte sich massiv an und war fest. Und noch mehr, er spürte die Berührungen am Zahn. Ihm hatte auch niemand aus Scherz falsche Zähne aufgesteckt. Diese Zähne waren echt. Rion trat vom Spiegel zurück. „Das ist doch nicht wahr“, fluchte er leise, während er sich rückwärts auf sein Bett fallen ließ. Gedankenlos starrte er die Decke an. Nach einem erneuten seufzen holte er schließlich sein Handy heraus. Er öffnete die Messenger App und wählte den Chat mit Korey aus. Bitte komm nach dem Unterricht sofort bei mir vorbei, schrieb er Korey, ehe er die App wieder schloss und sein Handy auf Seite legte. Er begann wieder die Decke anzustarren, bemüht an nichts zu denken, obwohl immer dieselben Fragen im Hinterkopf schwirrten. Aber seine Augen wurden zunehmend schwerer und schläfriger. Es dauerte nicht lange, bis sie ihm endgültig zufielen und er schließlich einschlief. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)