Das Sterben der Merope Gaunt von Goetterspeise (in sieben Akten) ================================================================================ Kapitel 1: Liebeszauber ----------------------- 1. She made him fall in love with her. Unsicher spielte Merope mit dem kleinen Fläschchen in ihrer Hand und konzentrierte sich auf jeden Laut, der durch das kaputte Fenster ins Zimmer hinein drang. Es fiel ihr schwer, sich daran zu gewöhnen, niemanden um sich herum zu haben, der sie anschrie oder schlug. Sie rechnete stets damit, ihren Vater oder Morfin könnten mit lauten Schritten durch das Unterholz hinter dem Haus kommen. Dass dem in naher Zukunft nicht so sein würde, beruhigte und ängstigte sie zugleich. Es war schön Freiheiten zu haben, zu schlafen wann sie wollte und durch die Gegend zu streifen, wenn sie es sich wünschte, aber sie wusste kaum damit umzugehen. Was sollte sie kochen? Wann war es Zeit, ins Bett zu gehen? Sie war frei. Zumindest freier als jemals zuvor und das gefiel ihr nicht. Aber immerhin war eine Konstante geblieben. Tom Riddle. Jedes Mal, wenn sie Hufschläge näher kommen hörte, sprang sie auf und eilte zur Tür, um sich dicht daneben an die Wand zu drücken und vorsichtig nach draußen zu spähen. Sein Anblick ließ ihr Herz schneller schlagen, sie saugte ihn regelrecht auf und fragte sich, wie seine braunen Haare sich wohl anfühlen mochten und ob seine Haut so weich war wie sie aussah. Gleichzeitig zerfraß der Neid sie innerlich, wenn sie die junge Dame sah, die ihn bei seinen Ausritten viel zu oft begleitete und sie bekam eine Vorstellung davon, wie sich der Hass ihres Vaters gegenüber allen Muggeln anfühlen musste. Manchmal erwischte Merope sich sogar bei dem Gedanken, wie sie ihr einen Fluch auf den Hals hetzen wollte, der sie für immer entstellen würde. Aber zu mehr als nächtlichen Fantasien würde es niemals reichen … dafür war sie nicht mutig genug. Allein die Vorstellung, sich mit dem Ministerium anzulegen, ohne ihre Familie hinter sich zu wissen, war Abschreckung genug. Obwohl sie sich fast sicher war, ihren Vater damit endlich einmal stolz machen zu können. Doch stattdessen hatte sie sich für eine andere Idee entschieden. Eine, die sie durch die Unauffälligkeit nicht nach Askaban und weg von Tom Riddle brachte. Im Gegenteil. Sollte ihr Plan funktionieren, würde er sie sogar nie wieder verlassen. Und die Vorstellung, endlich in seinen Armen zu liegen, ihren Namen aus seinem Mund zu hören und für immer von hier zu verschwinden, war die Vorstellung, die ihr nachts half einzuschlafen. Alleine würde sie es niemals außerhalb dieser heruntergekommenen Hütte schaffen. Aber mit Tom … ja, mit Tom, wäre alles möglich. Sie musste ihn nur dazu bringen, den Liebestrank zu sich zu nehmen, den sie noch immer fest umschlossen in ihrer Hand hielt. Ob er wohl heute vorbeikommen würde? Alleine? Sie drückte das kleine Fläschchen fest gegen ihre Brust und hoffte darauf, ihn ohne Begleitung zu sehen. Nur so konnte ihr Plan funktionieren. Leider war ihr dieses Glück in den letzten Tagen nicht vergönnt gewesen und so stieg ihre Nervosität von Minute zu Minute immer weiter an. Was, wenn er nie wieder alleine an ihr vorbeiritt? Es würde so unnötig schwer werden und ihre Magie war nicht stark genug dafür. Mit klopfendem Herzen ging sie langsam, Schritt für Schritt, Richtung Tür, die schon lange nicht mehr ordentlich in ihren Angeln hing. Wenn sie den Stand der Sonne richtig deutete, müsste er bald bei ihr vorbeikommen. Nach Tom Riddle konnte man normalerweise die Uhr stellen, die sie nicht besaß. Je näher der Moment rückte, an dem sie versuchen würde, ihn zu sich in das alte Haus zu locken, desto nervöser wurde sie. Ihr Vater und ihr Bruder hatten ihr immer erklärt wie unnütz und dumm sie sei, also was, wenn sie Recht hatten und sie noch nicht einmal dazu fähig war, einen einfachen, wenn auch wundervollen und attraktiven Muggle, auszutricksen? Merope schluckte bei diesem Gedanken und drückte das kleine Fläschchen noch ein wenig enger an ihre Brust. Es musste funktionieren. Wenn nicht heute, hoffentlich morgen oder übermorgen. In einer Woche wäre auch noch okay. Sie durfte nur nicht versagen. Das würde ihr Herz nicht aushalten. Es bekam sowieso schon immer einen neuen Riss, wenn sie ihm dabei zusah, wie er an ihrer Hütte vorbeiritt, ohne, dass sie ihm hatte gegenüber treten können. Ein Scheitern würde es wohl in tausend Teile zerspringen lassen. Sie wurde jäh aus ihren Gedanken gerissen, als sie endlich das Trampeln von Pferdehufen vernahm. Vorsichtig riskierte Merope einen Blick durch die offene Tür und stellte erleichtert fest, dass er heute tatsächlich alleine unterwegs war. Sie verstaute das Fläschchen vorsichtig in einer ihrer Rocktaschen. Mit einem tiefen Atemzug trat sie aus dem Haus und ging ihm einige Schritte entgegen, bevor sie sich auf Höhe eines umgefallenen Baumes nach vorne fallen ließ. Mit einem lauten, erstickten Schrei ging sie zu Boden, spürte das feuchte Moos unter sich – ihr erster Gedanke war, ob sie die Flecken wohl wieder hinaus bekommen würde, bis ihr Vater nachhause kam – und sah mit ihrem gequältesten Gesichtsausdruck nach oben. Tom Riddle blieb keine drei Meter vor ihr stehen. Sein Pferd wirkte von hier unten unheimlich groß und sie musste ein ängstliches Schlucken unterdrücken. Er machte ihr Angst, wie er so majestätisch im Sattel saß und sie von oben herab musterte. Plötzlich wurde ihr bewusst, wie dreckig und arm sie in seinen Augen aussehen musste. Ein Mann, der nur in feinste Seide gekleidet war, würde sich niemals auf eine Frau in Lumpen einlassen, ohne sie näher zu kennen. Und dieses Kennenlernen wollte sie ihm erleichtern – redete sie sich zumindest ein. Es war keine richtige Falle, sondern mehr eine Hilfestellung. „Alles in Ordnung?“, ertönte seine Stimme. Tief, abweisend, aber majestätisch. „M-mein Herr. Ich … ich glaube, ich habe mir den Knöchel verstaut“, erwiderte sie, den Blick gen Boden gerichtet. Hoffnungsvoll schielte sie durch ihre Wimpern nach oben, um zu beobachten, was er nun tun würde. Sie sah ihn genervt seufzen, bevor er eins seiner muskulösen Beine über den Rücken seines Pferdes schwang und nach unten glitt. Mit drei großen Schritten war er bei ihr und hielt ihr seine Hand entgegen. Dankbar, aber noch immer mit gesenktem Blick, ergriff sie diese. Merope spürte Schwielen, die nicht sein durften, hatte er doch für harte Arbeit seine Bediensteten. In diesem Moment nahm sie sich vor, dafür zu sorgen, dass er nie wieder in seinem Leben etwas anfassen musste, was dazu führte, dass seine perfekten, warmen Hände verletzt wurden. Sie ließ sich von ihm hochziehen, knickte nochmals ein und erreichte so tatsächlich, dass er seine Arme um ihre schmale Hüfte legte. „E-entschuldigt bitte“, sagte sie atemlos. Ein wahrer Sturm von Schmetterlingen in ihrem Inneren erschwerten ihr das Atmen und Merope hoffte, dass es Tom nicht auffiel. Tom. Wie wundervoll dieser Name in ihren Gedanken klang. Und noch viel wundervoller, weil er sie gerade in seinen starken Armen hielt. „Nicht dafür“, erwiderte er kurz angebunden. Sie konnte die Abscheu in seinen Augen sehen und spürte einen erneuten Knacks in ihrem Herzen. Aber nicht mehr lang. Nicht mehr lange und er würde endlich verstehen, dass sie füreinander geschaffen waren. „Ich weiß … Ihr müsst weiter, aber ich kann nicht alleine zu-zurück in mein Haus“, fuhr sie fort. „Ich … ich hoffe, ich klinge nicht zu vermessen, Euch darum zu bitten. Es … es sind nur ein paar Meter.“ Sie konnte spüren, wie er sich verspannte, sein Unbehagen war in jeder Faser seines Körpers zu merken. Aber sie hoffte sein Anspruch, als Gentleman im Gedächtnis zu bleiben, war größer als das. Merope war schließlich eine schutzlose Frau, nicht geachtet bei ihm und den anderen Mugglen, aber alleine und hilflos. Zumindest gab sie sich Mühe, sich selbst so darzustellen. „Natürlich“, sagte er nach einer endlos langen Zeit des Schweigens, indem Merope sich kaum getraut hatte, zu atmen. „Vielen, vielen Dank, My Lord. Ihr seid zu großzügig zu mir“, erwiderte sie erstickt. Und das war nicht gespielt. Ein wahrer Steinbrocken fiel ihr vom Herzen, als er sie stützte und in Richtung Hütte führte, die sie ihr Zuhause schimpfen musste. Hoffentlich aber nicht mehr lange. „Nicht doch“, brachte er zwischen zusammengebissenen Zähnen heraus und Merope entschloss sich zu schweigen. Sie wollte ihr Glück nicht zu sehr ausreizen und ihn am Ende noch verscheuchen, weil sie etwas unbedachtes oder dummes sagte. Es war schwer für sie, die Verletzte zu spielen und ihm gleichzeitig nicht ihr ganzes Gewicht zuzumuten, aber irgendwie schafften sie es ins Innere der Hütte, ohne dass es ihm auffiel. Er half ihr, sich auf einen der morschen Stühle zu setzten und als er einen Blick durch das Innere des Raumes warf, bereute Merope es, nicht vernünftig gekehrt zu haben. Es hätte wahrscheinlich sowieso keinen großen Unterschied gemacht, da durch das offene Dach laufend neues Laub hinein flog, aber sie konnte seinen angewiderten Ausdruck kaum ertragen. Für ihn war sie wohl kaum mehr als Ungeziefer. So wie er es für ihren Vater und ihren Bruder war. Aber sie glaubte daran, dass unter dieser Fassade noch so viel mehr steckte. Ein rein arroganter Mensch hätte ihr sicher niemals geholfen. Jemand anderes wäre einfach an ihr vorbeigeritten und hätte sie verrecken lassen. Aber nicht Tom Riddle. Sein Herz war aufrichtig, nur seine Erziehung nicht. Etwas, das sie gedachte zu ändern. „Ich danke euch“, erlaubte Merope sich zu sagen und schenkte ihm ein schüchternes Lächeln. „Gern.“ Noch immer sprach Tom nicht mehr als er musste. „Würdet Ihr mir noch ein Glas Wasser ein-einschenken? Ich möchte Euch ungern … aufhalten, aber ...“, sie brach den Satz ab, in der Hoffnung, dass er ihre Unsicherheit merkte und nicht anders konnte, als einer schwachen Dame zu helfen. „Natürlich.“ Das Holz knarzte als er über die Dielen zur kleinen Küchenzeile lief, auf der vorsorglich bereits ein alter Keramikkrug und einige schmutzige Gläser standen. Er nahm eins der Gläser und füllte es mit dem klaren Wasser, dass Merope vor einer guten Stunde von der Quelle geholt hatte. „Möchtet Ihr nicht auch etwas trinken?“, fragte sie nach. „Ich? Nein, wirklich ni-“ „Aber … aber Ihr müsst“, fiel sie ihm ins Wort. Er musste wirklich, sonst konnte sie ihm den Zaubertrank nicht untermischen. Instinktiv griff sie bei diesem Gedanken in ihre Tasche und umklammerte das Fläschchen fest. Kurz hatte sie sogar Sorge, dass es in ihrer Umklammerung zerbrechen könnte. „Ich halte Euch auf. Es ist warm draußen. Bitte tut mir den Gefallen. Sonst würde ich mich schlecht fühlen.“ Das war etwas, was sie sich aus den vielen Gesprächen von ihm und seiner furchtbaren Verlobten abgeschaut hatte, die sie heimlich belauscht hatte. Bei ihr ging er immer darauf ein, wenn sie das verzweifelte Mädchen spielte und Merope hoffte, dass es auch hier erfolgreich sein würde. „Nun gut. Es kann nicht schaden.“ Seufzend schenkte er auch sich ein Glas ein und trug beide zu ihr, um ihr eins zu reichen. „Ihr wisst gar nicht, wie glücklich Ihr mich macht.“ Als Antwort nippte er an seinem Glas, bevor er es auf den Tisch abstellte, der dabei anfing gefährlich zu wackeln. Merope hatte von ihrem Vater so oft den Befehl bekommen, ihn zu reparieren, sie hatte nur einfach nicht gewusst wie. Zum Glück hatte Tom sein Glas bereits von selbst abgestellt, sodass sie nun keine Schwierigkeiten mehr hatte, ein paar Tropfen des Liebestranks hineinzugeben. Er musste sich nun nur noch umdrehen, bevor er erneut trank. Er tat ihr diesen Gefallen, indem er kopfschüttelnd den Raum durchquerte und sich genaustens umschaute, so als würde er überlegen, wie man die Mauern am Besten abreißen konnte. Merope erinnerte sich an den Wunsch dieser dummen Pute, die Hütte endlich dem Erdboden gleichzumachen und Wut stieg in ihr auf. Was wusste so ein dummer Muggle wie sie schon? Sie hatte keine Ahnung, über wen sie da gesprochen hatte. Nicht die geringste. Und wäre Merope nicht so eine schlechte Hexe, hätte sie ihr damals schon die Krätze auf den Hals gezaubert. Aber nun musste sie sich zur Umsicht ermahnen. Schnell zog sie das Fläschchen aus der Tasche, immer Tom durch die Augenwinkel im Blick und öffnete es schwerfällig. Sie schüttete so schnell es ging den kompletten Inhalt hinein – kein Risiko eingehen. „Trinkt bitte noch einen Schluck“, versuchte sie seine Aufmerksamkeit wieder auf sich zu richten und hielt im das Glas entgegen. Sie konnte sehen, dass sein erster Impuls war, es ihr aus der Hand zuschlagen. Aber stattdessen nahm er es ihr wortlos ab und kippte den Inhalt mit einem Zug hinunter. „Weißt du. Ich habe wirklich Mitleid mit dir“, sprach er plötzlich. „Diese Hütte sollte schon lange abgerissen werden. Man könnte hier etwas viel schöneres hinstellen. Wie viel möchtest du dafür?“ „W-was?“, fragte Merope irritiert. Sie konnte es nicht fassen. Hatte ihr Trank versagt? Das durfte nicht sein. Tränen stiegen ihr in die Augen. „Wenn ich wollte, könnte ich dich auch einfach hier rausschmeißen lassen. Aber ich biete dir Geld. Genügend, um in die Stadt zu kommen und dir Arbeit zu suchen. An deiner Stelle“, er musterte sie abwertend, „würde ich es … es … meine Liebe, wie heißt du?“ Toms Stimme wurde plötzlich butterweich und seine Augen sahen sie liebevoll an. Merope fiel erneut ein Stein vom Herzen. Er wirkte. Merlin sei Dank. Ihre Zukunft konnte kommen. 2. She wore a white dress at her wedding day. Thomas Riddle und seine Frau Mary verstanden die Welt nicht mehr, als ihr Sohn plötzlich mit dem seltsamen Mädchen vom Hügel gegenüber vor der Tür stand und ihnen erklärte, dass er sie heiraten würde. Er sah sie mit einer solchen Liebe an, dass Thomas schlecht wurde und alles reden und androhen, ihn zu enterben, nützte nichts. Tom befahl seinen Bediensteten sofort die Räume für seine neue Verlobte herzurichten und fuhr täglich in die Stadt, um die Hochzeitszeremonie voranzutreiben. Für Merope fühlte es sich an wie ein Traum, auch wenn ihre baldigen Schwiegereltern sie mit Missgunst und offener Abneigung straften. Nur ihre Liebe zu ihrem einzigen Sohn hielten sie davon ab, das, in ihren Augen, unwürdige Mädchen zum Teufel zu jagen. Tom erzählte Merope jeden Tag davon, wie die Kapelle aussehen würde, was er für Blumenschmuck ausgesucht hatte und in welchem Laden sie bald ihr Hochzeitskleid anprobieren durfte. Sie konnte sich gar nicht vorstellen, wie es wohl sein würde eine Hochzeitsfeier auf Muggleart zu vollziehen. Wusste sie ja noch nicht einmal genau, wie es in ihrer Welt ablief. Aber die Vorstellung bald seine Frau werden zu dürfen, beruhigte sie ungemein. Sie musste nur dafür sorgen, dass er jeden Abend etwas von ihrem Liebestrank in sein Glas Wein bekam. Nichts und niemand würde ihr und ihrem Wunsch nach seiner Zuneigung in den Weg kommen. Auch diese Pute namens Cecilia nicht, die in Tränen aufgelöst aus dem Haus vertrieben wurde, nachdem Tom Merope mit hierher gebracht hatte. Dieser dumme Muggle hatte sich doch tatsächlich dagegen gewehrt und ihm eine kurzzeitige Geisteskrankheit diagnostiziert. Zu Meropes Glück war niemand genauer darauf eingegangen und Tom hatte sie mit der Erklärung, sie leide unter Hysterie aus dem Haus tragen lassen. Von alleine wäre sie wohl niemals gegangen. Seine Mutter hatte ihm zwar gesagt, dass sie ihn nicht wiedererkennen würde, aber Tom war davon wenig beeindruckt gewesen und hatte sich lieber mit Merope in seine Gemächer zurückgezogen. Sie hatten den restlichen Tag auf dem grünen Sofa gelegen, sich geküsst, gekuschelt und die Nähe des jeweils anderen genossen. Sich ihm komplett hingeben, konnte Merope aber noch nicht. Sie schämte sich für ihren plumpen Körper und die Narben auf ihrer Haut, die ihr Vater und ihr Bruder ihr über die Jahre hinweg zugefügt hatten. Tom war unerwartet verständnisvoll, erklärte ihr aber, dass sie für ihn perfekt sei. Merope schwebte in den nächsten Tagen auf einer Wolke und überhörte das Getuschel der Angestellten, die ihr Hexerei vorwarfen, weil sie sich nicht erklären konnten, wie jemand aus der Familie Riddle sich mit einer solch hässlichen Person abgeben konnte. Andere meinten, sie hätten sich verdient, so böse wie beide Familien seien. Es war ihr egal. Tom gehörte nun ihr und sie würde ihn bald heiraten und dann endlich dieses schreckliche Dorf hinter sich lassen. An einem Abend hatte sie ihn gefragt, ob er mit ihr nach London kommen würde und er hatte sofort zugesagt. Es war bereits alles in die Wege geleitet. Sofort nach ihrer Hochzeit, die im kleinen Kreis – nur mit seinen Eltern und ohne ihre Familienangehörigen, da diese noch immer in Askaban saßen – stattfinden würde. Die Zeremonie würde der Dorfpfarrer halten, der sich durch eine großzügige Spende von Tom Riddle dazu hatte überreden lassen, einen früheren Termin anzubieten. Merope, die es nicht oft genug denken konnte, kam es wie ein Traum vor. Noch vor einer Woche war sie durch das Vogelgezwitscher auf dem harten Boden aufgewacht. Allein und verlassen. Und nun durfte sie so lange schlafen wie es ihr gefiel, sich von dem hübschesten Mann, den es auf der ganzen Welt gab, küssen lassen und andere Menschen herumkommandieren. Und dafür musste sie nur vorübergehend die abwertenden Blicke ihrer baldigen Schwiegereltern und der Bediensteten ertragen. So musste sich eine Prinzessin fühlen. Und als Merope sich im Spiegel betrachtete, das weiße Rüschenkleid an ihrem Körper geschmiegt, wusste sie, dass sie es zumindest für den Tag ihrer Hochzeit auch sein würde. „Sie sehen wunderschön aus“, erklärte ihr die Schneiderin und klang dabei beinahe aufrichtig. Aber auch das war Merope egal. Sie fühlte sich so glücklich, dass es ihr nicht auffiel, wie sie mit einem Naserümpfen betrachtet wurde. Sie glaubte es ihr einfach und strahlte über das ganze Gesicht. „Das ist das schönste Kleid, das ich jemals gesehen habe“, erwiderte sie und drehte sich vorsichtig. „Ein schönes Kleid für eine schöne Frau“, flötete die Verkäuferin und half Merope vom Podest. „Ihr Verlobter zahlt noch vor der Hochzeit?“, erkundigte sie sich nochmals. Die Frage hatte sie bereits vier Mal gestellt und Merope wurde nicht müde, es ihr zu bestätigen. Sie sah der hochgewachsenen Frau tief in deren graue Augen und nickte bekräftigend. „Sobald es im Anwesen angekommen ist, schickt er einen Boten mit dem Geld.“ Anschließend half sie Merope dabei, sich aus dem Korsett zu schälen und nahm ihr den weichen Stoff so vorsichtig ab, als würde ihr Leben davon abhängen, wenn dem Kleid etwas geschah. Merope verließ mit einem glückseligen Lächeln den kleinen Laden und wurde auf der Straße bereits von ihrer Kutsche erwartet, die sie zum Abendessen zurück in ihr neues Heim brachte. Toms Eltern weigerten sich mit ihrem Sohn und Merope zu speisen, aber auch das war ihr gleichgültig. Sie hatte Tom und damit alles Glück der Welt. Und wenn sie erst einmal verheiratet waren und in London lebten, war das hier nur noch eine ferne Erinnerung. Als sie oben am Berg ankam, wurde sie sogar von ihm begrüßt und er reichte ihr eine Hand, um seiner zukünftigen Braut selbst aus der Kutsche zu helfen. Ein kurzer Kuss auf die Wange und er führte sie schnell ins Innere des Hauses. Weg vom kalten Wind und dem Schnee, der seit einigen Tagen unaufhörlich fiel. „In zwei Tagen ist es endlich so weit, meine Liebste“, flüsterte er ihr ins Ohr, als die Flügeltür vor ihnen aufging und der Butler ihnen entgegentrat. Tom half Merope aus dem Mantel und überreichte ihn seinem Bediensteten. „Ich kann es kaum erwarten“, fuhr er fort und gemeinsam begaben sie sich durch die große Eingangshalle in den Speisesaal. Der Tisch war aus echter Eiche und die Stühle besaßen ein so weiches Polster, dass Merope jedes Mal am Liebsten für immer darauf sitzen bleiben würde. Ein großer Kronleuchter hing von der Decke und erfüllte den Raum mit Licht. Merope kam Elektrizität noch immer unwirklich vor. Tom zog einen Stuhl für sie zurück, sodass sie sich setzten konnte, dann nahm er ihr gegenüber Platz. Übermorgen um diese Zeit würden sie Little Hangleton längst hinter sich gelassen haben und ihr neues Leben in London beginnen. „Ich habe heute das Geld abgehoben und die Bestätigung erhalten, dass die Anzahlung für unsere Wohnung einging. Bald leben wir im Herzen von London“, erzählte Tom ihr und Merope lauschte seinen Worten aufmerksam. Es war wie Balsam für ihre Seele. „Ich hoffe, du kommst heute Abend wieder zu mir und wir stoßen darauf an“, erwiderte sie schüchtern. Ein kleiner Gewissensbiss schlich sich in ihre Gedanken, den sie sofort verdrängte. Tom brauchte nur ein wenig Zeit und der Zaubertrank würde nicht mehr nötig sein. Nur etwas Routine in ihrem Leben und er würde lernen, sie wirklich zu lieben. „Aber natürlich. Nichts wäre mir lieber. Ohne einen Kuss könnte ich sowieso nicht einschlafen.“ Der folgende Tag verging wie im Flug und Merope kam er dennoch unendlich lang vor. Als sie sich am Abend ins Bett legte, konnte sie ewig nicht einschlafen und am nächsten Morgen sahen ihr zwei müde Augen mit tiefen, dunklen Augenringen aus dem Spiegel entgegen. Die alte Frau, die sich um ihre Frisur kümmerte, tat so als würde sie es übersehen, aber Merope hörte ständig die abschätzige Stimme ihres Vaters im Kopf. „Du bist hässlich.“ „Wer würde schon so eine wie dich wollen.“ „Nutzloser Squib.“ „Du bist genauso minderwertig wie dein Mugglemann.“ Tränen stiegen ihr in die Augen und die Frau ließ sie einen Moment alleine. Sie versuchte nicht die unsichere Braut zu trösten. Sie schien eher froh zu sein, aus dem Raum flüchten zu können und kam erst zwanzig Minuten später zurück, um ihr Werk zu vollenden. Am Ende war es der Frau irgendwie gelungen in Meropes kaputtes und struppiges Haar Locken zu bringen, die sie hinten nach oben gesteckt hatte und nur vorne an den Ohren jeweils eine dicke Strähne frei nach unten fallen ließ. Es sah annehmbar aus, aber sie fühlte sich lange nicht mehr so wunderschön wie noch die Tage zuvor. Je schneller sie aus diesem verseuchten Dorf hinauskam, desto besser. Sie ließ sich beim Anziehen des Hochzeitskleides helfen, das pünktlich gestern Vormittag angekommen war und hatte das Gefühl, dass die Dienstmädchen ihr das Korsett absichtlich zu eng schnürten. Vielleicht bekam sie aber auch vor lauter Nervosität kaum Luft. Der Butler half ihr den Gang entlang und die Stufen nach unten, sodass sie nicht über den Unterrock stolperte und eins der Mädchen hielt ihre Schleppe, um sie nicht dreckig werden zu lassen. Gemeinsam schritten sie über den schneebedeckten Kies und Merope fühlte, als sie endlich in der Kutsche saß, das erste Mal an diesem Tag so etwas wie Erleichterung. Bald wäre all das hier Geschichte. Nur noch ein einziges Mal musste sie nach unten in das Dorf fahren. Danach konnte sie diesen unheilvollen Ort endlich hinter sich lassen und gemeinsam mit Tom ein neues Leben beginnen. Dieser wartete bereits vor der kleinen Kapelle, die direkt am Marktplatz stand und strahlte über beide Ohren. Als er sie sah, musste er heftig schlucken und Merope merkte, wie die letzten unheilvollen Gedanken aus ihrem Kopf verschwanden. Gemeinsam stiegen sie die Stufen hinauf und betraten die Kapelle, die mit weißen Rosen geschmückt war. Am hinteren Ende saß ein buckliger Mann und spielte auf der Orgel eines der Mugglelieder, die wohl für eine solche Zeremonie angebracht waren. Toms Eltern hatten in der ersten Reihe platz genommen und der Pfarrer wartete vor dem Altar. Neben ihm stand ein weiterer Mann, den sie nicht zuordnen konnte. „Mach dir keine Gedanken, meine Liebste. Mr. Boyle ist nur hier, um die Dokumente für die Hochzeit zu unterzeichnen, damit sie ohne große Wartezeit rechtskräftig wird.“ Unsicher nickte sie und spürte wie Tom ihren Arm kurz mit seiner Hand drückte, um ihr wortlos Mut zuzusprechen. Als sie endlich vorne ankamen, begann der Pfarrer mit seiner tiefen, aber klaren Stimme die Zeremonie. Las etwas aus dieser ominösen Bibel vor und bat sie, ihm anschließend nachzusprechen und die Ringe, die Tom ausgesucht hatte, dem jeweils anderen an den Ringfinger zu stecken. Merope hörte, wie Toms Mutter erstickt aufstöhnte, als ihr Sohn dieser Aufforderung nachkam und so konnte es Merope gar nicht schnell genug gehen, bis sie ihn küssen durfte, um die Zeremonie zu beenden. Anschließend durften sie – und wie der Pfarrer betonte als große Ausnahme – die Dokumente auf dem Altar unterzeichnen. Merope fokussierte sich nur noch darauf endlich hier hinauszukommen und mit Tom so schnell wie möglich nach London aufzubrechen. Aufgrund des Winterwetters würde es länger dauern, aber das spielte keine Rolle. Tom gehörte endlich zu ihr und sie zu ihm. Sie hatten sich vor seinen hochnäsigen Eltern das Ja-Wort gegeben und würden nun in ein neues Leben aufbrechen. Weit weg von Little Hangleton und der alten Hütte auf der einen Seite und dem großen Anwesen auf der anderen. Weit weg von all den schlechten Erinnerungen. 3. She made him breakfast every morning. Merope Riddle. Dieser Name klang so viel schöner als ihr Alter. Merope Riddle, Frau von Tim Riddle. Jeden Morgen wenn sie die Augen aufschlug und in das noch schlafende, attraktive Gesicht ihres Mannes schaute, breitete sich ein Grinsen auf ihrem Gesicht aus, das ein Fremder womöglich als irre bezeichnet hätte. Merope war glücklich. Sie hätte niemals gedacht, dass ihr diese Gefühle überhaupt möglich sein könnten. Aber sie war glücklich. Aus diesem Grund machte es ihr sogar Freude aufzustehen und leise in die Küche zu schleichen, um ihren Mann Frühstück zu machen. Tom ließ sie kaum etwas machen und sie genoss es von ihm bedient zu werden. Noch mehr, dass er sogleich mit ihr in ein Bekleidungsgeschäft gefahren war, um ihr Kleider nach der neusten Londoner Mode zu kaufen. Sie hatte aus ihrem erbärmlichen Leben nur einige, zerlumpte Stücke besessen und kaum die Zeit gehabt, in Little Hangleton, außer ihrem Hochzeitskleid, etwas neues zu kaufen. Das einzige, was sie von zuhause mitgenommen hatte, war eine alte Kette mit einem großen Goldmedaillon, das mit einem S aus grünen Steinen verziert worden war. Der größte Schatz ihres Vaters, obwohl er es niemals getragen hatte bevor er nach Askaban kam und als es Merope durch Zufall beim Durchsuchen der Schränke in die Hände gefallen war, hatte sie es ohne darüber nachzudenken, in ihre Rocktasche gesteckt. Nun trug sie es in ihrem neuen Heim täglich um den Hals, verstaute es allerdings unter der Matratze, wenn sie ihre Wohnung verließen, um die Stadt zu erkunden, Essen oder einkaufen zu gehen. Tom verwöhnte sie wirklich. Mehr als das. Aber deshalb verspürte sie den Drang, es ihm irgendwie zu danken. Und auch wenn er ihr jeden Morgen, sobald er in die Küche kam und sah, dass sie das Frühstück für sie beide vorbereitete, erklärte, sie müsse dies nicht tun, konnte sie nicht anders. Er gab ihr dann immer einen dankbaren Kuss in den Nacken und sie musste an den Abend zuvor denken. Ihr Nacken war seine Lieblingsstelle, weil sich dort eine große, wulstige Narbe befand, die er mit seiner Liebe wegküssen wollte. Das tat er mit jeder Narbe auf ihrer Haut. Er fuhr sie mit seinen Fingern nach, küsste sie und erklärte Merope wie wunderschön sie sei und was er ihrem Vater und ihrem Bruder am Liebsten antun würde, wenn er sie jemals in die Finger bekommen sollte. Sie vermied es, ihm zu erklären, dass er niemals lebend aus einem solchen Aufeinandertreffen herauskommen würde, bat ihn stattdessen, sie einfach zu lieben. Und das tat er auch. Merope wusste mittlerweile gar nicht mehr, wieso sie sich so davor gefürchtet hatte, das Bett mit ihm zu teilen. Tom war zärtlich, vorsichtig und aufmerksam. Sie konnte gar nicht genug davon bekommen. Und wenn er sie dann Morgens wieder in den Nacken küsste, war die Erinnerung so präsent, als wären sie gerade erst miteinander verschmolzen. „Du bist zu gut zu mir“, flüsterte er ihr ins Ohr und eine angenehme Gänsehaut überzog ihren Körper. Er schlang seine Arme um ihre Hüfte und zog sie ganz nah an sich, um ihren Duft in sich aufnehmen zu können. Merope schloss die Augen und genoss seine Wärme, seine Stärke. Einfach ihn. Irgendwann aber musste sie sich von ihm lösen, da der Liebeszauber, unter den sie ihn noch immer setzten musste, am Ende noch dazu führen würde, dass er für ihre Nähe das Essen vergaß. Eine Vorstellung, die sie meist leise kichern ließ, bevor sie ihm befahl, sich endlich zu setzten und sich das Frühstück von ihr bringen zu lassen. Normalerweise bestand es aus zwei Buttertoast, Speck und einem Ei. Lebensmittel, die sie auf dem Mugglemarkt bekam. In die Winkelgasse war sie noch kein einziges Mal gegangen, seit sie hier war. Sie hätte nicht einmal gewusst, wo sich diese befand und Tom als Muggle dort hineinzubringen, erschien ihr falsch. Außerdem gefiel ihr das nicht-magische Leben, das sie aufgrund der Schikane ihrer Familie seit kleinster Kindheit hatte leben müssen. Aber mit Tom machte es endlich einmal Spaß mit den eigenen Händen zu arbeiten. Ihr Zauberstab lag ganz unten in ihrem Koffer. Sie liebte es einfach so sehr, ihm das Frühstück zu machen und dann in seine dunklen Augen zu blicken, wenn er sie voller Zuneigung ansah, während er aß. 4. She surprised him with her pregnancy. Sie waren erst einige Monate verheiratet und der Frühling brach langsam durch den kalten Boden in den Londoner Parks, als Merope eines Morgens aufstand, um ihrem Tom das Frühstück zuzubereiten, stattdessen aber in den kleinen Raum neben dem Schlafzimmer rannte und sich in den Nachttopf übergeben musste. Sie fühlte sich den kompletten Tag schlecht und erhielt von ihrem Mann strenge Vorgaben, sich nicht ohne seine Hilfe aus dem Bett zu bewegen. Er holte eine zweite Decke, polsterte ihren Rücken mit weiteren Kissen aus und machte ihr Tee. Tom war wirklich aufmerksam. Sie schlief den halben Tag durch und immer, wenn ihre Augen sich öffneten, saß er neben ihrem Bett auf einem Stuhl. Am Abend hatte er sogar eine Suppe für sie vorbereitet, die schrecklich versalzen war und eher nach Putzwasser schmeckte, aber Merope schlürfte sie dennoch begierig. Schließlich hatte Tom sie extra für sie gemacht. Als es in den folgenden Tagen nicht besser wurde und Merope langsam Schmerzen in ihren Brüsten bekam, beschloss Tom, einen Arzt kommen zu lassen. Nichts ekelte sie mehr an, als sich von einem fremden Muggle anfassen zu lassen. Aber ähnlich wie bei der Winkelgasse, wusste sie nicht wo das Krankenhaus für Hexen und Zauberer war und wie sie Tom dorthin hätte mitnehmen können. Also ließ sie die Untersuchung über sich ergehen. Aus Scham hatte sie Tom sogar gebeten, den Raum zu verlassen. Er sollte nicht mitansehen, wie ein dreckiger, alter Muggle sie anfasste, ihr komische Fragen stellte und nachdenklich musterte. „Nun, Mrs. Riddle. Ich darf heute der erste sein, der sie beglückwünscht.“ Irritiert sah sie ihn an. Wusste der Mann überhaupt was er tat? Sie musste sich jeden Morgen übergeben, fühlte sich schlapp und ihre Brüste spannten von Tag zu Tag mehr. Doch er strahlte sie dennoch an. „Wie bitte?“, fragte sie deshalb fassungslos. „Sie sind schwanger“, erwiderte er und Meropes Kinnlade kippte nach unten. Sie war schwanger. Schwanger von ihrem Tom. Es war wie die Erfüllung all ihrer Träume. Dabei hatte sie immer gedacht, die Hochzeit mit ihm, sei es schon gewesen. Glücklich strich sie sich sanft über ihren Bauch und bat den Arzt ihren Mann zu holen. „Meine Liebste, ist alles in Ordnung?“, fragte Tom besorgt und kniete sich vor ihrem Bett hin. Merope hob ihren Kopf und sah ihn mit Freudentränen in seine Augen. Sie nickte. War noch immer sprachlos über dieses Wunder. Es waren einige Versuche von Nöten, bevor sie es endlich aussprechen konnte. „Ich bin schwanger, Tom. Wir bekommen ein Kind“, flüsterte sie schließlich. Tom sah sie im ersten Moment vollkommen ungläubig an. Doch plötzlich fand sie sich in seinen Armen wider und vernahm sein Lachen. „Wir bekommen ein Kind“, sprach er ihr nach. Merope wusste nicht, ob sie jemals glücklicher werden würde, als in diesem Augenblick. 5. She hoped for so much more. Es vergingen die ersten Monate und ihr Babybauch zeichnete sich immer mehr ab. Tom verbot ihr nun sogar das Machen des Frühstücks. Sie sollte sich voll und ganz auf sich und ihr Kind konzentrieren. Den Rest würde er übernehmen. Genügend Geld hätten sie schließlich, sagte er immer. Merope saß nun die meiste Zeit in dem neuen Schaukelstuhl, den Tom extra für sie hatte anfertigen lassen. Sie hatte viel Zeit zum Nachdenken und hielt auch heute wieder eins der Fläschchen voller Liebestrank in ihrer Hand. Tom hatte nie gefragt, warum sie so ungewöhnliche Zutaten benötigte. Er hatte einfach auf der Straße nach Läden gefragt, die diese seltsamen Wurzeln und Kräuter, wie er es nannte, führten und war tatsächlich sogar in der Mugglewelt fündig geworden. Merope verliebte sich, nun da sie schwanger war, immer mehr in den Gedanken, dass er sie mittlerweile auch endlich wirklich lieben würde. Sie lebten seit so vielen Monaten zusammen, konnten nicht genug von der Anwesenheit des anderen bekommen und außerdem trug sie sein Kind unter ihrem Herzen. Tom konnte doch gar nicht anders, als sie wirklich zu lieben. Da war sich Merope mittlerweile sicher. Ein Liebestrank war niemals so machtvoll, dass er ihn so stark beeinflusste. Er liebte sie ehrlich und aufrichtig. Es konnte einfach nicht sein, dass irgendeine Magie der Welt in der Lage war, dieses Ausmaß an Gefühlen herbeizuführen. Wie sie sich irrte. Nicht länger willig und voller Hoffnung, dass es von nun an komplett ohne Magie funktionieren würde, ließ sie die abendliche Dosis weg. Sie spürte, wie sich etwas in Tom veränderte, aber nach einer so langen Zeit unter Zaubereinfluss, musste das normal sein. Er berührte sie nicht mehr so oft, hin und wieder kam ein Flackern von Verwirrtheit in seinen Augen auf, doch ansonsten blieb er liebevoll. Brachte ihr das Essen, fragte wie es ihr ging. Als sie an einem der windigen Herbstmorgen wieder über dem Nachttopf hing und sich übergab, vernahm sie plötzlich ein Rumpeln. Merope schrecke auf und eilte, so schnell ihre schmerzhaften Beine es ihr erlaubten, ins Schlafzimmer. „Alles in Ordnung, Tom?“, fragte sie als sie sah, wie ihr Mann sich fassungslos im Raum umblickte. „Was? Wo? Wer?“, rief er und plötzlich fand sein Blick den ihren. Seine Verwirrtheit schlug in Unglauben und anschließend in purem Hass um. „Du!“, rief er. „Wo sind wir hier? Was ist passiert?“ Mit drei Schritten war er bei ihr, griff sie fest, viel zu fest, an die Schultern und begann sie zu schütteln. „Nicht!“, versuchte Merope in zu stoppen. Doch er hörte sie nicht. War wie im Wahn. „Tom. Du tust unserem Kind weh!“, versuchte sie es weiter und Verzweiflung lag in ihrer Stimme. „Unser …?“ Plötzlich stieß er sie von sich und Merope fiel auf den harten Holzboden. Sie rappelte sich schnell wieder auf, versuchte ihm näher zu kommen. Was war nur mit ihm los? Sie verstand es nicht. „Das … das ist nicht mein Kind!“, schrie er sie an und deutete angewidert auf ihren runden Bauch. Merope bekam noch nicht einmal den Mund auf, so heftig traf sie seine Reaktion. Sie konnte ihn nur anstarren. Hier lief irgendetwas falsch. Er sollte sie lieben, sie umarmen und ihr zeigen, dass nicht alles nur von ihrem Liebestrank gekommen war. Doch Tom starrte nur mit vor Ekel geweiteten Augen zurück. Nur einen Augenblick, nicht länger als einen Wimpernschlag, bevor er sich umdrehte und die Wohnung verließ. Merope brach zusammen. Sie blickte fassungslos auf die geschlossene Wohnungstür. Hatte sie wirklich so falsch gelegen? Sie war sich sicher gewesen, dass er nach all den Monaten auch sie lieben würde. Eine einzelne Träne ran ihr über die Wange, bevor sie schluchzend zusammenbrach. 6. She cried every night. Ohne Tom und sein Geld, konnte Merope nicht länger so leben wie zuvor. Er verkaufte sogar die Wohnung, ohne es ihr zu sagen und an einem Morgen nur wenige Tage nach seinem Weggang, kamen zwei Männer und ließen ihr kaum Zeit, ihre Habseligkeiten einzusammeln. Mit dem Medaillon um ihren Hals, dem Koffer voller Kleider und ihrem Zauberstab in ein Tuch gewickelt, lief sie durch die Straßen. Sie saß in Sackgassen, hatte kaum die Kraft, zum Essen oder Trinken. Meistens weinte sie. Vor allem nachts. Dann, wenn sie eigentlich mit Tom im Bett liegen und ihn lieben sollte. Von ihm geliebt werden sollte. Wenn er sie umarmen und küssen sollte. Doch er war nicht mehr da und ihre Lebensgeister schwanden von Tag zu Tag, an dem er nicht zu ihr zurückkehrte. Sie verkaufte ihre Kleider, bis auf das, das sie am Leib trug. Es stank nach einer Woche schrecklich, aber sie konnte sich kein neues leisten. Sie gab ihr ganzes auf der Straße verdientes Geld für Nahrung aus und bettelte um mehr. Doch die meisten dieser dreckigen Muggle ignorierten sie, liefen gehetzt an ihr vorbei oder straften sie mit einem abschätzigen Blick. Wie sollte sie nur ihr Kind aufziehen? Ganz allein, in einer Stadt, in der sie nur die Nobelviertel kannte? Ohne Geld, ohne ein Dach über dem Kopf? Ohne Tom? Merope weinte bei diesem Gedanken. Sie weinte sich so oft in den Schlaf, stets das Medaillon fest an sich gedrückt, um es sich nicht stehlen zu lassen. Immer öfter hörte sie die vorwurfsvolle Stimme ihres Vaters im Kopf. „Du nutzloses Ding. Was habe ich dir gesagt? Muggle sind alle gleich. Dreckiges Ungeziefer. Die wissen gar nicht, was wir alles mit ihnen anstellen könnten.“ Sein Lachen. Sie versuchte sich an einem, der regnerischen Tage sogar an Zauberei, doch der Stab lag in ihrer Hand wie ein nutzloses Stück Holz. Keine Magie durchströmte ihn und Merope schmiss ihn aus Wut weg und weinte erneut. Sie konnte kaum noch gehen, die Nächte wurden immer kälter und die Schatten um sie herum länger. Sie bekam kein Geld mehr und nach drei Tagen oder vier Tagen in diesem Zustand, blieb ihr nichts anderes mehr übrig, als auch das Familienmedaillon zu verpfänden. Der Laden, unscheinbar zwischen zwei hohen Gebäuden, zog sie fast magisch an und sie drückte schwerfällig die Holztür auf. Der Mann mit dem schiefen Blick hinter der Theke, rümpfte die Nase, sagte ansonsten aber nichts. Er gab ihr ein paar Goldmünzen, die Merope als Gallionen erkannt hätte, wäre sie nicht zu schwach gewesen. Laut ihm war das Teil nicht mehr wert. Merope ging, ohne sich zu bedanken und suchte nach etwas Essbarem. Und nach einem Zimmer. Einen Apfel fand sie, den sie vielleicht sogar hätte stehlen können, wenn sie in Vollbesitz ihrer Kräfte gewesen wäre. So aber zahlte sie dafür – und bemerkte den komischen Blick auf die Münze nicht. Aber kein Gastwirt wollte sie einlassen und Merope schlief einmal mehr zwischen Unrat auf dem Boden. In Gedanken bei Tom und bei ihrem gemeinsamen Kind, das noch immer in ihr heranwuchs. Sie würde für das Kind alles tun. Sie würde für es ihr Leben geben. 7. She died. Am Ende ihrer Kräfte und schwerkrank, brach Merope eines Tages auf den Stufen eines Waisenhauses zusammen. Sie hatte vor wenigen Tagen Frauen darüber flüstern hören. Es hatte einen guten Ruf, hieß es. Eine der Frauen hatte ihr Neugeborenes dort abgegeben, weil sie es nicht gebrauchen konnte. Merope war zu ihnen gehumpelt und hatte sich, von heftigen Hustenanfällen unterbrochen, erkundigt, wo sie genau hingehen musste. Nach einem Lachen, hatte die Frau, die ihr Kind dort ‚losgeworden war‘, ihr den Weg erklärt. Es hatte länger gedauert, als gedacht. Doch nun war sie hier. Müde, halb tot und bereit, ihr Kind aus dem Körper zu pressen. Es würde nicht mehr lange in ihr bleiben. Das spürte sie, obwohl ihr Körper aufgrund der Kälte ansonsten komplett taub war. Merope zog sich an dem Geländer hoch dann klopfte sie so stark sie konnte gegen die Holztür. Es geschah nichts. Ihre Beine knickten ihr weg und sie fiel zurück auf die Stufen, auf denen sie liegen blieb. Es musste leben. Ihr Kind musste unbedingt leben. Das war alles, was sie in den letzten Wochen selbst hatte überleben lassen. Es war Toms Kind. Und wenn er hörte, dass sie es hier hatte abgeben müssen, würde er es sicher holen. Dann würde es in einem wundervollen Zuhause aufwachsen und … vor Erschöpfung fielen ihr die Augen zu. Irgendwann öffnete sich die Tür und eine junge Frau erstarrte beim Anblick der bewusstlosen Merope. Sie eilte zu ihr und schüttelte sie vorsichtig. „Miss?“, fragte sie besorgt. Miss Cole, erst seit einigen Wochen hier, rannte zurück ins Haus und holte einen der Aufpasser, um ihr dabei zu helfen, die fremde, junge Frau ins Innere zu tragen. Als Greg, groß und kräftig, das arme Ding hochhob und drehte, erkannte sie mit Schrecken, dass es hochschwanger war. „Grundgütiger. Schnell“, befahl sie ihm und sie stoplerte beinahe durch die Flure in Richtung Krankenstation. Einige der Kinder spitzen aus ihren Zimmern oder liefen extra langsamer und Miss Cole musste nicht nur einmal stehen bleiben und sie zurechtweisen. Kaum hatten sie die junge Frau auf eines der Betten gelegt, schlug sie zitternd ihre Augen auf. „Ich …“, begann sie, aber im gleichen Moment zog sich ihr Gesicht schmerzvoll zusammen. Miss Cole blickte auf den Bauch. „Hol sofort den Arzt“, befahl sie Greg, der mit einem Nicken wieder verschwand. „Sie … sie bekommen Ihr Kind, Miss“, sagte sie und strich der unbekannten Frau eine Strähne aus dem Gesicht. Ihre Stirn glühte und trotzdem schien sie zu frieren. Miss Cole holte eine Decke und versuchte, sie so gut es ging, darin einzuwickeln. Sie hörte schnelle Schritte hinter sich und Dr. Frederick kam in den Raum gestolpert. „Greg meinte, Sie hätten … Allmächtiger“, flüsterte er beim Anblick der schwerkranken Frau. „Sie ist schwanger und liegt in den Wehen“, klärte sie den Arzt auf. Und wie, als wollte diese zustimmen, ertönte ein Schmerzenslaut aus ihrem Mund. Miss Cole hatte noch nie – und sie würde auch niemals mehr – so eine schreckliche Geburt miterlebt. Sie wusste gar nicht wie diese Frau die letzten Wochen hatte überleben können und konnte sich auch nicht vorstellen, dass das Kind in ihrem Leib noch am Leben war. Es tat ihr im Herzen weh, die Qualen der Frau beobachten zu müssen und das ganze Blut … so viel Blut. Das konnte nicht normal sein. Sie warf Dr. Frederick einen fragenden Blick zu, doch dieser schüttelte nur den Kopf, befahl ihr so zu schweigen und sie konzentrierte sich lieber darauf, dem armen Mädchen die Hand zu halten. Sie konnte das Alter nicht einschätzen, sah nur die Narben auf ihrer Haut und die rot unterlaufenden Augen. Was hatte sie nur ertragen müssen, um so zu enden? Tränen stiegen in ihre Augen. Ein Schreien riss sie aus ihren Gedanken und ungläubig starrte sie auf das kleine Wesen in Dr. Fredericks Händen. „Ein Junge“, erklärte er ihr erschöpft. „Hören Sie?“, fragte Miss Cole die vermeintlich junge Frau. „Sie haben einen Jungen.“ Im ersten Moment reagierte sie gar nicht, sah nur mit starrem Blick auf die Decke, bevor sie langsam nickte und schwerfällig den Mund öffnete, um etwas zu sagen. „Es … es tut mir leid. Bitte wiederholen Sie das“, antwortete Miss Cole und beugte sich näher über das Gesicht der Frau. „ … iddle jr. Tom … Tom Riddle jr.“, flüsterte sie immer und immer wieder. „Soll er so heißen?“, erkundigte Miss Cole sich vorsichtig. Ein schwaches Nicken. Miss Cole fragte sich, ob das der Name ihres Vaters gewesen war oder des Mannes, der sie einfach mit einem Kind alleine gelassen hatte. War er vielleicht ein Freier gewesen, der zuhause bereits eine ganze Familie hatte? Sie hatte so viele Fragen, deren Antworten für sie immer unbeantwortet bleiben würden. Merope hatte nicht einmal mehr die Kraft, ihren Sohn, ihren Tom, anzuschauen. Kaum hatte sie ausgesprochen, dass er nach seinem attraktiven Vater benannt werden sollte, verließen sie die letzten Lebensgeister. Sie war zu nichts mehr fähig. Und in dieser Nacht auf den ersten Januar verstarb Merope Riddle, nur mit einer fremden Frau an ihrem Bett, weit weg von ihrer Familie und dem Mann, den sie liebte. Der sie aber ohne Magie niemals hatte lieben können. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)