Rhenus von October ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Der Stadtpark ist nach dem Regen sonnendurchflutet, die Luft ist frisch und im Schatten ist es kühl. Es ist farblos hier, die Bäume und Erde sind kahl und grau, ab und zu mal sieht man grünes Gras und Unkraut und noch seltener kleine Frühlingsblumen. Die weißen kleinen Maiglöckchen verkünden den Frühlingsanfang nach dem langen kalten Winter. Ich wickel den roséfarbenen Cardigan stärker um mich herum und vergrößere meine Schritte zu meinem Lieblingsplatz. Es gibt hier nichts in dieser farblosen Landschaft, das sich lohnt es zu betrachten. Die frische kühle Luft tut mir gut und klärt meine Gedanken. Ich laufe an dem kleinen alten Stadtmuseum, das einst ein Familienhaus aus der Industriezeit war, vorbei. Es ist knall gelb und von den Sonnenstrahlen erleuchtet. Beim Anblick dieses Hauses rümpfe ich unbewusst die Nase. Der Weg im Park ist abgenutzt, alt und wurde schon lange nicht saniert. Unter meinen Turnschuhen knirscht es auf dem einen oder anderen Stückchen Weg. Ich bin schon fast an meinem Ziel, ich muss nur noch über die kleine weiße Brücke, unter ihr fließt ein dreckig brauner Fluss. Neben der Brücke steht eine Trauerweide, deren schiefer Stamm nah am Flussufer wächst und die Äste wie auch Blätter im Sommer nach unten zum Fluss hängen. Mein Lieblingsplatz ist eine künstlich erschaffene kleine Insel im Stadtpark. Zumindest würde ich es so beschreiben. Um dieses Stück Land fließt der Fluss herum. Auf jeder Seite der Insel befindet sich eine kleine Brücke. Auf der einen Seite ist eine weiße Metallbrücke und auf der anderen Seite ist eine dunkelbraune Holzbrücke. Auf der Insel selbst stehen ein paar Bäume, auf denen Efeu wächst. Den Efeu findet man auch auf dem Boden wachsen, daneben ein paar Büschel Gras. Ebenfalls befinden sich zwei kleine Wasserstellen, die eine Natur gegebene Form haben. Aber das Wasser fließt nirgendwohin, es ist stehendes Wasser. Man könnte auch sagen, es sind zwei Teiche. Beim guten Wetter, so wie jetzt, spiegelt sich das Blau und Weiß des Himmels in diesem dreckig braunen Wasser wieder. Ich finde es ist ein schöner Farbkontrast und es lässt diesen Ort heller und freundlicher erscheinen. Mein Gang auf der weißen Brücke erzeugt dumpfe Geräusche. Bei diesen Lauten wird meine Fantasie angeregt und sie zeigt mir einen gehenden Riesen, was mich jedes Mal zum Grinsen bringt. Näher zur weißen Brücke steht auf der Insel ein großer grauer Felsbrocken. Vermutlich ein Meter achtzig , zumindest etwas größer als ich, und so breit wie ein ausgewachsener Mann. Ich setzte mich, etwas abseits vom Stein, auf eine alte morsche Holzbank und betrachte die Umgebung. Es entspannt mich und ich komme zur Ruhe. Vorsichtig lehne ich meinen Rücken auf die Bank. Wenn man sich diesen Ort genauer anschaut und ihn mit dem restlichen Park vergleicht, dann fühlt es sich an, als ob er fehl am Platz ist. Diesel kleine Insel hat eine ganz andere Ausstrahlung, etwas Mystisches und Geheimnisvolles, so wie der Stonehenge. Ich war zwar nicht dort, aber ich habe Stonehenge auf Bildern und in Videoaufnahmen gesehen. Nur dass ich an das ganze heidnische Humbug nicht glaube. Als ich kleiner war, in dem Alter eines Kindergartenkindes, glaubte ich vom Weiten an diesem Stein einen jungen erwachsenen Mann gesehen zu haben und das nicht nur einmal. Wenn ich aber näher kam, war die Gestalt wie von Geisterhand verschwunden. In letzter Zeit sehe ich immer wieder denselben Traum. In dem befinde ich mich an meinem Lieblingsplatz. Nur dass dieser in meinem Traum freundlicher und heller ist, zudem ist die Temperatur angenehm warm. Zwischen den kahl grauen Bäumen stehen andere Bäume mit pastellfarbenen Blüten in rosa, grün, lila und blau. Zwischen dem Gras und Efeu wachsen neonfarbene Blumen. Sie sehen außergewöhnlich aus und scheinen keine Wildblumen zu sein. Die Farben sind so intensiv, sie könnten schon fast giftig sein. Genau hier sehe ich immer diesen einen jungen Mann aus meiner Kindheit, der nicht zu altern scheint. Er ist immer in Weiß angezogen, eine Jeans, ein langarmiges T-Shirt und Turnschuhe. Sein Haar ist Raben schwarz, seine Haut schneeweiß, die vollen Lippen rosarot und die Augen sind hell blau, dass sie schon wiederweiß aussehen.   Diese Augen ziehen mich magisch an. Sie strahlen eine Ruhe und Geborgenheit aus, aber gleichzeitig etwas Diabolisches und gefährliches. Ich könnte fast schwören, dass ich sie vor mir sehe. »Anna«, höre ich jemanden sanft sagen. Meine Lippen zaubern ein freudiges Lächeln, weil ich die tiefe und raue Stimme sofort erkenne. Meine Hand bewegt sich automatisch zu dem Gesicht des jungen Mannes gegenüber von mir. »Rhenus.«, flüstere ich erfreut. Aber als meine Hand sein Gesicht berührt, realisiere ich, dass vor mir wirklich ein lebendiger echter Mensch sitzt. Ich schrecke auf, springe von meinem Platz auf und bin schon dabei loszulaufen. Nur die große kräftige Hand hält mich an meinem Handgelenk fest. » Anna. Ich dachte mir es wird langsam Zeit, dass wir uns im wahren Leben treffen.« Ich schaue ihn erschrocken an, aber seine ruhige Art und etwas anderes an ihm, ich weiss nicht was es ist, sagt mir es stimmt. Irgendwie glaubte ich es diesen kühlen blauen Augen, die schon fast hypnotisch wirkten, dabei bin ich gar nicht so naiv. »Ich habe dir doch gesagt, dass ich die Fähigkeit habe Menschen im Traum zu besuchen.« Ich nickte nur daraufhin, weil ich in meinem inneren einen Kampf zwischen Sehnsucht und Vernunft führte. Die Stimme der Sehnsucht sagt mir, »Er ist endlich da und wir können zusammen sein.« Während die Stimme der Vernunft mir sagt, » Ich bin irre, dass zu glauben, dass das hier echt ist. Mit Mühe wende ich meine Augen von ihm, um zu sehen, ob es ein Traum ist oder nicht. Es ist kein Traum, alles hier ist kahl braun und tristlos und es ist keine Menschenseele in Sicht. »Anna komm, ich nehme dich mit.«, sagt Rhenus mit einer freudigen Stimme. »Wohin?« »Na, zu mir nach Hause.« »Welches zu Hause? Ich bin da noch nie dagewesen, ich weiss nicht von was du sprichst?« »Ich weiss, dass du es noch nicht kennst. Aber ein Teil von meinem Land hast du in deinem Traum gesehen. Und es hat dir gefallen oder nicht?«, sagte Rhenus in einem verführerischem Ton. Der Ort in meinem Traum hat mir wirklich gefallen, ich habe mich dort wohlgefühlt, wie in der Kirche, wo die Atmosphäre rein und sauber ist. Irgendwie kann ich nicht wiederstehen, Rhenus in meiner Nähe lies jegliche Vernunft verschwinden. »Ok«, hauche ich. Rhenus lächelt mich verschmitzt an und nimmt meine Hand. Sanft zog er mich Richtung eines der Teiche und stieg mit seinen weißen Turnschuhen ins dreckige Wasser. »Was machst du da?«, rufe ich entsetzt und ziehe kräftig an seiner Hand ohne ihn los zu lassen. »Wir gehen hier durch dieses magische Tor, so wie ich es dir in deinem Traum erzählt habe.« Dabei zeigt Rhenus mit seiner Hand auf das braune Wasser im Teich. Blitzschnell tauchen Erinnerungen auf, wie wir beide im Traum neben dem Teich stehen und er mir erklärt, wie wir zu ihm nach Hause komme, Sein letzter Satz im Traum war, »Wenn du mir folgst, dann kannst du nie wieder zurück und du bleibst für immer bei mir.« Mein letztes bisschen Vernunft ist weggeflogen, da meine Sehnsucht nach Rhenus und die glücklichen Gefühle, die er in mir weckt größer sind. Nun folge ich ihm gänzlich ohne wiederstand in den Teich. Bei jedem Schritt den wir gehen, steigt das Wasser immer höher. »Ich habe dir das noch nie erzählt, aber als du ganz klein warst. Da hab ich dich oft hier spielen beobachtet. An deinem sechsten Geburtstag warst du auch hier und hast mit deinem gelben Ball gespielt. Dein Ball ist genau hier hin gefallen.«, sagte Rhenus. Dabei stehen wir schon hüfttief im Wasser. »Du bist in das Wasser geklettert und wolltest deinen gelben Ball holen. Und so bist du in meinem Reich gelandet. Bitterlich hast du geweint und wolltest unbedingt zu deinen Eltern zurück, weil du dachtest du hättest dich verlaufen. Ich konnte es nicht über mein Herz bringen dich hier zu lassen und habe dich zurück zu deinen Eltern gebracht.« Rhenus zögerte einen Moment, »Du hast mir versprochen, wenn ich dich abholen komme, dann würdest du mitkommen und für immer bei mir bleiben.« Mein Kopf rattert und versucht sich daran zu erinnern, aber ich kann keine Erinnerung aus meiner Kindheit finden, die dem ähnelt, was Rhenus mir erzählt hat, es ist wie leer gefegt. Das einzige, was der Geschichte nahe kommt ist das, was mein Vater mir vor zwei Jahren erzählt hat. Ich wäre in diesem Teich ertrunken, als er mich aus den Augen verloren hatte. Was keiner verstehen konnte ist, wie ich in diesem Teich ertrinken konnte, weil ich schon als Baby Schwimmunterricht bekommen habe. Als mein Vater einen Schuh und den gelben Ball von mir im Wasser gesehen hat, wäre er in den Teich gesprungen und hat meinen Körper aus dem Wasser geholt. Sehr lange hat er gebraucht, um mich wiederzubeleben, aber es hat geklappt. Rhenus Frage reist mich aus meiner Erinnerung, »Bist du soweit?« »Ja, sage ich mit einer festen Stimme und bin bereit an der Seite von Rhenus zu bleiben. Wir beide werden plötzlich ins Wasser gezogen. Ich schließe aus Reflex meine Augen und spüre, dass Rhenus mich umarmt. Vorsichtig öffne ich meine Augen und sehe, dass wir runterfallen, wie vom Himmel auf sein Reich. Rhenus lächelt mich glücklich und zufrieden an. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)