Everybody’s Darling von Lupus-in-Fabula ================================================================================ Prolog: -------- „Komm runter! Dein Frühstück wird kalt.“ Ungeduldig klopfte Tracy an die Zimmertüre ihres Bruders. Sie hörte ein Rumpeln, ein leises Fluchen und dann ein verärgertes „Ich KOMME ja schon!“ Tracy schnaubte. Das war schon das dritte Mal, das Ness dies sagte. „Brüderchen“, sprach sie genervt und drückte die Klinke hinunter. Es rumpelte wieder, bevor Ness mit einem lauten „Bleib draussen!“ sie hinderte hineinzutreten. „Du bist nervig! Lass mich in Ruhe!“ „Ohne mich könntest du nicht mit deiner Paula heute weggehen. Sei mir dankbar, Bruderherz.“ „Sie ist nicht meine Paula!“ Immer noch versuchte Tracy in das Zimmer von Ness zukommen. Mit aller Kraft stemmte sie sich gegen die Türe. Obwohl sie nicht eine grosse Chance hatte, wollte der Teenager nicht aufgeben. Weiterhin foppte sie ihn, hoffte, so ihren Bruder ablenken zu können. Erst als die Mutter nach ihr rief, liess sie ihren gestressten Bruder in Ruhe. „Hab ich alles? Mein Geld? In meiner rechten Hosentasche. Kaugummi? In meiner linken Hosentasche. Taschentücher? Warum sollte ich sie eigentlich mitnehmen? Wenn Mama es meint, … Was habe ich vergessen?“ Langsam lief Ness den schmalen Weg hinunter, redete mich sich selbst. Blieb stehen. Kontrollierte wieder alles. Dieses Spiel trieb er eine Weile. Hatte er wirklich alles? Er war so in seinen Gedanken versunken, dass er die genervten Rufe nicht hörte. Erst als Ness eine Hand auf seiner Schulter spürte, gefolgt von einem „Wie oft soll ich nach dir rufen? Spitz die Ohren, man!“ reagierte er. Überraschte kratzte sich der Angesprochene am Kopf, nahm von Picky, sein Nachbar und bester Freund seiner Schwester, die Blumen an und wollte sich bedanken. Doch Picky zog einfach nur die Schultern hoch. Lässig sprach er: „Lass es stecken, Casanova. Komm einfach nicht zu spät.“ *** Onett war an diesem Samstag überraschend belebt. Eine Katze fischte aus einer Mülltonne ein Stückchen Pizza, eine Andere versuchten Spatzen zu fangen, die auf den Bistrotischchen Krümel aufpickten. Die Läden priesen ihre Waren an, Leute schwatzten auf dem Gehweg miteinander. Die Bibliothek war trotz des warmen Wetters gut besucht. War es wegen den Büchern oder lag die Wahrheit darin, dass es eine neue Kühlung gab? Nervös blickte Ness auf den Fahrplan des Busses. Er wollte nicht zu spät kommen. Heute sollte es perfekt werden. Ness zupfte an seinem Hemd herum. Mama hatte es sorgfältig gebügelt, genauso wie seine gute Hose. Sogar die Schuhe hatte er eigenhändig geputzt. Auch zum Friseur ging er, dies aber nur wegen Tracy. Ihrer Meinung nach sahen seine Haare aus, wie ein flachgewaltztes Wiesel. Wieder blickte er zum Fahrplan, wollte danach wieder seine Hosentaschen kontrollieren. „Mein Junge, der Bus kommt in einer Minute. Und heute fährt Mr. Carismi, er ist sehr zuverlässig.“ Freundlich nickte die ältere Dame den aufgeregten jungen Erwachsenen zu. Sie schmunzelte über das Verhalten von Ness. Sie kannte ihn schon seit Klein auf, jeder in Onett kannte Ness. Sie musterte ihn und winkte ihn zu sich. „Paula wird sich freuen“, sprach die Dame und zwinkerte. Die Antwort verschluckte der heranfahrende Bus. *** Die Sonne wärmte seinen Rücken. Er fühlte sich, wie ein Idiot sich fühlte. Er stand vor der Türe des Wohnhauses der Polestars. Der Vorgarten war, wie zur jeder Jahreszeit, passend dekoriert. Ein Osterhase und Lämmchen standen noch in der Ecke. Die übrigen Osterdekorationen waren schon reingeholt und verschachtelt worden. Ness lächelte und versuchte ein Gesprächsthema zu finden. Sollte er über das letzte Baseballspiel fachsimpeln? Oder über das Wetter? Jeff sagte immer, das Wetter wäre ein gutes Thema, um das Eis zu brechen. „Schönes Wetter, nicht? Finden Sie nicht?“ „Ja.“ Das lief nicht so gut. Nach dem Ja schwieg Paulas Vater wieder. Langsam wurde der junge Erwachsene aus Onett hibbelig. Seit er geklingelt hatte und Herr Polestar die Türe öffnete, war die Situation eisig. Vorsichtig versuchte Ness einen Blick in den Gang zu werfen. Als er ein missmutiges Räuspern vernahm, wusste Ness, das er nicht so unauffällig war. „Ich würde gerne … Könnte ich …“ Wie konnte er die Situation nur entspannen? Wenn er nur wüsste, weshalb Paulas Vater solch einen Gesichtsaufdruck hatte. „Schatz, wo seid ihr …? Warum bittest du Ness nicht hinein?“ Paulas Mutter lächelte den Besucher freundlich an und flüsterte ihrem Mann ein „Darüber reden wir jetzt!“ ins Ohr. Ness betrat das Wohnzimmer. Auch hier war alles dekoriert. Frühling war eine tolle Jahreszeit. Ness war schon öfters bei Paula zu Besuch, einige Male übernachtete er sogar bei den Polestars. Gut, Jeff war dabei auch immer anwesend. Poo, als Prinz eines fernen Landes, konnte leider nie dabei sein. Jeff bemerkte ja auch öfters, dass sie keine Kinder mehr seien. Ebenso sprach er davon das sie nie normale Kinder gewesen sind. Ob der gute Jeff sich immer noch grämte, als einziger keine Superkräfte besessen zu haben? „Verzeih Ness, das du Warten musstest. Ich bin jetzt bereit zu gehen.“ „Schon gut. Ich habe dir Blumen mitgebracht. Dir und deiner Mutter. Diese sind für deine Mutter.“ Paula lächelte und nahm die Blumen. Ness blickte ihr nicht ins Gesicht, es war ihm irgendwie peinlich. Das Kleid. War es neu? Unsicher blinzelte er. Er mustere das Kleid, versuchte sich zu erinnern, ob er es an ihr schon gesehen hatte. Ihre Haare trug sie zu einem Zopf. Im Gegensatz zu früher trug sie nun lange Harre. Ness bemerkte nicht, das ihre Eltern das Wohnzimmer betraten. Die Mutter kümmerte sich zusammen mit Paula um die Blumen, der Vater stand einfach da. „Wohin gehen wir? Ness?“ „Oh, ich …“ Paula schmunzelt. Tracy hatte in den Blumen eine kleine Nachricht hinterlassen. Ob er ohne Hilfe überhaupt alleine klar käme und das sie dafür eine Kleinigkeit wolle. Um ihn abzulenken und aufzumuntern, zeigte die junge Frau zum Park. „Komm, lass uns hinsetzten und reden. Wir haben uns schon eine Weile nicht mehr gesehen.“ Die Laune von Ness besserte sich schlagartig. Dieser Tag würde grossartig werden, das spürte er. Kapitel 1: Twoson ----------------- Die Vögel zwitscherten aufgeregt, als Ness mit schnellen Schritten in Paulas Richtung lief. Einige der Spatzen flatterten davon, andere hüpfen nur ein wenig zur Seite. Kaum war der junge Mann nicht mehr in der Nähe der Vögel, machten sie sich wieder über die gestohlen Pommes Reste her. „Hier, für dich“, sprach Ness und gab der Wartenden das gekühlte Getränk, bevor er sich auf die Bank hinsetzte. Der Park war voll. Nicht nur das warme Wetter lockte die Leute ins Freie. Der beliebte Flohmarkt tat sein Übriges. Händler aus exotischen Ländern feilen ihre Waren an. Daneben strickte der Frauenverein Alt, aber Oho! Socken für jeden Zweck. Der Bäcker verkaufte Gebäck und Brötchen, eine Kommune aus Peaceful Rest Valley versuchte ihre ökologischen, selbstgemachten Erzeugnisse an den Mann zu bringen. Kinder spielten zwischen den Ständen, Leute trafen sich zu einem Schwätzchen. Viele schmunzelten über die Zwei auf der kleinen roten Bank. Ness und Paula waren bekannt, man erblickte sie oft zusammen. *** „Hast du dich schon entschieden, was du machen willst?“ „Meine Mutter ahnt was. Aber mit meinem Vater …“ Ness schwieg, für einen kurzen Moment verschwand sein Lächeln aus dem Gesicht. Paula legte einen Arm auf seine Schulter, ihr Getränk stellte sie ab. Sie achtete nicht darauf, dass einige Tropfen auf den Boden schwappten. Einige der Spatzen flatterten neugierig auf die Bank zu. „Ness, deine Eltern lieben dich. Egal, wie du dich entscheidest, sie werden hinter dir stehen. Tracy auch.“ „Tracy? In letzter Zeit ist sie so, so … schwierig. Nett ausgedrückt“ Paula musste ein Lachen unterdrücken. Genau das gleiche sagte Tracy auch über Ness. Als die junge Frau dies erwähnte, schnaubte der Angesprochene nur überrascht. Statt über seine Zukunft zu reden, sprach Ness jetzt über die Untaten seiner Schwester. Er konnte nicht verstehen, weshalb sie ihn als schwierig bezeichnete. Er war wie immer, sie hatte plötzlich komische Marotten entwickelt. Sei es, das sie eine Ewigkeit im Bad brauchte, mit Mutter tuschelte und schwieg, wenn er das Zimmer betrat oder anfing zu kreischen. Ja, Kreischen. Da sah sie Fernsehen und plötzlich kreischte sie los und starrte den Bildschirm. „Ich denke, sie ist … sie ist …“, Der Sprechende nahm den letzten Schluck seines Getränks und zerknüllte den bunten Pappbecher, „sie ist die Schwierige. Aber ich rede die ganze über meine Familie und mich. Wollen wir uns den Markt anschauen?“ Misstrauisch starrte der Händler die Zwei an. „Dies ist kostbares Stück. Zu teuer“, zischte der gebräunte Mann, während er sich langsam erhob. Mit drei Schritten stand er neben den jungen Leuten. „Zu teuer. Nicht für Kind.“ Da Paula keinen Ärger wollte, zog sie Ness weg. Obwohl sie sich schon entfernt haben, schimpfte der Händler laut und liess sie nicht aus den Augen. „Paula, ich hätte …“ „Nein, du hättest nichts tun können.“ Der Park war nicht nur ein beliebtes Ausflugsziel für Familien, sondern auch Umschlagplatz für dubiose Geschäfte. Grummelnd drehte sich Ness um, wollte Paulas Ratschläge ignorierten. Dieses Schmuckstück, welches der fremde Händler wie ein Schiesshund bewachte, hatte er schon einmal gesehen. Und zwar in einer Pyramide, vor einigen Jahren … nur, weil er in Begleitung war, unterdrückte der junge Mann den Impuls, der Sache auf den Grund zu gehen. Stattdessen machte er den Vorschlag, in einer Imbissbude was zu essen. *** Der Geruch von Frittierfett erfüllte den stickigen Raum. Eine Aushilfe flitzte zwischen den Tischen hindurch. Ihr feuchter Lappen wischte angebissene Pommes, Krümel von Hamburger und Salatfetzen auf den Boden auf. Diese würde sie später mit einem Mob, der längst einmal frisches Reinigungswasser sehen sollte, aufwischen. „Paula, ich habe …“ „Schluck zuerst deinen Bissen hinunter.“ Hastig biss Ness nochmals von seinem Hamburger ab, nahm sich einige Fritten und einen Schluck Cola, während Paula sich einen kleinen Biss ihrer Bestellung gönnte. „Vielleicht kann ich ja noch ein Jahr warten“, beendete Ness seinen Satz. Eine Weile schwiegen beide. Am Nebentisch stritten sich zwei Kinder um die letzten Pommes, ein älterer Herr weiter hinten ass langsam seinen Cheeseburger ohne Zwiebel. Die Aushilfe widmete sich dem Boden. Vorsichtig, um ihren Begleiter nicht zu verletzten, fragte die junge Frau: „Ist das wirklich dein Wunsch?“ Die Augen des Gefragten weiteten sich unbewusst, seine Mimik verzog ich zu einem traurigen Lächeln. „Ich hatte immer davon geträumt, mit meinem besten Freund das Collage zu besuchen.“ Überrascht blickte Paula ihrem Gegenüber an. Davon wusste sie nichts. Jetzt ergab es jedoch vieles Sinn. Weshalb Ness plötzlich begeistert von der Idee war, in der Firma seines Vaters anzufangen. Aufmunternd nahm sie seine Hand in ihre. Sie spürte, wie er leicht zitterte. Die Erinnerungen an seinen besten Freund waren noch immer frisch. Sie würden wohl niemals verblassen, egal was zwischen ihnen vorgefallen war. „Ness“, sprach die junge Frau und nahm sein Gesicht ihn ihre Hände. Er erröte leicht, was sie auch erröten liess. Sie wollte ihm Mut zusprechen. Ihn daran erinnern, was er alles erreichte. Und das er sich immer auf seine Freunde verlassen konnte. Und sie ihn auch nie verlassen würde. Die Stimmung wurde jäh gestört. Nicht von den streitenden Kindern, dem freundlichen alten Herren oder der überfleissigen Aushilfe. Paul Polestar stolzierte überfreundlich zu den zwei vor sich hin träumenden und rief: „Was macht ihr bei einem solch schönen Wetter hier drin?“ Bevor Ness was sagen konnte oder es überhaupt verstand, lehnte sich der Vater zu seinem Töchterchen. Ness sah nur den Rücken des Mannes, der den halben Tisch in Anspruch nahm. Aufstehen konnte der Junge nicht, da er sonst Paul gestreift hätte. So musste er wohl oder übel warten und dem Gespräch zuhören. Ein Pommes nach dem anderen verschwand in den Mund von Ness, Paul redete und redete weiter über triviales, während Paula artig lächelte und hin und wieder antwortete. So geschah es, das der Vater seine Tochter überredete mit ihm eine Kleinigkeit einzukaufen. Großzügigerweise konnte Ness sie natürlich begleiten. *** So habe ich mir den Tag nicht vorgestellt, schoss es Ness nach einer Dreiviertelstunde ärgerlich durch den Kopf. Niemals würde er Paul Polestar die Meinung sagen, ihn bitten zu gehen. Jedoch konnte Ness Wut in sich aufsteigen fühlen. Dieser Tag wollte er mit Paula alleine verbringen. Und das würde er auch tun. Kapitel 2: Winters ------------------ Die Wolken formten sich zu einer Pyramide, die ich ständig um sich selbst drehte. Fasziniert beobachtete Ness das Schauspiel. Der kalte Wind wirbelte den Schnee auf. Er atmete erleichtert aus. Dankbar über Paulas Verständnis und sein Glück, Jeff im Labor anzutreffen. Jeff war ein wirklicher Freund in der Not. Ohne ein unnötiges Wort schob er die zitternde Paula in das Labor und bat Ness draussen zu warten. Jeff wusste, dass sein Freund aus Onett nicht so schnell frierte oder schwitze. Weshalb seine zwei Freunde plötzlich ohne passende Kleidung in Winters auftauchten, interessierte Jeff nicht. Er war solche Aktionen gewöhnt, da Ness oft spontane Ideen hatte. „Paula, schau! Sind die nicht süss?“ Aufgeregt zeigte der junge Mann zu den spielenden Ziegenkitzen. Langsam nährte sich Paula ihnen, wollte sie nicht erschrecken. Die Natur von Winters war in Vergleich zu Onett und Twoson karg. Egal ob Frühling oder Winter immer bedeckte Schnee die Landschaft. „Ness, was hast du vor?“, fragte die junge Frau, nachdem sie sich sattgesehen hatte. Der Gefragte blieb stehen, nestelte an seiner Jacke herum. Er nahm das Taschentuch heraus, putzte sich die einfach einmal so seine Nase. Leicht runzelte die Wartende die Stirn. Der ausgeliehene Schal flatterte ihm Wind. „Ness? Ich dachte, du wolltest mir was zeigen? „Ehm … Ja. Ich wollte zu … in … mit dir …“ Langsam drehte sich Ness zu seiner Begleiterin um. Bemerkte ihren Blick. Sie wollte eine Antwort. Er schuldete ihr eine Antwort. „Gehen wir …“, mit den Armen wedelt versuchte Ness die Situation zu beruhigen. Vielleicht hätte er sich etwas überlegen sollen, bevor er Paula und sich nach Winters teleportierte. Die Wolken löten sich auf, ihr Gebilde löste sich auf. Der Schnee glitzerte. Es wurde ein wenig wärmer. Doch Ness schien es, als wurde Paulas Blick stetig die Umgebung zu Eis erstarren lassen. Er musste sich schnell etwas einfallen lassen, sonst würde seine Verabredung zu einer Katastrophe werden. *** Vorsichtig studierte der junge Mann das Gesicht von Paula. Sie sass auf einem Stein und blickte auf das Wasser. Sie schien immer noch leicht mürrisch zu sein. Der Verschlag den Lake Tess zu besuchen, stimmte Paula zu. Doch sie sprach nicht mehr mit ihm. Schweigend blieb Ness neben ihr stehen. Hier beim See war es kühler. Dies war normal, wie der junge Mann in der Schule gelernt hatte. Ob Paula trotz der geborgten Kleidung fror? War sie auch deswegen schweigsam? Unsicher trat Ness hinter sie. Zögerte einen Augenblick. Ihr Zopf war mit Schnee bedeckt, welcher der Wind aufwirbelte. Die Mütze, der Schal und die Handschuhe waren mit dem Logo des Snow Wood Internats verziert. Sogar auf der Winterjacke war das Logo eingeprägt. „Ich wollte doch nur …“, flüsterte er. Den Rest des Satzes blieb ungesagt. Tracy hatte recht. Er war ein Idiot. Er legte seine linke Hand auf ihre Schulter. Das sie nicht wegduckte, beruhigte ihn. Sie war nicht so sauer. Plötzlich rannte er ohne Vorwarnung los. Paula sprang auf, war für einen Moment voller Angst. Unbewusst aktiviere sie innere Kräfte. Die Erlebnisse in ihrer Kindheit kamen in der jungen Frau hoch. „Ness? Was ist los Ness?“, rief sie unruhig, blickte sich um. Versuchte verdächtige Geräusche zu erhaschen. Das tiefe Surren oder Brummen eines Starmans zum Beispiel. Die Sekunden krochen unerträglich langsam vorbei. Paula, die vor Unsicherheit anfing zu beten, bemerkte nicht, wie sich der Verschwundene strahlend nährte. Als er sie erblickte, kroch das schlechte Gewissen in ihm hoch. Aber für die gefangene Überraschung musste er so handeln. „Paula, lass deine Augen geschlossen und forme deine Hände zu einer Kule.“ Gespannt erwarte Ness die Reaktion, er hielt dafür auch seinen Atem an. Sanft liess er das Vögelchen in Paulas Hände fallen. Das Tierchen blieb ruhig liegen. War es Instinkt oder lag es an den besonderen Fähigkeiten der Zwei? Die Antwort hätte nur das Vögelchen geben können. „Es ist so niedlich. Aber Ness … Bitte mach das nie wieder. Ich mag das nicht, das weisst du doch.“ „Nun ich … Ich dachte du bist sauer oder so und … Warum lachst du jetzt?“ Das Lachen irritierte Ness. Weshalb lachte Paula jetzt? Vorher war sie mürrisch, danach ängstlich und jetzt lachte sie. Das sass Paula, in ihrem Schoss ein Vögelchen und war über irgendwas, was er sagte amüsiert. Wie konnte er wissen, dass er für einen kurzen Moment wie ein kleiner Junge aussah? Verlegen, sich am Kopf kratzend und mit einem Blick wie ein kleiner Welpe. Genauso, wie die junge Frau ihn kennenlernte. Ja, sie war noch ein bisschen böse auf ihn. Nicht nur deshalb, weil er sie in Schrecken versetzte. „Entschuldige, ich wollte dich nicht auslachen. Ausserdem ist es hier schön.“ Paula rutschte ein wenig zur Seite, bot ihrem Begleiter wortlos an, sich zu setzten. Jedoch … Sie war auch gerne ein wenig alleine mit ihm. *** „Tee oder Suppe? Suppe haben wir keine mehr. Dann Tee.“ „Vielen Dank. Das ist nett. Ness, mit oder ohne Zucker?“ Konzentriert starrte der Gefragte ein altes Poster an, antworte nicht. Viel lieber studierte er die Informationen über die wilden Ziegen. War viel spannender, als über Zucker nachzudenken. Während Paula half den Tee einzugiessen, schmollte Ness. Wie konnte es sein, das ausgerechnet einer des TWC sie erblickte? Und dann auch noch ein Mitglied, das von ihnen damals gerettet wurde? Wieso hatte sich das Schicksal gegen ihn verschworen? Gemütlich war das Hauptzelt des Tessie-Watching Club eingerichtet. Nicht nur ein Poster war angepinnt, mehrere kleinere zierten die stabile Wand des beigefarbenen Zeltes. Auch Fotos und Zeitungsschnipsel waren zu einer Collage vereint worden. Ein grosser und mehrere kleinere Tische waren anzutreffen, auf einem waren verschiedene Snacks und eine Thermoskanne mit heissem Wasser platziert. Paula plauderte mit Sebastian, der freudig über Tessie, das freundliche Seemonster, redete. Er sprach auch davon, dass wenige Mitglieder campierten, jedoch in den Ferien und am Wochenende immer voll war. Und das seine Aufgabe war, das Lager zu bewachen. Ness hörte nur mit halbem Ohr zu. Sein heisser Schwarztee stand unberührt vor ihm. Die zwei Zuckerwürfel, die ihm Paula reingetan hatte, waren schon geschmolzen. Gedankenverloren versuchte er junge Mann aus Onett trotz allem nicht zu grimmig dreinblicken. Als er jedoch vernahm, das bald die anderen Mitglieder von der Beobachtung zurückkamen, sprang Ness auf. „Danke für den Tee, Sebastian! Leider müssen wir weiter, Jeff möchte seine Kleidung zurück und wir müssen leider weiter. Jeff möchte wirklich dringend seine Sachen zurück haben. Grüsst Tessie von mir!“ Bevor Sebastian regieren oder Paula sich auch verabschieden konnte, rannte der junge Mann mit seiner Freundin aus dem Zelt. „Na, aber … Ness hat seinen Tee ja nicht einmal angerührt“, stammelte der Zurückgelassene und runzelte langsam die Stirn. Und warum sollte er Tessie grüssen? Das Monster war eine Legende, es gab keine Beweise für ihre Existenz. Nur wenige haben sie erblickt, Sebastian gehörte nicht dazu. Dennoch hatte er jetzt andere Sorgen. Die Suppe machte sich nicht von alleine. Kapitel 3: Sommers ------------------ Sonne, Summers, Sonnenschein. Der Strand war überfüllt, die Strandverkäufer schlängelten sich durch die Leute. Die Stimmung war wie im Paradies. Eine Frau verkaufte Kuchen, der bekannt war für seinen himmlischen Geschmack. Ein Händler mit einem selbstgebastelten Bauchladen verkaufte spottbillig Getränke, sein Kollege Sonnenbrillen. Schweigend sass Ness da und blickte auf das bunte Treiben. Jetzt hatte er es endgültig verbockt. Paula war wütend. Mehr als wütend. Kaum waren sie in Sommers angekommen, machte sie ihm eine Szene und verschwand. Vielleicht hätte er die Gesellschaft von Paul Polestar einfach akzeptieren sollen? Oder in Winters bleiben und Suppe mit den Tessiefans schlürfen sollen? Egal, er musste Paula finden! Er war für sie verantwortlich! „Noch einen gekühlten Orangensaft mit allem, bitte!“ Der Barkeeper runzelte die Stirn. Die junge Frau vor ihm war nicht gerade guter Laune und trank den fünften Cocktail. Gut, es waren nur Kindercocktails. Der Mann mit dem lächerlich bunten T-Shit blickte zu seinem Freund, der einen Eisstand bediente. Dieser hob die Schultern und räumte die von Paula benutzen Eisbecher weg. „Darf es noch was sein, junge Dame?“ „Einen Schläger, damit ich diesem Kindskopf ein paar Manieren reinprügeln kann.“ *** „Ich bin ein toter Mann“, murmelte Ness verzweifelt und setzte sich in den warmen Sand. Sommers war einfach zu gross. Eine richtige Ferienmetropole. Der Strand alleine war gefühlt so gross, wie Onett und Twoson zusammen. Alles abzusuchen schaffte der junge Mann nicht einmal mit seinen Psykräften. Sollte er zu der Polizei gehen? Oder Jeff und Poo holen? Nein, er musste sie alleine finden und sich entschuldigen. Er sprang auf, wich gekonnt einem Frisbee aus und machte einen Hechtsprung über eine Sandburg. So in Gedanken vertieft, dass er nicht bemerkte, dass ihm die Sonnenanbeter spontan zujubelten. Besonders eine Frau in Begleitung eines breitschultrigen Mannes musterte Ness. „Ja, blond. Mit einem Zopf.“ „Zwischen 15 und 20 Jahre. Ohne Badekleidung.“ „Genau! Sie haben Paula also gesehen?“ Der Mann im weissen T-Shirt und der Trillerpfeife um den Hals wollte ungern die Träume des Fragenden zerstören. Jedoch wimmelte es am Strand von Leuten, auch wenn es noch nicht Hauptsaison war. „Schau Junge“, fing er an, doch zu seinem Glück wurde er gerufen. Entschuldigend murmelte er ein paar Worte und lief er der aufgeregter älterer Dame nach, die wild mit ihren Armen fuchtelte. „Das kann doch nicht sein!“, schrie Ness dem Rettungsschwimmer nach. Fluchend rannte er dem Mann nach, wollte ihn zwingen zu helfen. Jedoch stoppte ihn den Zusammenstoss mit einem Badegast abrupt. Nicht das noch!, schoss es dem aufgeregten junge Mann durch den Kopf. In Gedanken versunken, eine Entschuldigung nach der anderen vor sich hinmurmelnd, blieb er auf dem Badegast liegen. Erst als er ein herzliches Lachen hörte, blickte Ness in das Gesicht des Umgeworfenen. „Du hast dich nicht verändert, Ness. Immer auf dem Sprung und voller Lebensfreude. Und dein Lächeln ist immer noch zu süss. Schade, dass du nicht etwas älter bist, mein Hübscher.“ Unter ihm lag Venus. Venus, der Superstar. Der Traum aller Männer und der Grund für Eifersuchtsattacken zwischen frisch zusammengekommen Paaren. Venus, die von ganz unten nach oben gekommen ist. Alleine und ohne Intrigen auch wenn einige Klatschmagazine und Konkurrentinnen was anderes behaupten. Vom Aktmodell zum Superstar. Vergattert glotzte der junge Mann aus Onett auf den Star. Er wurde rot, ging aber nicht von ihr runter. Erst, als er grob von Venus Begleiter heruntergezogen wurde, kam Leben in ihn. „Ven …“ „Psss, ich bin undercover hier. Nenn mich Cheryl.“ Zwinkernd gab sie ihrem schweigenden Begleiter ein Zeichen. Dieser liess extrem langsam den perplexen Ness los. „Ich weiss, wenn du suchst. Komm mit, mein Hübscher.“ *** Man hätte die beiden Badenixen für Schwestern halten können. Paula entspannte sich im Whirlpool, über sie beugte sich Venus und plauderte entspannt mit ihr. Der einzige Unterschied zwischen ihnen war, das Paulas Badeanzug kunstvoll mit Klammern und Schleifen angepasst wurde. Ungeduldig wippte Ness mit den Füssen, blickte sich um. Wenn Venus sich schon Ferien gönnte, dann richtig. Nicht nur im teuersten und prachtvollsten Hotel residierte Cheryl, sie gönnte sich auch Ruhe. Ness konnte nicht sagen, wie viele Türen und Fahrstühle er passierte, um hierher zu kommen. Quasi ein nachgebautes Paradies, verborgen in einem Kellner eines Luxushotels. „Hübscher, komm her. Deine Paula erlaubt dir, mit ihr zu reden.“ „Ich bin nicht seine Paula! Wenn ich mir es recht überlege, würde ich gerne behaupten, ihn nicht zu kennen.“ Ness fühlte, wie ihm das Herz in die Hose rutschte. Auch wollte er sich langsam nicht mehr entschuldigen, er wurde auch zornig. Da sass Paula und liess es sich gut gehen und er suchte ihn Panik Sommers ab?! Weshalb verstand es Paula nicht? Er wollte mit ihr alleine sein. So einfach war das! Halb in Trotz, halb in Zorn sprach er halblaut: „Wenn Paula lieber hier bleiben will, kann ich ja gehen.“ Paula, die sich zu ihm umdrehte, sich gerade zu dem Sprechenden hingehen wollte, zögerte nun. Eigentlich tat es ihr schon ein bisschen Leid. Einfach zu gehen, war nicht die feine Art. Und auch wenn sie die Spontanität von Ness mochte, wollte sie schon gerne vorher gefragt werden, bevor er sie einfach mit zerrte. Teleportation hin oder her, sie war kein Kartoffelsack! „Ness komm her. Wir müssen wohl reden“, sagte die junge Frau, stieg aus dem Whirlpool und zeigte auf ein paar Liegestühle, die unter einer echten Palme platziert waren. Das Sternchen nickte und winkte wieder ihren Leibwächter zu sich, der die ganze Zeit ein Auge auf Ness hatte. „Streit im Paradies“, flüsterte sie amüsiert, während sie den versteckten Fahrstuhl hinter dem künstlichen Wasserfall betrat. Kapitel 4: Dusty Dunes Desert ----------------------------- Der kleine Supermarkt existierte nach all der Zeit immer noch. Das Angebot war bescheiden. Keine Auswahl von Dutzenden Schokoladenriegeln, keine verschiedenen Sorten von Erfrischungsgetränke. Wenn man sich ein Notfallgeschenk besorgen wollte, konnte man sich zwischen halbverwelkten Blumen oder merkwürdigen kitschigen Plüschtieren entscheiden. Trotzdem wurde der Laden regelmässig besucht. Lag es an seinem Charme oder doch daran, dass es der einzige Supermarkt in der Wüste war? „Wollt ihr noch was? Ein feuchtes Handtuch oder ein paar Bananen?“ Der Verkäufer kannte Ness und seine Freunde. Nicht das erste und sicherlich nicht da letzte Mal würde es sein, dass sie hier vorbeikommen würden. Paula schüttelte den Kopf, blickte zu Ness und sprach betont langsam: „Wir brauchen nichts mehr. Die Sandwichs und Getränke reichen für uns zwei.“ Was sollte Ness gross dazu sagen? Sein ausgerechnetes Budget war schon lange aufgebraucht, er musste sogar in Sommers Geld abheben. Paulas Bedienungen zu erfüllen war wichtiger als sein Erspartes. Dazu gehörte die Rechnungen zu bezahlen, Ness wunderte sich wirklich, wie viel Eis ein so zartes Ding essen konnte, und nicht mehr ohne sie zu fragen wegzuteleportierten. Ausserdem wollte er sie nicht mehr verärgern und nur noch da machen, was seine Begleiterin sagte. *** Die Sonne schien unbarmherzig auf die zwei Wanderer. Ness, der aus Sorge sich mit Paula mit seinen Psykräften verband, schwitzte jetzt ein wenig mehr als gewöhnlich. Paula bemerkte es, sie schwitzte natürlich nun weniger, jedoch sagte sie nichts. Das Gespräch verlief nicht so, wie sie es gerne gehabt hätte. Ness, hörte still zu, entschuldigte sich und versprach, den Rest des Tages auf ihre Wünsche einzugehen. Warum nur bist du so schwierig? Ness, ich bewundere dich und bin unglaublich gerne bei dir. Doch deine Gefühle vertraust du nicht einmal mir an. Ich bin doch auf einer Seite. Sie bemerkte nicht, dass ihr Begleiter sie kurz musterte. Er biss sich auf die Lippen. „Paula ich … heute lief es wohl nicht gut, mmh.“ „Mmh, ich denke, es könnte ja besser werden.“ Sein Hundeblick. Wieso nur konnte sie nie böse bleiben, wenn er sie auf diese Weise ansah? Venus riet ihr, Ness mit lieben Worten und Belohnungen zu „erziehen“. Er sei, immer noch ein kleiner Junge. Ausserdem … die junge Frau errötete, schüttelte den Kopf. Zu ihrem Glück beobachtete Ness gerade einen Kojoten, welcher sich mit einem Geier wegen Ass zankte. „Ness, der Tag ist noch nicht vorbei. Machen wir eine Pause. In der Nähe sollte es Schattenplätze geben.“ Nickend gab Ness ein Zeichen der Idee zuzustimmen. Die angebotene Hälfte des Sandwiches nahm Ness gerne an. Dafür tauschte er das stille Wasser mit seiner Begleiterin. Die Stimmung war ein wenig freundlicher. Und doch schwoll das Unausgesprochene in ihnen hoch. Bald musste Paula zurück. Ness hatte versprochen, sie vor dem Einbruch der Dunkelheit zurückzubringen, dies würde er ohne Murren einhalten. Sie plauderten über alles Mögliche, versuchten nicht ins Fettnäpfchen zutreten. Genossen das frühe Abendessen, obwohl es bessere geben würde. Abgestandene Sandwichs und lauwarme Getränke waren nicht gerade gehobene Küche. Das sie reden sollten war beiden bewusst, keiner wollte den Anfang machen. „Ich …“ Gleichzeitig fingen sie anzureden. Ihre Blicke trafen sich. Paula legte den Kopf schief, spielte an ihrem Zopf herum, während Ness seine Hemdärmel aufrollte. Jedoch brachten sie den Blickkontakt nicht ab. Zögerlich sprach Ness weiter. Seine Frage, ob Paula wenigstens ein bisschen Spass hatte, überraschte die Gefragte. Ehrlich gesagt, war das keine Verabredung nach ihrem Geschmack. Dennoch … es war wie früher. Wie er sich in Twoson beim Markt beinahe mit einem Hehler anlegte, sprach für seinen Gerechtigkeitssinn. In Winters versuchte er sie mit einem Vögelchen aufzumuntern, was seine Kindliche Seite zeigte. In Sommers suchte er wie wild nach ihr, wenn Venus nicht log. Und hier, in der Dusty Dunes Wüste, kaufte er ihre Lieblingssachen. Ness war eben Ness. Während dieser Gedanke die junge Frau ärgerte und gleichzeitig beruhigte, schlich sich ein Lächeln auf ihr Gesicht. „Ich möchte ehrlich sein Ness. Ich war, nein bin, immer noch verärgert. DU merkst es nicht, aber dein Verhalten verletzte mich.“ Ness nickte nur, man merkte, dass es ihm wirklich nicht bewusst war. Für ihn war seine Frage beantwortet. Er würde Paula gleich nach Hause bringen. „Ich war aber auch nicht fair. Einfach zu gehen, dich in Sorge zurückzulassen und mich wie eine verwöhnte Diva aufzuführen …“, sie erhob sich, wischte den Sand von ihrer Kleidung und streckte dem Schweigenden ihre Hand entgegen. „Lass uns spazieren gehen. Ich möchte nicht, dass du deine Kräfte umsonst eingesetzt hast. Ausserdem … Glaubst du, im Collage soll ich lieber das Freifach Kunst oder Rhetorik belegen?“ Einen Moment starrte der junge Mann Paula an. Als er merkte, dass sie noch nicht nach Hause gehen wollte, sprang er vor Freude auf. *** Der Geruch von Öl, Sprit und Bier lag in der dünnen Luft. Das kleine Radio spielt das rote Album der Beatles. Es waren Pizzakartons verstreut und auch Heftchen mit gewissen Inhalten waren zu sehen. Seufzend blickte sich Paula um, schüttelte den Kopf. Ness, der dem Arbeiter zulächelte und fröhlich weiter erzählte. „Was macht ihr den hier?“, rief plötzlich eine andere männliche Stimme. Man hörte gedämpfte Schritte, ein leises Fluchen. Ein verschwitzter Kopf erschien in einer Lücke. Paula, die kurz zusammen zuckte und den eingesammelten Müll fallen liess, schaute sich überrascht um. Ness, der die Lücke im gelblichen Steinboden entdeckte, beantworte die Frage so höflich wie möglich: „Paula und ich wollten einen kleinen Spaziergang machen.“ Der erste Arbeiter schüttelte heftig den Kopf, plusterte sich regelrecht auf und wiederholte seine Standpauke. Es sei gefährlich in der Wüste. Tiere könnten die Kinder anfallen. Sie könnten verdursten. Sich verlaufen. Ness und Paula wussten, dass sie nicht von hier wegkommen würden. Erst, wenn sie sich nach Hause teleportierten. *** Tief atmeten die beiden aus. Sie waren nun wieder im Burglin Park. Die Händler waren verschwunden, die Familien waren zu Hause. Nur noch einige Leute spazierten, viele mit ihren geliebten Vierbeinern. Paula setzte sich auf eine Bank. Zog sich die Schuhe aus. Ihre Mutter würde schimpfen, wenn sie mit Sand in den Schuhen nach Hause ging. Sie würde ich ein warmes Bad gönnen und dann Schlafen. Morgen würde ein strenger Tag werden. Nicht nur das ihre Mutter Hilfe mit den Schulkindern brauchte, sie musste sich um Ihre Zukunft kümmern. Immerhin war sie kein Kind mehr. Schweigen wartete ihr Begleiter, bis sie sich vom Sand befreite. Er begleitete sie nach Hause. Viele Gedanken schwirrten den beiden im Kopf herum. An ihrer Haustüre ergriff sie die Initiative. Sanft und fast liebevoll drückte sie seine Hand und bedankte sich für den Tag. Ness wusste nicht, ob sie es ernst meinte oder sie nur höflich sein wollte. Bevor er nachfragen konnte, öffnete sich die Türe. Paulas Vater nickte Ness zu und sprach fast geahnt: „Ihr seid pünktlich.“ Kein Wort darüber, als Ness vor einigen Stunden den schon fast fluchtartig mit Paula den Laden verliess. Ness, der nichts falsch machen, den Zorn von Paula nicht schon wieder spüren wollte, gab eine einfache Antwort. Beide Männer blickten sich für einige Sekunden an. Was ihnen durch den Kopf ging, blieb lieber unausgesprochen. Epilog: -------- Der Fernseher lief, als Ness sein Zuhause betrat. Man hörte die Werbemelodie einer bekannten Süssgetränkenmarke. Seine Schwester drehte nur kurz den Kopf herum, lächelte spitzbübisch. Bevor sie was Gemeines sagen konnte, begüsste die Mutter ihren Sohn. Ein Blick genügte und sie erkannte, wie es gelaufen ist. Kurz strich sie ihm über die Haare und schickte ihn zum Händewaschen. Noch nie hatte Ness so viel Zeit verschwendet, um sich umzuziehen. Sein Zimmer war immer noch von seinen Kleidern überweht. Ein Foto war umgekippt. Wieder stieg Wut ihn ihm auf. Dieses Mal war er wütend auf sich. Er fühlte sich … leer. Warum war sein Vater nicht da? Er hätte jetzt alles gegeben, um ein paar Worte mit einem Vater zusprechen. Klar, in der Theorie hätte er sich zu ihm Teleportieren können. Jedoch hatte er schon genug Kraft verbraucht. *** „Gib mir doch dein Steak. Nur zum Anschauen ist es nicht auf deinem Teller.“ Tadelnd sah die Mutter Tracy an. Ness jedoch schob, ohne ein Wort zu sagen, sein Steak in den Teller seiner Schwester. Einige Tropfen Sauce malten kleine Munster auf die Tischdecke. Tracy schnappte nach Luft. Das hatte sie nicht erwartet. Fast verspürte sie ein bisschen Mitleid mit ihrem grossen Bruder. Das die Verabredung nicht gerade grossartig gelaufen ist, sah man Ness an. Sonst würde ihr Bruder ohne Unterlass reden, reden, reden, nur zwischendurch gäbe es eine Pause, in der Ness Steak in sich hinein schaufelte. „Ich habe keinen grosen Hunger. Paula und ich haben schon gegessen.“ Ness nahm einen Schluck selbstgemachte Limonade, den Blick seiner Mutter ausweichend. Tracy, sie sich sehr langsam und genüsslich ein Stückchen Steak gönnte, fragte: „Wirklich? Hat dein Geld gereicht, um Paula fein auszuführen? Picky und ich haben uns auch toll amüsiert. Und wo ist meine versprochene Kleinigkeit? Ohne Blumen wärst du schon früher zu Hause, Herzensbrecher.“ Statt zu antworten, erhob sich der Gefragte. Ohne ein weiteres Wort zu sagen, ging er nach oben. Er bemerkte nicht, wie Tracy heftig von ihrer Mutter zurechtgewiesen wurde. *** Unruhig atmete Ness aus. Er wollte so gerne schlafen, konnte es aber nicht. Vom Nachbarhaus hörte man schon wieder Geschrei. Türen knallte, ein Auto fuhr mit gewaltiger Geschwindigkeit davon. Das ignorierte der immer noch Wache. Dies war er gewohnt. Eine Katze hörte man fauchen. Fast traurig seufzte Ness. Kurz dachte er an seinen Hund King. Dieser gutmütiger Hund hätte sich niemals mit einer Katze angelegt. Mit niemanden hätte sich King gestritten. „Ach mein Junge“, flüsterte müde der junge Mann. King hatte ein schönes Leben. Er schlief friedlich ein, musste nicht leiden. Nach einigen Stunden Schlaflosigkeit, stand Ness auf. Er schlich leise ins Wohnzimmer runter. Alles war aufgeräumt. Die Gardinen waren alle passend zu der Dekoration. Wie bei den Polestars, schoss es Ness durch den Kopf. Wer achtete schon darauf? War das so eine Art … Frauending? Ob Paula auch einmal so sein wird? Oder Tracy? Schnell schüttelte er den Kopf. Als er das letzte Mal mit seiner Schwester darüber gesprochen hatte, endete es in einen heftigen Streit. Er würde es nicht verstehen, wie sich eine Frau fühlte. Schon durchblätterte Ness in einem Anflug von Nostalgie das dritte Fotoalbum durch. Dies war sein Lieblingsalbum. Das grosse Abenteuer. Leise lächelte Ness vor sich hin, erinnerte sich an einige Abenteuer. Herren Monotoli, die Runaway Five. Oh, und die faszinierenden Wesen. Die schüchternden Tendas, lustigen Saturns. Die Saturns. Die Saturns. Die. Saturns. Wäre es nicht mitten in der Naht gewesen, hätte Ness geschrien. Warum ist ihm das nicht in den Sinn gekommen? In Jedem Ort, den er aufgesucht hatte, waren sie bekannt. Aber bei den Saturns hätten sie Ruhe haben können. Hier wären sie ungestört gewesen. “Ich bin ein Vollidiot“, fluchte Ness, während er sich mit dem Gesicht voran auf die Couch legte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)