Nimrod von Carnifex232 (Der Kronpriz von Babylon) ================================================================================ Kapitel 4: "Wir nehmen die Bahn!" --------------------------------- Wow. Ich ließ den Brief sinken und versuchte, wieder einen klaren Gedanken fassen zu können. Was echt nicht leicht war, denn Joseph starrte mich die ganze Zeit besorgt und abwartend an, und Plus und Minus strichen ununterbrochen um meine Beine. "Schön." Kläglicher Versuch, die Stille zu durchbrechen, denn Joseph antwortete nicht und die Kater logischerweise auch nicht. "Und... was jetzt?" Joseph nickte, als hätte er bereits auf die Frage gewartet. "Das Paket." erinnerte er mich und deutete auf das kleine Päckchen. Ach ja, da war ja noch etwas. Ich nahm es schnell und wickelte es auf. Wie sich herausstellte war es gar kein wirklicher Karton, es waren einfach nur gefühlte hundert Lagen Papier, das sich wie eine Mischung aus Zeitungspapier und Pergament anfühlte. Als ich es nach gefühlten Stunden endlich aufgewickelt hatte, hielt ich eine Kette in der Hand, in der ein etwa Handteller großer Anhänger hing. Es war ein sechseckiger Stern mit einem eingefassten Blutstein in dem sechseckigen Teil in der Mitte. Ich kannte die Kette und den Stein, da ich meine Eltern mal danach gefragt hatte. "Mom und Dad haben auch so eine!" Joseph nickte. "Dies ist allerdings das Original, dass seit Generation in der Familie Principales weiter gegeben wird. Dort ist das Blut jedes einzelnen Mitglieds eurer Familie drin gespeichert. Naja, abgesehen von dem eurer Onkels und Cousins." Aha. Ich antwortete nicht darauf. Grund? Ganz einfach. Zu viel Informationen für einen Tag. "Was..machen wir jetzt?" "Jetzt müssen wir nach Babylon. Wir werden bereits erwartet und kommen wahrscheinlich schon zu spät. Eigentlich wollte ich wirklich pünktlich sein, es soll noch einen Empfang geben und-" "Was? Babylon?" Joseph unterbrach sich, um zu nicken. "Ja, Babylon. Die Vampir Hauptstadt." "Babylon war diese Stadt aus der Bibel!", erinnerte ich ihn. "Mit den vielen Menschen, die einen Turm bis zu Gott bauen wollten, und er hat ihnen einen Strich durch die Rechnung gemacht, in dem er jedem eine andere Sprache gab!" "Ja, ich weiß. Diese Geschichte leitet sich tatsächlich von unserer Geschichte ab. Auch wenn es kein Turm zu Gott werden sollte." Er warf einen raschen Blick auf die Uhr. "Aber wir müssen jetzt wirklich los!" Ich zuckte mit den Schultern. "Wie kommen wir denn nach.. Babylon?", fragte ich. "Wir nehmen die Bahn. Mit der fahren wir bis zum Flughafen. Von dort aus fliegen wir nach Rumänien und fahren mit dem Zug weiter nach Transylvanien. Wie wir dann runter kommen, erkläre ich dir, wenn wir da sind. Du solltest dir einen Rucksack packen oder so. Klamotten, Sachen die du unbedingt mitnehmen willst. Aber nicht zu viel, ich hab im Flugzeug nur Handgepäck gebucht, also nicht mehr als 10kg und keinen Riesenkoffer." Er deutete auf einen Rucksack am Türeingang, der mir bisher gar nicht aufgefallen war. Er war schlicht schwarz, und ungefähr doppelt so groß wie mein Schulranzen. "Da hast du alle deine Sachen rein gequetscht?" Ich war beeindruckt. Joseph zuckte mit den Schultern. "Erstens brauche ich nicht viel, zweitens bin ich ja sowieso nur hier, um eu- dich abzuholen. Meine restlichen Sachen sind logischerweise in Babylon. Für dich wird das hier allerdings sowas wie ein Umzug. Du musst gut überlegen, was du mitnimmst. Alles, was hier bleibt... Naja, sagen wir's so. Irgendetwas nachträglich holen können wir nicht." "Was passiert mit den Sachen die hier bleiben?" Joseph druckste erst etwas herum, bevor er mir antwortete. "Die Miete wurde nur bis heute bezahlt, also alles, was nach heute noch in dieser Wohnung ist-" "Gehört dem Vermieter..", beendete ich seinen Satz tonlos. Sechzehn Jahre lang hat sich in diesem Haus Leben gehäuft, Fotos, Souvenirs, Bilder, tausend Sachen, bestimmt auch viel Müll. Und jetzt sollte ich zwischen all den Sachen entscheiden? Meine Gedanken gingen aber erst einmal in eine ganz andere Richtung. "Ich kann Plus und Minus nicht mitnehmen!!", bemerkte ich panisch. Ich wollte die beiden Kater nicht zurück lassen! Ich liebte sie! Joseph beruhigte mich jedoch. "Keine Sorge, die beiden kommen klar!" Oder zumindest versuchte er es. "Das sagst du so leicht! Die Beiden sind Hauskatzen! Ich kann nicht einfach gehen! Wer füttert sie? Wer putzt die Klos? Wer kümmert sich um sie?" Joseph legte die Hände auf meine Schultern und sah mich eindringlich an. "Cyrus! Es steckt mehr in ihnen, als du vielleicht denkst." Ich runzelte verwundert die Stirn. Schon wieder so kryptische Sachen. "Also du meinst..." "Pack einfach deine Sachen! Die Beiden kommen klar!" Ich gab mich seufzend geschlagen, wandte mich ab und stapfte die Treppe hoch in mein Zimmer. Es war nicht groß, aber auch nicht klein. So ein Mittelding. Ich fühlte mich auf jeden Fall wohl darin. Es gab ein großes Regal, in dem sich Bücher, Filme und Gesellschaftsspiele sammelten, wovon ich über die Hälfte noch nie gespielt hatte. Kleinkram, der sich aus Wettbewerben oder Ü-Eiern ansammelte. Mein Schreibtisch war ein Chaos, ein einziges überhand nehmendes Chaos. Hausaufgaben lagen quer durcheinander, Notizen und Kritzeleien, Teller, leere Plastikflaschen und Wäsche. Ich war nicht unbedingt stolz auf dieses Chaos, aber ich war einfach zu faul aufzuräumen. Ich schnappte meine Reisetasche, die immer noch Original verpackt in meinem Schrank stand. Meine vermeintlichen Eltern hatten ihn mir zum fünfzehnten Geburtstag geschenkt, allerdings war er nie zum Einsatz gekommen. Wenn ich so darüber nachdenke war er wahrscheinlich genau für den heutigen Tag gedacht. Ich warf die Tasche auf das Bett, riss die Folie ab und begann Sachen rein zu stopfen. Klamotten, wahrscheinlich zu wenig, also packte ich noch etwas mehr dazu. Das Buch, das ich momentan las, Huckelberry Finn, da ich die anderen wahrscheinlich eh nie wieder lesen würde. Ich schob mein Lieblingskissen dazu, ein altes Konzert T-Shirt von den Guns'n Roses, das vom Waschen ein Loch an der Seite bekommen hatte und das meine Mutter, oder wer auch immer sie jetzt war, dann umgenähnt hatte. Am Ende bekam ich die Tasche nicht zu. Ich warf mich drauf, zog und zerrte, aber es ging einfach nicht. Also holte ich alles wieder raus und machte mir wohl oder übel die Mühe, alles ordentlich zusammen zu legen. Es war immer noch etwas viel, aber die Tasche ging zu. Ich trug sie runter. Die Kater waren nicht mehr da, wahrscheinlich hatten sie sich wieder verkrochen, doch ich wollte Joseph glauben und vermied es, mir Sorgen zu machen. "Fertig?", fragte dieser gerade und ich nickte. "Dann los." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)