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Drei Tage, drei Nächte 2.0

von

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Sieben

~~**~~
 

„Du wirst dieses Areal in die Luft jagen. Kein Stein wird auf dem anderen stehen bleiben“ durchbrach Crawfords Stimme die einvernehmliche Stille, die Aya leichter fiel, als es eigentlich angebracht sein sollte. Er sah auf, hoch in wissende, hellbraune Augen. Es war das erste Mal, dass Crawford zu erkennen gab, dass er bereits seinen Auftrag vorhergesehen hatte. Fragend runzelte Aya die Stirn und hob schließlich erwartungsvoll seine Augenbraue. Natürlich wurde er schmoren gelassen, wie konnte es auch anders sein und dennoch war Aya dankbar darüber. Es übertönte das, was vor nicht einmal drei Stunden zwischen ihnen geschehen war. Anscheinend hatten Wärme und einvernehmliches Schweigen dem Schwarz wieder etwas Kraft gegeben.
 

Aya fragte sich dennoch, wie eben jener genau jetzt darauf kam, auch wenn Aya die Worte mehr beruhigten, als dass er es wirklich wollte.
 

Er wusste, dass er Crawfords Ruhe nicht vertrauen sollte, mit der dieser seine Prophezeiung in den Raum gestellt hatte. Er sollte darauf keinen Deut geben und doch ließ er sich widerwillig von der Gewissheit anstecken, die mit diesen Worten transportiert worden war. Auch wenn ihm der Unterton nicht entgangen war.

„Außer dem Offensichtlichen...hast du mir da sonst noch etwas mitzuteilen?“, stellte er letztendlich in den Raum und Crawford verzog die Lippen zu einem spöttischen Schmunzeln, das langsam wieder an Sicherheit zurückgewann. Aya vermutete, dass es mit den ergangenen Visionen zusammenhing oder dass es unbewusst geschah. Vermutlich hatte er dieses verdammte Lächeln bereits schon gehabt, als er auf die Welt gekommen war.
 

Das Vorrecht eines Hellsehers, so vermutete Aya. War es wirklich so? Machte es arrogant und verächtlich, die Zukunft zu kennen? Oder generell, ein PSI zu sein? Niemand von Schwarz war etwas anderes als arrogant.
 

„Du solltest in Erwägung ziehen, die Reihenfolge deines bisher bestehenden Planes abzuändern.“

„Warum?“

Crawford erwiderte nichts. Nur seine Augenbraue hob sich, als wäre Aya dumm oder begriffsstutzig und Aya fühlte sich sehr stark in Youjis oder Kens Rolle gedrängt, wenn er selbst den gleichen Blick nutzte um seinem Gegenüber klar zu machen, dass die Frage zu vermeiden gewesen war. Selbst der Empfänger dessen zu sein, war… unschön. Seine Augenbrauen zogen sich gewittrig zusammen und er grollte, unerfreut darüber, nun Ziel des wachsenden Selbstbewusstseins sowie des augenrollenden Unverständnisses zu sein.

„Weil es dein Überleben sichert.“

„Wie das?“

Crawford schnaubte. „Genügt dir mein Wort nicht?“, fragte er und hinter dem Spott erkannte Aya eine gewaltige Portion Selbstironie. Natürlich genügte es ihm nicht, wessen sich auch das Orakel bewusst war und hatte sich dafür entschieden hatte, ihn eben damit auf den Arm zu nehmen.
 

„Musst du auch fragen, ob der Himmel blau ist?“, stellte Aya die ironische Gegenfrage und schmunzelte unanständig amüsiert. Crawford nickte in Anerkennung dessen. Langsam lehnte er sich zurück und schloss für einen Moment lang seine Augen. Gedankenverloren rieb er sich über die entzündete Haut um die Handgelenke.

„Du wirst einem Wachmann in die Hände laufen, der sich gerade ein Stelldichein mit einer der Küchenfrauen gegeben hat. Er wird dir eine Schusswunde zufügen und von da an wird dein Auftrag misslingen. Am Besten, du umgehst ihn und tauschst den dritten mit dem vierten Abschnitt deines Plans.“
 

Aya schluckte schwer und trotz der allzu naheliegenden Vermutung lief es ihm kalt den Rücken hinunter. „Wie viele Abschnitte hat mein Plan?“, fragte er, mehr um sich selbst sicher zu sein als Crawford auf die Probe zu stellen. Nicht, dass dieser sich nicht die Gelegenheit entgehen ließ, das mit einem überlegenen Schnauben zu quittieren.

„Sechs. Optional sieben, je nachdem, wie sich Lasgo verhalten wird.“ Die stechenden Augen suchten seinen Blick und Aya nickte in Anerkenntnis der Wahrheit. Das Hellseherlächeln war zurück auf den Lippen, doch der Weiß ließ es unkommentiert. Er fokussierte sich auf die Gesamtheit des Gesichtes und der Mimik, die ihm Aufschluss darüber gab, inwieweit der Schwarz versuchte, ihn zu hintergehen oder ob er ihm wirklich die Wahrheit sagte.
 

Wie zuvor am Türrahmen auch fokussierten sie beide sich aufeinander und Aya spürte in dem ihn sezierenden Blick die gleiche Intention. Seinen Hass in Bezug auf Kritiker wusste der Schwarz sehr gut zu verstecken und trug anstelle dessen Ruhe zur Schau. Aya fragte sich nach dem Grund dafür. War es, weil er mehr wusste? Weil er bereits einen Plan schmiedete, wie er ihm entkommen konnte? Aya verübelte es ihm nicht. Er würde selbiges versuchen. Er musste nur besser sein als der ohnehin schon verletzte Schwarz.
 

„Wo wirst du sein?“, fragte er aber in die Stille hinein.

„Ich sehe mich nicht.“

„Warum nicht?“

„Weil ich deine Zukunft sehe.“

„Wie kommt das?“

„Ich ziehe es vor, diese Frage nicht zu beantworten.“
 

Eine scharfe Replik lag Aya auf der Zunge. Worte, die verletzen und dominieren sollten. Dass Crawford keine Wahl hatte. Dass er es wünschte. Dass er ihm zu gehorchen hatte, wenn er seine Privilegien behalten wollte. Doch Aya entschied sich um, aus einer Laune des Schicksals heraus. Seine Gesichtszüge entspannten, sein Kiefer entkrampfte sich.

„Unter diesen Umständen halte ich das für keine gute Idee“, verließen ruhige Worte seine Lippen, die in einer Nachgiebigkeit ausgesprochen worden waren, die er für nicht möglich gehalten hatte. Wieder war es Omi, der ihm den Weg wies und dessen Kooperation am Ehesten durch ein Entgegenkommen erreicht wurde.
 

Crawford seufzte und dieser Laut war derart menschlich, dass er Aya ein Lächeln abrang. Er wusste, dass seine Entscheidung richtig war, schon bevor die Schultern des Amerikaners zusammensackten und sich sein Körper sichtbar entspannte.
 

„Wenn es zu einer derartigen Stresssituation kommt, richtet sich meine Voraussicht auf den stabilen Teil zwischenmenschlichen Umgangs“, gab Crawford schließlich zu und Aya legte den Kopf schief. Die Worte waren trotz Entspannung wie Scherben, sie schmerzten das Orakel sichtbar. Das Unwohlsein, das Aya aufgrund des offensichtlichen Leides verspürte, machte ihm mehr aus, als er wirklich wahrhaben wollte.

„Und das bist nicht du“, formulierte er nicht wirklich als Frage, eher als nachdenkliche Feststellung.

„Momentan nicht.“

„Wann wird das wieder so sein?“

„Nachdem die Stresssituation ein Ende gefunden hat.“
 

Aya verfiel wieder in Schweigen. Crawford hatte zugegeben, dass es ihm nicht gut ging und dieses Geständnis ließ Aya selbst offener werden, was seine Emotionen in direkten Bezug auf den Schwarz anging. Er ließ zu, dass das Leid des anderen Mannes sein Innerstes berührte. Er ließ nun offen zu, dass er Mitleid verspürte.
 

„Kaffee?“, fragte Aya in einer Art Entgegenkommen und deutete auf die leere Tasse des Orakels. Alleine, dass er sich nun nach dem Nicken des Anderen erhob und ihm die Tasse erneut füllte, während er sich seine eigene holte, war ein Auswuchs aus dem Entgegenkommen Crawfords. Die zittrigen Hände, welche schließlich die volle Tasse wie einen Schatz bei sich hielten, fingen seine Aufmerksamkeit ein und Aya verlor sich nach und nach in der Betrachtung der kleinen menschlichen Unzulänglichkeiten des unnahbaren Orakels.
 

~~**~~
 

Aya war sich des nun schon seit Stunden anhaltenden Friedens, den sie miteinander teilten, vollkommen, jedoch mit Unsicherheit bewusst. Er begrüßte ihn sogar, ihn und die Ruhe des Amerikaners, der seine Arroganz und seine Kälte schlussendlich gegen einen abwesenden Blick eingetauscht hatte.

Das Surreale der Situation blieb Aya nicht verborgen und unwillkürlich breitete sich eine Gänsehaut auf seinen Armen aus. Anstelle, dass sie sich gegenseitig an die Gurgel gingen, hatten sie das auf später…auf danach vertagt. Anstelle, dass sie einander beleidigten, schwiegen sie oder tauschten bissige Kommentare aus. Es war ein Waffenstillstand, der eigentlich nicht sein sollte und deswegen in all seiner Pracht absurd und einmalig war.
 

Es würde sowieso alsbald enden und das vermutlich auf eine recht unschöne Art und Weise für sie beide.
 

Aya verschob diesen Gedanken in den hinterletzten Winkel seines Hirns und widmete seine Aufmerksamkeit dem Mann, der nun unwillkürlich mit den Augen rollte. Die Geste, so verächtlich sie auch war, war menschlich genug, dass sich Aya davon nicht provozieren ließ.
 

Im Ganzen war Aya von der Menschlichkeit des Amerikaners überrascht, auch wenn er sich insgeheim fragte, was er erwartet hatte. Dass Crawford abseits von Missionen sich ebenfalls so gab als wenn er seinem Feind gegenüberstand, der für ihn im besten Fall ein amüsanter Zeitvertreib war? Dass er wie eine Statue auf der Couch sitzen würde, auch wenn er sicherlich Schmerzen hatte? Dass er Aya nicht mit etwas anderem als Vorsicht begegnen würde, nachdem, was passiert war?
 

Ja, was genau erwartete Aya eigentlich?
 

Nicht das, was Crawford ihm hier zeigte, und das überraschte ihn eines ums andere Mal. Das und die kleinen, überraschenden Gesten. Der Schwarz spielte mit seiner Kaffeetasse, bevor er den ersten Schluck trank. Wenn er Visionen hatte, so glaubte es Aya zumindest, kräuselte sich seine Stirn und die Lippen verzogen sich missbilligend, so als würde nichts in ihnen Crawfords Gnade finden. Wieder und wieder rieb er sich über die entzündeten roten Ringe um die Handgelenke und die Decken durften nie weit sein. Und er verabscheute mit Leidenschaft schlechtes Essen.
 

Ein nasales Schnauben riss den Weiß aus seinen Beobachtungen und ließ ihn aufsehen.
 

„Kommt die Frage noch, Fujimiya, oder lässt du mich dumm sterben?“ Da war sie wieder, die widerwillige, frustrierte Arroganz, gewürzt mit einem Hauch an Verzweiflung über eine solch dumme Frage. Ayas Augen verengten sich und er knurrte unwillig.

„Sollte ich eigentlich tun, nur damit sich deine Zukunft nicht erfüllt“, schoss er zurück und sicherte sich damit die volle Aufmerksamkeit des Orakels.

„Als wenn.“

„Ach?“

„Du schindest Zeit.“

„Warum sollte ich?“

„Das frage ich dich.“

„Auf einer Skala von eins bis zehn, wie froh war dein Team gleich nochmal, dass du außer Haus bist?“

„Im Moment? Zwölf.“

„Das ist über der Skala.“

„Beeindruckend, Fujimiya, du kannst zählen?“

„Um dir über zu sein reicht es.“
 

Nun grollten sie beide und schlussendlich schüttelte Aya amüsiert den Kopf, bevor er ernst wurde. Die Frage war ihm im Laufe des Tages gekommen und er hatte überlegt, ob er sie wirklich stellen und die Antwort darauf hören wollte. Er wusste instinktiv, dass sie ihm nicht gefallen würde, doch wann, wenn nicht jetzt und hier, hatte er die Chance auf eine ruhige Antwort? Vielleicht sogar auf eine, die der Wahrheit entsprach?
 

„Warum arbeitest du mit deinem Team für ihn?“, entkamen die Worte schließlich wie fließendes Wasser seinen Lippen. Es war die Gretchenfrage, die Aya veräußerte und die Frage, auf die er keine richtige Antwort erhalten würde, das konnte er sich schon vorher ausrechnen. Und so sah er es an den Augen seines Gegenübers eher, als er es von seinen Lippen ablas.

„Warum sollte ich nicht?“

Aya schnaubte und legte das Buch zur Seite, das er bis vor kurzem noch versucht hatte zu lesen. Mit einem dumpfen Laut traf es auf dem Boden auf und fing für einen Augenblick lang Crawfords Aufmerksamkeit ein. Nachdenklich ruhten die Augen des Amerikaners auf dem Werk, bevor er die Stirn runzelte.

„Du, Schuldig, Naoe... ihr habt Gaben, die für die richtige Sache eingesetzt so viel mehr Wert haben könnten. Ihr könntet helfen, Unschuldige zu retten und die Welt zu einem besseren Ort zu machen“, begann Aya, doch ein rüdes Lachen unterbrach ihn.
 

„Wo soll ich anfangen, Fujimiya?“, hakte der Amerikaner nach und auf seinem Gesicht stand nichts als Verachtung. „Vielleicht damit, dass es keine richtige Sache gibt? Kritiker... ist das die richtige Sache? Was sagen denn eure zurückgelassenen Witwen und Waisen zu dieser richtigen Sache? Was sagt das Gesetz dazu, das ihr unterwandert mit euren Taten, indem ihr die Intention, die dahinter steht, mit jeder eurer Taten pervertiert und ins Absurde führt? Und nicht zuletzt…wer ist schon unschuldig? Die Menschen auf der Straße mit all ihren kleinen und großen, widerlichen Geheimnissen?“

Verachtung kolorierte Ayas Worte. „Damit versuchst du eure Morde und all das Schlechte, was ihr tut, zu rechtfertigen, Crawford? Wirklich?"
 

Unmerklich verkrampfte sich Crawford und veränderte seine Position auf der Couch, die er anscheinend für sich beansprucht hatte und die sein Territorium war, das er mit einer schweigenden Bestimmtheit zu verteidigen wusste, die Aya ebenfalls erstaunte. Crawford hatte kein Wort in die Richtung verloren, doch alleine seine Präsenz rund um die Sitzgelegenheit machte Aya deutlich, dass der Amerikaner nicht bereit war zu teilen...egal, in welcher Position er sich hier befand.
 

„Es redet sich nur einer von uns beiden heraus, Fujimiya, und das bin nicht ich. Du bist derjenige, der behauptet, für das Gute zu kämpfen und dabei Menschen tötet. Du bist derjenige, der behauptet, für die richtige Seite zu morden, die sich ebenfalls äußerst fragwürdiger Methoden bedient. Oder glaubst du, ich wüsste von euren Bestrebungen, die PSI zu analysieren, nichts? Meinst du, ich wüsste nicht, dass sie auch Versuche an mir durchführen werden, sobald du mich ihnen übergibst? Dass sie mich töten werden, sollte ich nicht kooperieren?“
 

Verächtlich lachte Aya auf. „Propaganda, Crawford. Nichts weiter. Das werden sie nicht tun. Kritiker sind anders als du sie hier darstellst. Sie sind nicht so böse wie Rosenkreuz und SZ.“

„Kritiker ist das Gleiche nur in weiß.“ Der Amerikaner lachte bitter über das Wortspiel, ein brutaler Kontrast zu Ayas Zischen. „Takatori giert nach Macht um jeden Preis, sein Bruder giert nach Gerechtigkeit um jeden Preis. Das vereint sie in ihrer Bereitschaft, alles nur Erdenkliche zu tun um ihre Wünsche zu äußern. Schwach sind sie beide.“

Aya hob spöttisch die Augenbraue. „Und diese Schwäche macht sich deine Organisation zunutze, indem sie einen Politiker an die Macht bringen, der nach eurer Pfeife tanzt.“

„Verkürzt kann man das so sagen.“

„Einen Mann, der sich bestechen und morden, der euch die Drecksarbeit machen und Menschen quälen lässt.“
 

Das Lächeln, das sich nun auf die Lippen des Schwarz stahl, war zum ersten Mal zu hundert Prozent das, das Aya so brachial zu hassen gelernt hatte. Kalt, abwertend, taxierend... als wäre er nicht mehr als ein Insekt, das es noch nicht einmal wert war, zertreten zu werden.

„Auf den Gedanken kommen wir schon von ganz alleine, Fujimiya. Mach dir da keine Sorgen um uns und über die Zwänge, die Takatori uns auferlegt.“

„Das macht es noch viel abartiger und widerlicher.“

„Ist der Tod durch Drähte oder Klauen auch.“

„Wir...“
 

„Nein!“ Crawford fuhr hoch und die Wut, die plötzlich in seinen Augen stand, überraschte Aya doch sehr. „Ihr seid nicht besser, keinen einzigen Deut. Du erhebst dich in einer Arroganz über alles, was nicht deinen Vorstellungen entspricht, das ist erbärmlich. Du verurteilst Schwarz dafür, dass wir für Takatori arbeiten, während du Mission um Mission in Blut badest und es genießt, wenn du den metallischen Geschmack auf deinen Lippen schmeckst, nachdem sie dir vor deine Klinge gelaufen sind und du sie abgeschlachtet hast wie Tiere. Du projizierst alles, was aus DIR geworden ist, auf die Hassfigur deiner Feinde und insbesondere auf Schwarz. Weil wir euch nicht wie die stümperhaften toten Möchtegernverbrecher zum Opfer gefallen sind. Wir leben noch und wir zeigen euch erfolgreich euren Grenzen auf, indem wir euch wieder und wieder und wieder in den Staub treten.“
 

Aya grollte und fühlte Wut in sich aufsteigen, die er eigentlich nicht dort haben wollte. Er spürte instinktiv, dass er in dieser seit Jahren überfälligen Diskussion einen klaren Kopf behalten musste, doch anscheinend war das ab diesem Moment nicht möglich. Abrupt überschwemmte ihn Zorn und ließ ihn abgrundtief böse grollen. Ebenso wie Crawford auch veränderte er seine Position, gab einen Großteil seiner entspannten Haltung auf.
 

„Ich wüsste nicht, dass Schwarz gegen Korruption, Menschenhandel, Drogenhandel, Prostitution und Waffenschmuggel vorgeht. Oder irre ich mich da?“

„Warum sollten wir auch? Das ist Teil dieser Welt. Eine Stufe auf der Leiter der Herrschaft.“

„Nein! Diese Welt ist kein Spielball von Verbrechern!“, begehrte Aya auf und hatte sich erhoben, eher er wirklich wusste, was er tat. Die Hände zu Fäusten geballt, starrte er auf Crawford hinunter und sah für einen ersten Augenblick die Überraschung in den scharf konturierten Zügen des Amerikaners. Das Erschrecken, das dahinter lauerte. Doch dieses kehrte nur allzu bald zurück zu der immanenten Ruhe, die Aya so sehr hasste an Schwarz.

„Schon immer gewesen. Daran wird auch deine Wut nichts ändern, Fujimiya. Die Schwachen werden untergehen. Sie zu schützen lohnt nicht. Es bringt dich nur um. Dich und deine Familie.“
 

Das Lächeln, das sich anhand der Worte auf seinem Gesicht ausbreitete, konnte Aya im besten Fall als hämisch bezeichnen. Es war zornig, es war gehässig, es war abartig. Das Lächeln alleine wäre schon genug gewesen, dass er wütend wurde. Doch die Erwähnung seiner Familie brachte das Fass beinahe zum Überlaufen. Noch beherrschte er sich. Noch. Er hatte das Gefühl, dass es nicht mehr lange gut gehen würde.

Abschätzig ließ Aya seinen Blick am Körper des Amerikaners herabgleiten und blieb dann auf den mit einem Mal vorsichtigen Augen hängen.
 

„So wie meine Familie? Ist das so?“, fragte Aya lauernd und erhielt darauf schon keine Antwort mehr. Kurz fragte er sich, ob Crawford bereits wusste, was er sagen wollte, doch schlussendlich war es ihm egal.
 

Herzlich egal.
 

Sein Hass und sein Zorn gewannen die Überhand über seine ruhige Beherrschung, mit der er die letzten beiden Tage überstanden hatte. Hass auf Takatori, Zorn auf Schwarz. Er trat einen Schritt näher und nun musste Crawford deutlich zu ihm hochsehen um mit ihm im Blickkontakt zu bleiben.
 

„Dann zieh dich aus.“
 

Das brachte Bewegung in das starre Gesicht des Amerikaners. Hass brachte es hervor. „Wie bitte...?“

„Zieh dich aus, damit ich dir die Handschellen anlegen und dich zurück zu Lasgo bringen kann“, stopfte er Crawfords eigene Argumentation in dessen widerwärtigen Rachen. „Ich erinnere dich daran, wer dich seit gestern vor Lasgos Zugriff schützt. Ich erinnere dich daran, wie schwach und hilflos du warst, als sie dich in Ketten hier hereingebracht haben.“
 

Nun erhob sich auch Crawford, seine Bewegungen abgehackt und schnell. Angst lag unter der Wut und an genau dieser labte sich Aya mehr als dass er es zugeben wollte. Doch wenn er ehrlich war, liebte er sie und wollte sie weiter fördern, wollte die bittere Menschlichkeit in den Zügen des unmenschlichen Schwarz sehen.
 

Je länger er in das vertraute und verhasste Gesicht starrte, desto zorniger wurde Aya. Eiskalt liefen ihm Hass und Wut über den Rücken und brachten ihn dazu, zu hassen, wie er zuvor noch nie gehasst hatte. Selbst für Takatori hatte er nicht eine solche Verachtung empfunden wie für Crawford in diesem einen Moment, der die Zeit zwischen ihnen gefrieren ließ.

Aya ballte seine Hände zu wütenden Fäusten um dem Druck in seinem Inneren ein Ventil zu geben, das weder seine Lippen noch seine Gedanken bereit waren darzustellen.

Er wollte nicht mehr reden, er war die Worte des anderen leid, die nur das Ziel hatten, ihn zu verletzen und ihm Spott entgegen zu tragen, ihm und seiner Familie. Er wollte auch nicht mehr denken.
 

Er musste handeln.
 

Töte ihn, wisperte es in Aya. Füge ihm Schmerzen zu. Räche dich für das, was er dir und deiner Familie angetan hat.
 

In diesem Moment spielte es keine Rolle, dass es nicht Crawford war, der für den Tod seiner Familie verantwortlich war. Es spielte auch keine Rolle, dass er lediglich Takatoris Leibwächter war. Seine Verletzungen spielten keine Rolle mehr. Sein Versprechen spielte keine Rolle mehr.

Aya war auf Blut aus und darauf, endlich Rache zu nehmen.

Das Lächeln, welches nun über seine Lippen kroch wie ein lauerndes Raubtier auf der Jagd, war eine abartige Spiegelung dessen, was Crawford ihm noch vor wenigen Augenblicken gezeigt hatte und es verunsicherte das Orakel, das konnte Aya nur zu gut sehen.
 

Kurz verloren sich die hellbraunen Augen in einer ihrer ach so wertvollen Visionen, die in Aya nur Verachtung hervorriefen, dann kehrten sie umso schärfer zu ihm zurück, während Crawford sich ruckartig von ihm entfernte und Abstand zwischen sie brachte.

„Das wirst du nicht tun, Fujimiya“, waren es warnende Worte, die sich an sein Ohr trugen, die ihn in all ihrer verzweifelten Eiseskälte einschüchtern sollten.
 

Aya lachte darüber. War das alles, was der Schwarz aufzubieten hatte? Lächerlich.
 

„Ach?“, fragte er lediglich und trat näher. Wie die letzten Tage auch wäre Crawford kein wirklicher Gegner für ihn, nicht in dem ausgehungerten und geschwächten Zustand, in den er sich selbst gebracht hatte.

„Was werde ich nicht tun? Das Leben aus dir heraus prügeln, so wie du es verdient hast für alles, was du getan hast? Dir Stück für Stück das Grinsen aus dem Gesicht zu schlagen, mit dem du auf uns alle herunterlächelst, die vermeintlich schwächer als du sind? Oder etwa, dir meine Klinge in den Körper zu stoßen, bis zum Anschlag, sie dann zu drehen und wieder herauszuziehen und dir dabei zuzusehen, wie du dein lächerliches Leben hier auf dem Boden ausblutest?“

Worte, die in Aya wohlige Schauer der Vorfreude erzeugten. Mehr noch, sie erregten ihn auf eine perfide Art und Weise, wie sie ihn noch nie erregt hatten. Er spürte Macht in sich, Macht, die er über den Schwarz ausübte und ihn in die Knie zwingen konnte. Das, was als kleiner Funke begonnen hatte, brannte mit jeder verstreichenden Sekunde immer und immer stärker in ihm und schien ihm so natürlich wie die Luft zum Atmen.
 

„Du bist nicht du selbst, Fujimiya.“ Grollend trat Crawford einen Schritt weiter weg und Aya folgte ihm dabei. Hinaus aus dem Wohnzimmer, in den Flur hinein.

„Ich war nie mehr ich selbst, als in diesem Moment“, verließen Worte in fremder Intonation seine Lippen.

„Du wirst das nicht tun“, wiederholte Crawford beinahe beschwörend, aber nutzlos und Aya hob die Augenbraue.

„Was genau von all dem, was mir vorschwebt, nicht?“

Bodenlose Wut kroch nun auch über Crawfords Gesicht. „Du wirst mich nicht vergewaltigen", pressten schmale Lippen Worte wie Scherben hervor und Aya hielt überrascht inne. Er sollte...was? Was zur Hölle implizierte Crawford da? Was zur Hölle unterstellte der Amerikaner ihm da?
 

Die Wut darüber bildete den letzten Funken, den er für seinen Flächenbrand benötigte. Heiß flammte der hemmungslose Zorn in ihm auf, breitete sich aus und nahm ihm gnädigerweise sein bewusstes Denken. Aya kannte das bereits, diese Art des blinden, tauben und stummen Handelns. Es war der Zorn, der ihn am Meisten befriedigte und ihn zu dem machte, der seine Eltern rächen würde.

Lautlos setzte er Crawford nach und bekam das Orakel zu fassen, als dieser die Hand bereits am Türgriff der Wohnungstür hatte. Mit dem Arm um dessen Hals drückte er zu und schlug auf das starre Handgelenk, bis Crawford die Tür losließ. Es war kein einfacher Kampf, sicherlich nicht, denn das Adrenalin und die Kampferfahrung machten den Schwarz zu einem gefährlichen Gegner. Doch dieses eine Mal war Aya frei von allem, was ihn daran hindern würde, Crawford die verdiente Strafe zukommen zu lassen. Frei von allen Bedenken, die ihn sonst hemmten.
 

Er griff in die schwarzen Haare und schlug den Kopf gegen die Wand neben der Tür, einmal...zweimal...solange, bis Crawford sich nicht mehr gegen seinen Griff wehrte und er ihn zurück in das Wohnzimmer zwingen und ihn zu Boden stoßen konnte. Wie in Zeitlupe kniete er sich hinter Crawford und würgte den anderen Mann, während er ihn vertraulich an seinen Körper presste, gerade so, als wären sie zwei Liebende. Und es erregte Aya über alle Maßen hinaus. Er schauderte, als er die rohe Gewalt, die der andere Mann darstellte, mit seinen Händen gefangen hielt und zum Erliegen brachte, als sich dieser schlussendlich ergab.

Keuchend und hustend lag Crawford vor ihm, seine Lippe aufgesprungen und blutig. Auch Aya hatte Blut an seinen Händen. Von der Platzwunde am Kopf des Orakels? Vermutlich.
 

Grinsend erhob sich Aya und ging zu dem Schrank, in dem er die Handschellen wusste. Mit einem Griff hatte er sie, einen zweiten Griff benötigte er, um sie Crawford anzulegen, der sich erst viel zu spät bewusst wurde, was Aya gerade getan hatte. erst, als er begriff, wie wehrlos er nun wirklich war, entrang sich ein wütender Aufschrei von seinen Lippen, dem Aya fasziniert lauschte.

Ebenso fasziniert, wie er eben diese Lippen beobachtete.
 

Schweigend packte er Crawford und zwang seine eigenen Lippen auf die blutigen seines Feindes. Crawford belohnte ihn damit, dass er zubiss. Aya belohnte den Schwarz dafür, dass er ihm mit roher Gewalt ins Gesicht schlug.

„Dachtest du etwa, du kommst mit all den schlimmen Dingen, die du getan hast, davon, ohne eine Strafe zu erhalten?“, zischte Aya und hielt den Kopf des blutenden Mannes, biss ihm in den freigelegten Übergang zwischen Hals und Schulter, als würde er das Fleisch unter seinen Zähnen wirklich herausreißen wollen. Unter ihm stöhnte Crawford schmerzerfüllt auf und Aya rieb sich voller Genugtuung an dem Körper des gefangenen Mannes, der sich ihm entgegenbockte, schier nicht stillstehen wollte in all seiner verzweifelten Wehrhaftigkeit.
 

„Du wusstest es doch schon die ganze Zeit, dass dein Tun Konsequenzen haben würde. Schon seit Lasgo dir gezeigt hat, wo dein Platz in der Welt ist, du verachtenswertes Stück Dreck. Woher kommt dann die Überraschung?“ Aya lachte, insbesondere jetzt, wo Crawford beinahe schon panisch versuchte, ihn abzuschütteln.

Aya sah sie, für einen Moment, die Angst, die in den Augen des Amerikaners stand und sie war ihm ein Ansporn über alle Grenzen hinaus. Er wollte mehr davon sehen. Er wollte den Schwarz um Gnade betteln sehen, wie er es bei Lasgo getan hatte. Er wollte den Schwarz ganz unten sehen, über alle Maßen gedemütigt.
 

Und er wollte sich tief in ihm versenken, bis zum Anschlag und ihn zum Schreien bringen, das besiegte Orakel.
 

Aya ließ Crawford hochkommen und schlug ihm dann erneut ins Gesicht, ließ den aufkommenden Schmerz sein Komplize sein, als er ihn auf den Bauch drehte und die gefesselten Arme soweit hochdrückte, dass der Mann unter ihm vor Schmerzen keine Luft mehr bekam. Mit der anderen Hand griff er in den Hosenbund und zog ihn mit einem Ruck hinunter.

Wenn er wollte, dass der Mann schrie, dann würde er sich nicht mit Nichtigkeiten wie Gleitgel oder Kondom aufhalten, sondern sich direkt und unmittelbar an ihm bedienen. Aya lächelte entrückt, so als wäre er fernab von sich und der Situation.
 

„Nein...hör auf, Fujimiya“, drangen Worte durch seinen Rausch, die ihn lächeln ließen. Worte, die er genoss. Wie gerne hätte er sie schon früher gehört, bei anderen Zusammentreffen, schon als er sich bewusst wurde, dass der Amerikaner zu mächtig war um kein Problem darzustellen.

„Niemals“, keuchte er und krallte seine Hände in das feste, muskulöse Fleisch. Grollend vergrub er seine Zähne erneut in die empfindliche Haut des Halses und presste sich gegen die freigelegte Kehrseite, ließ den Schwarz spüren, was ihn erwarten würde. Oh und dass er das Orakel niederwerfen würde, das stand außer Frage. Für all das, was der Schwarz bisher getan hatte und noch tun würde, würde er sich rächen. Er würde ihm seinen Platz weit unter ihm zeigen.
 

Schmerzerfüllt zuckte der Körper unter ihm zusammen. „Wie…. willst du das vor deiner Schwester… rechtfertigen?", spie Crawford ihm hasserfüllt entgegen und die Worte fanden reißend ihren Weg von Ayas Ohren zu seinem bewussten Denken.
 


 

~~~~~

Wird fortgesetzt.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Über Feedback und Kommentare freue ich mich natürlich immer. :) Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  radikaldornroeschen
2018-08-23T09:23:48+00:00 23.08.2018 11:23
Guter Schachzug, der letzte Satz von Brad! Und wahrscheinlich seine einzige Chance...
Es macht einen schier wahnsinnig, so einen abgrundtief bösen Aya zu erleben.
Aber andererseits ist es auch erfrischend, ihn mal nicht als "Engel" dargestellt zu bekommen.
Ich bin sehr gespannt, ob sich das Böse manifestiert oder ob es noch eine Kehrtwende gibt. Wirklich spannend!
Antwort von:  Cocos
23.08.2018 15:36
Dass es seine letzte Chance ist, sieht er in dem Moment auch und greift einfach nach dem letzten Strohhalm, der sich ihm bietet (er ist Aya momentan körperlich unterlegen und seine Voraussicht war absolut nicht hilfreich).

Ich freue mich, dass es dich "erfrischt". :) Ich mag es sehr, die Grenzen zwischen gut und böse verschwimmen zu lassen und zu zeigen, dass es eben nicht nur das eine oder das andere gibt, wenn per se die Arbeit als Auftragskiller schon böse ist. Trotzdem gibt es natürlich nicht nur einen Grund, sondern noch ein paar andere, die zu DINGEN führen.

Du darfst weiterhin gespannt sein, der nächste Teil kommt aber bald. ;)

Danke für deinen Kommentar.:)


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