Drei Tage, drei Nächte 2.0 von Cocos ================================================================================ Kapitel 4: Vier --------------- Langsam stieß das Orakel sich vom Türrahmen ab, öffnete seine Haltung in falscher Lockung. Aya erkannte die Falle dahinter, wenn er sich die Hände des Schwarz ansah, die sich unmerklich anspannten, bereit, zuzupacken und zu töten. Und doch war der Schwarz es, der noch einen Versuch unternahm, Aya von seiner Meinung zu überzeugen. „Ich habe keinen Grund, mich zu irren“, sagte er ruhig, aber angespannt. Minimal drehten sich seine Hände in einer Art Friedensangebot, eben gerade so, als müssten sie ein scheues Pferd beruhigen. Auf eine bestimmte Art und Weise erzürnte Aya das noch mehr. Als wenn er die Ruhe des Orakels nötig hätte. Grollend griff er nach dem Laptop. Zwei Schritte, dann war er bei Crawford und hielt ihm ihn hin. „Tu es selbst. Schreibe ihm, was ich dir angetan habe, wie ich dich gefoltert habe. Wie ich dich gefickt habe.“ Es war grausam, was er forderte. Seine Worte waren grausamer, als es selbst Crawford verdient hatte und für einen Moment bedauerte Aya sie bis in sein Innerstes. Doch der Moment war schnell vorbei, als er sich jedwedes schlechtes Gewissen verbat. Der Schwarz fixierte den Laptop, als wäre er eine giftige Schlange und machte keine Anstalten, ihn anzunehmen. „Das werde ich nicht, Weiß“, grollte er abgrundtief böse und Aya sah die Mordlust zum ersten Mal seitdem sie am heutigen Morgen aufeinander getroffen waren. Sie war Aya eine Warnung. Ebenso wie das drohende Grollen, das sich ihm nun entgegentrug. „Sag es nicht, Weiß. Ich warne dich“, kam Crawford hasserfüllt Worten zuvor, die ätzender und verächtlicher nicht hätten sein können. Und tatsächlich schwieg Aya, tatsächlich schluckte er seine zynischen Worte hinunter, dass Crawford am Besten beschreiben könnte, wie Lasgo ihn am Liebsten vergewaltigt hatte. Er atmete tief durch, einmal, zweimal, dreimal…bevor er den Laptop wider an sich nahm und einen Schritt zurücktrat, dann noch einen. Willentlich entspannte er sich und setzte sich zurück auf die Couch, den Blick aufmerksam auf Crawford gerichtet. Eine Art widerwilliges Friedensangebot. Und es war, als reagierte der Schwarz nur auf ihn und sein Verhalten, direkt und unmittelbar. Auch er entspannte sich nach und nach, während seine Erschöpfung und sein Schmerz wieder in den Vordergrund traten. Crawford wirkte älter dadurch, müder, und Aya kam wieder in den Sinn, dass er eigentlich nichts über die letzten fünf oder sieben Tage wusste. Er wusste bis auf wenige Ausnahmen nicht, was Lasgo Crawford angetan hatte und er würde es vermutlich auch nie erfahren. Er konnte nur erahnen, in welchem Ausmaß dem Amerikaner zugesetzt worden war. „Setz dich hin“, sagte er ruhig und auf seine Art und Weise war es ein weiteres Friedensangebot. Er würde sich nicht entschuldigen, nicht bei Crawford, aber er konnte aufhören, dem anderen Mann zuzusetzen. Er konnte zur Kenntnis nehmen und akzeptieren. Er konnte lindern, wo es ihm im Rahmen ihrer Feindschaft möglich war. Crawford folgte seinem Fingerzeig und ließ sich vorsichtig nieder. Die Schmerzen, die er dabei hatte, waren unübersehbar. „Ich weiß nicht, was ich ihm antworten soll“, gestand Aya schließlich ehrlich ein. „Mir würde es niemals in den Sinn kommen, es ihm gleich zu tun.“ Es dauerte, bis Crawford darauf reagierte, aber schlussendlich rollte er mit den Augen und schüttelte den Kopf. „Man sollte meinen, Fujimiya, dass du bei all der Dunkelheit, die du bisher ausradiert hast, dir einen Grundstock an Wissen angeeignet hast. Oder bist du…“ Crawford stockte und Aya kam es vor wie eins seltsamer Schluckauf. Noch viel seltsamer war der Blick, mit dem er nun bedacht wurde und der irgendwo zwischen Erkennen, Resignation und Verzweiflung verweilte und sich nicht entscheiden konnte, was von alle dem nun die Oberhand gewinnen wollte. „Bin ich was?“, hakte Aya nach. „Ungeküsst.“ Ungläubig starrte Aya Crawford an. Er glaubte es einfach nicht, dass sie allen Ernstes über seine sexuellen Erfahrungen sprachen. Das war absurd, das war wirklich absurd. „Nein, Crawford!“ „Jungfrau?“ „Das geht dich nichts an!“, begehrte der rothaarige Weiß auf und schüttelte vehement den Kopf. „Und nein.“ Absolut absurd war es. Aya grollte erbost und nahm den Laptop wieder auf, um etwas zu tun zu haben und nicht Crawford in die durchdringenden, hellen Augen starren zu müssen. „Finde eine Lösung für das Problem.“ „Die habe ich dir bereits genannt.“ Aya sah kurz hoch und erkannte den Ernst in den Augen des Amerikaners. Ernst und noch etwas anderes, das darunter lag und das er nicht genau benennen wollte. Wortlos richtete er seine Aufmerksamkeit auf seine Antwort und tippte ein paar Zeilen, knapp und spröde formuliert. „Wie sieht es jetzt aus?“, fragte er und wartete geduldig auf eine Antwort, die sich schlussendlich in einem knappen Nicken wiederfand. Kommentarlos schickte Aya die Mail ab und schloss die Augen. Er fühlte sich schmutzig. Er fühlte sich angewidert von sich selbst und seinen Worten, die sich in sein inneres Auge gebrannt hatten. ‚Die Lippen, ja. Er liebt es anscheinend, wenn man ihm den Mund stopft.‘ „Was hast du noch vorhergesehen?", fragte Aya schließlich, als Crawford sich nicht weiter dazu äußerte. Die Frage erschien ihm seltsam, zu vertraut, als dass er sie seinem Feind stellen würde. Vielleicht lag es auch daran, dass er sie so zum ersten Mal stellte, denn bisher hatte es sich nicht angeboten, den Schwarz danach zu fragen. Bisher war er immer unwilliger Empfänger eben jener Vorhersehungen gewesen, die ihm das Leben schwer gemacht hatten. Aber Aya hatte es so gewollt, es war seine Bedingung gewesen und dass Crawford dem widerwillig und zu seinem eigenen Vorteil folgte, war klar. „Nichts von Bedeutung“, erlangte er schließlich seine unbefriedigende Antwort und Aya hob seine Augenbraue. „Nichts von Bedeutung“, echoete er und ließ Crawford sehen, wie wenig er von dessem Vorfiltern hielt. Ein frustriertes Schnauben antwortete ihm. „Alltägliche Dinge, die nicht wichtig sind.“ „Das weißt du nicht.“ „Das weiß ich nicht...“, war es nun an Crawford, seine Worte zu spiegeln. Überdeutlich betonte der Amerikaner jedes einzelne davon und schmunzelte schließlich spöttisch. „Das weiß ich nicht... Aber du? Ist Kritiker soweit, dass sie endlich begriffen haben, wie wir PSI handeln und wie sich unsere DNA von der euren, unbegabten unterscheidet? Ich gratuliere. Ein Trauerspiel, dass ich das nicht vorhergesehen habe.“ Spott trug sich ihm hier entgegen, verdienter Spott, auch wenn Aya das sicherlich nicht hören wollte. Crawfords Worte machten ihn wütend. „Ich möchte dich an unseren Handel erinnern, Schwarz. Oder hast du bereits nach Stunden vergessen, wie du mir deinen Schutz vor Lasgo abgelten wirst?“, fragte Aya lauernd und traf auf ein arrogantes Lächeln. „Der Deal... ich habe meinen Teil erfüllt, als ich dich davor gewarnt habe, die Mail so abzuschicken, wie du es eigentlich wolltest.“ „Vollkommen uneigennützig natürlich, angesichts der Tatsache, dass es dein Arsch gewesen wäre, den Lasgo gewollt hätte.“ Crawford wollte ihn schlagen, das konnte Aya an jeder Faser des angespannten Körpers erkennen, die sich nun mit eiserner Disziplin zurückhielt, ihm seine Worte zu vergelten. „Bist du dir dessen so sicher, Fujimiya? Was, wenn ich dir sage, dass du eingegriffen hättest, deine ach so wertvolle Tarnung über Bord werfend, nur um mir eben jenen zu retten. Lasgo hätte dich dann ebenfalls gefangensetzen lassen und mit dir ein ähnliches Spiel gespielt. Ja, vielleicht ist das die Wahrheit, vielleicht aber auch eine Lüge, insbesondere, da du mir Letzteres gleich unterstellen wirst“, kam Crawford Ayas zornigen Worten zuvor und lächelte humorlos. „Ich würde dich nicht retten“, erwiderte Aya tonlos mit einer Spur an Verachtung in der Stimme. Worte, von denen er jetzt schon wusste, dass sie gelogen waren. Und das war auch Crawford klar. „Du würdest und das ist dein Schwachpunkt. Du würdest selbst mich retten, weil es gegen deine Ehre geht, gegen dein ach so schwarz-weißes Weltbild.“ Aya lachte erbittert auf. Schwarz-weißes Weltbild? Als wenn er das hätte! Was war denn mit dem Weltbild gerade eben? Aya schützte seinen Feind, er schützte den Mann, der Takatori beschützte. Würde er in schwarz und weiß denken, dann hätte er Crawford bereits längst getötet. „Hältst du mir das allen Ernstes gerade vor? Dass ich dich rette? Was ist denn dein Vorschlag? Soll ich dich zurückbringen, auf dass Lasgo mit dir weiter seine Spiele treibt?“, hielt Aya aufgebracht dagegen. „Hat dir sein Schwanz SO gut geschmeckt?“ Ohne dass er es wirklich wollte, war ihm die letzte Frage herausgerutscht. Aus Wut, aus Zorn, verletztem Stolz...was auch immer es war, dass ihn den Amerikaner hatte verletzten lassen wollen. Dass er ins Schwarze getroffen hatte, sah er, noch bevor die Faust des Orakels sein Gesicht traf und Schmerz in seinem Kiefer explodierte. Er hatte es verdient, soweit stimmte er Crawford zu... …doch nun übernahm Abyssinian. Instinkt ließ ihn hochschnellen. Instinkt ließ ihn den zweiten Angriff abwehren und die bereits seit Stunden bemerkten und katalogisierten Schwachpunkte nutzen. Diszipliniert und kalt arbeitete er sie ab und zwang er Crawford in die Knie. Er fügte ihm mehr Schmerzen als notwendig zu und ließ sich für einen kurzen Augenblick zu der befriedigenden Vorstellung verführen, dem Amerikaner ein Ende zu setzen, doch dann war es das schmerzerfüllte Keuchen seines Gegners, das ihn zur Besinnung brachte. Aya blinzelte und sah auf Crawford hinab, der vor ihm kniete und den er im eisernen Würgegriff hatte. Stumm starrte er auf den Mann nieder und lockerte schließlich unendlich langsam seinen Griff um den muskulösen Hals des Orakels, dass Crawford wieder Luft bekam. Nun erst merkte Aya, wie sein eigener Körper das Adrenalin zu kompensieren suchte. Er atmete schnell, seine Muskeln hart und angespannt. Seine Sinne waren hellwach und versorgten ihn nur mit den nötigen Informationen. Schmerzhaft schnell schlug sein Herz, während er sich bewusst wurde, dass sie sich sehr nahe waren, er den Schwarz an sich gepresst hielt. Es war, so schien es, der Tag der Premieren. Noch nie seit sie einander über den Weg gelaufen waren, hatte es Aya geschafft, Crawford niederzuringen. Einen Treffer zu landen, sicherlich. Einen Treffer, der doppelt und dreifach vergolten wurde. Doch ihn nieder zu ringen und in seiner Gewalt zu haben, das war ihm bisher nicht vergönnt gewesen und es war ein Gefühl des Triumphes, das sich in ihm breit machte, das er ohne zu zögern genoss. Auch wenn es Aya komisch vorkam. Schal... nein, das war nicht das richtige Wort. Deplatziert, unverbunden, so als würde es nicht zu ihm gehören. Und je länger er Crawford an sich gepresst hielt, je länger er die tödliche Kraft des Orakels in seinen Händen hielt und niederrang, desto stärker wurde es. Irritiert runzelte Aya die Stirn und ließ Crawford abrupt los und mit ihm das Gefühl, das verschwand, wie es gekommen war. Stumm starrte er auf den anderen Mann hinab, wie er vor ihm auf dem Boden kniete und seinen Hals mit beiden Händen umfasste. Trocken hustete Crawford und versuchte, seine nach Luft gierenden Lungen mit dem dringend benötigten Sauerstoff zu versorgen, den Aya ihm versagt hatte. Wie als wäre er keine Gefahr, drehte Crawford Aya den Rücken zu...unvorsichtig, riskant...und hilflos. War es tatsächlich Hilflosigkeit, die Crawford spürte? Bezwungen nun schon zum wievielten Mal? Durch wie viele Männer? Aya sagte nichts. Auch wenn ihm spöttische und verletzende Worte auf der Zunge lagen, gebot er sich zu schweigen und zurück zu treten, Crawford Raum und Zeit zu geben, sich wieder zu finden. Langsam zog er sich an den Türdurchgang zurück und wartete darauf, dass der Amerikaner den ersten Schritt machte, dass er nachgab. Etwas Dunkles in ihm wartete auf die Unterwerfung, auch wenn er wusste, dass sie nicht kommen würde. Und der Schwarz machte den ersten Schritt. „Alltägliche Dinge...“, begann Crawford rau und hustete, bevor er abgewandt weitersprach, während er abwesend auf den Boden starrte. „...beeinflussen oder entscheiden nicht. Wenn ich sehe, wie du etwas trinkst oder dein Buch zuschlägst, dann hat das keine Auswirkungen auf das Gesamtgefüge. Es sind Handlungen, die ich für gewöhnlich automatisch ausblende. Im Gegensatz dazu stehen Handlungen, die gravierende Auswirkungen auf die Zukunft haben. Die Mail zum Beispiel. Es wird dir nichts bringen, wenn ich dir sage, dass du trinken wirst. Es wird dir aber etwas bringen, wenn ich dir sage, dass ein einziger falscher Satz dazu führen wird, dass deine Tarnung auffliegt, du gefangen gesetzt wirst und Lasgo dich schließlich erschießt.“ Aya schluckte trocken. Die Erklärung war logisch und nachvollziehbar, mehr als das. Es war, als würde Crawford ihm erklären, wie man atmete. Neutral und ohne Vorwurf äußerte er die Worte und gab Aya die Möglichkeit, sie anzunehmen, obwohl er dem Orakel so eben noch unterstellt hatte, nicht Herr seiner Gedanken und des logischen Denkens zu sein. Obwohl er ihn gerade noch beinahe in die Bewusstlosigkeit gewürgt hatte. „Dafür, dass du gesagt hast, deine Gabe wäre nicht zuverlässig, hast du einen guten Einblick in deine Zukunft“, merkte Aya schließlich ruhig an und erntete ein abfälliges, verzweifeltes Schnauben. Umständlich und unter Schmerzen stemmte sich Crawford in die Höhe und kam schwankend zum Stehen. Es schien, als hätte ihr kleines Stelldichein seine gesamte Kraft aufgebraucht, die er noch hatte. Wieder einmal fragte sich Aya, was geschehen war um das so überlegene Orakel so zu schwächen. Aufmerksam beobachtete er ihn, wie dieser sich an die Wand lehnte. „Nicht in meine. In deine.“ Wie gerne hätte Aya in diesem Moment einen Blick in das Gesicht geworfen, hätte sich von der Ehrlichkeit überzeugt. Wie gerne hätte er eine Regung gesehen, doch Crawford versagte es ihm, als er das Wohnzimmer erneut verließ und langsam ins Schlafzimmer wankte, die Tür hinter sich mit solch einer Gewalt zuwerfend, dass in der Küche die Tassen im Schrank erzitterten. ~~**~~ Den Rest des Abends war es still, bis auf Ayas Tippen und den Nachrichtenkanal im Fernsehen, den er angeschaltet hatte. In ein paar Monaten waren Parlamentswahlen und Takatori hatte sich aufstellen lassen. Der korrupte Politiker strebte nach absoluter Macht und Kontrolle und da war die Übernahme des Parlaments für ihn der richtige Weg. So schmeichelte und kaufte er sich seinen Weg in die Politik und hinein in die wichtigen Ränge. Nicht, dass er es zulassen würde, dass dieser Verbrecher und Mörder an die Macht kam und wenn es das Letzte war, was er tat. Zur Not auch ohne Kritiker würde er sich des Mannes entledigen und ihm seiner gerechten Strafe zuführen, der er sich bisher entzogen hatte. Unwillkürlich hatte Aya die Hände zu Fäusten geballt, als er über die Chancen nachdachte, die sich seit dem heutigen Morgen aufgetan hatten. Mit Takatoris Berater und Leibwächter in seiner Gewalt hatte er tatsächlich eine Waffe, die er für die Vernichtung des korrupten Politikers nutzen konnte. Wenn der Hellseher bis zur Wahl in Kritikergewahrsam blieb, wäre ein gravierend störender Faktor von der Bildfläche verschwunden. Wenn dadurch noch das feindliche Team einen Nachteil erlangte, der es Weiß möglich machen würde, sie zu vernichten, umso besser. Sollte es dann noch möglich sein, alles an Informationen über den Politiker, seine Machenschaften, seine Netzwerke und die Fähigkeiten der PSI herauszupressen, dann war es für Kritiker ein erheblicher Gewinn, der nicht zu verachten war. Aya warf einen Blick auf die geschlossene Schlafzimmertür. Also musste er Crawford nur, ohne dass dieser es vorhersah, zu Kritiker schaffen. Unmöglich. Also mit seinem Wissen. Schwierig. Unter Zwang. Machbar. Er könnte Crawford einen Handel vorschlagen: entweder, der andere Mann begleitete ihn oder aber er würde ihn an Lasgo ausliefern. Wahlweise konnte er die verhängte Kontaktsperre aufheben und am Ende seines Auftrages das nächstgelegene Krisenreaktionsteam anfordern. Spätestens sie sollten mit Crawford fertig werden. Zufrieden nickte Aya und sah auf die Uhr. Es war spät und er musste morgen früher aufstehen als sonst. 'Red' musste ins Büro und sich die Fortschritte der Planer ansehen, bevor er eine Entscheidung traf. Den Laptop ausschaltend erhob er und streckte sich, verzog kurz das Gesicht vor Schmerz, als sich die alte, bereits verheilte Schusswunde bemerkbar machte. Schuldigs Werk, der Sakura damals dazu gebracht hatte, auf ihn zu schießen. Ein Andenken, das er vermutlich für immer behalten würde, eine Mahnung, dass Schwarz zu schwächen immer Priorität haben sollte. Stumm schweifte sein Blick zum Schlafzimmer und er fand in dieser Erinnerung die Stärke, die er für das Kommende brauchte. Kein Mitleid mit demjenigen, der es vermutlich befohlen hatte...und wenn nicht, der Schuldigs Tun gut geheißen hatte. Mit ein paar Schritten überwandte Aya die kurze, teppichbewehrte Distanz zwischen den Räumen und öffnete ohne anzuklopfen die Tür. Das Bett war leer und für den Bruchteil einer Sekunde befürchtete Aya, dass der Amerikaner dumm genug gewesen war, einen Fluchtversuch zu wagen. Doch dann fanden seine Augen das Orakel: schlafend und in eine Decke gehüllt auf dem Sessel. Sein Kopf war leicht zur Seite gefallen, sodass die kurzen, ordentlich getrimmten Haare ihm teilweise in die Stirn fielen und ihn weicher wirken ließen. Menschlicher. Jünger. Aya fiel auf, dass er eigentlich gar nicht genau wusste, wie alt der Schwarz war. Während der Junge des Teams, Naoe, wenn er sich richtig erinnerte, tatsächlich noch nicht volljährig zu sein schien, war es bei Crawford und bei Schuldig schwierig, das Alter zu schätzen. Oder bei dem verrückten Iren. Gerade bei ihm. Wie alt mochte Crawford sein? Anfang dreißig, Ende zwanzig? Alterten PSI überhaupt? „Bist du fertig mit Starren?“ Wieder war es für Crawford ein Kinderspiel, Aya zu erschrecken und abrupt bohrten sich die violetten Augen in ihre hellbraunen Gegenstücke. Anscheinend hatte der Amerikaner sich wieder gefangen, denn vom nachmittäglichen Entgegenkommen oder selbst vom darauffolgenden Hass war nun nichts mehr zu spüren, weder in seiner Stimme noch in seiner Mimik und Gestik. Crawford war erneut kühl, unnahbar, arrogant. Nicht, dass es Aya von seinem Vorhaben abbringen konnte. Aya nickte in Richtung Flur. „Ich werde gleich schlafen gehen und dich vorher ans Bett ketten. Geh ins Bad und mache dich fertig.“ Für einen kurzen Moment sah es beinahe so aus, als wollte Crawford Widerstand leisten, als wolle er diskutieren, doch dann fügte er sich. Kommentarlos erhob er sich und ging an Aya vorbei. Nur die Badezimmertür, die etwas lauter als nötig zugeschlagen wurde, gab Aya einen Aufschluss darauf, was der andere Mann darüber dachte. Dass sich Crawford entsprechend viel Zeit ließ, wunderte den Weiß daher auch nicht wirklich und er nutzte die Zeit für die zu treffenden Vorbereitungen. Der einzige Ort neben der Badewanne, an dem er Crawford wirkungsvoll anketten konnte, war das Bett. Also würde er dem Amerikaner die allzu bequeme Matratze überlassen und sich auf die Couch legen. Hierzu hatte er sich Decken und das größere Kissen von beiden, die dort lagen, gesichert und sich sein Nachtlager hergerichtet. Er wurde fertig, als Crawford aus dem Bad trat und ihn mit einem unleserlichen Blick musterte, bevor er wieder einen Fuß ins Schlafzimmer setzte und sich langsam auf das Bett niederließ, sonst aber keine Anstalten machte, Ayas Plan Folge zu leisten, auch wenn der Weiß sich sicher war, dass Crawford es bereits vorhergesehen hatte. Alles von diesem Trauerspiel. Aya konnte es als nichts Anderes bezeichnen, denn so sehr er sich auch der Wichtigkeit bewusst war, so wenig Erfahrung hatte er mit derlei Dingen. Kritiker hatten ihn ausgewählt um zu töten, nicht um gefangen zu nehmen. Für Entführungen waren andere Teams zuständig. Auch wenn er nicht hilflos war, so war es ihm doch unangenehm und er befürchtete, dass Crawford sich nicht beugen würde, dass er den anderen Mann in die Knie zwingen müssen würde. Die Handschellen, die er aufgegriffen hatte, warf er Crawford auf das Bett. „Leg sie dir an“, befahl er mit mühsam kühler Stimme und verfluchte sich dafür. Doch Crawford spottete nicht über seine vermeintliche Schwäche. Noch nicht einmal seine Mimik gab etwas her, als er dem Befehl Folge leistete und die stählernen Ringe zögernd aufnahm und sie in Gedanken versunken betrachtete. Crawfords Worte von heute Nachmittag kamen Aya in den Sinn und für einen Moment hatte er ein schlechtes Gewissen. Doch das hielt so lange, bis seine Schulternarbe sich erneut bemerkbar machte. „Wenn ich bitten dürfte“, befahl Aya erneut und war froh, es dieses Mal ohne das minimale Zittern aussprechen zu können. Auch dem wurde nach einem Augenblick des Verharrens starr und schweigsam Folge geleistet. Dass es Crawford ebenso wenig gefiel, sah Aya ihm deutlich an. Seine Finger krampften sich um die eisernen Bänder der Handschellen und schlussendlich fesselte er sich so effektiv an das Geländer, das sich Aya unwillkürlich fragte, ob Crawford das schon einmal getan hatte. Wartend, bis Crawford auch die zweite Handschelle um das andere Handgelenk einrasten ließ, verharrte Aya an der Tür. Erst, als der Schwarz sich auf das Bett setzte und eine annehmbare Position zu finden versuchte, kam Aya zu ihm und testete, ob sie auch wirklich geschlossen waren. Hautkontakt war unvermeidbar und Aya wusste letzten Endes nicht, wen von ihnen beiden es mehr störte: Crawford oder ihn selbst. Wie als hätte es eine unsichtbare Barriere zwischen ihnen auferstehen lassen, konnte Aya Crawford danach nicht mehr in die Augen schauen. Es ging nicht. Sein Blick verfing sich irgendwo zwischen Brustkorb und Hals, auch, als er Crawford kommentarlos die Decke bis zum Brustkorb hochzog. Erleichtert, dass es ohne Zwischenfälle von sich gegangen war, wandte er sich ab und verließ nach einem Abstecher zu seinem Schlafanzug den Raum, lehnte die Tür an, sodass ein Spalt Licht hineinfallen und er selbst den Amerikaner in Hörweite haben konnte. ~~**~~ Aya schlief grundsätzlich nicht tief. Es war mit der Zeit gekommen, als er irgendwann die Erinnerungen und das Adrenalin nicht mehr abschütteln konnte, die mit den Mordaufträgen mit sich kamen. Er konnte sich noch nicht einmal daran erinnern, wann er das letzte Mal wirklich lange oder durchgeschlafen hatte. Eine Ewigkeit war das her, so schien es ihm...vermutlich hatten seine Lieben da noch gelebt und er hatte nicht geglaubt, dass ihnen jemals etwas Böses würde passieren können. Nun jedoch reichten seinem Instinkt minimale Reize, um ihn in die Welt der Wachen zu schleudern. Das Ächzen des Daches zum Beispiel. Der Schrei eines Tieres. Das schmerzerfüllte Aufstöhnen seines gefangenen Gastes. Einen Unterschied machte jedoch immer die Art, wie er aufwachte. Manchmal öffnete er einfach seine Augen, erkannte, dass nichts Bedrohliches passiert war und schlief weiter. Manchmal schoss er hoch, musste sich umsehen und brauchte etwas, damit er weiterschlafen konnte. Oder aber er stand hellwach im Raum und wollte nach seinem Katana greifen, um sich zu verteidigen. So auch jetzt. Im ersten Moment wusste Aya nicht, was ihn aus dem Schlaf gerissen hatte. Im Zweiten wurde er sich bewusst, dass sein Katana nicht hier in der Wohnung war und schon gar nicht in der Nähe seiner aktuellen Schlafstätte. Erst dann gestattete er sich, seiner Umgebung genauer zu lauschen und fand die vermeintliche Gefahrenquelle beinahe unmittelbar. Aus dem Schlafzimmer drang ein schmerzerfülltes Stöhnen, das zweifelsohne von Crawford stammte und derart gepeinigt klang, dass Aya für einen Moment befürchtete, dass das Orakel sich in irgendeiner Weise verletzt hatte. Ohne Umschweife schwang er die Beine von der Couch und lief in Richtung Schlafzimmer. Er stieß die Tür auf und blieb dort für einen langen Moment wie angewurzelt stehen. Wie auch bei Lasgos Schlafzimmer hatte er nun das Gefühl, einen Tempel oder ein Heiligtum zu betreten, das er nicht betreten sollte. Zu intim waren die Laute des Schwarz, zu schmerzverzerrt war das schlafende Gesicht, zu angespannt war der schweißbedeckte Körper, als dass er auch nur das Recht dazu hatte, sich nun in der Betrachtung des Mannes zu ergehen. Doch Aya konnte nicht anders. Er sah hin. Er machte sich bewusst. Er wurde Zeuge des Leides, das Crawford so gut verbarg, wenn er wach war. Unschlüssig stand Aya unweit des Orakels und sah zu, wie dessen Alpträume schlimmer und eindringlicher wurden. Die Fesseln bissen sich schmerzhaft in die an ihnen zerrenden Handgelenke und wenn Aya genau hinsah, vermeinte er, Blut zu sehen. Um Genaueres zu erkennen, müsste er allerdings das Licht anschalten und auch davor scheute er sich. Erst, als es zwischen an Alptraumabschnitten keine Ruhephasen mehr gab, griff Aya ein. Wie von selbst setzten sich seine Füße in Bewegung, wie von selbst setzte er sich in gebührendem Abstand zu Crawford auf das Bett. Wie er es bei Omi auch getan hatte, als den Jungen eine Zeit lang Alpträume gequält hatten. Wieder schlich sich die Parallele zwischen den beiden an und Aya verzog die Lippen kurz zu einem bitteren Lächeln. Der eine war der Sohn des Mannes, den der Andere beschützte. Der eine versuchte, seinen Vater zu töten, während der Andere den Vater vor den Attentaten des Sohnes beschützte. Ein Teufelsdreieck. Aya griff nach der Schulter des Schwarz und spürte das angespannte Zittern unter seinen Fingern. Crawford schien es unterbewusst ebenfalls zu bemerken, denn für einen Moment hielt er still, bevor er schier brutal vor der Hand, die ihn berührte, zurückzuckte und verzweifelt aufstöhnte. Aya fluchte stumm, behielt sie aber dort, wo sie war um im Zweifelsfall zugreifen zu können. „Crawford“, richtete er ruhig an den Schwarz, laut genug, dass dieser es hören konnte, nicht laut genug um zu Verschrecken. Doch Wirkung zeigte es nicht. Im Gegenteil. „Crawford“, versuchte er es erneut und nutzte seine Hand dieses Mal dazu, den verstörten Mann auf den Rücken zu drehen, damit dieser leichter atmen konnte. Doch auch das half nicht. „Oracle“, wurde Aya nun lauter, als er die zweite Hand dazu nahm. Das zeigte Wirkung, aber leider schneller und anders, als Aya es sich erhofft hatte. Im Nachhinein vermutete er, dass die Ruhe in seiner Stimme durch die Dunkelheit des Zimmers und den großen, schwarzen Schatten, den er in eben jener warf, zunichte gemacht wurde. Dass er durch einen ausgezeichnet ausgeführten und zielsicheren Tritt vom Bett geschleudert wurde, damit hatte Aya keinen Moment lang gerechnet. Hart traf er auf den teppichbewährten Untergrund und schlug sich den Hinterkopf an der hinter ihm liegenden Wand. Für einen Moment lang explodierten grelle Sterne vor seinem inneren Auge und der sich anschließende Schwindel nahm ihm seine Konzentrationsfähigkeit, während parallel dazu sein Magen damit drohte, ihm seinen Inhalt entgegen zu spucken. Dann erst beglückwünschte er sich dazu, dass der Amerikaner immer noch gefesselt war und dass er, nachlässig wie er war, nicht damit gerechnet hatte, auch dessen Füße ans Bettgestell fesseln zu müssen. Doch das schien ihm auch jetzt zuviel des Guten, auch wenn er jetzt schmerzerfüllt aufstöhnte und das Orakel zum Teufel wünschte, das sich nun wach und schwer atmend aufgesetzt hatte und ihn durch die Dunkelheit hinweg anstarrte, als wäre er der Teufel persönlich. Oder Lasgo. Vor allen Dingen der. Crawford atmete schnell und schwer und Panik lauerte in den Reminiszenzen des vergangenen Alptraumes. Aya schwieg, gab ihm Zeit, zu sich zu finden und sich bewusst zu werden, wo und wer er war. Millimeter für Millimeter prägte er sich das nur vom Mond beschienene Gesicht des Schwarz ein, die Reaktionen, die Menschlichkeit in den emotionalen Zügen. Schon wieder. Schon wieder assoziierte Aya Menschlichkeit mit seinem Feind. „Ich…“, setzte eben jener an, doch seine Stimme erstarb noch bevor er den Satz beenden konnte. Er räusperte sich einmal. Ein zweites Mal. Das dritte Mal half. „Ich würde dir empfehlen, die Handschellen zu lösen“, presste er dann hervor, die schlafgetränkte Stimme nicht wirklich bittend, aber auch nicht wirklich fordernd. Sie barg Wissen, das sich Ayas Kenntnis entzog. Wissen um die Zukunft. „Warum sollte ich das tun?“, hielt der Weiß dagegen und befühlte sich vorsichtig seinen Hinterkopf, während er sich aufstöhnend aufrichtete. Sein Kopf war nicht das Problem, erkannte er… sein Magen war es, den das Orakel zielsicher getroffen hatte um seinen vermeintlichen Angreifer loszuwerden. „Weil das Bett sonst in den Genuss meines Mageninhalts kommt, was ich nach Möglichkeit vermeiden möchte.“ Aya grollte und stöhnte auf. Na wunderbar. Was für ein Desaster. Er versuchte sich aufzurichten und brauchte zwei Anläufe dafür. Er konnte sich vermutlich glücklich schätzen, dass Crawford nicht ganz auf der Höhe gewesen war, ansonsten hätte er jetzt noch viel schwerwiegendere Probleme oder würde langsam innerlich verbluten. Schwankend kam er zum Stehen und verließ das Schlafzimmer um sich auf die Suche nach dem Schlüssel zu begeben, den er im Wohnzimmer platziert hatte. Humpelnd kam er zurück und schaltete das Licht an, blendete sie beide damit. Blinzelnd öffnete holte er den Schlüssel aus dem Wohnzimmer, kam zurück und öffnete die Handschellen. Hastiger als er es sich eingestehen wollte trat er einen Schritt zurück um aus dem Radius des Orakels herauszukommen. Wortlos erhob Crawford sich und schwankte einen Moment lang seinerseits, bevor er an Aya vorbei ins Bad ging. Er machte sich noch nicht einmal die Mühe, die Tür hinter sich zu schließen, so eilig hatte er es. Es dauerte nicht lange, dann hörte Aya Würgegeräusche. Aufstöhnend ließ er sich auf den Sessel fallen und warf einen Blick auf die Uhr. Ungläubig rieb er sich die Augen und grollte frustriert. 4:10 Uhr morgens. Er hätte gut und gerne noch zwei Stunden weiterschlafen können. Zwei Stunden. Und nun… nun verbrachte er den Rest der tiefsten Nacht damit, auf Crawford zu warten, sich seinen schmerzenden Bauch zu reiben und garantiert keinen Schlaf mehr zu bekommen. Zwei Tage noch. Um 4:35 Uhr verließ Crawford das Badezimmer, kam jedoch nicht zurück zum Bett. Aya mochte es ihm nicht verdenken, insbesondere, als der andere Mann sich ein Glas Wasser einschenkte und es vorsichtig trank. Aya runzelte die Stirn, als er sich der offensichtlichen Schwierigkeiten gewahr wurde, die Crawford damit hatte zu schlucken. So als wenn… Aya zuckte nicht nur innerlich zusammen, als er meinte zu begreifen. Eiskalt lief es ihm den Rücken hinunter, als er sich die Bestätigung in Crawfords Tun suchte und fand. Er hielt sich vollkommen still, aus Angst, sein Erkennen zu verraten. Er wollte dieses Wissen nicht zwischen ihnen stehen haben. Er wollte dieses Detail eigentlich gar nicht kennen. Aya wandte den Blick ab, doch es war bereits zu spät. Das Bild des Orakels hatte sich bereits in seine Netzhaut gebrannt und erschlug ihn mit seiner Wucht. Erst, als Crawford sich das zweite Glas Wasser einschenkte und es ansetzte, jedoch schon bei der ersten Berührung des Wassers an seinen Lippen würgte, konnte Aya sich aufraffen und erhob sich langsam. Ebenso langsam und geräuschvoll kam er zu Crawford in die Küche und überlegte einen Moment lang. Er schwieg, während er die Kaffeemaschine mit Wasser fütterte und einen Filter mit Kaffee herrichtete. Unter brachial lautem Getöse, zumindest kam es ihm so vor, nahm sie ihre Arbeit auf und spuckte nach und nach das schwarze Gold in die Kanne, während heimeliger Kaffeeduft den schweigsamen Raum zwischen ihnen erfüllte. Er verhieß mehr als er wirklich zu halten vermochte, dafür schmeckte der Kaffee zu schlecht. Aber dennoch. Gut genug um eine Art Ersatz für das Wasser zu sein. Während er seinen Gedanken nachhing, stand Crawford starr und ohne Bezug zur Realität an der Anrichte und starrte in die Dunkelheit hinaus. Aya warf einen verstohlenen Blick auf den fahrigen Körper, die unsteten Hände, die sich bewegenden Kiefermuskeln. Erst als Aya zwei Tassen aus dem Schrank nahm und sie beide mit Kaffee füllte, kam Bewegung in den anderen Mann. Die dumpfen, hellbraunen Augen maßen ihn, als würden sie ihn nicht wirklich sehen, als er Crawford seine Tasse hinstellte. Von ihm aus richteten sie sich auf eben jene und langsam schlossen sich die langen Finger um den Henkel, als könnte Crawford nicht glauben, was er da vor sich hatte. „Schwarz, richtig?“, gab Aya zu erkennen, dass er sich sehr wohl an die Trinkgewohnheiten des Orakels erinnerte, doch er wurde mit einem Kopfschütteln überrascht. „Morgens eigentlich mit Milch und Zucker“, erwiderte Crawford seltsam abwesend und starrte auf den Kaffee. „Keines von beidem habe ich hier“, erwiderte Aya stirnrunzelnd und sein Gegenüber nickte. „Ich weiß.“ Der rothaarige Weiß hob seine Augenbrauen und sah zweifelnd zu Crawford hoch. Für einen Japaner war er groß, doch nicht so groß wie der Schwarz, der ihn um ein paar Zentimeter überragte. Der Blick, der ihn nun von oben traf, war kurz durchsetzt von einem Funken an verzweifeltem Humor, der Aya ansteckte mit seiner verzweifelten Leichtigkeit. Er ließ sich aber auch nur zu bereitwillig anstecken, wollte er doch unbedingt die Erinnerungen an gerade aus seinen Gedanken verbannen. „Ich war nicht auf Gäste eingestellt.“ „Vorausschauendes Handeln liegt im Trend, hörte ich.“ „Manche Gäste stellen aber auch Ansprüche...“ „…wohingegen mancher Gastgeber es aber auch an Sorgfalt mangeln lässt.“ „Einen guten Kaffee kann nichts entstellen. Selbst die Abwesenheit von Milch und Zucker nicht.“ „Einen guten Kaffee“, betonte Crawford bestätigend und Aya schnaubte mit gespielter Verachtung. „Du willst doch wohl nicht etwa sagen, dass dieser bittere, eisenhaltige Kaffee mit Wasser aus alten Rohren und billig importierten Kaffeepulver schlecht schmeckt?“ „Ich wäre schlechter Gast, würde ich das wagen.“ Ayas Blick streifte hoch zu Crawfords Augen und begegnete dort schmerzhaftem, mit Humor durchsetztem Spott. Das Fehlen jedweder Bösartigkeit verleitete ihn zu einem kurzen Lächeln in das müde und blasse Gesicht voller Blessuren. Es brachte ihm Überraschung ein und die markanten Züge wurden mit einem Mal weniger streng, weniger… zynisch, als sie sich mit Amüsement glätteten. Aya stockte in seiner momentanen Bewegung. Was tust du hier eigentlich?, fragte er sich abrupt. Du scherzt mit deinem Feind. Du lächelst ihm ins Gesicht. Du bist ihm genauso nahe wie einem Mitglied von Weiß. Du fühlst dich nicht bedroht in seiner Gegenwart. Das ist das Gefährliche an ihm, das wird dein Tod sein, Fujimiya. Beherrsche dich. Er will dich einlullen, damit er dich vernichten kann, das ist sein Wesen. Lass dich von ihm nicht in die Irre führen, Fujimiya. Stumm wandte Aya sich ab und kramte im Kühlschrank nach etwas Brauchbarem für das Frühstück. Er spürte die durchdringenden Augen auf seinem Rücken als er die entsprechenden Zutaten hervorholte, spürte die Gedanken des Schwarz, die sich mit ihm beschäftigten, doch er gab sein Bestes um sie zu ignorieren. Auch wenn es nicht einfach war. ~~**~~ Wird fortgesetzt (nach der Sommerpause). Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)