Drei Tage, drei Nächte 2.0 von Cocos ================================================================================ Kapitel 1: Eins --------------- ~ Was wir wissen, ist ein Tropfen.   Was wir nicht wissen, ist ein Ozean (Isaac Newton) ~       ~~**~~       „Er will dich sehen.“   Aya nickte schweigend und folgte dem Fingerzeig des Securityguards in Richtung des Privattraktes. Er vergrub die Hände in seinen Taschen und schritt den Gang entlang, als würde dieser ihm gehören und als würde er keine Notiz von den Wachmännern nehmen, die alle paar Meter das Areal und damit ihren Auftraggeber absicherten. Unmöglich, direkt an den Mann heranzukommen.   Aber dafür war er ja hier.   Der Mann, zu dem er gerade ging, war gleichzeitig sein Auftrag und Aya befand sich nach fünf langen Wochen endlich auf der Zielgeraden. Lasgo nannte er sich selbst, einen richtigen Namen konnten selbst Kritiker nicht herausfinden. Jahrelang hatte der Mann sie genarrt, war ein Geist im Hintergrund, ein Schatten und ein Phantom gewesen, doch dann hatte sich durch eine einmalige Möglichkeit eine Gelegenheit ergeben, die Kritiker nicht hatten auslassen können. Also hatte in mühevoller Kleinarbeit die Etablierung seines Alter Egos stattgefunden, sorgsam orchestriert durch die Puppenspieler Kritikers. Sie hatten ihm einen Lebenslauf geschneidert, der in seiner ganzen, dunklen Brillianz ein widerliches Stück Kriminalität darstellte, durchzogen von kleinen und großen Verbrechen, die allesamt ahndungswürdig waren.   Und so war er nicht Aya Fujimiya, der Blumen verkaufte und des nächtens Aufträge für Kritiker ausführte, sondern Ken Takahashi aus Kyoto, der von seinen Eltern in ein Waisenhaus gesteckt wurde und sich über kleine Gelegenheitsdelikte zu einem fähigen Buchhalter und Urkundenfälscher abseits aller Legalität entwickelt hatte, der bekannt war für seine Pedanterie und dunklen Vorlieben, die ihn das eine oder andere Mal in Konflikt mit dem Gesetz gebracht hatten. Lasgo hatte sich seinen Lebenslauf angesehen und hatte ihn für dieses Areal eingestellt. Logistik und Betreuung war sein Fachgebiet und Aya hatte in den letzten Wochen alles daran getan, seinen Lebenslauf mit Leben zu füllen und seinem Ruf als eiskalter Buchhalter gerecht zu werden, dem weder Leben noch emotionale Bindungen etwas bedeuteten und der mit seinen Zahlen am Liebsten ins Bett stieg. Mit denen oder mit Männern, die er nachher zerstörte.   Aya verfluchte denjenigen, der sich dieses Detail ausgedacht hatte, das Lasgo immer wieder dazu verführte, ihm Kommentare in eine hochgradig eindeutige Richtung zuzuwerfen. Bisher hatte er dem immer ausweichen können, ganz in seiner beinahe an Autismus grenzenden Besessenheit von Zahlen und die letzten drei Tage würde er auch noch überstehen, bevor er seinen Auftrag abschließen und den Mann töten würde, der eine seltsame Vorliebe für seine Gesellschaft zu haben schien. Als wenn Aya genau darauf nicht verzichten könnte, war Lasgo doch als Menschen-, Waffen- und Drogenhändler bekannt und brandgefährlich. Aya schnaubte innerlich. Das wusste der Halbjapaner gut zu verbergen. In den fünf Wochen, in denen Aya nun schon hier war, hatte er den Mittvierziger kein einziges Mal wütend erlebt. Das Lächeln war ansteckend und seine Männer und Frauen liebten ihn für seine warme und herzliche Art ihnen gegenüber.   Er war charmant und mehr als das. Er war ein guter Unternehmer, was ihn brandgefährlich machte und Aya wieder und wieder Schauer des Entsetzens über den Rücken jagten.   Nach knappem Nicken des Sicherheitsmannes betrat Aya das Privatbüro des Mannes und kam nicht umhin, wieder einmal das puristische, aber dennoch moderne Interieur zu bewundern, das sich durch klare Linien, einfache Formen und helle, meist grau gehaltene Farben auszeichnete. Die leicht offenstehenden Flügeltüren im westlichen Stil trennten das Büro von dessen Schlafgemächern ab und ließen einen Blick auf das zerwühlte Bett erhaschen, dessen Laken halb auf dem Boden lagen und von einer leidenschaftlichen Nacht zeugten. Geräusche drangen aus eben jenem Zimmer und Aya blieb unschlüssig stehen, räusperte sich vernehmlich um dem anderen Mann dezent anzudeuten, dass er hier war. Er wollte keine bösen Überraschungen und Lasgo auch keinen Grund zur Annahme geben, dass er sich hier einschleichen würde.   „Mach es dir gemütlich, Red, ich komme sofort“, ertönte es aus dem Nebenzimmer und Aya wandte sich der Stimme zu. Wenn er durch den Spalt der Tür sah, konnte er den Rücken Lasgos ausmachen. „Verstanden“, gab er laut genug zurück, dass der Ältere ihn hörte, sich aber nicht bei dem gestört fühlte, was er gerade tat. Was auch immer das war… Aya runzelte die Stirn, als er ein unterdrücktes Husten und Aufstöhnen hörte, das sicherlich nicht von Lasgo kam. Ruhig stand der Mann da und starrte anscheinend auf etwas hinunter. Auf jemanden, wenn er die Geräusche richtig interpretierte.   „Komm schon, das haben wir doch schon trainiert. Du weißt, was jetzt kommt.“   Für den Bruchteil einer Sekunde dachte Aya, dass er gemeint wäre, doch dann veränderte Lasgo seine Position und gab den Blick auf nackte Haut frei. Das Husten der Person erstarb zu einem erstickten, stöhnenden Würgen, das auf eine äußerst perfide Art hocherotisch war und Aya eine ungewollte Gänsehaut verursachte, je länger es anhielt. Aya schluckte und stellte fest, dass sein Mund durchaus trocken war, als er diesem Liebesspiel lauschte, das sich im Nebenzimmer zutrug und dessen Zeuge er nun wurde. Er wagte einen Blick durch den Türspalt und sah, wie Lasgo anscheinend den Mund desjenigen fickte, der ihm gerade einen blies. Langsame, auskostende Bewegungen, die demjenigen, der Lasgo dieses Vergnügen verschaffte, wieder und wieder ein Stöhnen entlockte.   Aya schluckte schwer. So erregend der Moment auch war, so intim war er. Und so schlimm sein Lebenslauf auch sein mochte, in ihm drin war er immer noch der alte Aya, mit seinen Moralvorstellungen und seinen Vorlieben. Und dazu gehörte es definitiv nicht, sein Ziel beim Sex zu beobachten oder gar dem beizuwohnen. Unwohl lehnte er sich an die Stuhllehne und lauschte dem sich nähernden Höhepunkt, erleichtert, dass es bald vorbei sein würde er zum Geschäft kommen konnte.   Aya ließ seine Gedanken dahin schweifen. Vermutlich würde Lasgo über die Umstrukturierung  des Finanzsektors sprechen wollen, die Aya angestoßen hatte. Die Modalitäten waren noch nicht ganz ausdefiniert und das würde auch nicht notwendig sein. Doch der Weg dahin hatte Vertrauen geschaffen und somit Aya sein Ziel erreicht. Lasgo traf sich mit ihm alleine ohne seine Wachen. Das war ein Fortschritt und der erste Nagel, den Lasgo sich selbst in den Sarg schlug. Lasgo kam zum Höhepunkt und sein Gespiele würgte für einen Moment, vermutlich an dem Sperma, das er gerade schluckte. Er verschluckte sich, hustete und Lasgo lachte warm, anscheinend amüsiert über das kleine Missgeschick seines Partners. Kaum ein paar Augenblicke später hörte Aya, wie der Mann sich säuberte und seinen Reißverschluss schloss und schon betrat Lasgo sein Büro.   Erlöst und entspannt grinsend setzte er sich ihm gegenüber und Aya musste sich mit aller Macht davon abhalten, nicht auf den nun weiter geöffneten Spalt der Tür zu schauen und einen Blick auf den Mann zu werfen, der es in Lasgos Bett geschafft hatte. Er richtete seine volle Konzentration auf die dunkelgrünen Augen, die leicht geröteten Wangen und die Zahlenkolonnen, die vor Lasgo auf dem Schreibtisch lagen und die er ihm nun überreichte. „Schau dir das an und sage mir, was du davon hältst“, sagte er mit ruhiger Stimme, als hätte er nicht gerade einen Orgasmus gehabt. Aya überflog die Unterlagen und stellte fest, dass es sich tatsächlich um den Finanzbereich und verschiedene Strukturmodelle handelte. Nach der ersten groben Durchsicht, ging er die Vorschläge noch einmal genauer durch und runzelte schließlich die Stirn, als das dritte Modell einen eindeutigen Fehler aufwies. Etwas, das Lasgo Geld kosten würde und zwar viel davon. Ken Takahashi würde das nicht zulassen, also machte Aya Lasgo darauf aufmerksam und schlug ihm das erste Modell vor, das wirtschaftlich das Lohnendste wäre.   Nicht, dass Lasgo die Etablierung und die Rendite dieses Modells erleben würde.   „Das wäre dein Favorit?“, fragte Lasgo nach und Aya nickte. Emotionslos zählte er die Vorteile auf und nahm zwei kleine Korrekturen in den jeweiligen Finanzierungmodellen vor. „Ich denke, die Umsatzsteigerung könnte zwischen fünf und acht Prozent liegen, je nach Ausprägung der Börsenentwicklung und nach Bestechung der jeweiligen Zollbeamten in den Staaten und China“, mutmaßte Aya, was die Zustimmung seines Gegenübers fand. „Dein Verstand ist beeindruckend, Red, habe ich dir das schon einmal gesagt.“ Aya neigte seinen Kopf und lächelte minimal. „Danke.“   Das Lächeln in den Augen des Halbjapaners erlosch und Ernsthaftigkeit hielt Einzug. „Dann wird das so gemacht. Du wirst für die Implementierung und die Durchführung verantwortlich sein. Die Kompetenzen wurden dir bereits erteilt und dein Anteil am Gewinn wird dementsprechend angepasst. Einwände?“ Ausdruckslos schüttelte Aya den Kopf und raffte die Dokumente zusammen. „Gibt es sonst noch etwas?“ Lasgo tauschte den Ernst erneut gegen ein warmes Lachen. „Immer nur auf die Arbeit fixiert, Red. Wie langweilig.“ „Ich kenne meine Aufgabe.“ „Dafür schätze ich dich.“ „Ich weiß.“ „Ich habe nichts mehr, du kannst gehen.“   Aya nickte und erhob sich. Es war eher durch Zufall, dass sein Blick noch einmal das Schlafzimmer suchte und an dem Türspalt dort hängen blieb, der nun sehr offensichtlich preisgab, wer sich noch in diesem Raum befand. Der Mann, den er sah, war nackt. Seine Augen waren verbunden, doch das war es nicht, was Aya nicht im ersten Moment verstörte. Auch nicht im Zweiten. Erst, als er bewusst das Bild aufnahm, das sich ihm hier präsentierte, lähmte eiskalter Schock seinen Körper. Der Mann kniete, seine Hände waren hoch über seinem Kopf an einem dekorativen Holzpfahl gefesselt. Die Kette, die seine Fußgelenke verband, hielt sie hinter dem in der Decke und im Boden verankerten Pfahl. Im ersten Moment hätte man an einvernehmliche Fessel- und Dominanzspiele glauben können, wenn da nicht die Verletzungen wären, welche die Haut verunzierten. Prellungen machte Aya aus, ebenso wie Schnitte, Hämatome, Abschürfungen. Der Atem des Mannes, der dort kniete, ging schwer und seine Lippen waren zu einer eisernen Linie zusammengepresst, als wolle er mit aller Macht verhindern, dass sie etwas passieren würde.   Zu spät, geisterte es in Ayas Gedanken herum und er schluckte mühsam.   „Wunderschön, nicht wahr?“, ertönte es hinter ihm – viel zu nah bei ihm und Aya musste jede Selbstbeherrschung, die er noch im hinterletzten Winkel seiner selbst finden konnte, aufbieten, um nicht herum zu fahren, sondern seine ausdruckslose Mimik beizubehalten und ein minimales Lächeln, das man auch als Zucken der Lippen fehlinterpretieren könnte, zu zeigen. Er nickte knapp und wandte seinen Blick ab. „Ich kümmere mich um die Umstrukturierung“, gab er seiner Stimme eine kalte Note und wandte sich in Richtung Tür. Dieser Mann dort war nicht sein Problem, egal, was mit ihm gemacht worden war. Er kannte ihn nicht, wusste nicht, in welcher Beziehung er zu Lasgo stand, er wusste gar nichts. Vielleicht gefielen ihm diese Spiele tatsächlich, vielleicht war es ein Feind Lasgos, vielleicht war es ein Verbrecher, dessen Taten gesühnt werden mussten.   Wer auch immer es war, Aya hatte seinen Auftrag und den würde er erfüllen.   „Warte.“   Aya blieb stehen und zwang sich dazu, sich umzudrehen. Wortlos fixierte er Lasgo, der knapp mit dem Kopf nickte, in dessen Augen aber bereits etwas stand, das Aya ganz und gar nicht gefiel.   „Komm mit, Red. Ich möchte dir meinen neuesten Zeitvertreib vorstellen.“   Oh nein. Nein, bitte nicht. Er wollte nicht Teil dieses Spiels sein. Er wollte mit den beiden Männern nichts zu tun haben und schon gar nicht mit den Dingen, die sie freiwillig und unfreiwillig teilten. Doch er hatte keine Wahl, seine Tarnung ließ ihm keine Wahl, wenn er ihr gerecht werden wollte. Ein Zahlenfanatiker mit einer abartigen Vorliebe für Männer und ihre dunklen Triebe. Na wunderbar. Also folgte Aya Lasgo in dessen privates Schlafzimmer und hatte beinahe augenblicklich das Gefühl, einen heiligen Tempel zu betreten, eine verbotene Stätte, die er entweihte und die es ihm schwer machte, seine Tarnung aufrecht zu erhalten.   Schweigend fixierte er sich auf Lasgo, weil er sich nicht auf den Mann konzentrieren wollte, der aufmerksam den Geräuschen lauschte, die sich um ihn herum auftaten und dessen ganzer Körper beinahe unmerklich zitterte. „Schau ihn dir an. Gefällt er dir?“ Unter normalen Umständen ja. Wenn Aya zuhause gewesen wäre und sich mit diesem Mann vergnügt hätte, dann hätte er dessen durchtrainierten und muskulösen Körper sehr ansprechend gefunden. Aber nun? Er war angewidert von den Spuren der Gewalt, die er auf dem Körper sah. Er empfand Mitleid, wo er keins empfinden sollte. Gefährlich war das.   Doch er nickte, weil Ken Takahashi auch nicken würde. Er lächelte, weil sein Lebenslauf es so wollte. „Du hast einen guten Geschmack“, antwortete er indifferent und Lasgo griff an ihm vorbei in die Haare des stummen Mannes, zog dessen Kopf daran unter schmerzerfülltem Stöhnen nach hinten. Leise schnalzte er mit der Zunge. „Schhh, keine Sorge mein Schöner…“, lockte er und strich durch die schwarzen Haare.   Das Zusammenzucken war deutlich zu sehen.   „Warum trägt er eine Augenbinde?“, fragte Aya um einfach irgendetwas zu sagen, das ihn von der elenden und, wie ihm nun heiß und kalt bewusst wurde, missbrauchten Gestalt ablenkte und ihm einen Vorwand gab, Lasgo in die Augen zu sehen. Auch wenn ihm einen Moment später bewusst wurde, dass das vielleicht keine gute Idee war, so viel Widerwärtigkeit, wie in den Augen stand. „Oh glaube mir, Red, er hier braucht seine Augen nicht um zu sehen. Aber sie sind hübsch…willst du sie sehen?“   Aya wollte nicht, definitiv nicht. Aber es gab keinen Grund für ihn, sich dem zu verweigern. Also nickte er erneut und stählte sich für die Angst in den Augen des knienden Mannes, als Lasgo ihm so sanft wie zuvor auch das Stück Stoff entfernte, bevor er den Kopf weniger sanft an den Haaren nach oben zog.   Sie waren wirklich hübsch, die Augen, das musste Aya Lasgo lassen. Doch das war es nicht, was die Zeit um sie herum einfrieren und mit einem Mal Ayas Herz schmerzhaft schnell schlagen ließ. Instinkt und Augen reagierten schneller als sein Hirn, das nicht wahrhaben wollte, was er hier sah. An Gold grenzendes Braun, hell in Verbindung mit schwarzen Haaren. Eine seltene Kombination und in seinem Leben bisher einmalig gewesen. Nicht einmalig schön, eher einmalig widerwärtig, einmalig arrogant, einmalig gefährlich.   Einmalig präkognitiv. Er braucht seine Augen nicht, um zu sehen…   Seine Gedanken zogen nach und flüsterten den Namen, den seine Lippen sich weigerten auszusprechen. Bradley Crawford. Orakel. Anführer von Schwarz. Bei allen Göttern, das durfte nicht sein, das konnte nicht sein. Aya hatte das Gefühl, das man ihm ansah, dass sein Herz bis zum Hals und darüber hinaus schlug. Er hatte das Gefühl, dass er sich in jeder verstreichenden Sekunde verriet, die er hier stand, den Amerikaner anstarrte und keinen Ton über die Lippen brachte.   „Oh er gefällt dir…“, lockte Lasgo neben ihm amüsiert und in Aya schrie alles in schriller Verneinung. Dieser Mann war weit davon ab ihm zu gefallen. Dieser Mann war das Böse, der Teufel, er war ein Dämon und derjenige, der zwischen ihm und Takatori stand. Immer und immer wieder verhinderte eben dieser Mann, dass er seine Rache nehmen konnte. Und nun?   Die goldenen, sonst so kühlen Augen hatten nichts von ihrer sonstigen Arroganz inne. Überraschung weitete sie, Entsetzen machte sie noch heller. Wenn Aya glaubte, dass Crawford zu solch einer Emotion überhaupt in der Lage sei, würde er mutmaßen, dass der Schwarz Angst hatte. Anscheinend war Crawford nicht freiwillig hier. Anscheinend war irgendetwas geschehen, das ihn in diese Position brachte. Doch das sollte unerheblich für Aya sein, denn dieser Mann hier war ein hohes Risiko für ihn. Crawford würde ihn ohne zu zögern ausliefern.   Aya spielte für einen Moment lang mit dem Gedanken, Lasgo hier und jetzt zu töten und sich den Weg freizukämpfen. Doch das verwarf er verzweifelt. Die Wachleute waren ihm zahlenmäßig weit überlegen, ihre Waffen noch nicht mit eingerechnet. Ihm blieb also nichts anderes übrig als diese Situation so gut es ging auszusitzen und Crawford daran zu hindern, dass er den Mund aufmachte und ihn enttarnte. „Ich kenne deine Vorlieben, Red. Ich sehe sie in deinen Augen. Ich sehe, dass du ihn begehrst, ihn und seine Verzweiflung, seine Angst, den Schmerz, den du verursachen wirst. Meine Güte, ich gebe dir eine Nacht, dann wird er nach deinem Schwanz genauso lechzen wie nach meinem. Er wird darum betteln, dass du ihn ein zweites, drittes, viertes Mal fickst.“   Crawford schloss die Augen und Aya hätte es ihm gerne gleichgetan. Anstelle dessen zwang er sich, Lasgo anzusehen. „Ich bin beschäftigt.“ Er hob die Unterlagen und dazu noch vielsagend seine Augenbraue. Lasgo winkte ab. „Du hast gute Arbeit geleistet und die soll belohnt werden. Pass auf, ich schenke ihn dir, Red. Drei Tage, drei Nächte, mach mit ihm, was du willst, nur lass ihn am Leben und lass seine Körperteile dran.“   Aya schluckte mühevoll. Das durfte doch nicht wahr sein, das wurde umso schlimmer, je weiter er in seiner Rolle reagierte. Dennoch… da war sie, die Chance, die er ergreifen musste. Wenn Lasgo ihm den Amerikaner auslieferte, würde er ihn töten. Eine einmalige Gelegenheit. Er entledigte sich des Anführers von Schwarz und würde einen Zeugen für seinen Auftrag zum Schweigen bringen. Knapp nickte Aya. So konnte es funktionieren. Besser als alle anderen Optionen, die sich ihm hier auftaten.   „Alles, sagtest du?“ „Du kannst ihn brechen, ihn ficken, ihn foltern. Was dir in den Sinn kommt.“ Das Zittern, das den Körper des nackten Mannes durchlief, steigerte sich und die Hände in den stählernen Handschellen krampften sich zu schmerzhaften Fäusten. Aya legte den Kopf schief und für einen einzigen Moment war das Lächeln auf seinen Lippen ein ehrliches. Es zeugte von längst überfälliger Rache an einem Mann, der ihm das Leben zur Hölle gemacht hatte. Es zeugte von Problembeseitigung. Es zeugte von… widerlicher, kranker Genugtuung.   „Als wenn ich solch ein großzügiges Angebot abschlagen könnte.“ „Das dachte ich mir doch, Red“, schmunzelte Lasgo und klopfte ihm gönnerhaft auf die Schulter. „Ich lasse ihn zu dir bringen. Nachdem ich mich von ihm verabschiedet habe.“ Brachial zuckte Crawford zurück und nahm Aya jedwede Illusion, dass der Schwarz sich freiwillig in diese Situation begeben hatte. Aya legte den Kopf schief, als sich die goldenen Augen an die Decke richteten, ausdruckslos, schweigend, ohne jede Hoffnung.   Nicht sein Problem. Wirklich nicht. Sollte es nicht sein. Crawford war sein Feind. Sollte es nicht. Aber war es.   Aya hob die Augenbraue. „Hmm… schade. Ich hatte gehofft, dass er mich jetzt schon begleitet. Du hast mir Lust auf ihn gemacht.“ Er konnte nicht zulassen, dass Crawford ein letztes Stelldichein dafür nutzte, Lasgo die Wahrheit aufzutischen und sich somit womöglich seine Freiheit zu erkaufen. Er musste ihn jetzt schon unter seine Kontrolle zwingen und zum Schweigen bringen. Lasgo amüsierte das deutlich. „So ungeduldig, Red?“ Ein Schulterzucken antwortete dem Drogenhändler. „Wenn es um so etwas geht, immer. Ich muss die Tage doch auskosten.“ Ein Seufzen antwortete Aya und schließlich nickte Lasgo. „Nun gut, dann eben keinen Abschiedsfick, sondern einen Willkommensfick. Viel Spaß, Hellseher“, grinste er und tätschelte Crawford gönnerhaft die Wange. Er ließ ihn los und wandte sich an Aya. „Geh und hol dir Männer, die ihn zu dir bringen.“     ~~**~~     Wird fortgesetzt.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)