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Die Draakskat Chroniken

von

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1. Kapitel
 

Es ist kurz nach 12 Uhr und die Mittagssonne prallt auf meinen Körper, sodass ich am liebsten ins kühle Nass des Nereide-Sees springen würde, wie viele andere der Badegäste auch. Doch im Wasser würde meine Aufmerksamkeit wahrscheinlich flöten gehen, und das kann ich mir nicht leisten. Nicht nach dem letzten Fiasko.

Ich drehe mich auf meinen Bauch und beobachte, ohne Aufsehen zu erregen, die Menschen. Der Badesee ist gut besucht, und das trotz der Vorkommnisse, die sich hier seit einigen Wochen ereignen. Fünf tote hat es schon gegeben und dennoch baden und erfreuen sich die Menschen an dem heißen Sommertag.

Wir haben an die 32 Grad und da ist es klar, dass man Baden geht und sich abkühlen will, aber warum man ausgerechnet einen See wählt, in dem zwei Jungen und drei Mädchen bereits ertrunken sind, will sich mir nicht wirklich erschließen.

Ich beobachte eine 4 köpfige Familie gerade dabei, wie sie eine große Decke auf dem Rasen ausbreitet und dann ihre Badesachen auspackt. Die ältere der beiden Töchter setzt sich sogleich auf die, mit Schmetterlingen bedruckte Decke und holt ihr Handy raus, während ihre jüngere Schwester in ihren Badeanzug steigt, auf deren Vorderseite eine Meerjungfrau abgebildet ist. Oh du Unwissende.

Über mir erscheint ein Schatten und so drehe ich meinen Kopf nach links, um zu sehen wer mir die Sonnenstrahlen geklaut hat – auch wenn es gut tut, ein wenig Schatten abzubekommen. Drei junge Männer stehen neben mir und schauen auf mich herab.

„Brauchst du Gesellschaft, Süße“, fragt der blondhaarige von den dreien und setzt sich zu mir, auf meine Decke. Sie ist schwarz, was gerade sehr gut zu meiner Laune passt.

„Verzieht euch!“, schnauze ich sie an und wende meinen Kopf wieder ab und beobachte lieber weiterhin die anderen Menschen um mich herum.

„Warum so aggressiv“, fragt einer der anderen beiden. Ich wende mich ihnen wieder zu. Der mit den braunen Locken auf dem Kopf gesellt sich zu seinem Blondhaarigen Freund, der noch immer neben mir auf der Decke sitzt. „Wir haben genau gesehen, wie du uns angeschaut hast. Und jetzt willst du uns plötzlich die kalte Schulter zeigen?“

Ich seufze laut – innerlich brodele ich vor Wut – und setze ein gekünzeltes Lächeln auf.

„Ich habe nicht euch angesehen, sondern den Bademeister“, sage ich. Wie gut das ich ohne rot zu werden Lügen kann. Denn ich würde den Teufel tun und den Bademeister anstarren – egal wie heiß er in seiner roten Badehose aussieht. Aber wie heißt es doch so schön: Zur Not frisst der Teufel fliegen. Und in meinem Fall, ist es eine verdammt große.

Alle drei starren in die Richtung des Bademeisters, der, hinter den Sachen der drei Jungen, auf seinem Turm sitzt und auf das Wasser des Sees starrt. Beim nächsten Mal tauschen wir. Der Blondschopf ist der erste, der mir wieder seine Aufmerksamkeit schenkt.

„Vergiss den Typen, mit uns dreien kannst du viel mehr Spaß haben.“

„Ja!“

„Stimmt!“, bestätigen seine beiden Kumpels.

Wieder seufze ich und fahre mir mit der rechten Hand durch meine braunen Haare. Wieso muss das ausgerechnet mir passieren. Ein Blick auf mein eingeschaltetes Handy zeigt, dass der Badesee noch für weitere 5 Stunden geöffnet hat, was somit bedeutet, dass auch ich noch so lange hier sein werde. Und ich habe keine Lust, diese Zeit mit diesen drei Typen zu vergeuden, während ich wichtigeres zu tun habe. Doch wie soll ich die drei dazu bringen zu gehen und mich in Ruhe zu lassen? So eifrig wie die sind, lassen die sich so einfach wohl nicht abspeisen. Doch ich will ihnen auch keine Szene machen, denn das würde die anderen Badegäste zu sehr auf mich aufmerksam machen und das ist das letzte was ich gebrauchen kann.

„Wir haben unser Auto auf dem südlichen Parkplatz stehen und können es uns dort etwas gemütlich machen, was hältst du davon, Süße?“

Die Hand des Lockenkopfes legt sich auf meinen Bauch und wandert langsam und mit streichelnden Bewegungen in meine untere Region weiter. Meine Augen weiten sich und ich will diesem Typen schon das Handgelenk brechen, also die streichelnde Hand abrupt von meinem Bauch gerissen wird. Ich blicke nach oben und sehe den Bademeister neben meiner Decke stehen. Er zieht Lockenkopf nach oben.

„Ich glaube die junge Dame hat deutlich genug zu verstehen gegeben, dass sie ihre Gegenwart nicht gutheißt. Also haut ab und am besten verschwindet auch gleich vom Badesee. Wir können Störenfriede wie euch hier nicht gebrauchen.

„Was fällt dir ein?“, faucht Blondie und will seinem Freund zu Hilfe kommen, doch der letzte im Bunde, der mit der halben Glatze auf dem Kopf, hält ihn auf.

„Lass gut sein, Freddie“, sagt er und wendet sich dann an den Bademeister. „Wir werden gehen!“ Daraufhin wird sein Kumpel aus dem festen Griff entlassen und alle drei nehmen sofort Reißaus. Sie stürmen fast schon zu ihren Rucksäcken, schnappen sie und gehen dann tatsächlich. Also das die so schnell aufgeben, das hätte ich nicht gedacht.

Ich lege mich wieder auf den Bauch und stütze meinen Kopf mit meinen Händen ab.

„Ich hätte deine Hilfe nicht gebraucht“, sage ich mit klarer Stimme und starre weiterhin geradeaus. Und erst recht nicht gewollt.

„Weiß ich!“, antwortet er monoton. „Immerhin brauchst du ja niemanden. Richtig, Lydia?“ Dann geht er wieder zu seinem Hochsitz zurück, setzt dich darauf und macht weiterhin seinen Job – indem er aufs Wasser starrt.

„Richtig!“, murmle ich und mache ebenfalls mit dem weiter, wobei ich gestört wurde – nämlich die Menschen zu beobachten.

Es vergeht fast eine dreiviertel Stunde, als es in meinem Ohr piept.

„Ich werde eine Runde laufen“, vernehme ich Alex Stimme. Ich schaue auf und sehe, wie er von seinem Hochsitzt herabsteigt und den künstlich angelegten Strand entlangläuft.

Ich kommentiere Alex Worte nicht, da es mich auch nicht wirklich interessiert was er tut. Denn alles was mich interessiert ist, dass ich diesen Job hier erledigen kann und so meinen Chefs beweise, dass ich keinen Partner brauche.

„Ich bin gewarnt wurden, dass du stur bist, Lydia. Doch dass es so schlimm ist, hätte ich nicht gedacht“, ertönt erneut Alex Stimme. Als ich wieder nichts darauf erwidere, höre ich Alex leise seufzen. „Mir ist bewusst, dass du nicht mit mir arbeiten willst, aber momentan kannst du nichts dagegen tun. Also versuche bitte wenigstens etwas kooperativer zu sein.“

„Ich bin doch mit dir hier“, antworte ich erbost. „Und jetzt hör mit dem Gelaber auf und tue einfach deinen Job, ja. Es ist schon schlimm genug, dass ich dich jetzt an der Backe habe, also lass wenigsten deine Predigten.“

„Du weißt ganz genau, warum du mich an der Backe hast“, antwortet er. „Also hör auf mir die Schuld für deine Fehler zu geben.“

„Meine Fehler?“, fauche ich.

„Habe ich den Tod einer 8 jährigen zu verschulden, oder du, hm?“

Ich glaube jetzt hackt es. Als wenn ich die Kleine getötet hätte. Also wirklich.

Was kann ich denn bitte dafür, dass Kinder dumm sind und sich immer und immer wieder zu irgendwelchen bescheuerten Mutproben hinreißen lassen. Ich habe dem Mädchen schließlich nicht gesagt, dass sie in das Spukhaus gehen soll, nur um zu beweisen, dass sie cool ist. Das waren ihre sogenannten Freunde, also trifft die eher die Schuld als mich. Ich habe schließlich versucht zu helfen.

Ok gut, ich fühle ich mich mies. Und ja, wäre ich schneller gewesen, dann hätte ich der Kleinen vielleicht sogar das Leben retten können, aber was kann ich denn bitte dafür, wenn ich im Stau stecken bleibe. Meine Chefs hätten ja ihre Beziehungen spielen können und den Verkehr so regeln, dass ich pünktlich am Haus angekommen wäre. Doch das tat ich nicht und so konnte ich nur noch die Leiche der 8 jährigen bergen und ihre Mörderin, eine Redcap, ist noch immer auf freiem Fuß. Doch die werde ich schon noch bekommen.

„Mit einem Partner an deiner Seite, wäre es nicht so weit gekommen, Lydia“, sagt Alex. Ich kann ihn momentan nicht sehen, also muss er wohl am Südende des Strands sein. Warum, weiß ich nicht, denn momentan ist nur die Ostseite des Sees zum Baden freigegeben. Naja. Vielleicht will er auch nur schauen, ob nicht irgendwer sich reingeschlichen hat und denkt, dass er kostenlos baden kann – auch wenn es gefährlich ist. Aber Menschen neigen ja nun mal dazu, die Gefahr zu suchen.

„Mit einem Partner wäre der Stau auch nicht schneller vorbeigewesen. Also Laber keinen Stuss.“

„Du bist echt unverbesserlich.“

„Und du eine Nervensäge!“

Wie soll ich mich auf meine Arbeit konzentrieren, wenn ich die ganze Zeit über von meinem Partner abgelenkt werde. Denken die Chefs überhaupt einmal nach, bevor sie irgendwelche wahnwitzigen Änderungen vornehmen? Scheinbar nicht.

„Es wäre für dich einfacher, wenn du mich nicht als Strafe, sondern als eine Art Versicherung ansehen würdest. Ich bin schließlich nicht hier um dich zu überwachen, sondern um dir Rückendeckung und Sicherheit zu geben. Außerdem hat jeder Inquiso einen Partner, also beschwer dich nicht, dass du nach zwei Jahren der Einsamkeit, jemanden an deine Seite gestellt bekommen hast. Das war eh nur eine Frage der Zeit.“

„Wirklich schön gesagt.“ Meine Stimme trieft nur so vor Sarkasmus. „Hast du lange an dieser Rede gefeilt?“ Alex will gerade was erwidern, doch ich komme ihm zuvor. „Vergiss es. Ich will keine Antwort darauf. Denn was auch immer du sagst, für mich fühlt sich unsere Partnerschaft eher so an, als würde ich überwacht werden und nicht, als seien wir gleichgestellt. Und jetzt konzentriere dich bitte auf deine Aufgabe, denn du willst doch bestimmt nicht, dass jemand während deiner Schicht stirbt, oder? Nicht das du auch noch einen Aufpasser bekommst und wir dann zu dritt sind.“ Schließlich ist einer von der Sorte, schon einer zu viel.

„Du tust mir fast schon leid“, sagt Alex, dann bricht er die Verbindung ab und lässt mich mit meinen Gedanken wieder alleine.

Hoffentlich kann ich bald hier weg.
 

~~*~~
 

Weitere Stunden vergehen und nichts passiert. Naja, bis auf zwei junge Frauen, die sich wegen eines anderen Bademeisters in die Haare bekommen haben und eine kleine Schlammschlacht, nur halt mit Sand, angezettelt haben – zu der sich dann eine weitere junge Frau dazugesellte. Ich konnte nur den Kopf wegen dieser Banalität schütteln.

Weitere Badegäste räumen ihre Sachen ein und verlassen den Badesee. Und so sind jetzt nur noch ein paar Jugendliche, die 4 köpfige Familie von vorhin, die mit der Handybesessenen Älteren und der Meerjungfrau lieben jüngeren Tochter, sowie Alex, meine Wenigkeit und ein anderer Bademeister. Und auch die Sonne hat sich bereits verabschiedet, dennoch ist es noch warm. Alex tauscht einen kurzen Blick mit mir aus. Ich verstehe und fange an, so langsam auch meine Sachen einzupacken. Er wird die letzten Badegäste gleich rausschmeißen – natürlich auf die nette Art.

Die Frau, die mit ihrer Familie nur ein paar Meter von mir entfernt ist, ruft nach ihrer jüngeren Tochter, die noch als einzige im Wasser ist. Doch das Mädchen hört die Rufe ihrer Mutter scheinbar nicht, denn sie zeigt keinerlei Reaktion und schwimmt fröhlich weiter.

„Georgina“, schreit die Frau nun ihren Namen und geht in Richtung des Wassers.

Ich konzentriere mich wieder darauf meine Sachen einzupacken, als ich ein Kreischen der Frau vernehme. Ich schaue auf und folge dem Blick der Frau. Ihre Tochter taucht immer wieder unter Wasser, nur dass sie das nicht freiwillig tut. Sie wird nach unten gezogen.

Alex wirft mir einen schnellen Blick zu, nickt, rennt dann ins Wasser und schwimmt zu der Stelle, an der das Mädchen verschwunden ist. Sie kommt nicht mehr nach oben.

Die Mutter der Kleinen und auch ihr Vater wollen zu ihrer Tochter ins Wasser, doch der andere Bademeister hält sie zurück. Und so nutze ich die Abgelenktheit der drei aus und renne ebenfalls ins Wasser. Ich kann Alex schließlich nicht alleine gegen das Schattenwesen kämpfen lassen, immerhin muss ja auch einer die Kleine aus dem Wasser ziehen.

Ich schwimme so schnell ich kann und erreiche nach nicht mal einer Minute die Stelle, an der Alex und das Mädchen verschwunden sind. Ich tauche unter und suche nach den beiden. Glücklicherweise ist das Wasser des Sees klar und so kann ich die beiden auch recht schnell ausfindig machen.

Alex umgreift die Hüfte der Kleinen und tritt mit dem Fuß nach dem Schattenwesen, besser gesagt nach der Undine. Die Dämonin die einer Meerjungfrau ähnelt, hat sich an den Knöcheln des Mädchens festgekrallt und zieht sie so immer tiefer nach unten. Ihre spitzen Zähne leuchten im Wasser und das bedeutet für Alex und mich, dass wir nicht mehr viel Zeit haben.

Sobald eine Undine ihre Zähne zeigt, deutet das an, dass sie bereit ist zuzubeißen und ihre Beute zu verschlingen. Und sollte das erst einmal hier geschehen, dann wird es für Alex und mich fast unmöglich sein, die Kleine lebend zu bergen.

Das wird nicht passieren!

Ich werde nicht schon wieder jemanden sterben lassen!

Ich schwimme weiter nach unten und an Alex vorbei, genau auf die Undine zu. Mit beiden Armen greife ich nach den Klauen der Dämonin und schaffe es, dass sie ihren festen Griff um den Knöchel des Mädchens löst. Sofort greift Alex sich die Kleine und schwimmt mit ihr an die Wasseroberfläche. Mit einem lauten Schrei beobachtet die Undine, wie ihre Beute davonschwimmt und stürzt sich kurz darauf auf mich.

Mit ihren Krallen schlägt sie um sich und trifft mich gleich beim ersten Mal am Arm. Doch die Wunde ist zum Glück nicht tief.

Dass die aggressiven Angriffe nicht ihren gewünschten Erfolgt erzielen, macht die Undine nur noch wütender, denn jetzt peitscht sie auch mit ihrem Schwanz nach mir und es gelingt mir nur knapp, diesem zu entgehen. Ich muss vorsichtiger werden, denn sollte sie mich mit ihrem Schwanz treffen, so würden die Karten sehr schlecht um mich stehen.

Das Gebrüll der Undine löst eine kleine Unterwasserwasserhose aus und schleudert mich durch das Wasser. Ich verliere die Orientierung und darum bin nicht mehr in der Lage, meine Arme und Beine zu koordinieren. Dann trifft mich etwas am Kopf und meine Sicher verschleiert sich.

Ich bin am Grund des Sees angekommen, wo ich mit meinem Kopf gegen einen Stein geknallt bin. Meine Benommenheit für sich nutzend, umwickelt die Undine meinen Körper mit ihrem Schwanz und drückt mir so die nur noch spärlich vorhandene Luft aus den Lungen.

Zwar kann ich länger als die meisten Menschen die Luft anhalten, aber bei der Kraft der Undine, habe auch ich nicht gut lachen. Noch dazu dröhnt mein Kopf.

Mein Körper wird zerdrückt! Und die Zähne der Undine, kommen meinem Hals immer näher.

Das ist nicht gut, absolut nicht gut.

Wenn nicht gleich ein Wunder geschieht, dann wird es das gleich mit mir gewesen sein. Aber zumindest konnte ich der Kleinen helfen, auch wenn das nicht wirklich ein Trost ist, immerhin hatte ich nicht vorgehabt so schnell zu sterben. Zumindest nicht, bevor ich nicht den Mörder meiner Eltern ausfindig gemacht und getötet habe.

Meine Gebete werden erhört, denn Alex erscheint nun auch auf dem Grund des Sees. In seiner Hand blitzt ein Messer auf, welcher er der Undine in die Brust rammt – doch leider hat es das Herz verfehlt. Die Undine lässt mich los und ich ergreife meine Chance, ziehe das Messer aus der Brust der Dämonin heraus und ramme es sofort wieder hinein, diesmal aber auf die rechte Seite, wo sich ihr Herz befindet.

Mit einem lauten Schrei, der nicht nur den Dreck des Bodens aufwirbelt, sondern auch weitere Unterwasserwasserhosen verursacht, zieht sich die Undine wie ein Embryo zusammen. Kurz darauf treibt ihr toter Körper friedlich im Wasser.

Der Spuk ist endlich vorbei.

Alex greift erst nach meinem Arm und dann mit seinem anderen, nach dem der Undine. Dann schwimmt er mit uns beiden im Schlepptau nach oben, wo ich, froh an der Oberfläche angekommen zu sein, erst einmal röchelnd nach Luft schnappe. Ich befreie mich sofort aus Alex Griff und schwimme den Rest, bis ich am rettenden Ufer angekommen bin, alleine weiter. Dort ziehe ich mich an Land und bleibe erleichtert liegen – zwischenzeitlich immer mal wieder nach Luft hustend.

Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Alex ebenfalls an Land kommt und noch immer die Undine festhält. Neben mir lässt er sie fallen und schaut auf mich herab.

„Alles ok bei dir?“, fragt er und ich nicke ihm zu. Zu mehr bin ich gerade nicht im Stande, da ich immer noch damit beschäftigt bin, dass ich wieder genug Luft zum Atmen bekomme.

„Wie geht es der Kleinen?“, frage ich und drehe mich auf den Rücken. Am Himmel haben sich mittlerweile Wolken gebildet und die Wärme der Sonne ist fast komplett verschwunden. Mein Körper zittert vor Kälte, aber auch, weil ich gerade so noch, mit dem Leben davon gekommen bin.

„Es geht ihr gut. Max hat einen Krankenwagen gerufen und kümmert sich um alles Weitere. Er ist uns Dankbar, weil wir einen weiteren Todesfall verhindert haben und die Besitzer somit den See nicht schließen müssen. Und das er seinen Job behalten kann“, fügt er hinzu.

„Sehr gut“, erwidere ich. Das bezieht sich aber nur auf die Kleine, denn alles andere interessiert mich nicht – und ist auch nicht so wichtig. Was aber wichtig ist, ist, dass ich trockene Klamotten bekomme und einen heißen Kakao, oder Tee. Auf jeden Fall ein heißes Getränk, damit ich wieder richtig warm werde.

„Lass uns zurück zum Auto gehen und dann den Körper der Undine abliefern.“ Alex reicht mir seine Hand und hilft mir beim Aufstehen.

Und so verlassen wir schweigend den Nereide-See und machen uns auf den Weg zu unserem hiesigen Inquiso-Hauptquartier.
 

~~*~~
 

Das Inquiso Hauptquartier sieht nicht gerade pompös aus, genau genommen sieht es ziemlich heruntergekommen aus. Doch der erste Eindruck trügt, denn das Innere des Gebäudes, ist modern eingerichtet und hat alles, was das Herz begehrt – zumindest wenn man auf all das Zeug steht. Ich tue es nicht, aber ich verbringe ja auch nicht sehr viel Zeit hier. Da sieht es bei Vanessa schon anders aus.

Die 36 jährige Frau ist für die Verteilung der Aufträge zuständig und auch dafür, dass wir anständiges Equipment bekommen – sollten wir welches brauchen. Sie redet im Allgemeinen nicht viel, doch wenn sie was sagt, dann hat es Hand und Fuß. Und schüchtert sogar die Erfahrensten Inquiso ein.

Alex und ich haben die Eingangstür richtig passiert, da winkt uns Vanessa schon zu sich. Sobald wir bei ihr angekommen sind, wirft sie erst einen Blick zu der toten Undine, dann zu Alex und mir.

„Ist alles glatt gelaufen?“, will sie wissen und reicht Alex das Formular für unseren Bericht.

Das ist eine der Vorteile einen Partner zu haben – und in meinem Fall auch der einzige – nämlich das ich den Papierkram nicht mehr machen muss. Alex hat sich von vornherein dazu bereiterklärt es zu tun. Und wer bin ich denn schon, ihm dies abzuschlagen. Er greift nach den Papieren und verlässt dann den Infotresen – Vanessas Domizil – und nimmt den Körper der Undine mit. Gut so, denn die Gute hatte schon angefangen zu stinken.

„Alles bestens“, beantworte ich Vanessas Frage. Denn wenn sie eines nicht mag dann ist es, wenn man ihr nicht antwortet. „Und es verlief auch ohne irgendwelchen Vorkommnissen.

„Und was ist das dort an deiner seitlichen Schläfe?“

Ich berühre mit meinen Fingern die angegebene Stelle an meinem Kopf und zucke zusammen, als sich ein stechender Schmerz bemerkbar macht, den ich vorher gar nicht wahrgenommen hatte.

„Es ist nichts“, sage ich und hoffe, dass das Thema somit beendet ist. Glücklicherweise sieht Vanessa das auch so, denn sie erwidert nichts darauf, sondern nickt nur.

„Dann kannst du jetzt gehen.“ Damit ist für Vanessa die Konversation beendet, denn sie widmet sich wieder ihren Unterlagen zu, die überall auf ihrem Tisch verteilt liegen. Also Ordnung ist was anderes.

Ich beschließe den Rückzug anzutreten und mir nur noch schnell einen Becher Tee aus der Küche zu holen, bevor ich wohl nach Hause gehen und mir dort was Leckeres zum Abendessen kochen werde. Und so steige ich die Treppen ins zweite Stockwerk hoch und biege gleich nach links ab, wo sich die geräumige Küche befindet. Zu meinem Glück ist niemand gerade hier.

Ich greife nach dem Wasserkocher und stelle ihn an, nachdem ich etwas Wasser reingefüllt habe. Es dauert nicht lange, dann ertönt das leise Signal dass das Wasser fertig ist und ich gieße es mir in einen der Thermobehälter um. Einen Teebeutel noch dazu, sowie einen Spritzer Zitrone und schon bin ich fertig.

Leider komme ich nicht weit, denn Paria, eine andere Inquiso betritt die Küche, bevor ich sie verlassen kann. Sobald sie mich sieht, erstrahlt ihr Gesicht. Sie kommt zu mir und umarmt mich freudig.

„Schön dich mal wieder zu sehen, Lydia“, sagt sie und setzt sich auf einen der runden Tische. Sie greift in eine der Keksdosen und holt sich eine Waffel heraus, von der sie genüsslich abbeißt. „Dich bekommt man irgendwie nur noch schwer zu Gesicht. Hast du etwa so viel Arbeit, dass du nicht mal mehr Zeit hast, um an den Infoterminen teilzunehmen?“

Ich nehme nicht an ihnen teil, weil sie langweilig sind. Und weil ich nicht gerne mit so vielen Menschen in einem engen Raum eingeschlossen sein will.

„Ja. Ich habe sehr viel zu tun“, antworte ich und mache einen weiteren Schritt in Richtung Flur.

„Und wie läuft es mit deinem neuen Partner?“

Ich bleibe mitten in der Tür stehen, drehe mich wieder zu Paria um und werfe ihr einen meiner fiesesten Blicke zu. Doch leider zeigt der bei ihr keine Wirkung.

„Bestens!“

„Das glaube ich dir nicht. Nicht, bei dem Gesicht das du ziehst.“

„Dafür kann ich nichts“, erwidere ich und seufze.

„Ich verstehe dich echt nicht, Lydia“, sagt Paria und steht endlich vom Tisch auf. Andere wollen darauf schließlich noch was essen. Sie kommt zu mir, legt einen ihrer Arme um meine Schulter und läuft dann mit mir wieder nach unten in die Lobby. „Jeder andere Inquiso würde sich darüber freuen, wenn er Alex als Partner an die Seite gestellt bekommen hätte, doch du, die ihn letztlich bekommen hat, ziehst ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter. Dabei ist er Perfekt. Er sieht gut aus, hat gute Manieren und weiß sich auch zu benehmen. Doch am aller wichtigsten ist, dass er einer der besten Inquiso ist die es gibt, abgesehen natürlich von dir und mir.“

Natürlich.

„Du kannst gerne mit mir tauschen, wenn du willst. Ich gebe ihn sehr gerne her.“ Paria lacht.

„Glaube mir, ich würde wirklich gerne mal mit ihm arbeiten, aber das kann ich Ina nicht antun. Darüber hinaus, würde ich sie niemals ersetzen und schon gar nicht durch einen Mann.“

„Es sagt ja auch keiner, dass du mit ihm in die Kiste springen sollst.“

„Das wird auch niemals passieren.“

Irgendwie bewundere ich Parias und Inas Beziehung. Sie arbeiten zusammen, sie leben zusammen und ich habe noch nie gehört, dass es bei den beiden Stress gab. Es muss wirklich schön sein, wenn man jemanden an der Seite hat dem man vertraut. Doch leider bedeutet das auch, dass man verwundbarer ist. Und ich habe nicht vor, jemals wieder jemanden zu verlieren, der mir etwas bedeutet. Und genau aus diesem Grund, will ich auch keinen Partner.

„Da bist du ja“, vernehme ich Alex Stimme. Er steht unten neben an der Eingangstür angelehnt an der Wand und scheint wohl auf mich gewartet zu haben. Sobald er Paria wahrnimmt, grüßt er sie. „Guten Abend Paria“, sagt er und hebt, der freundlichen Geste wegen, die Hand.

„Einen wunderschönen guten Abend, Alex“, grüßt meine langjährige Rivalin zurück und grinst dabei wie ein Honigkuchenpferd. „Es ist wie immer eine Freude dich zu sehen.“

„Na wenigstens eine die sich freut“, antwortet er und sieht herausfordernd zu mir.

Ich habe den Wink verstanden, keine Angst.

Aber ich werde den Teufel tun und darauf eingehen. Das ist mir echt zu blöd. Alex schüttelt den Kopf und stößt sich von der Wand ab.

„Ich habe gehört ihr habt die Undine unschädlich gemacht?“

„Haben wir. Aber es war ganz schön knapp. Nicht wahr, Lydia?“ Alex sieht mich an, doch ich wende meinen Blick ab.

„Wenn du das sagst.“ Als wenn ich ihm jemals zustimmen würde.

„Hier ist übrigens dein Scheck.“ Alex reicht mir einen kleinen weißen Umschlag. Ich nehme ihn entgegen ohne reinzusehen und packe ihn in meine Tasche. „Wir sehen uns dann morgen, Lydia. Paria…“ Er greift nach der rechten Hand von ihr und gibt ihr einen Handkuss. „Es war auch für mich eine Freude dich wieder zu sehen.“ Dann dreht er sich um und verlässt das Hauptquartier.

Schleimer!

Paria kichert und zieht mich dann ebenfalls durch die Tür hindurch.

„Ich bringe dich nach Hause, Lydia. Dein Auto ist doch immer noch in der Werkstatt, oder?“

„Ja. Leider!“, sage ich und folge dann Paria zum Parkplatz.
 

~~*~~
 

Ich sitze gemütlich mit meinem Abendessen auf meiner Couch und schaue nebenbei einen Krimi. Doch so wirklich beachte ich das Geschehen in der Flimmerkiste nicht, denn seien wir mal ehrlich. Ich habe auf Arbeit schon genug Action. Aber da nichts Besseres kommt und ich kein Freund von Ruhe bin, muss es eben sowas sein.

Der vermummte Killer verfolgt gerade eine leicht beschwipste Blondine, durch die leeren Straßen einer Kleinstadt und in einer seiner Hände blitzt das Blutverschmierte Messer auf, mit dem er schon Zwölf weitere junge Frauen ermordet hat. Tüchtig, tüchtig der Gute.

Meine Augen gehen immer wieder zu und irgendwann erliege ich der Müdigkeit und schlafe auf meinem Sofa ein.

„Sag Papa, was ist das für ein Symbol?“ Ich zeige auf einen Kreis, dessen eine Seite Schwarz und die andere Weiß ist. Außerdem haben beide einen Punkt, in der anderen Farbe in sich.

„Das Symbol steht für Yin und Yang“, erklärt er. „Es bedeutet so viel wie: einander entgegengesetzte und dennoch aufeinander bezogene Kräfte. Versteht du was das bedeutet?“

Ich schüttle meinen Kopf.

„Nein!“

Mein Papa setzt sich zu mir und streichelt mir über den Kopf.

„Dann denk nach, Lydia. Was kann nicht ohne sein Gegenstück existieren?“

„Hm“, überlege ich. Dann fällt mir ein passendes Beispiel ein. „Du und Mama“, sage ich und bin froh, dass mir etwas eingefallen ist.

„Ja. Deine Mama und ich.“ Mein Papa lächelt. „Aber eigentlich meine ich eher sowas wie, Tag und Nacht. Gut und Böse. Hell und Dunkel. Sonne und Mond.“

„Verstehe. Aber was bedeutet es für uns?“ Mit großen Augen schaue zu meinem Papa.

„Für euch? Nun, es steht für das Gleichgewicht. Für das Gleichgewicht unserer Welt.“

Ich öffne meinen Mund um eine weitere Frage zu stellen, als die Tür zu unserer Wohnung aufgerissen wird und Mama erscheint. Ihre Haare sehen zerzaust aus und an ihrer Kleidung klebt Blut. Mit großen Augen starre ich sie an, dann schreie ich laut auf, als eine Faust aus Mamas Brust herausragt.

Mein Papa drückt mich hinter einen Schrank.

„Bleib“, flüstert er und steht dann schnell auf. Nach einer winzigen Handbewegung von ihm, fällt ein Schutz um den Schrank herum und verschleiert so meine Anwesenheit.

Papa und Mama haben das schon oft gemacht. Eigentlich immer, wenn wir bei ihr sind und von jemanden Besuch bekommen.

Mama fällt zu Boden und keine Sekunde später ist jemand hinter Papa und beißt ihm in den Hals.

Mit einem lauten Knall fällt er zu Boden und seine toten Augen treffen genau auf meine schreckgeweihten. Ich schreie erneut laut auf.

„Neeeein….!“

„Neeeein….!“ Ich schrecke auf und schaue mich orientierungslos in meinem Wohnzimmer um. Dann klopft es an meiner Haustür und ich zucke vor Schreck zusammen.

Mit vorsichtigen Schritten gehe ich zu meiner Haustür und spicke durch den Spion. Alex steht davor. Erleichtert seufzend, öffne ich die Tür.

„Was ist los?“, frage ich ihn und fahre mir mit meiner linken Hand durch die Haare, während die Rechte noch immer die Türklinke fest umklammert hält.

„Es gibt erneut einen toten Obdachlosen“, sagt er und drängt sich in meine Wohnung hinein. Ich seufze und folge ihm in mein Wohnzimmer. „Vanessa hat versucht dich anzurufen, doch du bist nicht rangegangen, also wollte sie, dass ich dich abhole. Alles ok bei dir?“ Alex sieht mich besorgt an.

„Alles ok.“ Ich nehme mein Handy vom Tisch. Auf dem Display stehen 5 verpasste Anrufe. Drei von Vanessa und zwei von Alex.

Woher hat er meine Nummer? Ah, wahrscheinlich von Vanessa. Ich lege das Handy wieder zurück und gehe dann in mein Schlafzimmer.

„Wir sollen den Fall übernehmen.“ Alex beobachtet mich, wie ich in meinem Schlafzimmer verschwinde und bleibt – zu seinem Glück – vor der Tür stehen. „Was machst du denn jetzt noch?“

„Ich ziehe mich um. Oder glaubst du ich werde in meinen Wohlfühlklamotten zu einem Tatort fahren?“

„Wir sind eh schon zu spät dran“, meckert Alex.

„Jetzt hetz mich nicht. Außerdem ist es ja nicht so, als wenn uns das Opfer weglaufen würde.“ Ich ziehe mir einen anderen Pullover an und steige in eine frische Jeans. Dann kämme ich mir noch schnell das Haar und binde einen Pferdeschwanz. Noch etwas Deo und schon stehe ich frisch vor Alex. „Na komm schon!“

Alex schüttelt nur den Kopf und folgt mir dann stillschweigend.



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