futoumei ningen von Anemia (invisible human) ================================================================================ Kapitel 7: Dachboden -------------------- Ich öffne meine Augen und starre in die tiefe Dunkelheit. Okay, ich bin in meinem Zimmer, es ist alles gut. Es ist alles in Ordnung. Dennoch rast mein Herz noch immer, als wäre es das nicht, während ich zwischen Erleichterung und all den hässlichen Gefühlen und rasenden Gedanken hin und her geschleudert werde wie ein Spielball. Denn meine Empfindungen sind immer noch bei diesem schrecklichen Massaker. Blut, Blut, so viel Blut. Aber schlimmer als die sterbenden Menschen zu sehen war die Angst vor denjenigen, die das Grauen über die Stadt brachten. Eine leise Stimme in meinem Inneren flüsterte mir, dass ich einer der nächsten sein würde und ich ihnen hilflos ausgeliefert sein würde. Nur ein Traum. Wie fühlt sich der Tod an? Ich traue dem Nichts danach nicht. Wie oft habe ich dagesessen, an die Wand gestarrt und darüber philosophiert? Und wie oft überkam mich die Panik dabei? Einfach zu verschwinden. Nicht mehr zu sein. Diese Dinge sprengen meine Vorstellungskraft. Ich bin kein besonders lebensbejahender Mensch. Ich bin zudem jemand, der Tod, Gewalt und Grauen für seinen Humor missbraucht und sogar etwas Ästhetisches in diesen drei Aspekten sieht. Ich mag Horror. Aber nur, wenn ich mich nicht selbst in Gefahr wähne. Aber meine Träume sind so realistisch, und meistens sind es Albträume. Man sagt, dass man diese bekommt, wenn man nachts friert, aber ich glaube nicht daran. Ich friere nämlich nicht. Zumindest nicht körperlich. Innerlich schon. Mir ist kalt. Und deswegen greife ich nun instinktiv nach Hippo-chan, meinem Beschützer und Tröster. Sora könnte ich in solch einer Situation niemals wecken gehen. Er würde mich auslachen, auch wenn er es insgeheim nicht so meint. Aber es gibt Dinge, die kann einem ein bester Freund nicht geben. Noch nicht mal ein großer Bruder. Es gibt Dinge, die kann mir am ehesten Hippo-chan geben. Vielleicht, weil er nicht sprechen kann. Vielleicht, weil er so weich und anschmiegsam ist. Ich besitze ihn seit Ewigkeiten, und Sora meint, er würde stinken und bald in seine Einzelteile zerfallen, aber ich höre nicht darauf. Ich brauche ihn, auch wenn mir das oft peinlich ist. Oft hasse ich es, wenn mich jemand berührt, aber ab und zu kommt es mir so vor, als würde ich genau das brauchen: Eine Berührung. Weil mir innerlich kalt ist. Wenn die Albträume zurückkehren. Ich schließe die Augen, auch wenn ich mir sicher bin, dass ich noch lange nicht wieder einschlafen kann. Ich bin mir noch nicht einmal sicher, ob ich überhaupt wieder einschlafen und riskieren will, dass die Albträume zurückkommen. Sie zeigen mir zu deutlich, wie hilflos ich bin. Dass ich im Grunde meines Herzens tatsächlich ein kleines Kind geblieben bin, das sich nur manchmal in dem gerümpeligen Dachboden namens Kopf versteckt hält. In der Nacht ist es besonders stark. Genau wie all die Monster, die die Welt für mich bereithält. Selbst Hippo-chan kann sie nicht besiegen, ganz egal wie oft ich seufzend mein Gesicht in seinem weichen Pelz vergrabe. Ich bin in meinem überquellenden Dachboden ganz allein. Und ich werde dies immer sein, da bin ich mir inzwischen sicher.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)